Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 28. Feb. 2012 - 3 Sa 473/11

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2012:0228.3SA473.11.0A
bei uns veröffentlicht am28.02.2012

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.11.2011 – 1 Ca 925 d/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Auswirkungen einer Höchstbegrenzungsklausel auf eine Sozialplanabfindung sowie um die Zahlung von Urlaubsgeld.

2

Die 1959 geborene Klägerin gehört seit mehreren Jahren zum Personenkreis der Menschen mit Behinderung und ist ihnen seit 2007 gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX gleichgestellt.

3

Sie stand vom 14.04.1980 bis zum 30.09.2011 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Gemäß Ziffer 8 des Arbeitsvertrages vom 20.04.1980 regelten sich alle gegenseitigen Ansprüche nach den jeweils gültigen Tarifverträgen der Chemischen Industrie Hamburg und den jeweils gültigen Betriebsvereinbarungen (Bl. 32 d. A.). § 17 des Manteltarifvertrages für die Chemische Industrie enthält eine Ausschlussfrist. Danach sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.

4

Mit Datum vom 28.06.2010 wurde im Betrieb der Beklagten eine „Freiwillige Betriebsvereinbarung über einen Rahmeninteressenausgleich und Rahmensozialplan“ geschlossen (Anlage K 1, Bl. 4 – 13 d. A.). Darin heißt es u. a. wie folgt:

5

7. Abfindungsregelungen bei Ausscheiden
Beschäftigte, die betriebsbedingt ausscheiden, erhalten eine Abfindung. Die Abfindung besteht aus einem Abfindungsgrundbetrag und gegebenenfalls hinzukommenden Abfindungserhöhungsbeträgen.

6

7.1 Abfindungsgrundbetrag
Der Abfindungsgrundbetrag wird wie folgt berechnet:
Altersfaktor x Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt.

7

7.2 Abfindungserhöhungsbeträge
7.2.1 Jahresleistung

8

7.2.2 Unterhaltsberechtigte Kinder

9

7.2.3 Schwerbehinderte und Gleichgestellte
Für Beschäftigte mit einer behördlich festgestellten Schwerbehinderung (Grad der Behinderung von wenigstens 50 %) und Gleichgestellte erhöht sich die Abfindung um Euro 4000.

10

7.3 Abfindungshöchst- und Abfindungsmindestbeträge
Die Abfindung ist auf einen Höchstbetrag von 36 Monatsentgelten beschränkt.
…“

11

Am 14.03.2011 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag. Darin vereinbarten sie die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 79.592,-- EUR brutto. Insoweit handelt es sich um den Höchstbetrag von 36 Brutto-Monatsentgelten gemäß Ziffer 7.3 der Betriebsvereinbarung. Die Berechnung ist unstreitig.

12

Mit der vorliegenden Klage vom 12.08.2011 begehrt die Klägerin unter Hinweis auf ihre Schwerbehinderteneigenschaft zusätzlich zu den 36 Brutto-Monatsgehältern den Abfindungserhöhungsbetrag in Höhe von 4.000,-- EUR. Sie hat insoweit stets die Ansicht vertreten, die Höchstbegrenzungsregelung der Betriebsvereinbarung verstoße gegen das AGG, gegen § 75 Abs. 1 BetrVG und Artikel 3 Abs. 1 GG sowie das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung.

13

Ferner begehrt die Klägerin mit ihrer Klagerweiterung vom 23.08.2011 die Zahlung restlichen Urlaubsgeldes für das Jahr 2009 in Höhe von 360,00 EUR brutto.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, die in Ziffer 7.3 der Betriebsvereinbarung festgelegte Kappungsgrenze verstoße nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, ebenso wenig gegen AGG und GG. Derartige Kappungsgrenzen seien zulässig. Ihnen liege die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert seien. Aus der Schwerbehinderung ergebe sich nichts anderes. Die Klägerin werde nicht wegen ihrer Schwerbehinderung diskriminiert. Etwaige Ansprüche auf restliches Urlaubsgeld für 2009 seien in Anwendung der Ausschlussfrist des Manteltarifvertrages für die Chemische Industrie verfallen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils vom 16.11.2011 verwiesen.

15

Gegen dieses der Klägerin am 01.12.2011 zugestellte Urteil hat sie am 13.12.2011 Berufung eingelegt, die am 20.12.2011 begründet wurde.

16

Sie ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Nichtzahlung des in Ziffer 7.2.3 des Sozialplanes geregelten Schwerbehindertenzuschlages verstoße gegen das AGG und benachteilige sie als Schwerbehinderte in unzulässiger Weise. Durch die Kappungsgrenze gehe gerade der Schwerbehindertenzuschlag verloren. Schwerbehinderte seien jedoch besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt. Das werde im Zusammenhang mit der Festlegung der Kappungsgrenze nicht berücksichtigt. Jeder Arbeitskollege ohne Behinderung erhalte auch eine Abfindung von 36 Gehältern, ohne diesen zusätzlichen besonderen Arbeitsmarkterschwernissen ausgesetzt zu sein. Das sei ungerecht. Die Ausschlussfrist erfasse den Urlaubsanspruch nicht. Sie sei der Klägerin gar nicht bekannt gewesen. Außerdem sei sie dadurch einvernehmlich aufgehoben worden, dass ihr Vorgesetzter ihr mitgeteilt habe, sie brauche den Urlaub nicht sofort zu nehmen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 16.11.2011, Az. 1 Ca 925 d/11, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.000,-- EUR brutto sowie weitere 360,-- EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit jeweiliger Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

21

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Es liege weder eine Ungleichbehandlung wegen einer Behinderung noch wegen Alters vor, denn der Abfindungshöchstbetrag behandele alle davon betroffenen Beschäftigten gleich. Die Höchstbetragsklausel diene der gerechten Verteilung der Mittel. Die Betriebsparteien könnten nach der Rechtsprechung frei regeln, welche Nachteile sie ausgleichen wollen. Eine Bevorzugung wegen der Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung sei nicht zwingend geboten. Die Ansprüche auf restliches Urlaubsgeld für 2009 seien verfallen.

22

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

24

Mit ausführlicher überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Zahlungsklage u. a. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts abgewiesen. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

25

I. Der Klägerin steht der geltend gemachte weitere Abfindungsanspruch nicht zu.

26

1. Die Ansprüche der Klägerin aus Ziffer 7 des Sozialplanes vom 28.06.2010 sind erfüllt.

27

a) Die Abfindung ist gemäß Ziffer 7.3 der Betriebsvereinbarung auf einen Höchstbetrag von 36 Brutto-Monatsentgelten beschränkt. Diesen Betrag hat die Klägerin unstreitig erhalten.

28

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Betriebsvereinbarung auch nicht dahingehend auszulegen, dass sich die Höchstbetragsregelung nur auf den in Ziffer 7.1 der Betriebsvereinbarung geregelten Abfindungsgrundbetrag bezieht.

29

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wie Tarifverträge auszulegen. Abzustellen ist deshalb zunächst auf den Wortlaut. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Ferner sind der Gesamtzusammenhang und der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten (BAG vom 12.11.2002 – 1 AZR 632/01 – zitiert nach Juris; BAG vom 02.03.2004 – 1 AZR 272/03 – zitiert nach Juris m. w. N.).

30

bb) Bereits Wortlaut und Wortsinn der Betriebsvereinbarung sind insoweit eindeutig. Die Betriebsparteien haben in Ziffer 7 „die Abfindung“ geregelt und festgelegt, dass sie aus einem Abfindungsgrundbetrag und ggf. hinzukommenden Abfindungserhöhungsbeträgen besteht. In Ziffer 7.3 der Betriebsvereinbarung haben sie sodann abschließend festgelegt, dass „die Abfindung“ auf einen Höchstbetrag von 36 Monatsentgelten beschränkt ist. Damit ist der Gesamtbetrag der Abfindung gemeint. Hätten sie lediglich den „Abfindungsgrundbetrag“ auf einen Höchstbetrag von 36 Brutto-Monatsentgelten beschränken wollen, hätten sie dieses in Ziffer 7.3 der Betriebsvereinbarung entsprechend formulieren müssen und auch entsprechend formuliert. Das ist aber gerade nicht geschehen. Die Betriebsparteien haben vielmehr nach dem Wortlaut der Betriebsvereinbarung im Zusammenhang mit der Festlegung der Kappungsgrenze die uneingeschränkte Eingangsformulierung der Ziffer 7 der Betriebsvereinbarung gewählt und nur von „der Abfindung“ gesprochen. Schon hieraus ergibt sich, dass sich die Höchstbetragsregelung der Ziffer 7.3 auf die Gesamtabfindung, bestehend aus „Abfindungsgrundbetrag“ und „Abfindungserhöhungsbeträgen“ bezieht.

31

Auch aus dem Gesamtzusammenhang lässt sich gerade entgegen der Ansicht der Klägerin nichts anderes entnehmen. Aus der Anordnung der unter Ziffer 7 aufgeführten Abfindungsuntergliederung in Abfindungsgrundbetrag und Abfindungserhöhungsbeträge und der sich erst daran anschließenden Regelung des Abfindungshöchstbetrages ergibt sich eindeutig und zweifelsfrei, dass die Betriebsparteien sich dahingehend entschieden haben, den Höchstbetrag nicht nur auf den Abfindungsgrundbetrag/die Basisabfindung zu beschränken. Sie haben vielmehr alle zusätzlichen Abfindungsleistungen wegen Unterhaltslasten und Schwerbehinderung mit einbezogen.

32

2. Diese Höchstbegrenzung des Sozialplans ist wirksam.

33

Weder der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) noch das AGG noch der allgemeine Gleichheitssatz des Art 1 Abs. 1 GG rechtfertigen einen weitergehenden Abfindungsanspruch. Die Regelung des Höchstbetrags ist rechtlich nicht zu beanstanden.

34

a) Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat darin die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote übernommen (BAG vom 12.04.2011 – 1 AZR 764/09 – zitiert nach Juris, Rz. 11). Eine Benachteiligung „wegen des Vorhandenseins einer Schwerbehinderung“ hat danach zu unterbleiben (§ 75 Abs. 1 BetrVG; § 1 AGG).

35

b) Eine Benachteiligung in diesem Sinne kann in Form einer unmittelbaren oder in Form einer mittelbaren Benachteiligung vorliegen. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt gemäß § 3 Abs. 1 AGG dann vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (§ 3 Abs. 2 AGG).

36

c) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 1 Abs. 1 GG zurückzuführende Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist regelmäßig der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck.

37

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes haben Sozialpläne eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Bei der Ausgestaltung vorgesehener Leistungen stehen den Betriebsparteien erhebliche Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume zu, die Typisierungen und Pauschalierungen einschließen (BAG vom 21.07.2009 – 1 AZR 566/08 – zitiert nach Juris Rz. 13 m. w. N.; BAG vom 21.07.2009 – 1 AZR 899/08 – zitiert nach Juris Rz. 17; BAG vom 12.04.2011 – 1 AZR 764/09 – zitiert nach Juris Rz. 16).

38

bb) Die Betriebsparteien haben bei der Bestimmung der ihrer Meinung nach ausgleichsbedürftigen Nachteile einen Beurteilungsspielraum. Dieser betrifft zum einen die tatsächliche Einschätzung der mit der Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Folgen, die sich regelmäßig nicht in allen Einzelheiten sicher vorhersagen lassen, sondern nur Gegenstand einer Prognose sein können. Eine pauschalierende und typisierende Bewertung der wirtschaftlichen Nachteile ist zumeist unumgänglich. Darüber hinaus haben die Betriebsparteien einen Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Frage, ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern wollen. Im Rahmen ihres Ermessens können sie nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen (BAG vom 12.04.2011 – 1 AZR 764/09 – zitiert nach Juris Rz. 22 m. w. N.).

39

cc) Berechnet sich die Abfindung nach der Dauer der Beschäftigungszeit und dem Verdienst, können die Betriebsparteien eine daraus resultierende überproportionale Begünstigung von Beschäftigten mit langjähriger Betriebszugehörigkeit durch eine Höchstbegrenzung zurückführen, um allen betroffenen Arbeitnehmern eine mit dem Zweck einer Sozialplanabfindung in Einklang stehende verteilungsgerechte Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen einer Betriebsänderung zukommen zu lassen. Einer solchen Kappungsgrenze liegt die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert sind (BAG vom 21.07.2009 - 1 AZR 566/08 – zitiert nach Juris Rz. 14 m. w. N.).

40

d) Hiernach verstößt die vorliegend mit der Höchstbetragsregelung eingeführte Kappungsgrenze nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Gruppenbildung erfolgt hier danach, dass alle von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ab einem bestimmten Höchstbetrag der Abfindung unabhängig von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst gleich behandelt werden. Die Betriebsparteien haben insoweit den Höchstbetrag auf 36 Brutto-Monatsentgelte festgelegt. Unter Berücksichtigung des vorgegebenen Sozialplanvolumens sind sie für alle von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer gleichbleibend davon ausgegangen, dass mit einer derartigen Größenordnung die wirtschaftlichen Folgen der Betriebsänderung substantiell abgemildert werden. Da sie aber gerade nicht alle denkbaren Nachteile entschädigen müssen, ergibt sich aus der zulässigen typisierenden Betrachtungsweise zwar die Folge, dass einzelne Mitarbeiter im Endeffekt immer mal schlechter gestellt sind als andere. Hierbei handelt es sich aber um eine der Härten, die mit jeder Gruppenbildung einhergehen und die bei typisierender Abschätzung wirtschaftlicher Nachteile und deren pauschalierendem Ausgleich nicht vermeidbar sind (BAG vom 21.07.2007 – 1 AZR 566/08 – zitiert nach Juris Rz. 17).

41

e) Vor diesem Hintergrund trifft es zwar zu, dass die Klägerin, anders als andere Schwerbehinderte der Beklagten, letztendlich nicht den Abfindungserhöhungsbetrag für Schwerbehinderte gemäß Ziffer 7.2.3 erhält. Das beruht jedoch ausschließlich auf der von den Betriebsparteien, die nur ein bestimmtes Sozialplanvolumen verteilen konnten, festgelegten Sättigungsgrenze von 36 Monatsgehältern. Ab diesem Höchstbetrag werden alle von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter gleich behandelt. Die damit im konkreten Fall einhergehende Kappung des Schwerbehindertenzusatzbetrages beruht gerade nicht auf der Tatsache, dass die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist. Sie bekommt nicht „wegen“ ihrer Schwerbehinderung den Erhöhungsbetrag nicht, sondern wegen Erreichens der Sättigungsgrenze.

42

Das mag aus der Sicht der Klägerin als ungerecht empfunden werden, ist aber nicht rechtswidrig. Die Klägerin verlangt mit vorliegendem Zahlungsbegehren Gleichbehandlung mit ihren aus dem Sozialplan begünstigten schwerbehinderten Arbeitskollegen. Die Betriebspartner können bei der Aufstellung eines Sozialplans den Kreis der Schwerbehinderten, denen sie Sonderleistungen zukommen lassen wollen, anders abgrenzen als das Schwerbehindertengesetz, sofern diese andere Abgrenzung nicht willkürlich ist (BAG vom 19.04.1983 – 1 AZR 498/81 – zitiert nach Juris Rz. 26). Im vorliegenden Fall haben die Betriebsparteien im Rahmen ihres Regelungsspielraumes eine vom Schwerbehindertengesetz abweichende, zulässige andere Abgrenzung in dem Sozialplan vorgenommen, indem sie Abfindungserhöhungsbeträge nicht von der Höchstbetragsregelung ausgenommen, sie vielmehr in diese einbezogen haben. Hierdurch ist für alle Arbeitnehmer mit Anspruch auf Abfindungserhöhungsbeträge, für die sich ein Höchstbetrag von mehr als 36 Monatsentgelten ergibt, eine gewisse Härte entstanden. Das gilt sowohl für Menschen mit Behinderung als auch für Menschen mit Unterhaltspflichten. Diese Härte ergibt sich jedoch aus dem vorgegebenen begrenzten Sozialplanvolumen und ist sachlich vertretbar.

43

f) Die Klägerin wird, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, auch nicht wegen ihrer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung unmittelbar oder mittelbar diskriminiert. Sie erhält den Erhöhungsbetrag nicht, weil ihr Sozialplananspruch ansonsten den vorgegebenen Höchstbetrag überschreitet. Die Höchstbetragsklausel differenziert nicht nach der Schwerbehinderung. Die Klägerin wird genauso behandelt wie nichtschwerbehinderte Menschen. Sie wird auch genauso behandelt, wie Menschen mit unterhaltsberechtigten Kindern, deren Abfindungsanspruch aber den Höchstbetrag nach Ziffer 7.3 von 36 Monatsentgelten überschreitet. Auch hieraus ergibt sich das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der §§ 1, 3 Abs. 1 und 2 AGG.

44

II. Die Klägerin hat auch keinen durchsetzbaren Anspruch mehr auf Zahlung von restlichem Urlaubsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 360,-- EUR brutto.

45

Die Forderung ist verfallen, da sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit bei der Beklagten schriftlich geltend gemacht wurde. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag Urlaubsgeldansprüche für 2009 erstmalig mit Klagerweiterung vom 12.08.2011 schriftlich geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war die dreimonatige Ausschlussfrist des § 17 MTV bereits lange verstrichen. Es fehlt jegliches Vorbringen, ob und ggf. wann sie jemals gegenüber der Beklagten vor Klagerhebung einen Anspruch auf Zahlung von restlichem Urlaubsgeld für 2009 geltend gemacht hat. Dass ihr unter Umständen die Existenz einer für sie maßgeblichen Ausschlussfrist unbekannt war, ist unbeachtlich. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin hat sich 30 Jahre lang nach den Bedingungen der Tarifverträge der Chemischen Industrie Hamburg gerichtet. Es oblag ihr, sich über den Inhalt dieser Tarifverträge zur informieren.

46

III. Aus den genannten Gründen war der Berufung der Klägerin der Erfolg versagt. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

48

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.


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Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Apr. 2011 - 1 AZR 764/09

bei uns veröffentlicht am 12.04.2011

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. September 2009 - 3 Sa 640/08 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. September 2009 - 3 Sa 640/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

2

Die 1969 geborene Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 2008 als Kundenberaterin in L beschäftigt. Ihr Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf 3.167,75 Euro.

3

Die Beklagte vermietet Arbeitsbühnen. Sie betrieb zunächst eine Hauptverwaltung in F sowie sechs Regionaldirektionen und beschäftigte bundesweit über 250 Arbeitnehmer. Am 5. Oktober 2007 vereinbarte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Danach sollte ua. die Regionaldirektion L geschlossen werden. In dem Sozialplan sind für den Verlust der Arbeitsplätze Abfindungszahlungen vereinbart. Die Höhe der Abfindung bestimmt sich nach einem Faktor, der mit dem Produkt aus Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsverdienst errechnet wird. Der Faktor beträgt nach Nr. 2.1.1 des Sozialplans bis zum 29. Lebensjahr des Mitarbeiters 80 %, ab dem 30. bis zum 39. Lebensjahr des Mitarbeiters 90 % und ab dem 40. Lebensjahr des Mitarbeiters 100 %.

4

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch eine betriebsbedingte Kündigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 31. März 2008. Diese zahlte der Klägerin eine mit dem Faktor von 90 % errechnete Abfindung in Höhe von 31.199,02 Euro.

5

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stehe eine ungekürzte Abfindung zu. Die Abschläge für jüngere Beschäftigte verstießen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus dem Sozialplan vom 5. Oktober 2007 weitere 3.466,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1. April 2008 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer sei gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG zulässig. Die Differenzierung berücksichtige die sich mit zunehmendem Alter der Arbeitnehmer typischerweise verringernden Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitere Abfindungsleistung in Höhe von 3.466,56 Euro aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG).

10

I. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sind.

11

1. Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat darin die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote übernommen. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG kann dabei unter den in § 10 AGG genannten Voraussetzungen zulässig sein. In diesem Fall ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14 f., AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35). Nach § 10 Satz 1 und 2 AGG ist die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen ihrerseits angemessen und erforderlich sein. Gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG kann eine unterschiedliche Behandlung auch durch eine nach Alter gestaffelte Abfindungsregelung erfolgen, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt werden.

12

2. § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung im Recht der Europäischen Union. Die zur Beurteilung der Wirksamkeit von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG heranzuziehenden Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht geboten ist.

13

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs haben die Mitgliedstaaten sowie ggf. die Sozialpartner auf nationaler Ebene sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum (22. November 2005 -  C-144/04  - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; 16. Oktober 2007 -  C-411/05  - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Dabei darf jedoch nicht der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt werden (EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 17). Die Prüfung, ob die nationale Regelung einem rechtmäßigen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG dient, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für die Frage, ob der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., Slg. 2009, I-1569).

14

b) Hiernach ist § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG durch ein im Allgemeininteresse liegendes sozialpolitisches Ziel des deutschen Gesetzgebers iSd. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt.

15

aa) Dieser hat berücksichtigt, dass die den Arbeitnehmern durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes drohenden Nachteile maßgeblich durch die Aussichten, alsbald einen neuen vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden, bestimmt werden. Mit der Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt typischerweise größere Schwierigkeiten haben als jüngere(BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Dies liegt im allgemeinen sozialpolitischen Interesse und nicht nur im rein individuellen Interesse der Arbeitgeber an einer Kostenreduzierung oder der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit (BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 43, BAGE 131, 61). Ob Letztere allein ausreichend wären, eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, kann deshalb dahinstehen (dazu EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569).

16

bb) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber keine weitergehenden Vorgaben für die Ausgestaltung von Sozialplänen gemacht hat, sondern insoweit den Betriebsparteien erhebliche Gestaltungsspielräume einräumt. Dies ist wegen der im Einzelfall erforderlichen Flexibilität geboten (BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 44, BAGE 131, 61). Am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist allerdings stets zu prüfen, ob die konkret getroffene Regelung den gesetzlichen und unionsrechtlichen Anforderungen entspricht. Danach muss die Sozialplangestaltung geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verfolgte Ziel, älteren Arbeitnehmern wegen deren schlechteren Arbeitsmarktchancen einen höheren Nachteilsausgleich zu gewähren, tatsächlich zu fördern. Die Interessen der benachteiligten Altersgruppen dürfen dabei nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigt werden (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 20, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35).

17

II. Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung des altersbezogenen Faktors in dem Sozialplan nicht zu beanstanden.

18

1. Die Betriebsparteien haben in Nr. 2.1.1 des Sozialplans eine Gruppenbildung vorgenommen, die eine unmittelbare Benachteiligung der Arbeitnehmer wegen des Alters bewirkt. Erst ab dem 40. Lebensjahr erhalten Beschäftigte die volle Abfindung, ab dem 30. bis zum 39. Lebensjahr dagegen nur 90 % und bis zum 29. Lebensjahr nur 80 %.

19

2. Diese Ungleichbehandlung steht jedoch im Einklang mit § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG und ist in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht unverhältnismäßig.

20

a) Der mit dem Altersfaktor verfolgte Regelungszweck ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Sozialplans. Die Sozialplanabfindung errechnet sich zunächst nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit in Jahren multipliziert mit dem Bruttomonatsverdienst. Der sich hieraus ergebende Betrag soll die nach Ansicht der Betriebsparteien bei einem Arbeitsplatzverlust entstehenden wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen. Durch die Verwendung des Altersfaktors haben sie die ihrer Auffassung nach unterschiedlichen Arbeitsmarktchancen der Arbeitnehmer nach Altersgruppen gewichtet. Dies entspricht auch dem üblichen Verständnis solcher Regelungen. Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Zweckbestimmung sind dem Sozialplan nicht zu entnehmen.

21

b) Die Altersgruppenbildung ist geeignet, das Regelungsziel - Ausgleich der erhöhten wirtschaftlichen Nachteile älterer Arbeitnehmer infolge des Arbeitsplatzverlustes - zu fördern.

22

aa) Nach der Senatsrechtsprechung haben die Betriebsparteien bei der Bestimmung der ihrer Meinung nach ausgleichsbedürftigen Nachteile einen Beurteilungsspielraum. Dieser betrifft zum einen die tatsächliche Einschätzung der mit der Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Folgen, die sich regelmäßig nicht in allen Einzelheiten sicher vorhersagen lassen, sondern nur Gegenstand einer Prognose sein können. Bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen hängen die Chancen der einzelnen Arbeitnehmer, überhaupt oder in absehbarer Zeit eine gleichwertige neue Arbeitsstelle zu finden, von einer Vielzahl nicht genau feststellbarer subjektiver und objektiver Umstände ab. Eine pauschalierende und typisierende Bewertung der wirtschaftlichen Nachteile ist daher zumeist unumgänglich (BAG 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 21, BAGE 128, 275). Darüber hinaus haben die Betriebsparteien einen Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Frage, ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern wollen. Im Rahmen ihres Ermessens können sie nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen (BAG 19. Februar 2008 -  1 AZR 1004/06  - Rn. 25, BAGE 125, 366). Der Spielraum schließt typisierende Gestaltungen ein.

23

bb) Die Betriebsparteien durften im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass sich die Arbeitsmarktchancen der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer fortschreitend verschlechtern. Diese dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zugrunde liegende Einschätzung des Gesetzgebers wird durch veröffentlichte Arbeitsmarktzahlen bestätigt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit betrug im Jahre 2007 der Arbeitslosenbestand in den Altersgruppen 25 bis unter 30 Jahre 11,4 %, 30 bis unter 35 Jahre 10,7 %, 35 bis unter 40 Jahre 12,7 %, 40 bis unter 45 Jahre 14,2 %, 45 bis unter 50 Jahre 13,9 % und 50 bis unter 55 Jahre 13,6 % (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit - Arbeitsmarkt 2007 S. 194). Darin zeigt sich - abgehen von dem geringfügigen Rückgang in der Gruppe 30 bis unter 35 Jahre - mit zunehmendem Alter ein stetiger Anstieg am Anteil des Arbeitslosenbestandes. Dieses Ergebnis wird durch die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit nach Altersgruppen untermauert. Im Jahre 2007 belief sich die Durchschnittsdauer der Arbeitslosigkeit in der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen auf 200 Tage, in der Gruppe der 30- bis 34-Jährigen auf 267 Tage, in der Gruppe der 35- bis 39-Jährigen auf 303 Tage, in der Gruppe der 40- bis 44-Jährigen auf 330 Tage, in der Gruppe der 45- bis 49-Jährigen auf 362 Tage und in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen auf 415 Tage (Statistik der Bundesagentur für Arbeit - Durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit nach Altersgruppen 2007). Dies macht deutlich, dass das Risiko des Verbleibs in der Arbeitslosigkeit bereits nach Vollendung des 25. Lebensjahrs in 5-Jahres-Stufen stetig ansteigt.

24

cc) Die Betriebsparteien waren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet, die Arbeitsmarktchancen der vom Arbeitsplatzabbau betroffenen Arbeitnehmer in den einzelnen Regionen konkret zu ermitteln. Im Hinblick darauf, dass bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Chancen der einzelnen Arbeitnehmer, überhaupt oder in absehbarer Zeit eine gleichwertige neue Arbeitsstelle zu finden, von einer Vielzahl nicht genau feststellbarer subjektiver und objektiver Umstände abhängen, war vielmehr eine pauschalierende und typisierende Bewertung der wirtschaftlichen Nachteile zulässig. Die Klägerin hat im Übrigen nicht näher dargelegt, dass die regionalen Unterschiede von solchem Gewicht sind, dass die erfolgte Pauschalierung unvertretbar erscheint.

25

c) Die aus der Altersgruppenbildung resultierenden Unterschiede bei der Bemessung der Abfindung sind angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG. Die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung ist erforderlich, um die sich mit zunehmendem Alter verschlechternden Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder zu mildern. Mit den gewählten Altersgruppen haben sie den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten, sondern das zunehmende Risiko längerer Erwerbslosigkeit in vertretbarer Weise berücksichtigt. Die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, zu welcher auch die Klägerin gehörte, hatte ausweislich der Statistik der Bundesagentur für Arbeit betreffend die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit im Jahre 2007 bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als die Gruppe der Beschäftigten ab dem 40. Lebensjahr. Dies belegen die oben genannten Zahlen. Andererseits hat die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen schlechtere Arbeitsmarktchancen als die Gruppe der bis zu 29-jährigen Arbeitnehmer, so dass diesen gegenüber ein höherer Faktor gerechtfertigt ist. Die Abstufung um jeweils zehn Prozentpunkte berücksichtigt das ansteigende Risiko der Arbeitslosigkeit in angemessener Weise. Dass der Sozialplan innerhalb der Personengruppe, die älter als 40 Jahre alt ist, nicht weiter differenziert, stellt angesichts eines Sozialplanvolumens, das nach der gesetzlichen Konzeption des § 112 BetrVG Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberin zu nehmen hat, die Angemessenheit der Stufung nicht in Frage.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Rath    

        

    Olaf Kunz    

                 

(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.

(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 18. September 2009 - 3 Sa 640/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

2

Die 1969 geborene Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 2008 als Kundenberaterin in L beschäftigt. Ihr Bruttomonatsverdienst belief sich zuletzt auf 3.167,75 Euro.

3

Die Beklagte vermietet Arbeitsbühnen. Sie betrieb zunächst eine Hauptverwaltung in F sowie sechs Regionaldirektionen und beschäftigte bundesweit über 250 Arbeitnehmer. Am 5. Oktober 2007 vereinbarte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Danach sollte ua. die Regionaldirektion L geschlossen werden. In dem Sozialplan sind für den Verlust der Arbeitsplätze Abfindungszahlungen vereinbart. Die Höhe der Abfindung bestimmt sich nach einem Faktor, der mit dem Produkt aus Betriebszugehörigkeit und Bruttomonatsverdienst errechnet wird. Der Faktor beträgt nach Nr. 2.1.1 des Sozialplans bis zum 29. Lebensjahr des Mitarbeiters 80 %, ab dem 30. bis zum 39. Lebensjahr des Mitarbeiters 90 % und ab dem 40. Lebensjahr des Mitarbeiters 100 %.

4

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch eine betriebsbedingte Kündigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 31. März 2008. Diese zahlte der Klägerin eine mit dem Faktor von 90 % errechnete Abfindung in Höhe von 31.199,02 Euro.

5

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr stehe eine ungekürzte Abfindung zu. Die Abschläge für jüngere Beschäftigte verstießen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin aus dem Sozialplan vom 5. Oktober 2007 weitere 3.466,56 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1. April 2008 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer sei gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG zulässig. Die Differenzierung berücksichtige die sich mit zunehmendem Alter der Arbeitnehmer typischerweise verringernden Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

8

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitere Abfindungsleistung in Höhe von 3.466,56 Euro aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG).

10

I. Sozialpläne unterliegen, wie andere Betriebsvereinbarungen, der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle. Sie sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht, wie insbesondere dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sind.

11

1. Arbeitgeber und Betriebsrat haben nach § 75 Abs. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen unterbleibt. § 75 Abs. 1 BetrVG enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der dort aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat darin die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote übernommen. Eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG kann dabei unter den in § 10 AGG genannten Voraussetzungen zulässig sein. In diesem Fall ist auch der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14 f., AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35). Nach § 10 Satz 1 und 2 AGG ist die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen ihrerseits angemessen und erforderlich sein. Gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG kann eine unterschiedliche Behandlung auch durch eine nach Alter gestaffelte Abfindungsregelung erfolgen, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt werden.

12

2. § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung im Recht der Europäischen Union. Die zur Beurteilung der Wirksamkeit von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG heranzuziehenden Grundsätze zum Verständnis und zur Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind durch die jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, so dass ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht geboten ist.

13

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs haben die Mitgliedstaaten sowie ggf. die Sozialpartner auf nationaler Ebene sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung einen weiten Ermessensspielraum (22. November 2005 -  C-144/04  - [Mangold] Rn. 63, Slg. 2005, I-9981; 16. Oktober 2007 -  C-411/05  - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Dabei darf jedoch nicht der Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen des Alters ausgehöhlt werden (EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 33, EzA Richtlinie 2000/78 EG-Vertrag 1999 Nr. 17). Die Prüfung, ob die nationale Regelung einem rechtmäßigen Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG dient, obliegt den Gerichten der Mitgliedstaaten. Gleiches gilt für die Frage, ob der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber angesichts des vorhandenen Wertungsspielraums davon ausgehen durfte, dass die gewählten Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich waren (EuGH 5. März 2009 -  C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 49 ff., Slg. 2009, I-1569).

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b) Hiernach ist § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG durch ein im Allgemeininteresse liegendes sozialpolitisches Ziel des deutschen Gesetzgebers iSd. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt.

15

aa) Dieser hat berücksichtigt, dass die den Arbeitnehmern durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes drohenden Nachteile maßgeblich durch die Aussichten, alsbald einen neuen vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden, bestimmt werden. Mit der Regelung in § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt typischerweise größere Schwierigkeiten haben als jüngere(BT-Drucks. 16/1780 S. 36). Dies liegt im allgemeinen sozialpolitischen Interesse und nicht nur im rein individuellen Interesse der Arbeitgeber an einer Kostenreduzierung oder der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit (BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 43, BAGE 131, 61). Ob Letztere allein ausreichend wären, eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, kann deshalb dahinstehen (dazu EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569).

16

bb) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber keine weitergehenden Vorgaben für die Ausgestaltung von Sozialplänen gemacht hat, sondern insoweit den Betriebsparteien erhebliche Gestaltungsspielräume einräumt. Dies ist wegen der im Einzelfall erforderlichen Flexibilität geboten (BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 44, BAGE 131, 61). Am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist allerdings stets zu prüfen, ob die konkret getroffene Regelung den gesetzlichen und unionsrechtlichen Anforderungen entspricht. Danach muss die Sozialplangestaltung geeignet sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG verfolgte Ziel, älteren Arbeitnehmern wegen deren schlechteren Arbeitsmarktchancen einen höheren Nachteilsausgleich zu gewähren, tatsächlich zu fördern. Die Interessen der benachteiligten Altersgruppen dürfen dabei nicht unverhältnismäßig stark vernachlässigt werden (BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 20, AP BetrVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 35).

17

II. Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung des altersbezogenen Faktors in dem Sozialplan nicht zu beanstanden.

18

1. Die Betriebsparteien haben in Nr. 2.1.1 des Sozialplans eine Gruppenbildung vorgenommen, die eine unmittelbare Benachteiligung der Arbeitnehmer wegen des Alters bewirkt. Erst ab dem 40. Lebensjahr erhalten Beschäftigte die volle Abfindung, ab dem 30. bis zum 39. Lebensjahr dagegen nur 90 % und bis zum 29. Lebensjahr nur 80 %.

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2. Diese Ungleichbehandlung steht jedoch im Einklang mit § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG und ist in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht unverhältnismäßig.

20

a) Der mit dem Altersfaktor verfolgte Regelungszweck ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des Sozialplans. Die Sozialplanabfindung errechnet sich zunächst nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit in Jahren multipliziert mit dem Bruttomonatsverdienst. Der sich hieraus ergebende Betrag soll die nach Ansicht der Betriebsparteien bei einem Arbeitsplatzverlust entstehenden wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen. Durch die Verwendung des Altersfaktors haben sie die ihrer Auffassung nach unterschiedlichen Arbeitsmarktchancen der Arbeitnehmer nach Altersgruppen gewichtet. Dies entspricht auch dem üblichen Verständnis solcher Regelungen. Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Zweckbestimmung sind dem Sozialplan nicht zu entnehmen.

21

b) Die Altersgruppenbildung ist geeignet, das Regelungsziel - Ausgleich der erhöhten wirtschaftlichen Nachteile älterer Arbeitnehmer infolge des Arbeitsplatzverlustes - zu fördern.

22

aa) Nach der Senatsrechtsprechung haben die Betriebsparteien bei der Bestimmung der ihrer Meinung nach ausgleichsbedürftigen Nachteile einen Beurteilungsspielraum. Dieser betrifft zum einen die tatsächliche Einschätzung der mit der Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Folgen, die sich regelmäßig nicht in allen Einzelheiten sicher vorhersagen lassen, sondern nur Gegenstand einer Prognose sein können. Bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen hängen die Chancen der einzelnen Arbeitnehmer, überhaupt oder in absehbarer Zeit eine gleichwertige neue Arbeitsstelle zu finden, von einer Vielzahl nicht genau feststellbarer subjektiver und objektiver Umstände ab. Eine pauschalierende und typisierende Bewertung der wirtschaftlichen Nachteile ist daher zumeist unumgänglich (BAG 11. November 2008 - 1 AZR 475/07 - Rn. 21, BAGE 128, 275). Darüber hinaus haben die Betriebsparteien einen Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Frage, ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder abmildern wollen. Im Rahmen ihres Ermessens können sie nach der Vermeidbarkeit der Nachteile unterscheiden und sind nicht gehalten, alle denkbaren Nachteile zu entschädigen (BAG 19. Februar 2008 -  1 AZR 1004/06  - Rn. 25, BAGE 125, 366). Der Spielraum schließt typisierende Gestaltungen ein.

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bb) Die Betriebsparteien durften im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums davon ausgehen, dass sich die Arbeitsmarktchancen der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer fortschreitend verschlechtern. Diese dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zugrunde liegende Einschätzung des Gesetzgebers wird durch veröffentlichte Arbeitsmarktzahlen bestätigt. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit betrug im Jahre 2007 der Arbeitslosenbestand in den Altersgruppen 25 bis unter 30 Jahre 11,4 %, 30 bis unter 35 Jahre 10,7 %, 35 bis unter 40 Jahre 12,7 %, 40 bis unter 45 Jahre 14,2 %, 45 bis unter 50 Jahre 13,9 % und 50 bis unter 55 Jahre 13,6 % (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit - Arbeitsmarkt 2007 S. 194). Darin zeigt sich - abgehen von dem geringfügigen Rückgang in der Gruppe 30 bis unter 35 Jahre - mit zunehmendem Alter ein stetiger Anstieg am Anteil des Arbeitslosenbestandes. Dieses Ergebnis wird durch die Statistik der Bundesagentur für Arbeit zur durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit nach Altersgruppen untermauert. Im Jahre 2007 belief sich die Durchschnittsdauer der Arbeitslosigkeit in der Gruppe der 25- bis 29-Jährigen auf 200 Tage, in der Gruppe der 30- bis 34-Jährigen auf 267 Tage, in der Gruppe der 35- bis 39-Jährigen auf 303 Tage, in der Gruppe der 40- bis 44-Jährigen auf 330 Tage, in der Gruppe der 45- bis 49-Jährigen auf 362 Tage und in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen auf 415 Tage (Statistik der Bundesagentur für Arbeit - Durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit nach Altersgruppen 2007). Dies macht deutlich, dass das Risiko des Verbleibs in der Arbeitslosigkeit bereits nach Vollendung des 25. Lebensjahrs in 5-Jahres-Stufen stetig ansteigt.

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cc) Die Betriebsparteien waren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet, die Arbeitsmarktchancen der vom Arbeitsplatzabbau betroffenen Arbeitnehmer in den einzelnen Regionen konkret zu ermitteln. Im Hinblick darauf, dass bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen die Chancen der einzelnen Arbeitnehmer, überhaupt oder in absehbarer Zeit eine gleichwertige neue Arbeitsstelle zu finden, von einer Vielzahl nicht genau feststellbarer subjektiver und objektiver Umstände abhängen, war vielmehr eine pauschalierende und typisierende Bewertung der wirtschaftlichen Nachteile zulässig. Die Klägerin hat im Übrigen nicht näher dargelegt, dass die regionalen Unterschiede von solchem Gewicht sind, dass die erfolgte Pauschalierung unvertretbar erscheint.

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c) Die aus der Altersgruppenbildung resultierenden Unterschiede bei der Bemessung der Abfindung sind angemessen und erforderlich iSd. § 10 Satz 2 AGG. Die von den Betriebsparteien vorgenommene Gruppenbildung ist erforderlich, um die sich mit zunehmendem Alter verschlechternden Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder zu mildern. Mit den gewählten Altersgruppen haben sie den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten, sondern das zunehmende Risiko längerer Erwerbslosigkeit in vertretbarer Weise berücksichtigt. Die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, zu welcher auch die Klägerin gehörte, hatte ausweislich der Statistik der Bundesagentur für Arbeit betreffend die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit im Jahre 2007 bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als die Gruppe der Beschäftigten ab dem 40. Lebensjahr. Dies belegen die oben genannten Zahlen. Andererseits hat die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen schlechtere Arbeitsmarktchancen als die Gruppe der bis zu 29-jährigen Arbeitnehmer, so dass diesen gegenüber ein höherer Faktor gerechtfertigt ist. Die Abstufung um jeweils zehn Prozentpunkte berücksichtigt das ansteigende Risiko der Arbeitslosigkeit in angemessener Weise. Dass der Sozialplan innerhalb der Personengruppe, die älter als 40 Jahre alt ist, nicht weiter differenziert, stellt angesichts eines Sozialplanvolumens, das nach der gesetzlichen Konzeption des § 112 BetrVG Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberin zu nehmen hat, die Angemessenheit der Stufung nicht in Frage.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Rath    

        

    Olaf Kunz    

                 

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.