Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 09. Juni 2011 - 5 Sa 509/10

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2011:0609.5SA509.10.0A
09.06.2011

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 09.09.2010, Az. 2 Ca 646/10, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 52-jährige Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.01.1986 als Sachbearbeiter zu einem Monatsgehalt von € 3.880,00 brutto beschäftigt. Im März 2010 war der Kläger Mitglied des Wahlvorstandes, der die Betriebsratswahlen im Betrieb der Beklagten vorbereitete.

3

Im Jahr 2008 stand der Kläger unter erheblichem mentalem Druck, der aus der Trennung von seiner Ehefrau im Juni 2008 und der sich daraus erwachsenden Auseinandersetzung um das Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Sohn resultierte. Infolgedessen unterzog sich der Kläger Ende Juli/Anfang August 2008 einer dreiwöchigen ambulanten psychologischen Behandlung. Im Dezember 2008 erlitt der Kläger einen „Zusammenbruch“ und war bis Mitte 2009 arbeitsunfähig krank. Vom 29.03. bis 02.06.2010 befand sich der Kläger aufgrund einer schweren depressiven Episode in klinischer Behandlung; insoweit wird auf den medizinischen Befundbericht des A. Klinikums H. vom 01.09.2009 verwiesen (Bl. 138 ff. d. A.). Im Rahmen des streitigen Umgangsrechts betreffend den am 24.09.1996 geborenen Sohn des Klägers verfasste die Diplom-Psychologin S. im Auftrag des Familiengerichts E. ein Gutachten, in welchem sie auch auf die psychische Erkrankung des Klägers einging (Bl. 80 - 107 d. A.). Seit Mitte 2009 wies die Beklagte dem Kläger die Stelle des PCN-Koordinators zu. In dieser Funktion war der Kläger zuständig für Benachrichtigungen über die Änderungen an Produktionsverfahren. Seit Anfang 2010 unterstützt der Kläger zudem den Projektleiter. Vorgesetzte des Klägers ist die Prokuristin v. d. B..

4

Am 08.02.2010 führten der Geschäftsführer F. und die Zeugin v. d. B. in Anwesenheit der Zeugin R. mit dem Kläger wegen dessen anzüglicher Bemerkungen gegenüber seinen Kolleginnen ein Personalgespräch. Der Kläger wurde aufgefordert, derartige Bemerkungen zu unterlassen. Am 10.02.2010 verließen die Prokuristin v. d. B. sowie die Mitarbeiterinnen F. und P. gemeinsam das Großraumbüro. Als auf die Frage des Kollegen V., wer von den Kolleginnen denn noch anwesend sei, sich die Zeugin P. meldete, kommentierte der Kläger dies mit den Worten: „Besser eine Frau mit Charakter als drei Schlampen!“ Für diese Äußerung erhielt der Kläger eine Abmahnung vom 10.02.2010 (Bl. 34 d. A.).

5

Am 25.02.2010 kündigte der Kläger seinen im Großraumbüro anwesenden neun Kolleginnen und Kollegen mit, dass er, sobald die Prokuristin v. d. B. erscheine, „eine Bombe platzen lassen werde“. Die Kolleginnen und Kollegen sollten auf jeden Fall bleiben. Als die Vorgesetzte des Klägers sodann gegen 13:40 Uhr das Büro betrat, hielt der Kläger dieser zwei Medikamentenbehältnisse vor und fragte sie, ob sie die Gegenstände kenne. Nachdem die Zeugin v. d. B. dies verneint hatte, erklärte der Kläger, dass sie diese Gegenstände bei dem bei der Tochtergesellschaft K. Supply Chain angestellten Zeugen S. vergessen habe, als sie bei diesem eine Nacht verbracht habe. Denn ihr Auto habe die ganze Nacht vor dessen Einfahrt gestanden, was Zeugen bestätigen könnten. Zudem bemerkte der Kläger, dass Herr S. HIV-positiv sei und ihr, Frau v. d. B., somit klar sein müsse, was „sie sich damit eingefangen habe“.

6

Die Zeugin v. d. B. informierte hierüber sogleich den Personalleiter der Beklagten sowie den weiteren Geschäftsführer der Beklagten, Herrn S., woraufhin der Kläger umgehend von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt wurde. Frau v. d. B. und Herr S. erstatteten wegen der Äußerungen des Klägers Anzeige bei der Polizei in B. M..

7

Mit Schreiben vom 01.03.2010 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Klägers. Mit Schreiben vom 03.03.2010 stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zu.

8

Mit Schreiben vom 03.03.2010 - dem Kläger am gleichen Tage ausgehändigt - kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos.

9

Hiergegen hat der Kläger am 05.03.2010 vor dem Arbeitsgericht Lübeck Kündigungsfeststellungsklage erhoben.

10

Der Kläger hat behauptet,

11

seine Vorgesetzte, Frau v. d. B., habe ihm gegenüber bestätigt, dass sie bei Herrn S. übernachtet habe. Dies habe auch Herr S. dem Kläger bestätigt und erklärt, Frau v. d. B. habe wegen Schneefalls das Grundstück des Herrn S. nicht verlassen können, auch habe sie die der Vorgesetzten von dem Kläger am 25.02.2010 vorgehaltenen Medikamente bei Herrn S. vergessen. Des Weiteren hege Frau v. d. B. bereits seit 2005 eine stete Abneigung gegen ihn. Zudem sei er nach seiner Rückkehr nur mit Hilfstätigkeiten und nicht auslastend beschäftigt worden. Als ihm dann die Unterstützung des Projektleiters übertragen worden sei, habe die Zeugin v. d. B. gegen ihn intrigiert. Sie wolle ihn „loswerden“. Dies sei der eigentliche Kündigungsgrund.

12

Der Kläger hat sich nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung weder gegenüber der Beklagten noch gegenüber der Krankenkasse arbeitsunfähig gemeldet. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld.

13

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die unstreitigen Äußerungen des Klägers am 25.02.2010 stellten einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar. Es habe sich um eine Beleidigung gegenüber seiner Vorgesetzten gehandelt. Dass sich die strittige Äußerung nicht nur in der Kundgabe einer abfälligen, ehrverletzenden Äußerung (mit dem Zeugen S. Geschlechtsverkehr gehabt zu haben) erschöpft habe, sondern darüber hinaus auch noch die Zeugin v. d. B. in Angst und Schrecken versetzen sollte (HIV-infiziert), lasse die Beleidigung als schwerwiegend erscheinen. Zudem sei die Beleidigung bewusst und gezielt vor möglichst vielen Arbeitskollegen ausgesprochen worden. Unerheblich sei, ob die Zeugin v. d. B. tatsächlich bei dem Zeugen S. übernachtet habe. Denn die Beleidigung folge aus der unstreitig herabwürdigenden und missachtenden Art und Weise der Äußerung vor versammelter Mannschaft. Der Beklagten sei es auch unter Berücksichtigung der 24-jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers nicht zumutbar, den Kläger weiter zu beschäftigen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund des Personalgesprächs vom 08.02.2010 sowie der Abmahnung vom 10.02.2010. Auch die privaten Schwierigkeiten und die dadurch hervorgerufenen psychischen Probleme könnten nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden. Diese hätten keinen nachvollziehbaren Bezug zu dem vorliegenden Kündigungssachverhalt. Die psychischen Probleme in 2008 und 2009 seien nicht geeignet, die Handlungen des Klägers zu rechtfertigen oder gar zu entschuldigen oder auch nur in einem milderen Lichte erscheinen zu lassen.

15

Gegen dieses ihm am 29.09.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.10.2010 beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese am 19.11.2010 begründet.

16

Der Kläger trägt vor,

17

dass die von der Beklagten gerügten Verhaltensweisen krankheitsbedingt und nicht nur krankhaft gewesen seien. Die Beklagte habe von seiner psychischen Erkrankung Kenntnis gehabt, denn Frau v. d. B. habe ihn beim Fachdienst Gesundheit des Kreises O. angezeigt. Aus dem ärztlichen Befundbericht des A. Klinikums H. vom 01.09.2009 ergebe sich eindeutig, dass er aufgrund einer schweren depressiven Episode nicht eigenverschuldet in die Position gerückt sei, sein Umfeld adäquat zu behandeln. Er habe unter einer Persönlichkeitsstörung gelitten. Da kein verantwortliches Verhalten seinerseits vorgelegen habe, sei die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt gewesen. Er habe schuldlos gehandelt. Der Kläger beruft sich diesbezüglich auch auf die im Laufe dieses Prozesses abgegebenen ärztlichen Befundberichte der Psychiaterin und Psychotherapeutin H.-A. vom 31.08.2010 (Bl. 78 f. d. A.) sowie vom 16.12.2010 (Bl. 163 ff. d. A.).

18

Der Kläger beantragt,

19

das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 09. September 2010, Az. 2 Ca 646/10, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund fristloser Kündigung vom 03. März 2010 mit sofortiger Wirkung endete.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Beklagte verteidigt

23

das angefochtene Urteil. Die dem Kläger zur Last gelegten gravierenden Pflichtverstöße habe dieser unstreitig begangen. Die Beklagte bestreitet, dass das Verhalten des Klägers vom 25.02.2010 krankheitsbedingt gewesen sei. Der Inhalt des Arztberichtes vom 16.12.2010 werde in Frage gestellt. Die Ärztin habe über den Zustand des Klägers zum Zeitpunkt des Kündigungsvorfalles nur Mutmaßungen angestellt. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht an einer bipolaren, affektiven Störung gelitten. Folgerichtig habe der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren auch keine psychischen Krankheitsbilder offenbart. Hiergegen spreche auch der Umstand, dass der Kläger gegen seine Vorgesetzte zielgerichtet vorgegangen sei. In dem Abschlussbericht der A.-Klinik vom 01.09.2009 sei festgehalten, dass beim Kläger kein Anhalt für Befürchtungen, Zwänge, Wahn, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen vorliege und dass der Kläger in einem ausreichend stabilisierten Zustand entlassen worden sei. Im Übrigen habe die Vorgesetzte des Klägers, die Zeugin v. d. B., gegen den Kläger zwar Strafanzeige bei der Polizei erstattet, habe aber den Fachdienst Gesundheit des Kreises O. weder am 15.02. noch am 24.02.2010 kontaktiert. Es sei weder ihr noch den kündigungsberechtigten Personen der Beklagten bekannt gewesen, dass es sich bei dem Kläger um möglicherweise krankhaftes Verhalten handele.

24

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 14.04.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

25

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 2 lit. c; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

26

In der Sache selbst hat die Berufung indessen keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.

27

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsfeststellungsklage zu Recht abgewiesen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann und soll deshalb auf die zutreffenden Entscheidungsgründe auf Seite 5 bis 10 verwiesen werden, zumal der Kläger sich mit dieser Begründung in der Berufungsinstanz auch nicht auseinander setzt. Lediglich zur Ergänzung und auf die Einwände des Klägers in der Berufungsinstanz eingehend sei noch auf Folgendes hingewiesen:

28

1. Der unstreitige Vorfall vom 25.02.2010 erweist sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB. Das Verhalten des Klägers ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Grobe Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber, dessen Repräsentanten, dem unmittelbaren Vorgesetzten oder auch einem Kollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Treuepflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung an sich geeignet eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG Urt. v. 10.12.2009 - 2 AZR 534/08 -, AP Nr. 226 zu § 626 BGB; BAG Urt. v. 21.01.1999 - 2 AZR 665/98 -, AP Nr. 151 zu § 626 BGB; BAG Urt. v. 26.05.1977 - 2 AZR 632/76 -, AP Nr. 5 zu § 611 BGB „Beschäftigungspflicht“). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beleidigung in ihrer Beharrlichkeit eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens, der betrieblichen Ordnung und des reibungslosen Betriebsablaufs verursacht. Ungeachtet dessen, ob die Zeugin v. d. B. - wie vom Kläger am 25.02.2010 behauptet - bei dem Zeugen S. übernachtet hat oder nicht, erweisen sich die Äußerungen (Unterstellungen) des Klägers aufgrund der konkreten Umstände und der süffisanten Diktion als grobe Beleidigung. Der Kläger hat nicht nur eine Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern wollte gezielt die Zeugin v. d. B. bloßstellen, indem er (vermeintliche) Intimitäten der Zeugin in deren Anwesenheit der Öffentlichkeit, d. h. den übrigen Kollegen, preisgibt. Der Kläger hat nicht nur die Zeugin selbst auf ihren vermeintlichen Aufenthalt bei dem Zeugen S. angesprochen, sondern Wert darauf gelegt, dass dies alle Kollegen der Abteilung auch mitbekommen. Zudem hat er der Zeugin durch seine Anspielungen erkennbar unterstellt, ein sexuelles Verhältnis mit dem Zeugen S. zu haben. Die Anspielung auf die (vermeintliche) HIV-Infektion des Zeugen S. ist als besonders perfide zu bewerten. Dem Kläger ging es dabei erkennbar nicht um die Tatsachenmitteilung, sondern einzig und allein um die Diffamierung der Zeugin v. d. B.. Im Übrigen hat der Kläger in der Berufungsinstanz den Wahrheitsgehalt seiner strittigen Äußerungen vom 25.02.2010 auch nicht weiter aufrechterhalten oder unter Beweis gestellt. Das Berufungsgericht geht mithin davon aus, dass die Behauptungen jeder Tatsachengrundlage entbehren. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die angebliche Aids-Erkrankung des Zeugen S.. Der Kläger hat mithin nicht nur ihm bekannt gewordene Intimitäten der Zeugin v. d. B. ausgeplaudert, sondern auch noch gelogen, nur um die Zeugin „vorzuführen“, sie zu beleidigen und zu verleumden und um sich selbst auf deren Kosten wichtig zu machen.

29

2. Insgesamt hat der Kläger die Zeugin nicht nur „bloßgestellt“, sondern im höchsten Maße und damit grob beleidigt. Da der Kläger bereits einschlägig ermahnt und auch abgemahnt worden war, musste die Beklagte ferner davon ausgehen, dass der Kläger derartige schwere Vertragsverletzungen auch künftig begehen werde. Hiervon geht der Kläger in der Berufungsbegründung selbst aus, indem er vorträgt, dass er aufgrund einer Persönlichkeitsstörung nicht habe anders handeln können.

30

3. Auch im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung war es der Beklagten nicht zumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen.

31

a) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe am 25.02.2010 aufgrund der psychischen Erkrankung schuldlos seine arbeitsvertraglichen Treue- und Loyalitätspflichten verletzt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger Anfang 2010 an einer bipolaren affektiven Störung, d. h. einer manisch-depressiven Erkrankung, litt und sich am 25.02.2010 in einer manischen Phase befand, sodass er die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens nicht erkennen und sein Verhalten nicht steuern konnte. Denn die Art und Weise der Beleidigung seiner Vorgesetzten war derart grob und hatte zudem Außenwirkung, so dass es der Beklagten nicht zumutbar war, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen.

32

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer uneingeschränkt anschließt, bildet zwar bei der verhaltensbedingten Kündigung der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers im Rahmen der Interessenabwägung ein wichtiges, oft das wichtigste Abgrenzungskriterium. Deshalb können verhaltensbedingte Gründe eine außerordentliche Kündigung in der Regel nur dann rechtfertigen, wenn der Gekündigte nicht nur objektiv und rechtswidrig, sondern auch schuldhaft seine Pflichten aus dem Vertrag verletzt hat (BAG Urt. v. 21.01.1999

33

- 2 AZR 665/98 -, a. a. O., m. w. Rspr.-Nachw.). Wie die Betonung des Regel-/Ausnahmeverhältnisses zeigt, kann indessen auch ein schuldloses Verhalten des Arbeitnehmers unter besonderen Umständen den Arbeitgeber zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigen.

34

Im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 KSchG unterscheidet der Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB nicht zwischen verhaltensbedingten, personenbedingten bzw. betriebsbedingten Kündigungsgründen. Erwähnt wird die durch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers veranlasste außerordentliche Arbeitgeberkündigung lediglich in § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Regelung der Frage der Vergütung. Hier unterscheidet der Gesetzgeber aber ausdrücklich danach, ob die Arbeitgeberkündigung wegen eines Umstandes erfolgt, den der Arbeitnehmer zu vertreten oder nicht zu vertreten hat. Entsprechend dem in § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB normierten allgemeinen Grundsatz erhält der vorleistungspflichtige Arbeitnehmer im Falle einer außerordentlichen Kündigung eine seinen bisherigen Leistungen entsprechende Teilvergütung. Demgegenüber entfällt dieser Teilvergütungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer durch sein vertragswidriges und damit auch schuldhaftes Verhalten den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung veranlasst hat und die bisherigen Arbeitsleistungen aufgrund der vorzeitigen Beendigung für den Arbeitgeber ohne Interesse sind, § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB (ErfK/Müller-Glöge, 11. Aufl., Rn. 10 zu § 628 BGB). Auch der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB setzt eine durch vertragswidriges und schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers veranlasste außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber voraus (ErfK/Müller-Glöge, 11. Aufl., Rn. 14, 15 zu § 628 BGB). Wenn aber bei der Vergütungsfrage in § 628 Abs. 1 BGB die fristlose Arbeitgeberkündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) wegen eines schuldlosen vertragswidrigen Arbeitnehmerverhaltens (Satz 1) neben der Kündigung wegen eines schuldhaften vertragswidrigen Verhaltens (Satz 2) geregelt ist, so lässt dies den Schluss zu, dass im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB auch ein unverschuldetes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers jedenfalls ausnahmsweise einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen kann. Deshalb entspricht es der Gesetzeslage, wenn die Rechtsprechung bei der Prüfung verhaltensbedingter Kündigungsgründe (Beleidigung etc.) ein Verschulden des Arbeitnehmers nicht stets für erforderlich gehalten, sondern nur bei der vorzunehmenden Interessenabwägung berücksichtigt hat (BAG Urt. v. 21.01.1999 - 2 AZR 665/98 -, a. a. O.).

35

Das Verschulden des Arbeitnehmers stellt mithin nur im Regelfall ein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen verhaltensbedingter und personenbedingter Kündigung dar. Zwar wird normalerweise dann, wenn der Arbeitnehmer sich anders verhalten kann, aber nicht anders verhalten will, ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund und im umgekehrten Fall, wenn der Arbeitnehmer sich krankheitsbedingt nicht anders verhalten kann, ein personenbedingter Kündigungsgrund naheliegen. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. So kann das Fehlen der fachlichen Eignung als personenbedingter Kündigungsgrund durchaus persönlich vorwerfbar sein, wenn sich der Arbeitnehmer etwa die erforderliche fachliche Eignung schuldhaft nicht verschafft oder durch Fortbildungsmaßnahmen nicht aufrecht erhalten hat (Rüthers/Henssler, ZfA 1988, 31, 44). Umgekehrt kann ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers die betriebliche Ordnung bzw. die im Betrieb einzuhaltenden Sicherheitsvorschriften derart nachhaltig stören, dass dem Arbeitgeber eine Aufrechterhaltung dieses Zustandes selbst dann nicht zumutbar ist, wenn dem Arbeitnehmer seine Vertragspflichtverletzung nicht vorwerfbar ist (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Aufl., Rn. 6 zu § 133). Gefährdet etwa der Arbeitnehmer durch sein Fehlverhalten die Sicherheit des Betriebes oder stört durch fortlaufende Tätlichkeiten, schwerste Beleidigungen etc. schwerwiegend die betriebliche Ordnung, so muss der Arbeitgeber unter Umständen äußerst schnell hinreichende Maßnahmen ergreifen, um ein weiteres derartiges Fehlverhalten, das eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers unzumutbar macht, durch eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit diesem Arbeitnehmer zu unterbinden. Für die oft nur durch Sachverständigengutachten mögliche Klärung der Frage, ob der Arbeitnehmer für sein Fehlverhalten auch voll verantwortlich ist, bleibt in derart gravierenden Fällen oft keine Zeit mehr. Das für die Abgrenzung zwischen verhaltensbedingter und personenbedingter Kündigung maßgebliche Schwergewicht der Störung liegt in solchen Fällen auch nicht in einer - bei langjähriger ordnungsgemäßer Arbeitsleistung oft fraglichen - fehlenden Eignung des Arbeitnehmers, sondern allein in den verschuldeten oder unverschuldeten Pflichtverstößen des Arbeitnehmers, die für die Zukunft weitere derartige Pflichtverstöße in einem unzumutbaren Ausmaß erwarten lassen. Gerade die Erkenntnis, dass auch der verhaltensbedingte Kündigungsgrund zukunftsgerichtet ist und deshalb die verhaltensbedingte Kündigung keinen Sanktionscharakter hat, legt es schließlich nahe, bei der Abgrenzung, ob zu erwartende Arbeitspflichtverletzungen des Arbeitnehmers seine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen, von dem eher systemfremden Erfordernis abzusehen, es müsse ohne jede Einschränkung stets ein Verschulden des Arbeitnehmers vorliegen (BAG Urt. v. 21.01.1999 - 2 AZR 665/98 -, a. a. O.).

36

bb) Ein solcher Ausnahmefall, dass fortlaufend drohende erhebliche Vertragspflichtverletzungen auch ohne Verschulden einen verhaltensbedingten wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen, lag hier vor. Der Kläger hatte bereits vor dem 25.02.2010 seine Vorgesetzte als auch seine Kollegen immer wieder durch anzügliche Bemerkungen und Schimpfworte in erheblicher Weise vor der gesamten Belegschaft beleidigt, sodass er bereits am 08.02.2010 ermahnt und am 10.02.2010 abgemahnt werden musste. Diese arbeitsrechtlichen Maßnahmen fruchteten indessen nicht. Denn der Kläger unterließ - wie der Vorfall vom 25.02.2010 zeigte - die groben Beleidigungen nicht. Die Beklagte konnte es nicht länger hinnehmen, dass der Kläger durch sein vertragswidriges Verhalten das Betriebsklima nachhaltig beeinträchtigt und die Autorität seiner Vorgesetzten in der Art und Weise untergräbt. Die Beklagte musste sich auch zudem schützend vor die Belegschaft stellen. Denn wer, wie der Kläger, immer wieder Vorgesetzte und Kollegen distanzlos und ohne Grund in ehrabschneidender Weise beschimpft, gefährdet die betriebliche Ordnung und den Betriebsfrieden. Auch vor dem Hintergrund der psychischen Erkrankung des Klägers, wovon die Berufungskammer überzeugt ist, war es der Beklagten nicht zumutbar, den Kläger auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Kläger weder vor noch nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bereit oder in der Lage war, sich einer Therapie zu unterziehen oder sich gar krankschreiben zu lassen, sondern sich für arbeitsfähig hielt. Soweit ersichtlich hat er sich erstmals am 05.08.2010 und damit kurz vor dem Kammertermin in psychotherapeutische Behandlung begeben.

37

b) Die Interessenabwägung musste aber auch ansonsten zu Lasten des Klägers ausfallen. Dies gilt auch angesichts des Alters des Klägers (52 Jahre alt), dessen langer Betriebszugehörigkeit (seit 1986) und der Unterhaltspflichten gegenüber seinem noch minderjährigen Sohn. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz der Ermahnung und Abmahnung die groben Beleidigungen fortgesetzt hat und sein vertragswidriges Verhalten damit unberechenbar für die Beklagte war. Die Beklagte konnte die Beleidigungen und sexuell gefärbten Angriffe insbesondere gegenüber der weiblichen Belegschaft nicht weiter hinnehmen. Die Betriebsordnung und der Betriebsfrieden waren durch das unberechenbare Verhalten des Klägers massiv gefährdet, so dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Bestandschutzinteresse des Klägers überwog.

38

4. Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

40

Für die Zulassung der Revision zum Bundesarbeitsgericht bestand keine Veranlassung, § 72 Abs. 2 ArbGG. Es handelte sich um eine Einzelfallentscheidung, die von den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht abwich.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 628 Teilvergütung und Schadensersatz bei fristloser Kündigung


(1) Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Kündigt er, ohne durch vertragswi

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das Dienstverhältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. Kündigt er, ohne durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im Voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des § 346 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.

(2) Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.