Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 09. Juli 2015 - 3 Sa 462/13

bei uns veröffentlicht am09.07.2015

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 3. September 2010 - 11 Ca 843/10 HBS – und – 11 Ca 844/10 HBS - abgeändert, soweit festgestellt worden ist, dass die Arbeitsverhältnisse der Parteien durch die ordentlichen Kündigungen des Beklagten vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurden.

Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

2. Die Klagen werden, soweit sie gegen die ordentlichen Kündigungen des Beklagten vom 2. März 2010 erhoben sind, abgewiesen.

3. Die in den Verfahren – 11 Ca 843/10 HBS – und – 11 Ca 844/10 HBS - im ersten Rechtszug angefallenen Kosten tragen die jeweils beteiligten Parteien je zur Hälfte.

Von den im Rechtsmittelverfahren angefallenen Kosten trägt der Kläger 15%, die Klägerin 25% und der Beklagte 60%.

Die in den Revisionsverfahren – 6 AZR 420/12 – und - 6 AZR 421/12 – angefallenen Kosten tragen die jeweils beteiligten Parteien zur Hälfte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigungen vom 2. März 2010.

2

Der am … geborene Kläger war seit Beginn der 1990iger Jahre Gesellschafter und teilweise Geschäftsführer von drei Gesellschaften, welche das Hotel in A. betrieben. Die das Hotel tragenden Gesellschaften waren in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, in deren Folge die HR GmbH(im Folgenden: Schuldnerin) den Betrieb des s im Mai 2007 übernahm.

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Unter dem Datum des 1. August 2007 schlossen die Schuldnerin und der Kläger einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag. Der Kläger wurde ab 1. August 2007 als „Mitarbeiter für Verkauf und Gastbetreuung“ eingestellt. Zu diesem Arbeitsvertrag traf der Kläger mit der Schuldnerin unter dem 1. März 2008 sowie unter dem 1. August 2007 jeweils eine Zusatzvereinbarung. Nach der letzten Zusatzvereinbarung belief sich der Monatslohn des Klägers ab 1. Januar 2010 auf 1.029,90 € brutto zuzüglich einem vom Arbeitgeber zur privaten Krankenversicherung des Klägers zu zahlenden Anteil von 72,09 € netto.

4

Die am … geborene Klägerin hatte zusammen mit dem Kläger, ihrem Ehemann, und mehreren Gesellschaften das Hotel in A. betrieben. Mit der Klägerin schloss die Schuldnerin unter dem Datum des 1. Mai 2007 einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag. Danach war die Klägerin ab 1. Mai 2007 als „Mitarbeiterin für Marketing, Grafik und Dekoration“ eingestellt. In § 2 des Arbeitsvertrages ist ein Monatslohn in Höhe von 1.971,41 € brutto vereinbart.

5

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der HR GmbH. Über das Vermögen der HR GmbH hatte das Amtsgericht Magdeburg das Regelinsolvenzverfahren durch Beschluss vom 1. März 2010 – 340 IN 83/10 (351) – eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Termin zur Gläubigerversammlung wurde für den 12. Mai 2010 bestimmt.

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Mit Schreiben vom 02.03.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 30. April 2010. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde ebenfalls durch den Beklagten mit Schreiben vom 02.03.2010 zum 30. April 2010 gekündigt.

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Gegen die Kündigung vom 2. März 210, zugegangen am gleichen Tage, erhob sowohl der Kläger als auch die Klägerin am 23. März 2010 beim Arbeitsgericht Magdeburg Klage mit dem Antrag,

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festzustellen, dass Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung  vom 2.3.2010 nicht beendet ist.

9

Mit jeweils einem weiteren Schreiben vom 20.04.2010 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers und das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich fristlos, weil der Kläger bzw. die Klägerin unter Missbrauch der ihm bzw. ihr von der Schuldnerin zur Verfügung gestellten EC-Karte Privateinkäufe bezahlt habe, der Aufforderung, den Firmenwagen herauszugeben, nicht nachgekommen sei und diesen weiter unberechtigt benutzt habe. Das Kündigungsschreiben wurde dem Kläger und der Klägerin am 21. April 2010 in der mündlichen Verhandlung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung über- geben.

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Mit einer jeweils am 7. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingegangenen Klageerweiterung vom 5. Mai 2010 haben der Kläger und die Klägerin die außerordentliche fristlose Kündigung angegriffen.

11

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, sowohl die außerordentlichen als auch die ordentlichen Kündigungen seien unwirksam. Mit der EC-Karte seien keine privaten Einkäufe getätigt und das Firmenfahrzeug sei nicht für private Fahrten genutzt worden. Bis zur Erstattung der von ihnen für betriebliche Fahrten verauslagten Benzinkosten seien sie nicht zur Herausgabe des Fahrzeuges verpflichtet gewesen. Die Harzsparkasse habe keinen Grund gehabt, ihre Entlassungen zu verlangen.

12

Sowohl der Kläger als auch die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht abschließend beantragt,

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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 noch durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 20. April 2010 aufgelöst worden ist.

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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

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Er hat die Auffassung vertreten, die Kläger könnten sich gegen die Kündigungen schon deshalb nicht zur Wehr setzen, weil sie entgegen der Bezeichnungen in den Arbeitsverträgen keine Arbeitnehmer gewesen seien. Beide hätten ohne Einbindung in die Organisation des Hotelbetriebes frei über ihre Arbeitszeit bestimmt und seien auch sonst nicht dem Direktionsrecht unterlegen gewesen. Bei Unterstellung der Arbeitnehmereigenschaft hätten die außerordentlichen Kündigungen die Arbeitsverhältnisse fristlos beendet. Die ordentlichen Kündigungen seien ebenfalls aus den zur Begründung der außerordentlichen Kündigungen angeführten Umständen sozial gerechtfertigt. Außerdem sei es zur Ermöglichung der Fortführung des Hotelbetriebes unabdingbar gewesen, dem Verlangen der Sparkasse nach Entlassung der Eheleute … zu entsprechen. Die Sparkasse habe die Hotelimmobilie und die Wellnessanlage finanziert. Nach dem Auftreten wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätten die Kläger die weitere Zusammenarbeit mit der Sparkasse verweigert und versucht, einen Schuldenerlass über eine andere Bank zu finanzieren, was nicht gelungen sei. Nach der Kündigung der Geschäftsbeziehung wegen Rückständen und Überziehungen hätten die Kläger alles unternommen, um die Verwertung der Sicherheiten zu verhindern. Aufgrund dieser Ereignisse sei die Sparkasse bei Verbleib der Eheleute … im Betrieb nicht bereit gewesen, eine Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000,00 € abzugeben. Da die Prognose für die Fortführung des Hotelbetriebes. in der Zeit von März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 einen wahrscheinlichen Verlust von 99.100,00 € ergeben gehabt habe, sei die Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse unbedingt erforderlich gewesen. Ansonsten hätte der Hotelbetrieb eingestellt werden müssen. Er (Beklagte) habe versucht, die Sparkasse von ihrer Forderung nach Entlassung der Eheleute … abzubringen. Die Forderung sei jedoch nicht verhandelbar gewesen.

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Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abge-sehen und auf die Darstellung der Tatbestände in den Urteilen des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 3. September 2010 – 11 Ca 843/10 HBS – (S. 2 bis 6 des Urteils = Bl. 178 bis 182 d. A.) und – 11 Ca 844/10 HBS – (S. 2 bis 6 = 173 bis 177 d. A.) verwiesen.

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Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass sowohl das Arbeitsverhältnis des Klägers als auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten weder durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 20. April 2010 aufgelöst worden ist.

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Zur Begründung seiner Entscheidungen hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, der Kläger sei Arbeitnehmer und die Klägerin Arbeitnehmerin der Schuldnerin. Die tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse spreche für die Annahme von Arbeitsverhältnissen. Der Beklagte habe die Sachvorträge der Kläger, sie hätten ihre Arbeitszeit nicht frei einteilen können und seien an Weisungen des Geschäftsführers gebunden gewesen, nicht substantiiert bestritten. Insbesondere sei es deshalb unklar geblieben, welche zeitliche Inanspruchnahme die Tätigkeit der Kläger ausgemacht habe. Der Beklagte habe nicht einmal behauptet, eine im Wesentliche freie Arbeitseinteilung nach Zeit und Ort hätte die Kläger auch für andere Arbeitgeber tätig werden lassen können. Dass die Kläger nicht verpflichtet gewesen seien, das Zeiterfassungsgerät zu bedienen, spreche nicht gegen die Arbeitnehmereigenschaft. Hinzu komme, dass für die Annahme eigener Unternehmerrisiken keine Anhaltspunkte ersichtlich seien. Die fristlosen Kündigungen vom 20. April 2010 seien unwirksam. Selbst wenn der Kündigungsvorwurf, die Eheleute hätten private Einkäufe und Feiern auf Kosten der Schuldnerin abgerechnet, zur Begründung der fristlosen Kündigungen ausreichen würde, könne nach dem Sachvortrag des Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass er die fristlosen Kündigungen innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen habe. Die verweigerte Herausgabe des Firmenwagens durch die Kläger und die gegen den Willen des Beklagten weitere Nutzung des Fahrzeuges rechtfertigten nicht den Ausspruch der fristlosen Kündigungen. Außerdem sei vor dem Kündigungsausspruch der Ausspruch einer Abmahnung nicht entbehrlich gewesen. Die als Druckkündigungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen vom 2. März 2010 seien sozial ungerechtfertigt. Das Verlangen der Sparkasse, die Eheleute … zu kündigen, und die Bereitstellung eines Darlehens davon abhängig zu machen, rechtfertige die Kündigungen selbst dann nicht, wenn zugunsten des Beklagten unterstellt werde, dass ansonsten der Hotelbetrieb der Schuldnerin hätte eingestellt werden müssen. Die soziale Rechtfertigung der Kündigungen als personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen scheitere bereits daran, dass objektive Rechtfertigungsgründe für die Drohung der Mitarbeiter der Harzsparkasse nicht ersichtlich und vom Beklagten nicht vorgetragen worden seien. Die Druckkündigungen seien auch unter dem Gesichtspunkt einer betriebsbedingten Kündigung nicht gerechtfertigt, da nachvollziehbare Gründe, aufgrund derer die Harzsparkasse die weitere Zusammenarbeit mit den Eheleuten … abgelehnt habe, weder ersichtlich noch vorgetragen seien. Das zur Begründung der fristlosen Kündigungen vom Beklagten vorgetragene Verhalten der Kläger vermöge die ordentlichen Kündigungen nicht zu rechtfertigen, weil aus dem Vortrag des Beklagten nicht hervorgehe, welche Pflichtverletzung er dem Kläger und welche er der Klägerin vorwerfe.

19

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 bis 19 des Urteils – 11 Ca 843/10 HBS - (Bl. 183 bis 195 d. A.) sowie des Urteils – 11 Ca 844/10 HBS - (Bl. 178 bis 190 d. A.) verwiesen.

20

Gegen die ihm am 1. November 2010 zugestellten Urteile legte der Beklagte am 24. November 2010 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Berufung ein. Er begründete die Berufungen innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfristen am 24. Januar 2011.

21

Beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt wurde das Berufungsverfahren gegen den Berufungsbeklagten zu 1. unter dem Aktenzeichen – 3 Sa 426/10 – und gegen die Berufungsbeklagte zu 2. unter dem Aktenzeichen – 3 Sa 427/10 – geführt.

22

Der Beklagte hat weiter bestritten, dass die Kläger Arbeitnehmer der Schuldnerin gewesen seien. Die anderslautende Bewertung der Darlegungen der Kläger durch das Arbeitsgericht hat er als falsch gerügt. Er hat die Auffassung vertreten, soweit das Arbeitsgericht hinsichtlich der außerordentlichen Kündigungen meine, dass ein Abmahnungserfordernis gegeben sei, verkenne es die Schwere der Vertragsverletzungen. Davon, dass die Kläger private Einkäufe zu Lasten der Schuldnerin finanziert hätten, habe er erst durch die klägerischen Schriftsätze vom 08.07.2010 erfahren. Folglich sei die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Welche Einkäufe der Kläger und welche Einkäufe die Klägerin getätigt habe, könne er nicht wissen. Das müsse der Kläger bzw. die Klägerin vortragen. Hinsichtlich der Druckkündigungen habe das Arbeitsgericht die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Voraussetzungen verkannt. Nach diesen könne das bloße Verlangen eines Dritten ohne entsprechende Rechtfertigung die Forderung nach einer Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber sich schützend vor den Arbeitnehmer stelle und er das für ihn Zumutbare versuche, um den Dritten von seiner Forderung abzubringen. Das habe er ohne Erfolg getan. Die Forderung der Sparkasse sei nicht verhandelbar gewesen. Hätte er dem Druck der Sparkasse nicht nachgegeben, hätte keine Möglichkeit bestanden, den Hotelbetrieb aufrecht zu erhalten.

23

Der Beklagte hat im Verfahren – 3 Sa 426/10 – am 19.01.2012 beantragt,

24

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 03.09.2010 - 11 Ca 843/10 HBS – abzuändern und die Klage abzuweisen.

25

Hilfsweise hat er beantragt,

26

das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2010 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 1.330,29 € nicht übersteigen sollte, aufzulösen.

27

Der Beklagte hat im Verfahren – 3 Sa 427/10 – am 19.01.2012 beantragt,

28

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 03.09.2010 - 11 Ca 844/10 HBS – abzuändern und die Klage abzuweisen.

29

Hilfsweise hat er beantragt,

30

das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2010 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 2.957,11 € nicht übersteigen sollte, aufzulösen.

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Der Kläger und die Klägerin haben jeder am 19.01.2012 beantragt,

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die Berufung und den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag zurückzuweisen.

33

Die Kläger haben die Entscheidungen des Arbeitsgerichts verteidigt. Sie haben darauf hingewiesen, dass neben den Arbeitsverträgen die über Jahre erteilten Lohnabrechnungen, die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern für ihre Arbeitnehmereigenschaft sprächen. Weisungen an andere Arbeitnehmer der Schuldnerin hätten sie, wenn überhaupt, im Rahmen ihrer Arbeitsaufgabe bzw. mit Zustimmung des Geschäftsführers erteilt. Sie selbst seien den Weisungen des Geschäftsführers unterlegen gewesen und hätten ihre Arbeitszeit, deren Umfang in den Arbeitsverträgen festgelegt sei, nicht frei einteilen können. Die EC-Karte sei nur in Abstimmung mit dem Geschäftsführer bzw. auf dessen Weisung hin genutzt worden. Die Harzsparkasse sei zu keinem Zeitpunkt Geschäftspartner der Schuldnerin gewesen. Die Kläger haben bestritten, dass sich der Beklagte gegenüber der Sparkasse schützend vor sie gestellt habe, dass die Harzsparkasse Verluste der Schuldnerin aus dem fortgeführten ….betrieb finanziere und es zu den Druckkündigungen für den Beklagten keine Alternative gegeben habe.

34

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründungen vom 24.01.2011 und die Schriftsätze des Beklagten vom 14.11.2011 und 09.02.2012 nebst den jeweiligen Anlagen, auf die Berufungsbeantwortungen vom 07.03.2011 und die Schriftsätze der Kläger vom 06.01.2012 und 15.02.2012 sowie auf die Protokolle vom 24.11.2011 und 19.01.2012 Bezug genommen.

35

Gemäß ihrem Beweisbeschluss vom 14. November 2011 und 10. Januar 2012 erhob die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt Beweis durch die Vernehmung von … als Zeugen Beweis. Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf das Protokoll vom 19.01.2012 verwiesen.

36

Durch die Urteile vom 29. März 2012 wies das Landesarbeitsgericht die Berufungen sowie die Auflösungsanträge des Beklagten zurück. Die Revision wurde zugelassen.

37

Wegen der Einzelheiten dieser Urteile wird auf deren Tatbestände und Entscheidungsgründe (Bl. 437 bis 461 d. A. 3 Sa 426/10, Bl. 422 bis 446 d. A. 3 Sa 427/10) verwiesen.

38

Mit den gegen die ihm am 5. April 2012 zugestellten Urteile des Landesarbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht eingelegten Revisionen verfolgte der Beklagte die Abweisungen der Klagen weiter, soweit sie gegen die ordentlichen Kündigungen erhoben waren.

39

Die Revisionen des Beklagten führten zur teilweisen Aufhebung der Urteile des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 29. März 2012 und, soweit die Berufungen des Beklagten gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass die Arbeitsverhältnisse der Parteien durch die ordentlichen Kündigungen vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurden, zur Zurückverweisung der Sachen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht (Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Juli 2013 – 6 AZR 420/12 - und - 6 AZR 421/12 -).

40

Die an das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zurückverwiesenen Rechtsstreite wurden unter dem Aktenzeichen – 3 Sa 462/13 – und 3 Sa 463/13 - geführt.

41

Durch Beschluss vom 18. Februar 2015 hat das Landesarbeitsgericht die beiden Rechtsstreite zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden und angeordnet, dass der Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen – 3 Sa 462/13 – weitergeführt wird.

42

Den Parteien wurde Gelegenheit zur Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens gegeben.

43

Der Beklagte stellt klar, dass die Immobilie, in der das Hotel betrieben worden sei, nicht zur Insolvenzmasse gehört habe. Seine Aufgabe sei es per Gesetz gewesen, dafür zu sorgen, dass die Gläubiger der Schuldnerin gleichmäßig entschädigt würden. Er habe zu prüfen gehabt, ob Hotelbetrieb habe fortgeführt werden können. Diese Prüfung habe ergeben gehabt, dass die Fortführung des Hotelbetriebes bis zum Ende des Jahres 2010 zu Verlusten geführt hätte und damit zur Minderung der Insolvenzmasse. Damit habe zugleich festgestanden, dass der Betrieb stillgelegt werden müsse, wenn es keine zusätzlichen Geldmittel „von außen“ geben würde. Nach seiner Erfahrung habe weder ein Insolvenzverwalter noch ein Betriebsinhaber die Chance, Geldmittel von Dritten für die Fortführung eines Betriebes zu erhalten, welche zu Verlusten führen würde. Allein die Harzsparkasse habe sich aufgrund eigener Interessen zur Unterstützung einer solchen Betriebsfortführung bereiterklärt gehabt. Das Interesse der Harzsparkasse habe wohl darin bestanden, die im Zusammenhang mit der Immobilie gewährten Geldmittel zurückzuerlangen. Allerdings habe die Sparkasse gefordert, dass der Hotelbetrieb ohne die beiden Kläger und den damaligen Geschäftsführer R. fortgeführt werde. Der Beklagte bestreitet, dass vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwischen den Klägern, dem Land Sachsen-Anhalt, der Investitionsbank und der KMU Gespräche stattgefunden hätten. Nach seiner Erinnerung sei das von den Klägern nur versucht worden.

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Der Beklagte beantragt,

45

die Urteile des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 3. September 2010 - 11 Ca 843/10 HBS - und – 11 Ca 844/10 HBS – abzuändern, soweit festgestellt worden ist, dass die Arbeitsverhältnisse der Parteien durch die ordentlichen Kündigungen des Beklagten vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurden, und die Klagen in diesem Umfang abzuweisen.

46

Die Kläger beantragen,

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die Berufungen zurückzuweisen.

48

Die Kläger bestreiten, dass der vom Beklagten behauptete Druck, ihre Arbeitsverhältnisse kündigen zu müssen, bestanden habe. Die Unterstützung durch die Harzsparkasse sei nicht die alleinige Möglichkeit zur Fortführung des Hotelbetriebes gewesen. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe es Gespräche mit dem Land Sachsen-Anhalt, der Investitionsbank und der KMU gegeben. Das Land Sachsen-Anhalt sei bereit gewesen, einen Teil der erforderlichen Mittel (50%) über die Investitionsbank bereitzustellen. Der Beklagte hätte diese Gespräche fortführen können. Es hätte auch ein Käufer gefunden werden können, der die Forderung der Harzsparkasse hätten befriedigen können. Über das Insolvenzgericht, die Gläubigerversammlung und den Gläubigerausschuss hätte auch geklärt werden können, ob die Gläubiger bereit gewesen wären, den Hotelbetrieb für einen bestimmten Zeitraum auch bei zu erwartenden Verlusten weiterzuführen. Der hier maßgebliche Kredit, der Anlass für die Druckkündigungen gewesen sein solle, habe ausschließlich der Ermöglichung der Übertragung des insolventen Unternehmens oder der Erzielung eines höheren Kaufpreises hierfür gedient, der direkt oder mittelbar dem Darlehensgeber zugeflossen sei. Bisher sei nicht geprüft worden, ob die Kündigungen ihrer Arbeitsverhältnisse nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB deshalb unwirksam seien, weil der Beklagte als Insolvenzverwalter im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 1 Satz 1 InsO nur alternativ mit der Abwicklung oder der Übertragung des Unternehmens beauftragt gewesen sei.

49

Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 07.07.2015 und auf das Protokoll vom 09.07.2015 Bezug genommen.

50

Gemäß ihrem Beweisbeschluss vom 9. Juli 2015 hat die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt Beweis durch die (nochmalige) Vernehmung des

51

K. als Zeugen Beweis erhoben. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage wird auf das Protokoll vom 09.07.2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

52

I. Die statthaften Berufungen des Beklagten sind frist- und formgerecht beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und begründet worden (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 lit. b, c u. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520, ZPO). Die Berufungen sind zulässig.

53

II. Die Berufungen sind, soweit sie gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts gerichtet sind, dass die Arbeitsverhältnisse der Parteien durch die ordentlichen Kündigungen des Beklagten vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurden, begründet. Die Urteile des Arbeitsgerichts waren insoweit abzuändern.

54

Im Ergebnis der Beweisaufnahme, in verständiger Würdigung der Aussage des Zeugen K., und unter Berücksichtigung übriger Tatsachen hat die erkennende Kammer die Überzeugung gewonnen, dass die vom Beklagten mit Schreiben vom 2. März 2010 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sind und die Arbeitsverhältnisse der Parteien zum 30. April 2010 beendet haben.

55

1. Der Beklagte hat sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber der Klägerin mit seinem Schreiben vom 2. März 2010 in zulässiger Weise eine ordentliche betriebsbedingte Druckkündigung ausgesprochen.

56

1.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt eine Druckkündigung vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:

57

a) Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen in dessen Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung erklärt (vgl. BAG vom 19.06.1986 – 2 AZR 563/85 – zu B II 2 a der Gründe, AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG vom 04.10.1990 – 2 AZR 201/90 – zu II 1 der Gründe = Rn. 40, AP Nr. 12 zu § 626 BGB Druckkündigung). Eine solche Kündigung wird auch als „unechte Druckkündigung“ bezeichnet. Die Kündigung wird nicht primär wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes (BAG vom 18.07.2013 – 6 AZR 420/12 – zu IV 1 a der Gründe, AP Nr. 14 zu § 626 BGB Druckkündigung).

58

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehlt. Typische Fälle einer solchen „echten Druckkündigung“ sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers (vgl. BAG vom 26.06.1997 – 2 AZR 502/96 – zu B I 3 der Gründe, RzK I 5i Nr. 126; BAG vom 31.01.1996 – 2 AZR 158/95 – zu II 5 a und b der Gründe, AP Nr. 13 zu § 626 BGB Druckkündigung). An die Zulässigkeit einer sog. „echten Druckkündigung“ sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber darf in diesem Fall dem von der Belegschaft oder einem Teil der Belegschaft oder einem Dritten ausgeübten Druck nicht ohne weiteres nachgeben. Er hat sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen und alles Zumutbare zu versuchen, um die Drohung abzuwenden. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist es jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schädigung abzuwenden (vgl. BAG vom 19.06.1986 – 2 AZR 583/85 – zu B II 2 b aa der Gründe, aaO; BAG vom 18.07.2013 – 2 AZR 420/12 – zu IV 1 b der Gründe = Rn. 39, aaO). Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (BAG vom 04.10.1990 – 2 AZR 201/90 – zu II 3 der Gründe = Rn. 43, aaO).

59

1.2. Im vorliegenden Fall beruft sich der Beklagte zur Rechtfertigung der ordentlichen Kündigungen, wie sich aus seinen Vorträgen in den Prozessen ergibt, auf das Verlangen der Harzsparkasse, die Eheleute …, also die beiden Kläger zu kündigen. Damit beruft sich der Beklagte zur sozialen Rechtfertigung beider Kündigungen vom 2. März 2010 auf einen betriebsbedingten Grund, auf einen Sachverhalt, der in Würdigung der Aussage des Zeugen K..zur Überzeugung der erkennenden Kammer feststeht.

60

a) Der Zeuge K. sagte Folgendes aus: Bereits im Rahmen des vorläufigen Insolvenzverfahrens wurde festgestellt, dass bei der Fortführung des Hotelbetriebes der Schuldnerin bis zum Ende des Jahres 2010 ein auf ca. 100.000,00 € geschätztes Defizit eintreten wird. Um den Hotelbetrieb fortführen zu können, stand vor den Mitarbeitern des Beklagten deshalb die Aufgabe, einen externen Geldgeber zu finden. Hierzu war die einzige realistische Möglichkeit eine Nachfrage bei der Harzsparkasse, ob sie die benötigten Geldmittel zur Verfügung stellen würde. Die Harzsparkasse hatte als Grundpfandgläubigerin wegen der Erhaltung des Wertes der Immobilie an der Fortführung des Hotelbetriebes großes Eigeninteresse. Der Wert einer Immobilie kann erfahrungsgemäß nicht erhalten werden, wenn die Immobilie ungenutzt leer steht. Die Harzsparkasse war nur unter der Bedingung, dass die Eheleute ………. und der damalige Geschäftsführer R. nicht weiter beschäftigt würden, bereit die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Dem Beklagten und seinen Mitarbeitern war bewusst, dass durch das Ausscheiden der drei Genannten aus dem Betrieb ein „Loch in der Führung des Unternehmens entstehen“ wird, was die Fortführung des Hotelbetriebes erschweren wird. Diese Bedenken wurden der Harzsparkasse mitgeteilt und deren Vertreter gebeten, die Forderung auf Entlassung der Eheleute … und des Herrn R., noch einmal zu überdenken. Die Vertreter der Harzsparkasse hielten jedoch an der im letzten Gespräch im Februar 2010 gestellten ultimativen Bedingung fest und erklärten diese als nicht verhandelbar. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass die Bedingung erfüllt wird. Bei anderen Banken oder Wettbewerbern der Schuldnerin wurde wegen der benötigten Geldmittel nicht nachgefragt, weil das als aussichtslos eingeschätzt wurde. Auch an die Insolvenzgläubiger wandte sich der Beklagte nicht, weil es außer der Harzsparkasse niemand gab, der ein Eigeninteresse an der Fortführung des Betriebes hatte und in Anbetracht des bestehenden Risikos bereit gewesen wäre, 100.000,00 € dafür zur Verfügung zu stellen.

61

Der Zeuge konnte kein Auskunft darüber geben, ob das von der Harzsparkasse gewährte Darlehen für die Fortführung des Hotelbetriebes nur bis Ende des Jahres 2010 ausgereicht wurde und ob sich der Betrieb ab 2011 selbst getragen hat.

62

 b) Die erkennende Kammer legt ihrer Entscheidung die Aussage des Zeugen K. zugrunde. Begründeten Anhaltspunkte, die an der Glaubwürdigkeit des Zeugen Zweifel aufkommen lassen, sieht das Gericht nicht.

63

In Würdigung der Zeugenaussage steht es zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass sich der Beklagte als Arbeitgeber tatsächlich mit der von der Harzsparkasse ausgegangenen Druckausübung konfrontiert sah und abwägen musste, ob er der Forderung nach Entlassung der beiden Kläger sowie des damaligen Geschäftsführers R. nachgibt oder nicht. Nach der Überzeugung des Beklagten bot die Abgabe einer Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000,00 € durch die Harzsparkasse die einzige realistische Möglichkeit, um den Hotelbetrieb zumindest bis zum Ende des Jahres 2010 fortführen zu können. Diese Einschätzung des Beklagten ist für das Gericht nachvollziehbar. Es ist überzeugend, dass allein die Harzsparkasse, weil sie als Grundpfandgläubigerin den Wert der Immobilie, in der der Hotelbetrieb geführt wird, erhalten wollte, daran interessiert war, dass die Immobilie weiter genutzt wurde und nicht durch Leerstand an Wert verlor. Der Wertverlust der Immobilie hätte sich für die Harzsparkasse als Vermögensverlust niederschlagen. Ebenso nachvollziehbar ist es, dass es für den Beklagten aussichtslos war, bei anderen Banken oder Wettbewerbern der Schuldnerin nachzufragen, ob sie in einen Hotelbetrieb, der in den nächsten Monaten nur mit finanziellem Verlust weiter geführt werden konnte und bei dem nicht absehbar war, ob er sich bzw. ab wann er sich finanziell wieder selbst tragen würde, investieren und damit das hohe Risiko eingehen wollen, ihr Geld zu verlieren. Ohne das Darlehen der Harzsparkasse bzw. deren Verlustübernahmeerklärung bestand mithin keine Möglichkeit, den Betrieb der Schuldnerin fortzuführen. Damit stand der Beschäftigungsbedarf für ca. 54 bis 60 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowie Auszubildende, mithin für die gesamte Belegschaft des Hotelbetriebes infrage. Der Beklagte musste also abwägen, ob er die bei-den Kläger sowie den Geschäftsführer R. weiterbeschäftigt und dadurch die Zielsetzung der sanierenden Insolvenz, für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin die bestmögliche Befriedigung unter Berücksichtigung der Interessen der insolventen Schuldnerin und der grundsätzlich fortbestehenden Rechte ihrer Arbeitnehmer zu erzielen, hintertreibt oder ob er die Forderung der Harzsparkasse erfüllt, dadurch die Arbeitsplätze der im Hotel Beschäftigten zumindest noch für eine bestimmte Dauer erhalten kann und zugleich für die gleichmäßige sowie bestmögliche Befriedigung der Gläubiger der Schuldnerin Sorge trifft. Der Beklagte entschied sich für Letzteres. Er gab dem Druck der Harzsparkasse nach. Er kündigte die Arbeitsverhältnisse der beiden Kläger zum 30. April 2010 und verhinderte damit unter anderem, dass ca. 54 bis 60 Arbeitnehmern und Auszubildenden wegen der Stilllegung des Hotelbetriebes nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betriebsbedingt gekündigt werden musste. Der Beschäftigungsbedarf für die beiden Kläger hatte durch den drohenden Verlust des Beschäftigungsbedarfs für die gesamte Belegschaft der Hotelanlage an Gewicht verloren. Er war in den Hintergrund getreten. Darauf, ob die Forderung der Harzsparkasse nach der Entlassung der Kläger berechtigt oder unberechtigt war, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

64

Entgegen der Auffassung der Kläger hatte der Beklagte dem von der Harzsparkasse ausgeübten Druck nicht ohne weiteres nachgeben.

65

c) Der Beklagte hatte sich zunächst durchaus schützend vor die Kläger gestellt und alles Zumutbare zu versucht, um die Drohung abzuwenden, indem er auf die Harzsparkasse eingewirkt hatte, ihre ultimative Forderung noch einmal zu überdenken, und darauf hingewiesen hatte, welche Schwierigkeiten das Ausscheiden der Kläger sowie des Herrn R. aus dem Betrieb für dessen Leitung mit sich bringen würde. Andere Möglichkeiten zur Abwendung der Drohung hatte der Beklagte nicht.

66

Da die drohende Forderung der Harzsparkasse nicht abgewendet werden konnte und im Falle ihrer Nichterfüllung sämtlichen, im Hotelbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer hätte betriebsbedingt gekündigt werden müssen und zugleich die Zielsetzung der sanierenden Insolvenz konterkariert worden wäre, sind die vorliegend im Streit stehenden betriebsbedingten Druckkündigungen sozial gerechtfertigt. Wie ausgeführt, waren die Kündigungen der Arbeitsverhältnisse der Kläger das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel, um die geschilderten drohenden Schäden abzuwenden. Die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2015 vorgetragenen möglichen Alternativen hält die erkennende Kammer zumindest im Kündigungszeitpunkt, auf den bei der Beurteilung der Kündigungen abzustellen ist, für wirklichkeitsfremd.

67

d) Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, die Kündigungen ihrer Arbeitsverhältnisse seien nach § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam, weil der Beklagte als Insolvenzverwalter im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 1 Satz 1 InsO nur alternativ mit der Abwicklung oder der Übertragung des Unternehmens beauftragt gewesen sei, ist ihnen entgegenzuhalten, dass gerade die Erhaltung der Möglichkeit der Übertragung des Unternehmens auf einen neuen Betriebsinhaber es verlangte, dem Druck der Harzsparkasse nachzugeben. Übertragen werden kann nämlich in der Regel nur ein Unternehmen (hier der Hotelbetrieb), das erfolgreich fortgeführt werden kann.

68

Nach alldem war den Berufungen des Beklagten in dem zuerkannten Umfang zu entsprechen und die Klagen in eben diesem Umfang unter entsprechender Abänderung der mit den Berufungen angefochtenen Urteile des Arbeitsgerichts abzuweisen.

69

III. Soweit die Berufungen gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts gerichtet waren, dass die Arbeitsverhältnisse der Parteien durch die außerordentlichen Kündigungen des Beklagten vom 20. April 2010 nicht fristlos aufgelöst worden sind, wurden die Berufungen des Beklagten und die von ihm in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsanträge durch das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt mit den Urteilen vom 29. März 2012 – 3 Sa 426/10 HBS – und – 3 Sa 427/10 HBS – im Übrigen zurückgewiesen. Der Beklagte hat die mit den Berufungen ursprünglich betrieben Rechtsverfolgungen auch nicht fortgesetzt.

70

IV. Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Insolvenzordnung - InsO | § 1 Ziele des Insolvenzverfahrens


Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Un

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Tenor 1. Auf die Berufung des Beklagten werden die Urteile des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 3. September 2010 - 11 Ca 843/10 HBS – und – 11 Ca 844/10 HBS - abgeändert, soweit festgestellt worden ist, dass die Arbeitsverhältnisse der Parteien

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Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 29. März 2012 - 3 Sa 426/10 - teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurde, zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war seit Beginn der 1990iger Jahre Gesellschafter und teilweise Geschäftsführer von drei Gesellschaften, welche das Hotel H in A betrieben. Die das Hotel tragenden Gesellschaften gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Mai 2007 übernahm die H R GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) den Betrieb des Hotels.

3

Unter dem 1. August 2007 schlossen die Schuldnerin und der Kläger einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag. Demnach wurde der Kläger als „Mitarbeiter für Verkauf und Gastbetreuung“ ab 1. August 2007 eingestellt.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg - Insolvenzgericht - vom 1. März 2010 (- 340 IN 83/10 (351) -) wurde an diesem Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Termin zur Gläubigerversammlung wurde auf den 12. Mai 2010 festgesetzt.

5

Mit Schreiben vom 2. März 2010, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging, kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zum 30. April 2010. Der Beklagte rechtfertigt die Kündigung damit, dass die Grundpfandgläubigerin H (im Folgenden: Sparkasse) nur unter der Bedingung der Beendigung der Vertragsverhältnisse mit dem Kläger und seiner Ehefrau bereit gewesen sei, zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs eine Verlustübernahmeerklärung abzugeben. Ohne die Abgabe einer solchen Verlustübernahmeerklärung hätte der Betrieb stillgelegt werden müssen.

6

Mit Schriftsatz vom 23. März 2010, welcher per Telefax am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers „wegen Kündigungsschutzes“ gegen den Beklagten die Klage mit dem Antrag „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 2.3.2010 nicht beendet ist“. Als Begründung der Klage führte er lediglich an, dass der Kläger Arbeitnehmer der Schuldnerin sei und der Beklagte als deren Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis „per 2.3.2010“ gekündigt habe.

7

Mit Schreiben vom 20. April 2010, welches dem Kläger am 21. April 2010 übergeben wurde, kündigte der Beklagte dem Kläger außerordentlich fristlos. Der Kläger habe die ihm von der Schuldnerin für Ankäufe zugunsten des Hotelbetriebs zur Verfügung gestellte EC-Karte missbraucht und mit ihr Privateinkäufe bezahlt. Zudem habe er trotz Aufforderung mit Schreiben vom 15. März 2010 den Firmenwagen nicht herausgegeben, sondern weiter unberechtigt privat genutzt.

8

Mit bei Gericht am 7. Mai 2010 eingegangener Klageerweiterung vom 5. Mai 2010 hat der Kläger auch die außerordentliche Kündigung angegriffen.

9

Der Kläger hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam. Er habe mit der EC-Karte keine privaten Einkäufe getätigt und das Firmenfahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt. Bis zur Erstattung der von ihm für betriebliche Fahrten verauslagten Benzinkosten sei er nicht zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet gewesen. Die Sparkasse habe keinen Grund gehabt, seine Entlassung zu verlangen.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 noch durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 20. April 2010 aufgelöst worden ist.

11

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

12

Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich gegen die Kündigungen schon deshalb nicht zur Wehr setzen, weil er entgegen der Bezeichnung im Vertrag vom 1. August 2007 tatsächlich kein Arbeitnehmer gewesen sei. Er habe ohne Einbindung in die Organisation des Hotelbetriebs frei über seine Arbeitszeit bestimmt und sei auch sonst nicht dem Direktionsrecht unterlegen.

13

Bei Unterstellung der Arbeitnehmereigenschaft habe die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos beendet. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung habe der Kläger keine ordnungsgemäße Kündigungsschutzklage erhoben. Die Klageschrift vom 23. März 2010 enthalte keine hinreichende Begründung der angeblichen Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Dessen ungeachtet sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Die zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Umstände würden auch die ordentliche Kündigung rechtfertigen. Zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs sei es zudem unabdingbar gewesen, einem Verlangen der Sparkasse nach Entlassung des Klägers zu entsprechen. Die Sparkasse habe die Hotelimmobilie und die Wellnessanlage finanziert. Nach dem Auftreten wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätten der Kläger und dessen Ehefrau die weitere Zusammenarbeit mit der Sparkasse verweigert, um einen Schuldenerlass über eine andere Bank zu finanzieren. Dies sei nicht gelungen. Nach der Kündigung der Geschäftsbeziehung wegen Rückständen und Überziehungen hätten der Kläger und seine Ehefrau alles unternommen, um die Verwertung der Sicherheiten zu verhindern. Aufgrund dieser Ereignisse sei die Sparkasse bei Verbleib der Eheleute im Betrieb nicht bereit gewesen, eine Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000,00 Euro abzugeben. Diese sei aber unbedingt erforderlich gewesen, um die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen. Die Prognose für die Zeit von März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 habe einen wahrscheinlichen Verlust von 99.100,00 Euro ergeben. Ohne die entsprechende Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse hätte der Betrieb eingestellt werden müssen. Er (der Beklagte) habe versucht, die Sparkasse von ihrer Forderung nach Entlassung des Klägers abzubringen. Die Forderung sei aber nicht verhandelbar gewesen.

14

Diese Drucksituation bestehe unverändert. Der Beklagte hat deshalb im Berufungsverfahren für den Fall des Obsiegens des Klägers mit der Kündigungsschutzklage hilfsweise beantragt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Nach Ansicht des Klägers liegt kein Auflösungsgrund vor.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und den Auflösungsantrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, soweit sie die ordentliche Kündigung betrifft. Die außerordentliche Kündigung und der Auflösungsantrag sind somit nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit unzutreffender Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen einer ordentlichen Druckkündigung verneint. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Da der festgestellte Sachverhalt keine abschließende Entscheidung erlaubt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf daher keiner Entscheidung über die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen.

17

I. Zwischen dem Kläger und der Schuldnerin wurde auf der Grundlage des ausdrücklich als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrags vom 1. August 2007 ein Arbeitsverhältnis begründet. Dies hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme und deren Würdigung rechtsfehlerfrei entschieden. Es berücksichtigte hierbei die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 - Rn. 14 und 15 mwN). Die Revision erhebt hiergegen keine Rügen.

18

II. Die Kündigung vom 2. März 2010 gilt nicht gemäß § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger mit der Klageschrift vom 23. März 2010 fristwahrend eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben.

19

1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 4 Satz 1 KSchG). Der dem Gesetzeswortlaut entsprechende Klageantrag ist dann auch bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Als Prozesshandlung ist eine Klageschrift ebenso wie eine private Willenserklärung auslegungsfähig. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird. Dabei ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dies entspricht auch dem Zweck der weit auszulegenden Vorschrift des § 6 KSchG(vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 28, BAGE 131, 155). Zweck des § 6 KSchG ist es, im Zusammenspiel mit § 4 KSchG frühzeitig Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. § 6 KSchG will den - häufig rechtsunkundigen - Arbeitnehmer vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus formalen Gründen schützen. Der Arbeitnehmer ist nach §§ 4, 6 KSchG nur verpflichtet, durch eine rechtzeitige Anrufung des Arbeitsgerichts seinen Willen, sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung zu wehren, genügend klar zum Ausdruck zu bringen(BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24). Es genügt, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 20 mwN).

20

Die Darlegung aller klagebegründenden Tatsachen, wie die Erfüllung der kündigungsschutzrechtlichen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 KSchG, gehört nicht zur Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zur Schlüssigkeit des Sachvortrags; ihr Fehlen führt demnach nicht zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zu deren Unbegründetheit (KR/Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 159; Linck in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 4 Rn. 37).

21

2. Die Klageschrift vom 23. März 2010 genügt den Anforderungen an die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Der Antrag entspricht der Vorgabe des § 4 Satz 1 KSchG. Die ausdrücklich „wegen Kündigungsschutzes“ erhobene Klage macht deutlich, dass der Kläger sich als Arbeitnehmer der Schuldnerin sieht und die von dem Beklagten als Insolvenzverwalter erklärte Kündigung vom 2. März 2010 nicht akzeptieren will. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision ausreichend. Die Revision verkennt, dass es im vorliegenden Fall, anders als in dem mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - entschiedenen Fall, nicht um die Auslegung der Klageschrift geht. Die von der Revision thematisierte Problematik unterschiedlicher Auslegungsmaßstäbe von Klageschriften, die von sachkundigen Prozessbevollmächtigten erstellt wurden, in Abgrenzung zu Klageschriften, die von rechtsunkundigen Parteien verfasst wurden, stellt sich nicht. Die Klageschrift ist eindeutig formuliert. Soweit die Revision eine unzureichende Klagebegründung rügt, wirft sie ein Problem der Begründetheit der Klage auf.

22

Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wurde unstreitig gewahrt. Die Kündigung ging dem Kläger noch am 2. März 2010 zu. Die am 23. März 2010 als Telefax bei Gericht eingegangene Klage hielt die Frist ein. Der 23. März 2010 war der Tag des Fristablaufs (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

23

III. Das Landesarbeitsgericht sieht die streitgegenständliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und die Klage damit als begründet an. Das Vorliegen verhaltensbedingter Gründe hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision rügt jedoch zu Recht die Verkennung des Kündigungsgrundes, soweit die Kündigung als Druckkündigung gerechtfertigt wurde.

24

1. Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 KSchG liegen unstreitig vor. Die ordentliche Kündigung vom 2. März 2010 bedarf daher der sozialen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

25

2. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, sozial gerechtfertigt.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat im Verhalten des Klägers keine hinreichenden Kündigungsgründe erkannt. In Frage stehen die zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung angeführten Gründe (Missbrauch der EC-Karte für Privateinkäufe; Verweigerung der Herausgabe des Firmenwagens). Bezüglich der Einkäufe zulasten des Kontos der Schuldnerin ist das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung des vormaligen Geschäftsführers der Schuldnerin zu der Auffassung gelangt, dass dieser die Einkäufe angewiesen und überprüft hat und damit kein Pflichtverstoß der klagenden Partei festzustellen ist. Hinsichtlich des Firmenwagens hat sich das Landesarbeitsgericht der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen, wonach es vor Erklärung der Kündigung einer entsprechenden Abmahnung bedurft hätte.

27

b) Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum wurde nicht überschritten. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Zudem könnte die verweigerte Herausgabe des Fahrzeugs die Kündigung vom 2. März 2010 nicht rechtfertigen, da die Herausgabe erst mit Schreiben vom 15. März 2010 verlangt wurde. Kündigungsgründe, die erst nach dem Zugang der Kündigung entstanden sind, können eine bereits ausgesprochene Kündigung nicht sozial rechtfertigen (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 246).

28

3. Zu Recht rügt die Revision allerdings Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Beurteilung der ordentlichen Kündigung als betriebsbedingte Druckkündigung.

29

a) Hinsichtlich der Druckkündigung hat das Landesarbeitsgericht Beweis erhoben durch Vernehmung eines Mitarbeiters des Beklagten zur wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und zur Forderung der Sparkasse nach Entlassung des Klägers und seiner Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat dann aber ohne Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme entschieden, dass die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Druckkündigung nicht vorliegen. Der Kündigung liege nicht der erforderliche ernsthafte und endgültige Kündigungswille zugrunde. Die Kündigung beruhe auf einem „prognostischen Element“, denn es hätte der Gläubigerversammlung am 12. Mai 2010 oblegen, über die Fortführung des Betriebs zu entscheiden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei noch nicht entschieden gewesen, ob der Betrieb der Schuldnerin fortgeführt werde und es auf die Gewährung eines Darlehens durch die Sparkasse überhaupt ankommen werde. Ein Grund für den Ausspruch einer Druckkündigung habe deshalb bei Kündigungserklärung nicht bestanden.

30

b) Mit dieser Begründung kann die Druckkündigung nicht als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG angesehen werden.

31

aa) Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsgrund verkannt. Der Beklagte hat die Kündigung nicht mit der Stilllegung des Betriebs begründet. Er rechtfertigt die Kündigung vielmehr damit, dass er davon ausging, dass ohne Verlustübernahmeerklärung der Sparkasse keine Alternative zur Stilllegung mehr bestand, und er zur Erreichung der Verlustübernahmeerklärung deshalb dem auf die Entlassung des Klägers gerichteten Druck der Sparkasse nachgeben musste. Er führt eine Drucksituation im Vorfeld einer Entscheidung über die Stilllegung oder Fortführung an.

32

bb) Die vom Beklagten behauptete Drucksituation und die darauf basierende Kündigungsentscheidung berühren nicht die Befugnisse der Gläubigerversammlung gemäß § 157 InsO.

33

(1) Nach dieser Vorschrift beschließt die Gläubigerversammlung im Berichtstermin, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Die Gläubiger haben demnach autonom über die Stilllegung, vorläufige Fortführung und einen Insolvenzplan zu befinden (vgl. MünchKommInsO/Görg 2. Aufl. § 157 Rn. 5 ff.). Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 156 InsO den Berichtstermin vorzubereiten, da er im Berichtstermin über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten hat(§ 156 Abs. 1 Satz 1 InsO). Gemäß § 156 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter zudem darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. Der Verwalter hat im Berichtstermin die fortführende oder übertragende Sanierung als Alternative zur Liquidation zu erörtern und gegebenenfalls einen Sanierungsplan vorzulegen (Uhlenbruck/Uhlenbruck 13. Aufl. § 156 InsO Rn. 9).

34

(2) Die Frage der Gewährung einer Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse war nach Darstellung des Beklagten wesentlich für die Beurteilung der Sanierungsaussichten. Dabei handelte es sich um das entscheidende Merkmal für die Vorbereitung des Berichtstermins. Ohne das Eintreten der Sparkasse hätte der Beklagte der Gläubigerversammlung nach seiner Darstellung die Stilllegung des Betriebs vorschlagen müssen. Bei Gewährung der Verlustübernahmeerklärung hingegen kam eine Fortführung in Betracht. Damit entstand im Vorfeld der Gläubigerversammlung der Druck, den der Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung anführt. Ohne Entlassung des Klägers und seiner Ehefrau wäre die Absicherung durch die Sparkasse nicht erreichbar gewesen. Erst durch die Verlustübernahmeerklärung wurde der Gläubigerversammlung eine Wahl zwischen Stilllegung und vorläufiger Fortführung ermöglicht.

35

cc) Am Kündigungswillen des Beklagten besteht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein Zweifel. Er hat ihn durch die Erklärung der Kündigung verwirklicht (vgl. BAG 21. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 46).

36

IV. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine sogenannte „echte Druckkündigung“ als betriebsbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts generell als unzulässig anzusehen wäre. Dies vertreten einige Stimmen des juristischen Schrifttums. Der Senat hält aber an der bisherigen Rechtsprechung fest.

37

1. Eine Druckkündigung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:

38

a) Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen personenbedingten Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung erklärt (BAG 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - zu B II 2 a der Gründe). Eine solche Kündigung wird auch als „unechte Druckkündigung“ bezeichnet. Die Kündigung wird nicht primär wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes.

39

b) Fehlt es hingegen an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung, so kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer sogenannten „echten Druckkündigung“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden (BAG 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - zu B II 2 b aa der Gründe). Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (BAG 4. Oktober 1990 - 2 AZR 201/90 - zu II 3 der Gründe). Typische Fälle einer echten Druckkündigung sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers (zur Abgrenzung zwischen betriebsbedingter Druckkündigung und personenbedingter Kündigung vgl. BAG 26. Juni 1997 - 2 AZR 502/96 - zu B I 3 der Gründe; 31. Januar 1996 - 2 AZR 158/95 - zu II 5 a und b der Gründe, BAGE 82, 124).

40

2. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur neben Zustimmung auch auf Kritik gestoßen.

41

a) Ein Teil des Schrifttums sieht eine Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung entsprechend der Rechtsprechung als sozial gerechtfertigt an, wenn dem Arbeitgeber anderenfalls schwere wirtschaftliche Schäden drohen (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 586a; DFL/Kaiser 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 19; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 334; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 626 Rn. 255; zu etwaigen Schadensersatzansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers vgl. KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 209 mwN).

42

b) Zum Teil wird eingewendet, dass es sich um keinen Fall der betriebsbedingten Kündigung handle, da keine arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsmöglichkeiten entfielen (so APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 521 mwN; Berkowsky Die betriebsbedingte Kündigung 6. Aufl. Rn. 106). Die Druckkündigung könne nur der personenbedingten Kündigung zugerechnet werden. Die Person des Arbeitnehmers sei der eigentliche Anlass für den von Dritten ausgeübten Druck (Krause in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 346; ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 184).

43

c) Andere Autoren lehnen die echte Druckkündigung gänzlich ab. Es liege kein Kündigungsgrund vor. Habe sich der Arbeitnehmer nichts zuschulden kommen lassen, dürfe das Mittel der betriebsbedingten Kündigung nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer wegen einer ungerechtfertigen Drohung seinen Arbeitsplatz verliere. Das Recht brauche dem Unrecht nicht zu weichen (Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 970; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert KSchR 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 469; ablehnend auch HK/Weller/Dorndorf KSchG 4. Aufl. § 1 Rn. 997; zur Problematik diskriminierender Entlassungsverlangen vgl. Deinert RdA 2007, 275 ff.).

44

3. Die in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die Einstufung einer echten Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG tragen nicht.

45

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben (st. Rspr., vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21). In beiden Konstellationen liegt der Kündigungsgrund in der Sphäre des Arbeitgebers, der entweder agiert, dh. eine Organisationsentscheidung trifft, oder auf eine bestimmte Situation reagiert. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Auftrag verliert und den Personalbestand an die noch verbleibende Arbeitsmenge anpassen muss (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 17). Bei einem Auftragsverlust entsteht für den Arbeitgeber eine Drucksituation, auf die er unternehmerisch reagieren muss, um den Fortbestand des Betriebs zu sichern.

46

Bei der echten Druckkündigung ist die Lage insoweit vergleichbar. Entstünden bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber, muss dieser aus wirtschaftlichen Gründen handeln. Der Kündigungsgrund ist damit seiner Sphäre zuzuordnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Druck von Vertragspartnern des Arbeitgebers ausgeübt wird (HWK/Quecke 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 257). Die Person des zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmers ist nur mittelbarer Anlass für den eigentlichen Kündigungsgrund, dass von dritter Seite Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt wird. Wird der Druck als betriebliches Erfordernis verstanden, kommt es nicht darauf an, ob die Forderung nach der Entlassung berechtigt oder unberechtigt ist (HaKo/Gallner KSchR 4. Aufl. § 1 Rn. 528). Der Arbeitgeber sieht sich mit der Druckausübung konfrontiert, auch wenn sie inhaltlich unberechtigt sein sollte (vgl. BAG 4. Oktober 1990 - 2 AZR 201/90 - zu III 1 b bb der Gründe). Er muss abwägen, ob er dem Druck nachgibt oder nicht. Das Argument, dass der Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer nicht entfällt, verliert dann an Gewicht, wenn bei Verwirklichung der Drohung der Beschäftigungsbedarf für Teile der oder sogar für die gesamte Belegschaft in Frage steht. Dies wird deutlich im Fall des angedrohten Auftragsentzugs: Reagiert der Arbeitgeber nicht und entzieht der Dritte den Auftrag, können wegen Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses betriebsbedingte Kündigungen erforderlich werden. Die Erklärung einer Druckkündigung kann dies unter Umständen verhindern. Auch dies spricht für die Einstufung als betriebsbedingte Kündigung, die sozial gerechtfertigt sein kann.

47

Der vorliegende Fall zeigt zudem, dass die Zielsetzung der sanierenden Insolvenz konterkariert würde, wenn wegen des generellen Ausschlusses der betriebsbedingten Druckkündigung die Fortführung eines Unternehmens verhindert würde.

48

V. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Die festgestellten Tatsachen reichen zur Beurteilung der ordentlichen Druckkündigung nicht aus. Das Landesarbeitsgericht wird unter Wahrung des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) die von ihm durchgeführte Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen oder die Beweisaufnahme zu wiederholen haben.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

      

        

        

    Kreis    

        

    Kammann    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 29. März 2012 - 3 Sa 427/10 - teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurde, zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Klägerin betrieb mit ihrem Ehemann seit Beginn der 1990iger Jahre mit mehreren Gesellschaften das Hotel H in A. Die das Hotel tragenden Gesellschaften gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Mai 2007 übernahm die H R GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) den Betrieb des Hotels.

3

Unter dem 1. Mai 2007 schlossen die Schuldnerin und die Klägerin einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag. Demnach wurde die Klägerin als „Mitarbeiterin für Marketing, Grafik und Dekoration“ ab 1. Mai 2007 eingestellt.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg - Insolvenzgericht - vom 1. März 2010 (- 340 IN 83/10 (351) -) wurde an diesem Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Termin zur Gläubigerversammlung wurde auf den 12. Mai 2010 festgesetzt.

5

Mit Schreiben vom 2. März 2010, welches der Klägerin noch am selben Tag zuging, kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis mit der Klägerin zum 30. April 2010. Der Beklagte rechtfertigt die Kündigung damit, dass die Grundpfandgläubigerin H (im Folgenden: Sparkasse) nur unter der Bedingung der Beendigung der Vertragsverhältnisse mit der Klägerin und ihrem Ehemann bereit gewesen sei, zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs eine Verlustübernahmeerklärung abzugeben. Ohne die Abgabe einer solchen Verlustübernahmeerklärung hätte der Betrieb stillgelegt werden müssen.

6

Mit Schriftsatz vom 23. März 2010, welcher per Telefax am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin „wegen Kündigungsschutzes“ gegen den Beklagten die Klage mit dem Antrag „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 2.3.2010 nicht beendet ist“. Als Begründung der Klage führte er lediglich an, dass die Klägerin Arbeitnehmerin der Schuldnerin sei und der Beklagte als deren Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis „per 2.3.2010“ gekündigt habe.

7

Mit Schreiben vom 20. April 2010, welches der Klägerin am 21. April 2010 übergeben wurde, kündigte der Beklagte der Klägerin außerordentlich fristlos. Die Klägerin habe die ihr von der Schuldnerin für Ankäufe zugunsten des Hotelbetriebs zur Verfügung gestellte EC-Karte missbraucht und mit ihr Privateinkäufe bezahlt. Zudem habe sie trotz Aufforderung mit Schreiben vom 15. März 2010 den Firmenwagen nicht herausgegeben, sondern weiter unberechtigt privat genutzt.

8

Mit bei Gericht am 7. Mai 2010 eingegangener Klageerweiterung vom 5. Mai 2010 hat die Klägerin auch die außerordentliche Kündigung angegriffen.

9

Die Klägerin hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam. Sie habe mit der EC-Karte keine privaten Einkäufe getätigt und das Firmenfahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt. Bis zur Erstattung der von ihr für betriebliche Fahrten verauslagten Benzinkosten sei sie nicht zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet gewesen. Die Sparkasse habe keinen Grund gehabt, ihre Entlassung zu verlangen.

10

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 noch durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 20. April 2010 aufgelöst worden ist.

11

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

12

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sich gegen die Kündigungen schon deshalb nicht zur Wehr setzen, weil sie entgegen der Bezeichnung im Vertrag vom 1. Mai 2007 tatsächlich keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Sie habe ohne Einbindung in die Organisation des Hotelbetriebs frei über ihre Arbeitszeit bestimmt und sei auch sonst nicht dem Direktionsrecht unterlegen.

13

Bei Unterstellung der Arbeitnehmereigenschaft habe die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos beendet. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung habe die Klägerin keine ordnungsgemäße Kündigungsschutzklage erhoben. Die Klageschrift vom 23. März 2010 enthalte keine hinreichende Begründung der angeblichen Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Dessen ungeachtet sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Die zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Umstände würden auch die ordentliche Kündigung rechtfertigen. Zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs sei es zudem unabdingbar gewesen, einem Verlangen der Sparkasse nach Entlassung der Klägerin zu entsprechen. Die Sparkasse habe die Hotelimmobilie und die Wellnessanlage finanziert. Nach dem Auftreten wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätten die Klägerin und ihr Ehemann die weitere Zusammenarbeit mit der Sparkasse verweigert, um einen Schuldenerlass über eine andere Bank zu finanzieren. Dies sei nicht gelungen. Nach der Kündigung der Geschäftsbeziehung wegen Rückständen und Überziehungen hätten die Klägerin und ihr Ehemann alles unternommen, um die Verwertung der Sicherheiten zu verhindern. Aufgrund dieser Ereignisse sei die Sparkasse bei Verbleib der Eheleute im Betrieb nicht bereit gewesen, eine Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000,00 Euro abzugeben. Diese sei aber unbedingt erforderlich gewesen, um die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen. Die Prognose für die Zeit von März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 habe einen wahrscheinlichen Verlust von 99.100,00 Euro ergeben. Ohne die entsprechende Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse hätte der Betrieb eingestellt werden müssen. Er (der Beklagte) habe versucht, die Sparkasse von ihrer Forderung nach Entlassung der Klägerin abzubringen. Die Forderung sei aber nicht verhandelbar gewesen.

14

Diese Drucksituation bestehe unverändert. Der Beklagte hat deshalb im Berufungsverfahren für den Fall des Obsiegens der Klägerin mit der Kündigungsschutzklage hilfsweise beantragt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Nach Ansicht der Klägerin liegt kein Auflösungsgrund vor.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und den Auflösungsantrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, soweit sie die ordentliche Kündigung betrifft. Die außerordentliche Kündigung und der Auflösungsantrag sind somit nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

16

A. Die Parteien haben in der Verhandlung vor dem Senat auf die Abfassung der Entscheidungsgründe verzichtet (§ 313a Abs. 3, Abs. 1 Satz 2 ZPO). Wird die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, sind die Entscheidungsgründe des Revisionsurteils aber unverzichtbar (GMP/Müller-Glöge ArbGG 8. Aufl. § 75 Rn. 6). Das Landesarbeitsgericht muss wissen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben wurde (GK-ArbGG/Mikosch Stand Juli 2010 § 75 Rn. 14; Schwab/Weth/Ulrich ArbGG 3. Aufl. § 75 Rn. 29).

17

B. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit unzutreffender Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen einer ordentlichen Druckkündigung verneint. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Da der festgestellte Sachverhalt keine abschließende Entscheidung erlaubt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf daher keiner Entscheidung über die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen.

18

I. Zwischen der Klägerin und der Schuldnerin wurde auf der Grundlage des ausdrücklich als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrags vom 1. Mai 2007 ein Arbeitsverhältnis begründet. Dies hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme und deren Würdigung rechtsfehlerfrei entschieden. Es berücksichtigte hierbei die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 - Rn. 14 und 15 mwN). Die Revision erhebt hiergegen keine Rügen.

19

II. Die Kündigung vom 2. März 2010 gilt nicht gemäß § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Entgegen der Auffassung der Revision hat die Klägerin mit der Klageschrift vom 23. März 2010 fristwahrend eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben.

20

1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 4 Satz 1 KSchG). Der dem Gesetzeswortlaut entsprechende Klageantrag ist dann auch bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Als Prozesshandlung ist eine Klageschrift ebenso wie eine private Willenserklärung auslegungsfähig. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird. Dabei ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dies entspricht auch dem Zweck der weit auszulegenden Vorschrift des § 6 KSchG(vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 28, BAGE 131, 155). Zweck des § 6 KSchG ist es, im Zusammenspiel mit § 4 KSchG frühzeitig Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. § 6 KSchG will den - häufig rechtsunkundigen - Arbeitnehmer vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus formalen Gründen schützen. Der Arbeitnehmer ist nach §§ 4, 6 KSchG nur verpflichtet, durch eine rechtzeitige Anrufung des Arbeitsgerichts seinen Willen, sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung zu wehren, genügend klar zum Ausdruck zu bringen(BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24). Es genügt, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 20 mwN).

21

Die Darlegung aller klagebegründenden Tatsachen, wie die Erfüllung der kündigungsschutzrechtlichen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 KSchG, gehört nicht zur Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zur Schlüssigkeit des Sachvortrags; ihr Fehlen führt demnach nicht zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zu deren Unbegründetheit (KR/Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 159; Linck in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 4 Rn. 37).

22

2. Die Klageschrift vom 23. März 2010 genügt den Anforderungen an die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Der Antrag entspricht der Vorgabe des § 4 Satz 1 KSchG. Die ausdrücklich „wegen Kündigungsschutzes“ erhobene Klage macht deutlich, dass die Klägerin sich als Arbeitnehmerin der Schuldnerin sieht und die von dem Beklagten als Insolvenzverwalter erklärte Kündigung vom 2. März 2010 nicht akzeptieren will. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision ausreichend. Die Revision verkennt, dass es im vorliegenden Fall, anders als in dem mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - entschiedenen Fall, nicht um die Auslegung der Klageschrift geht. Die von der Revision thematisierte Problematik unterschiedlicher Auslegungsmaßstäbe von Klageschriften, die von sachkundigen Prozessbevollmächtigten erstellt wurden, in Abgrenzung zu Klageschriften, die von rechtsunkundigen Parteien verfasst wurden, stellt sich nicht. Die Klageschrift ist eindeutig formuliert. Soweit die Revision eine unzureichende Klagebegründung rügt, wirft sie ein Problem der Begründetheit der Klage auf.

23

Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wurde unstreitig gewahrt. Die Kündigung ging der Klägerin noch am 2. März 2010 zu. Die am 23. März 2010 als Telefax bei Gericht eingegangene Klage hielt die Frist ein. Der 23. März 2010 war der Tag des Fristablaufs (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

24

III. Das Landesarbeitsgericht sieht die streitgegenständliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und die Klage damit als begründet an. Das Vorliegen verhaltensbedingter Gründe hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision rügt jedoch zu Recht die Verkennung des Kündigungsgrundes, soweit die Kündigung als Druckkündigung gerechtfertigt wurde.

25

1. Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 KSchG liegen unstreitig vor. Die ordentliche Kündigung vom 2. März 2010 bedarf daher der sozialen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

26

2. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht durch Gründe, die im Verhalten der Klägerin liegen, sozial gerechtfertigt.

27

a) Das Landesarbeitsgericht hat im Verhalten der Klägerin keine hinreichenden Kündigungsgründe erkannt. In Frage stehen die zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung angeführten Gründe (Missbrauch der EC-Karte für Privateinkäufe; Verweigerung der Herausgabe des Firmenwagens). Bezüglich der Einkäufe zulasten des Kontos der Schuldnerin ist das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung des vormaligen Geschäftsführers der Schuldnerin zu der Auffassung gelangt, dass dieser die Einkäufe angewiesen und überprüft hat und damit kein Pflichtverstoß der klagenden Partei festzustellen ist. Hinsichtlich des Firmenwagens hat sich das Landesarbeitsgericht der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen, wonach es vor Erklärung der Kündigung einer entsprechenden Abmahnung bedurft hätte.

28

b) Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum wurde nicht überschritten. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Zudem könnte die verweigerte Herausgabe des Fahrzeugs die Kündigung vom 2. März 2010 nicht rechtfertigen, da die Herausgabe erst mit Schreiben vom 15. März 2010 verlangt wurde. Kündigungsgründe, die erst nach dem Zugang der Kündigung entstanden sind, können eine bereits ausgesprochene Kündigung nicht sozial rechtfertigen (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 246).

29

3. Zu Recht rügt die Revision allerdings Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Beurteilung der ordentlichen Kündigung als betriebsbedingte Druckkündigung.

30

a) Hinsichtlich der Druckkündigung hat das Landesarbeitsgericht Beweis erhoben durch Vernehmung eines Mitarbeiters des Beklagten zur wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und zur Forderung der Sparkasse nach Entlassung der Klägerin und ihres Ehemanns. Das Landesarbeitsgericht hat dann aber ohne Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme entschieden, dass die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Druckkündigung nicht vorliegen. Der Kündigung liege nicht der erforderliche ernsthafte und endgültige Kündigungswille zugrunde. Die Kündigung beruhe auf einem „prognostischen Element“, denn es hätte der Gläubigerversammlung am 12. Mai 2010 oblegen, über die Fortführung des Betriebs zu entscheiden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei noch nicht entschieden gewesen, ob der Betrieb der Schuldnerin fortgeführt werde und es auf die Gewährung eines Darlehens durch die Sparkasse überhaupt ankommen werde. Ein Grund für den Ausspruch einer Druckkündigung habe deshalb bei Kündigungserklärung nicht bestanden.

31

b) Mit dieser Begründung kann die Druckkündigung nicht als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG angesehen werden.

32

aa) Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsgrund verkannt. Der Beklagte hat die Kündigung nicht mit der Stilllegung des Betriebs begründet. Er rechtfertigt die Kündigung vielmehr damit, dass er davon ausging, dass ohne Verlustübernahmeerklärung der Sparkasse keine Alternative zur Stilllegung mehr bestand, und er zur Erreichung der Verlustübernahmeerklärung deshalb dem auf die Entlassung der Klägerin gerichteten Druck der Sparkasse nachgeben musste. Er führt eine Drucksituation im Vorfeld einer Entscheidung über die Stilllegung oder Fortführung an.

33

bb) Die vom Beklagten behauptete Drucksituation und die darauf basierende Kündigungsentscheidung berühren nicht die Befugnisse der Gläubigerversammlung gemäß § 157 InsO.

34

(1) Nach dieser Vorschrift beschließt die Gläubigerversammlung im Berichtstermin, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Die Gläubiger haben demnach autonom über die Stilllegung, vorläufige Fortführung und einen Insolvenzplan zu befinden (vgl. MünchKommInsO/Görg 2. Aufl. § 157 Rn. 5 ff.). Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 156 InsO den Berichtstermin vorzubereiten, da er im Berichtstermin über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten hat(§ 156 Abs. 1 Satz 1 InsO). Gemäß § 156 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter zudem darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. Der Verwalter hat im Berichtstermin die fortführende oder übertragende Sanierung als Alternative zur Liquidation zu erörtern und gegebenenfalls einen Sanierungsplan vorzulegen (Uhlenbruck/Uhlenbruck 13. Aufl. InsO § 156 Rn. 9).

35

(2) Die Frage der Gewährung einer Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse war nach Darstellung des Beklagten wesentlich für die Beurteilung der Sanierungsaussichten. Dabei handelte es sich um das entscheidende Merkmal für die Vorbereitung des Berichtstermins. Ohne das Eintreten der Sparkasse hätte der Beklagte der Gläubigerversammlung nach seiner Darstellung die Stilllegung des Betriebs vorschlagen müssen. Bei Gewährung der Verlustübernahmeerklärung hingegen kam eine Fortführung in Betracht. Damit entstand im Vorfeld der Gläubigerversammlung der Druck, den der Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung anführt. Ohne Entlassung der Klägerin wäre die Absicherung durch die Sparkasse nicht erreichbar gewesen. Erst durch die Verlustübernahmeerklärung wurde der Gläubigerversammlung eine Wahl zwischen Stilllegung und vorläufiger Fortführung ermöglicht.

36

cc) Am Kündigungswillen des Beklagten besteht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein Zweifel. Er hat ihn durch die Erklärung der Kündigung verwirklicht (vgl. BAG 21. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 46).

37

IV. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine sogenannte „echte Druckkündigung“ als betriebsbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts generell als unzulässig anzusehen wäre. Dies vertreten einige Stimmen des juristischen Schrifttums. Der Senat hält aber an der bisherigen Rechtsprechung fest.

38

1. Eine Druckkündigung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:

39

a) Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen personenbedingten Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung erklärt (BAG 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - zu B II a der Gründe). Eine solche Kündigung wird auch als „unechte Druckkündigung“ bezeichnet. Die Kündigung wird nicht primär wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes.

40

b) Fehlt es hingegen an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung, so kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer sogenannten „echten Druckkündigung“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden (BAG 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - zu B II 2 b aa der Gründe). Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (BAG 4. Oktober 1990 - 2 AZR 201/90 - zu II 3 der Gründe). Typische Fälle einer echten Druckkündigung sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers (zur Abgrenzung zwischen betriebsbedingter Druckkündigung und personenbedingter Kündigung vgl. BAG 26. Juni 1997 - 2 AZR 502/96 - zu B I 3 der Gründe; 31. Januar 1996 - 2 AZR 158/95 - zu II 5 a und b der Gründe, BAGE 82, 124).

41

2. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur neben Zustimmung auch auf Kritik gestoßen.

42

a) Ein Teil des Schrifttums sieht eine Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung entsprechend der Rechtsprechung als sozial gerechtfertigt an, wenn dem Arbeitgeber anderenfalls schwere wirtschaftliche Schäden drohen (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 586a; DFL/Kaiser 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 19; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 334; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 626 Rn. 255; zu etwaigen Schadensersatzansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers vgl. KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 209 mwN).

43

b) Zum Teil wird eingewendet, dass es sich um keinen Fall der betriebsbedingten Kündigung handle, da keine arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsmöglichkeiten entfielen (so APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 521 mwN; Berkowsky Die betriebsbedingte Kündigung 6. Aufl. Rn. 106). Die Druckkündigung könne nur der personenbedingten Kündigung zugerechnet werden. Die Person des Arbeitnehmers sei der eigentliche Anlass für den von Dritten ausgeübten Druck (Krause in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 346; ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 184).

44

c) Andere Autoren lehnen die echte Druckkündigung gänzlich ab. Es liege kein Kündigungsgrund vor. Habe sich der Arbeitnehmer nichts zuschulden kommen lassen, dürfe das Mittel der betriebsbedingten Kündigung nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer wegen einer ungerechtfertigen Drohung seinen Arbeitsplatz verliere. Das Recht brauche dem Unrecht nicht zu weichen (Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 970; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert KSchR 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 469; ablehnend auch HK/Weller/Dorndorf KSchG 4. Aufl. § 1 Rn. 997; zur Problematik diskriminierender Entlassungsverlangen vgl. Deinert RdA 2007, 275 ff.).

45

3. Die in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die Einstufung einer echten Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG tragen nicht.

46

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben (ständige Rechtsprechung, vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21). In beiden Konstellationen liegt der Kündigungsgrund in der Sphäre des Arbeitgebers, der entweder agiert, dh. eine Organisationsentscheidung trifft, oder auf eine bestimmte Situation reagiert. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Auftrag verliert und den Personalbestand an die noch verbleibende Arbeitsmenge anpassen muss (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 17). Bei einem Auftragsverlust entsteht für den Arbeitgeber eine Drucksituation, auf die er unternehmerisch reagieren muss, um den Fortbestand des Betriebs zu sichern.

47

Bei der echten Druckkündigung ist die Lage insoweit vergleichbar. Entstünden bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber, muss dieser aus wirtschaftlichen Gründen handeln. Der Kündigungsgrund ist damit seiner Sphäre zuzuordnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Druck von Vertragspartnern des Arbeitgebers ausgeübt wird (HWK/Quecke 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 257). Die Person des zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmers ist nur mittelbarer Anlass für den eigentlichen Kündigungsgrund, dass von dritter Seite Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt wird. Wird der Druck als betriebliches Erfordernis verstanden, kommt es nicht darauf an, ob die Forderung nach der Entlassung berechtigt oder unberechtigt ist (HaKo/Gallner KSchR 4. Aufl. § 1 Rn. 528). Der Arbeitgeber sieht sich mit der Druckausübung konfrontiert, auch wenn sie inhaltlich unberechtigt sein sollte (vgl. BAG 4. Oktober 1990 - 2 AZR 201/90 - zu III 1 b bb der Gründe). Er muss abwägen, ob er dem Druck nachgibt oder nicht. Das Argument, dass der Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer nicht entfällt, verliert dann an Gewicht, wenn bei Verwirklichung der Drohung der Beschäftigungsbedarf für Teile der oder sogar für die gesamte Belegschaft in Frage steht. Dies wird deutlich im Fall des angedrohten Auftragsentzugs: Reagiert der Arbeitgeber nicht und entzieht der Dritte den Auftrag, können wegen Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses betriebsbedingte Kündigungen erforderlich werden. Die Erklärung einer Druckkündigung kann dies unter Umständen verhindern. Auch dies spricht für die Einstufung als betriebsbedingte Kündigung, die sozial gerechtfertigt sein kann.

48

Der vorliegende Fall zeigt zudem, dass die Zielsetzung der sanierenden Insolvenz konterkariert würde, wenn wegen des generellen Ausschlusses der betriebsbedingten Druckkündigung die Fortführung eines Unternehmens verhindert würde.

49

V. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Die festgestellten Tatsachen reichen zur Beurteilung der ordentlichen Druckkündigung nicht aus. Das Landesarbeitsgericht wird unter Wahrung des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) die von ihm durchgeführte Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen oder die Beweisaufnahme zu wiederholen haben.

      

  Fischermeier  

        

    Richterin am Bundesarbeitsgericht
Spelge ist an der Beifügung
ihrer Unterschrift verhindert.
Fischermeier     

        

    Krumbiegel   

        

        

        

   Kreis   

        

   Kammann   

                 

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 29. März 2012 - 3 Sa 426/10 - teilweise aufgehoben, soweit es die Berufung des Beklagten gegen die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 nicht aufgelöst wurde, zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war seit Beginn der 1990iger Jahre Gesellschafter und teilweise Geschäftsführer von drei Gesellschaften, welche das Hotel H in A betrieben. Die das Hotel tragenden Gesellschaften gerieten in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Im Mai 2007 übernahm die H R GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) den Betrieb des Hotels.

3

Unter dem 1. August 2007 schlossen die Schuldnerin und der Kläger einen als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrag. Demnach wurde der Kläger als „Mitarbeiter für Verkauf und Gastbetreuung“ ab 1. August 2007 eingestellt.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg - Insolvenzgericht - vom 1. März 2010 (- 340 IN 83/10 (351) -) wurde an diesem Tag das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Termin zur Gläubigerversammlung wurde auf den 12. Mai 2010 festgesetzt.

5

Mit Schreiben vom 2. März 2010, welches dem Kläger noch am selben Tag zuging, kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zum 30. April 2010. Der Beklagte rechtfertigt die Kündigung damit, dass die Grundpfandgläubigerin H (im Folgenden: Sparkasse) nur unter der Bedingung der Beendigung der Vertragsverhältnisse mit dem Kläger und seiner Ehefrau bereit gewesen sei, zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs eine Verlustübernahmeerklärung abzugeben. Ohne die Abgabe einer solchen Verlustübernahmeerklärung hätte der Betrieb stillgelegt werden müssen.

6

Mit Schriftsatz vom 23. März 2010, welcher per Telefax am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers „wegen Kündigungsschutzes“ gegen den Beklagten die Klage mit dem Antrag „festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 2.3.2010 nicht beendet ist“. Als Begründung der Klage führte er lediglich an, dass der Kläger Arbeitnehmer der Schuldnerin sei und der Beklagte als deren Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis „per 2.3.2010“ gekündigt habe.

7

Mit Schreiben vom 20. April 2010, welches dem Kläger am 21. April 2010 übergeben wurde, kündigte der Beklagte dem Kläger außerordentlich fristlos. Der Kläger habe die ihm von der Schuldnerin für Ankäufe zugunsten des Hotelbetriebs zur Verfügung gestellte EC-Karte missbraucht und mit ihr Privateinkäufe bezahlt. Zudem habe er trotz Aufforderung mit Schreiben vom 15. März 2010 den Firmenwagen nicht herausgegeben, sondern weiter unberechtigt privat genutzt.

8

Mit bei Gericht am 7. Mai 2010 eingegangener Klageerweiterung vom 5. Mai 2010 hat der Kläger auch die außerordentliche Kündigung angegriffen.

9

Der Kläger hält sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung für unwirksam. Er habe mit der EC-Karte keine privaten Einkäufe getätigt und das Firmenfahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt. Bis zur Erstattung der von ihm für betriebliche Fahrten verauslagten Benzinkosten sei er nicht zur Herausgabe des Fahrzeugs verpflichtet gewesen. Die Sparkasse habe keinen Grund gehabt, seine Entlassung zu verlangen.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 2. März 2010 noch durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 20. April 2010 aufgelöst worden ist.

11

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

12

Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne sich gegen die Kündigungen schon deshalb nicht zur Wehr setzen, weil er entgegen der Bezeichnung im Vertrag vom 1. August 2007 tatsächlich kein Arbeitnehmer gewesen sei. Er habe ohne Einbindung in die Organisation des Hotelbetriebs frei über seine Arbeitszeit bestimmt und sei auch sonst nicht dem Direktionsrecht unterlegen.

13

Bei Unterstellung der Arbeitnehmereigenschaft habe die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis fristlos beendet. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung habe der Kläger keine ordnungsgemäße Kündigungsschutzklage erhoben. Die Klageschrift vom 23. März 2010 enthalte keine hinreichende Begründung der angeblichen Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Dessen ungeachtet sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Die zur Begründung der außerordentlichen Kündigung angeführten Umstände würden auch die ordentliche Kündigung rechtfertigen. Zur Ermöglichung der Fortführung des Betriebs sei es zudem unabdingbar gewesen, einem Verlangen der Sparkasse nach Entlassung des Klägers zu entsprechen. Die Sparkasse habe die Hotelimmobilie und die Wellnessanlage finanziert. Nach dem Auftreten wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätten der Kläger und dessen Ehefrau die weitere Zusammenarbeit mit der Sparkasse verweigert, um einen Schuldenerlass über eine andere Bank zu finanzieren. Dies sei nicht gelungen. Nach der Kündigung der Geschäftsbeziehung wegen Rückständen und Überziehungen hätten der Kläger und seine Ehefrau alles unternommen, um die Verwertung der Sicherheiten zu verhindern. Aufgrund dieser Ereignisse sei die Sparkasse bei Verbleib der Eheleute im Betrieb nicht bereit gewesen, eine Verlustübernahmeerklärung von bis zu 100.000,00 Euro abzugeben. Diese sei aber unbedingt erforderlich gewesen, um die Fortführung des Betriebs zu ermöglichen. Die Prognose für die Zeit von März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 habe einen wahrscheinlichen Verlust von 99.100,00 Euro ergeben. Ohne die entsprechende Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse hätte der Betrieb eingestellt werden müssen. Er (der Beklagte) habe versucht, die Sparkasse von ihrer Forderung nach Entlassung des Klägers abzubringen. Die Forderung sei aber nicht verhandelbar gewesen.

14

Diese Drucksituation bestehe unverändert. Der Beklagte hat deshalb im Berufungsverfahren für den Fall des Obsiegens des Klägers mit der Kündigungsschutzklage hilfsweise beantragt, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Nach Ansicht des Klägers liegt kein Auflösungsgrund vor.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und den Auflösungsantrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Beklagte gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, soweit sie die ordentliche Kündigung betrifft. Die außerordentliche Kündigung und der Auflösungsantrag sind somit nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Entscheidungsgründe

16

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit unzutreffender Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen einer ordentlichen Druckkündigung verneint. Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Da der festgestellte Sachverhalt keine abschließende Entscheidung erlaubt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es bedarf daher keiner Entscheidung über die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen.

17

I. Zwischen dem Kläger und der Schuldnerin wurde auf der Grundlage des ausdrücklich als Arbeitsvertrag bezeichneten Vertrags vom 1. August 2007 ein Arbeitsverhältnis begründet. Dies hat das Landesarbeitsgericht nach Durchführung einer Beweisaufnahme und deren Würdigung rechtsfehlerfrei entschieden. Es berücksichtigte hierbei die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 - Rn. 14 und 15 mwN). Die Revision erhebt hiergegen keine Rügen.

18

II. Die Kündigung vom 2. März 2010 gilt nicht gemäß § 7 Halbs. 1 KSchG als von Anfang an rechtswirksam. Entgegen der Auffassung der Revision hat der Kläger mit der Klageschrift vom 23. März 2010 fristwahrend eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhoben.

19

1. Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist (§ 4 Satz 1 KSchG). Der dem Gesetzeswortlaut entsprechende Klageantrag ist dann auch bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Als Prozesshandlung ist eine Klageschrift ebenso wie eine private Willenserklärung auslegungsfähig. Entscheidend ist der geäußerte Parteiwille, wie er aus der Klageschrift und den sonstigen Umständen erkennbar wird. Dabei ist gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren ein großzügiger Maßstab anzulegen. Dies entspricht auch dem Zweck der weit auszulegenden Vorschrift des § 6 KSchG(vgl. BAG 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 28, BAGE 131, 155). Zweck des § 6 KSchG ist es, im Zusammenspiel mit § 4 KSchG frühzeitig Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. § 6 KSchG will den - häufig rechtsunkundigen - Arbeitnehmer vor einem unnötigen Verlust seines Kündigungsschutzes aus formalen Gründen schützen. Der Arbeitnehmer ist nach §§ 4, 6 KSchG nur verpflichtet, durch eine rechtzeitige Anrufung des Arbeitsgerichts seinen Willen, sich gegen die Wirksamkeit einer Kündigung zu wehren, genügend klar zum Ausdruck zu bringen(BAG 23. April 2008 - 2 AZR 699/06 - Rn. 24). Es genügt, dass aus der Klage ersichtlich ist, gegen wen sie sich richtet, wo der Kläger tätig war und vor allem, dass er seine Kündigung nicht als berechtigt anerkennen will (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 20 mwN).

20

Die Darlegung aller klagebegründenden Tatsachen, wie die Erfüllung der kündigungsschutzrechtlichen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 KSchG, gehört nicht zur Zulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zur Schlüssigkeit des Sachvortrags; ihr Fehlen führt demnach nicht zur Unzulässigkeit der Kündigungsschutzklage, sondern zu deren Unbegründetheit (KR/Friedrich 10. Aufl. § 4 KSchG Rn. 159; Linck in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 4 Rn. 37).

21

2. Die Klageschrift vom 23. März 2010 genügt den Anforderungen an die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Der Antrag entspricht der Vorgabe des § 4 Satz 1 KSchG. Die ausdrücklich „wegen Kündigungsschutzes“ erhobene Klage macht deutlich, dass der Kläger sich als Arbeitnehmer der Schuldnerin sieht und die von dem Beklagten als Insolvenzverwalter erklärte Kündigung vom 2. März 2010 nicht akzeptieren will. Dies ist entgegen der Auffassung der Revision ausreichend. Die Revision verkennt, dass es im vorliegenden Fall, anders als in dem mit Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - entschiedenen Fall, nicht um die Auslegung der Klageschrift geht. Die von der Revision thematisierte Problematik unterschiedlicher Auslegungsmaßstäbe von Klageschriften, die von sachkundigen Prozessbevollmächtigten erstellt wurden, in Abgrenzung zu Klageschriften, die von rechtsunkundigen Parteien verfasst wurden, stellt sich nicht. Die Klageschrift ist eindeutig formuliert. Soweit die Revision eine unzureichende Klagebegründung rügt, wirft sie ein Problem der Begründetheit der Klage auf.

22

Die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG wurde unstreitig gewahrt. Die Kündigung ging dem Kläger noch am 2. März 2010 zu. Die am 23. März 2010 als Telefax bei Gericht eingegangene Klage hielt die Frist ein. Der 23. März 2010 war der Tag des Fristablaufs (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).

23

III. Das Landesarbeitsgericht sieht die streitgegenständliche Kündigung als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG und die Klage damit als begründet an. Das Vorliegen verhaltensbedingter Gründe hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision rügt jedoch zu Recht die Verkennung des Kündigungsgrundes, soweit die Kündigung als Druckkündigung gerechtfertigt wurde.

24

1. Die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 KSchG liegen unstreitig vor. Die ordentliche Kündigung vom 2. März 2010 bedarf daher der sozialen Rechtfertigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

25

2. Die streitgegenständliche Kündigung ist nicht durch Gründe, die im Verhalten des Klägers liegen, sozial gerechtfertigt.

26

a) Das Landesarbeitsgericht hat im Verhalten des Klägers keine hinreichenden Kündigungsgründe erkannt. In Frage stehen die zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung angeführten Gründe (Missbrauch der EC-Karte für Privateinkäufe; Verweigerung der Herausgabe des Firmenwagens). Bezüglich der Einkäufe zulasten des Kontos der Schuldnerin ist das Landesarbeitsgericht nach Vernehmung des vormaligen Geschäftsführers der Schuldnerin zu der Auffassung gelangt, dass dieser die Einkäufe angewiesen und überprüft hat und damit kein Pflichtverstoß der klagenden Partei festzustellen ist. Hinsichtlich des Firmenwagens hat sich das Landesarbeitsgericht der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen, wonach es vor Erklärung der Kündigung einer entsprechenden Abmahnung bedurft hätte.

27

b) Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lassen keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen. Der tatrichterliche Beurteilungsspielraum wurde nicht überschritten. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Zudem könnte die verweigerte Herausgabe des Fahrzeugs die Kündigung vom 2. März 2010 nicht rechtfertigen, da die Herausgabe erst mit Schreiben vom 15. März 2010 verlangt wurde. Kündigungsgründe, die erst nach dem Zugang der Kündigung entstanden sind, können eine bereits ausgesprochene Kündigung nicht sozial rechtfertigen (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 246).

28

3. Zu Recht rügt die Revision allerdings Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Beurteilung der ordentlichen Kündigung als betriebsbedingte Druckkündigung.

29

a) Hinsichtlich der Druckkündigung hat das Landesarbeitsgericht Beweis erhoben durch Vernehmung eines Mitarbeiters des Beklagten zur wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und zur Forderung der Sparkasse nach Entlassung des Klägers und seiner Ehefrau. Das Landesarbeitsgericht hat dann aber ohne Würdigung der durchgeführten Beweisaufnahme entschieden, dass die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Druckkündigung nicht vorliegen. Der Kündigung liege nicht der erforderliche ernsthafte und endgültige Kündigungswille zugrunde. Die Kündigung beruhe auf einem „prognostischen Element“, denn es hätte der Gläubigerversammlung am 12. Mai 2010 oblegen, über die Fortführung des Betriebs zu entscheiden. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei noch nicht entschieden gewesen, ob der Betrieb der Schuldnerin fortgeführt werde und es auf die Gewährung eines Darlehens durch die Sparkasse überhaupt ankommen werde. Ein Grund für den Ausspruch einer Druckkündigung habe deshalb bei Kündigungserklärung nicht bestanden.

30

b) Mit dieser Begründung kann die Druckkündigung nicht als sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 2 KSchG angesehen werden.

31

aa) Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsgrund verkannt. Der Beklagte hat die Kündigung nicht mit der Stilllegung des Betriebs begründet. Er rechtfertigt die Kündigung vielmehr damit, dass er davon ausging, dass ohne Verlustübernahmeerklärung der Sparkasse keine Alternative zur Stilllegung mehr bestand, und er zur Erreichung der Verlustübernahmeerklärung deshalb dem auf die Entlassung des Klägers gerichteten Druck der Sparkasse nachgeben musste. Er führt eine Drucksituation im Vorfeld einer Entscheidung über die Stilllegung oder Fortführung an.

32

bb) Die vom Beklagten behauptete Drucksituation und die darauf basierende Kündigungsentscheidung berühren nicht die Befugnisse der Gläubigerversammlung gemäß § 157 InsO.

33

(1) Nach dieser Vorschrift beschließt die Gläubigerversammlung im Berichtstermin, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Die Gläubiger haben demnach autonom über die Stilllegung, vorläufige Fortführung und einen Insolvenzplan zu befinden (vgl. MünchKommInsO/Görg 2. Aufl. § 157 Rn. 5 ff.). Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 156 InsO den Berichtstermin vorzubereiten, da er im Berichtstermin über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten hat(§ 156 Abs. 1 Satz 1 InsO). Gemäß § 156 Abs. 1 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter zudem darzulegen, ob Aussichten bestehen, das Unternehmen des Schuldners im Ganzen oder in Teilen zu erhalten, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. Der Verwalter hat im Berichtstermin die fortführende oder übertragende Sanierung als Alternative zur Liquidation zu erörtern und gegebenenfalls einen Sanierungsplan vorzulegen (Uhlenbruck/Uhlenbruck 13. Aufl. § 156 InsO Rn. 9).

34

(2) Die Frage der Gewährung einer Verlustübernahmeerklärung durch die Sparkasse war nach Darstellung des Beklagten wesentlich für die Beurteilung der Sanierungsaussichten. Dabei handelte es sich um das entscheidende Merkmal für die Vorbereitung des Berichtstermins. Ohne das Eintreten der Sparkasse hätte der Beklagte der Gläubigerversammlung nach seiner Darstellung die Stilllegung des Betriebs vorschlagen müssen. Bei Gewährung der Verlustübernahmeerklärung hingegen kam eine Fortführung in Betracht. Damit entstand im Vorfeld der Gläubigerversammlung der Druck, den der Beklagte zur Rechtfertigung der Kündigung anführt. Ohne Entlassung des Klägers und seiner Ehefrau wäre die Absicherung durch die Sparkasse nicht erreichbar gewesen. Erst durch die Verlustübernahmeerklärung wurde der Gläubigerversammlung eine Wahl zwischen Stilllegung und vorläufiger Fortführung ermöglicht.

35

cc) Am Kündigungswillen des Beklagten besteht entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kein Zweifel. Er hat ihn durch die Erklärung der Kündigung verwirklicht (vgl. BAG 21. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 46).

36

IV. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies wäre nur dann der Fall, wenn eine sogenannte „echte Druckkündigung“ als betriebsbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts generell als unzulässig anzusehen wäre. Dies vertreten einige Stimmen des juristischen Schrifttums. Der Senat hält aber an der bisherigen Rechtsprechung fest.

37

1. Eine Druckkündigung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden:

38

a) Das Verlangen des Dritten kann gegenüber dem Arbeitgeber durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen personenbedingten Grund objektiv gerechtfertigt sein. In diesem Fall liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine personen- oder eine verhaltensbedingte Kündigung erklärt (BAG 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - zu B II 2 a der Gründe). Eine solche Kündigung wird auch als „unechte Druckkündigung“ bezeichnet. Die Kündigung wird nicht primär wegen des durch den Dritten erzeugten Drucks erklärt, sondern wegen des personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes.

39

b) Fehlt es hingegen an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung, so kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer sogenannten „echten Druckkündigung“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden (BAG 19. Juni 1986 - 2 AZR 563/85 - zu B II 2 b aa der Gründe). Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (BAG 4. Oktober 1990 - 2 AZR 201/90 - zu II 3 der Gründe). Typische Fälle einer echten Druckkündigung sind Drohungen der Belegschaft mit Streik oder Massenkündigungen oder die Androhung des Abbruchs von Geschäftsbeziehungen für den Fall der Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers (zur Abgrenzung zwischen betriebsbedingter Druckkündigung und personenbedingter Kündigung vgl. BAG 26. Juni 1997 - 2 AZR 502/96 - zu B I 3 der Gründe; 31. Januar 1996 - 2 AZR 158/95 - zu II 5 a und b der Gründe, BAGE 82, 124).

40

2. Diese Rechtsprechung ist in der Literatur neben Zustimmung auch auf Kritik gestoßen.

41

a) Ein Teil des Schrifttums sieht eine Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung entsprechend der Rechtsprechung als sozial gerechtfertigt an, wenn dem Arbeitgeber anderenfalls schwere wirtschaftliche Schäden drohen (KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 586a; DFL/Kaiser 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 19; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 1 Rn. 334; ErfK/Müller-Glöge 13. Aufl. § 626 BGB Rn. 185; MüKoBGB/Henssler 6. Aufl. § 626 Rn. 255; zu etwaigen Schadensersatzansprüchen des betroffenen Arbeitnehmers vgl. KR/Fischermeier § 626 BGB Rn. 209 mwN).

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b) Zum Teil wird eingewendet, dass es sich um keinen Fall der betriebsbedingten Kündigung handle, da keine arbeitsplatzbezogenen Beschäftigungsmöglichkeiten entfielen (so APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 521 mwN; Berkowsky Die betriebsbedingte Kündigung 6. Aufl. Rn. 106). Die Druckkündigung könne nur der personenbedingten Kündigung zugerechnet werden. Die Person des Arbeitnehmers sei der eigentliche Anlass für den von Dritten ausgeübten Druck (Krause in vHH/L KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 346; ErfK/Oetker 13. Aufl. § 1 KSchG Rn. 184).

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c) Andere Autoren lehnen die echte Druckkündigung gänzlich ab. Es liege kein Kündigungsgrund vor. Habe sich der Arbeitnehmer nichts zuschulden kommen lassen, dürfe das Mittel der betriebsbedingten Kündigung nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer wegen einer ungerechtfertigen Drohung seinen Arbeitsplatz verliere. Das Recht brauche dem Unrecht nicht zu weichen (Stahlhacke/Preis 10. Aufl. Rn. 970; Kittner/Däubler/Zwanziger/Deinert KSchR 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 469; ablehnend auch HK/Weller/Dorndorf KSchG 4. Aufl. § 1 Rn. 997; zur Problematik diskriminierender Entlassungsverlangen vgl. Deinert RdA 2007, 275 ff.).

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3. Die in der Literatur geäußerten Bedenken gegen die Einstufung einer echten Druckkündigung als betriebsbedingte Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 KSchG tragen nicht.

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Dringende betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben (st. Rspr., vgl. BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 21). In beiden Konstellationen liegt der Kündigungsgrund in der Sphäre des Arbeitgebers, der entweder agiert, dh. eine Organisationsentscheidung trifft, oder auf eine bestimmte Situation reagiert. Letzteres ist insbesondere der Fall, wenn der Arbeitgeber einen Auftrag verliert und den Personalbestand an die noch verbleibende Arbeitsmenge anpassen muss (vgl. BAG 18. Mai 2006 - 2 AZR 412/05 - Rn. 17). Bei einem Auftragsverlust entsteht für den Arbeitgeber eine Drucksituation, auf die er unternehmerisch reagieren muss, um den Fortbestand des Betriebs zu sichern.

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Bei der echten Druckkündigung ist die Lage insoweit vergleichbar. Entstünden bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber, muss dieser aus wirtschaftlichen Gründen handeln. Der Kündigungsgrund ist damit seiner Sphäre zuzuordnen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Druck von Vertragspartnern des Arbeitgebers ausgeübt wird (HWK/Quecke 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 257). Die Person des zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmers ist nur mittelbarer Anlass für den eigentlichen Kündigungsgrund, dass von dritter Seite Druck auf den Arbeitgeber ausgeübt wird. Wird der Druck als betriebliches Erfordernis verstanden, kommt es nicht darauf an, ob die Forderung nach der Entlassung berechtigt oder unberechtigt ist (HaKo/Gallner KSchR 4. Aufl. § 1 Rn. 528). Der Arbeitgeber sieht sich mit der Druckausübung konfrontiert, auch wenn sie inhaltlich unberechtigt sein sollte (vgl. BAG 4. Oktober 1990 - 2 AZR 201/90 - zu III 1 b bb der Gründe). Er muss abwägen, ob er dem Druck nachgibt oder nicht. Das Argument, dass der Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer nicht entfällt, verliert dann an Gewicht, wenn bei Verwirklichung der Drohung der Beschäftigungsbedarf für Teile der oder sogar für die gesamte Belegschaft in Frage steht. Dies wird deutlich im Fall des angedrohten Auftragsentzugs: Reagiert der Arbeitgeber nicht und entzieht der Dritte den Auftrag, können wegen Wegfalls des Beschäftigungsbedürfnisses betriebsbedingte Kündigungen erforderlich werden. Die Erklärung einer Druckkündigung kann dies unter Umständen verhindern. Auch dies spricht für die Einstufung als betriebsbedingte Kündigung, die sozial gerechtfertigt sein kann.

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Der vorliegende Fall zeigt zudem, dass die Zielsetzung der sanierenden Insolvenz konterkariert würde, wenn wegen des generellen Ausschlusses der betriebsbedingten Druckkündigung die Fortführung eines Unternehmens verhindert würde.

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V. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Die festgestellten Tatsachen reichen zur Beurteilung der ordentlichen Druckkündigung nicht aus. Das Landesarbeitsgericht wird unter Wahrung des Gebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) die von ihm durchgeführte Beweisaufnahme gemäß § 286 Abs. 1 ZPO zu würdigen oder die Beweisaufnahme zu wiederholen haben.

        

    Fischermeier    

        

    Spelge    

        

    Krumbiegel    

      

        

        

    Kreis    

        

    Kammann    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dem redlichen Schuldner wird Gelegenheit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.