Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 24. Feb. 2012 - 8 SHa 3/12

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2012:0224.8SHA3.12.0A
bei uns veröffentlicht am24.02.2012

Tenor

Das Arbeitsgericht Koblenz wird als örtlich zuständiges Gericht bestimmt.

Gründe

I.

1

Das Arbeitsgericht Koblenz hat sich in dem vom Kläger im April 2011 anhängig gemachten Kündigungsschutzverfahren mit Beschluss vom 28.11.2011 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Köln verwiesen. Das Arbeitsgericht Köln hält sich an den Verweisungsbeschluss für nicht gebunden und hat das Landesarbeitsgericht um Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts ersucht.

2

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte verwiesen.

II.

3

1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben. Sowohl das Arbeitsgericht Koblenz als auch das Arbeitsgericht Köln haben ihre Zuständigkeit geleugnet. Auch die Nichtübernahme eines verwiesenen Rechtsstreits, wie sie hier durch das Arbeitsgericht Köln erfolgt ist, ist als selbständige Leugnung der Zuständigkeit anzusehen und geeignet, einen negativen Kompetenzkonflikt i. S. v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO auszulösen (BAG v. 03.03.1972 - 5 AR 83/72 - AP Nr. 11 zu § 36 ZPO).

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2. Als örtlich zuständiges Gericht ist vorliegend das Arbeitsgericht Koblenz zu bestimmen.

5

Grundsätzlich sind Verweisungsbeschlüsse wegen örtlicher Unzuständigkeit nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Die Bindungswirkung entfällt nur ausnahmsweise bei krassen Rechtsverletzungen, etwa wenn der Beschluss auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht oder wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und er deshalb als objektiv willkürlich betrachtet werden muss (BAG v. 19.03.2003 - 5 AS 1/03 - NZA 2003, 683).

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Vorliegend entbehrt die Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Köln jeder gesetzlichen Grundlage, da die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Koblenz unter dem Gesichtspunkt des besonderen Gerichtsstands des Arbeitsortes (§ 48 Abs. 1 a ArbGG) evident ist und unter Zugrundelegung des unstreitigen Parteivorbringens schlichtweg nicht in Zweifel gezogen werden kann.

7

Nach § 48 Abs. 1 a Satz 1 ArbGG ist für Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist ein Arbeitsort in diesem Sinne nicht feststellbar, so ist nach § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG das Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt verrichtet hat. Die Gesetzesbegründung nennt insoweit beispielhaft gerade den Fall, dass ein Außendienstmitarbeiter zu Hause seine Reisetätigkeiten plant, Berichte schreibt oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet (BT-Drs. 7716 S. 24).

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Dem entsprechend ist der Wohnort eines Außendienstmitarbeiters jedenfalls dann der Ort, von dem aus er im Sinne von § 48 Satz 1 a S. 2 ArbGG gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn er dort in gewissem Umfang Arbeitsleistungen erbringt. Diesbezüglich genügt es, wenn er dort seine Außendiensttätigkeit vor- oder nachbereitet oder Berichte über seine Tätigkeit verfasst. Dies entspricht allgemeiner Ansicht (vgl. Schwab/Weth/Walker, ArbGG, § 48 Rz. 119; GK-ArbGG-Bader, § 48 Rz. 93 c; Francken/Natter/Rieker, NZA 2008, 377; Bergwitz, NZA 2008, 443; LAG Hessen v. 26.08.2008 - 4 Ta 308/08 -; LAG Hamm v. 08.03.2011 - 1 SHa 5/11 -). Einen bestimmten Mindestumfang muss die am Wohnort verrichtete Tätigkeit nicht haben. Umso weniger besteht eine Grundlage für die Annahme des Arbeitsgerichts, die Anwendung des § 48 Abs. 1 a S. 2 ArbGG setze voraus, dass dem Außendienstmitarbeiter ein bestimmter, fest umrissener Bezirk zugewiesen sei. Diese Auffassung ist mit dem Wortlaut und dem Zweck der Norm schlichtweg unvereinbar.

9

Im Streitfall hat der Kläger unstreitig von seinem Wohnort aus seine Reisetätigkeit geplant und Berichte an die Beklagte geschrieben. Darüber hinaus hat er - ebenfalls von seinem Wohnort in A-Stadt aus - in regelmäßigen zeitlichen Abständen Telefonkonferenzen mit seinem Vorgesetzten und mit dem in London ansässigen Repräsentanten der Beklagten ausgeführt. Letztlich wurden dem Kläger unstreitig seitens der Beklagten ein Notebook und ein Blackberry sowie Systemzugänge via Internet zur Verfügung gestellt. Diese Kommunikationsmöglichkeit hat der Kläger ebenfalls zu Hause zum Zwecke der Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen genutzt.

10

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 a Satz 2 ArbGG sind daher bezüglich des Wohnsitzes des Klägers zweifellos erfüllt.

11

In Ansehung der Evidenz der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Koblenz nach Maßgabe des § 48 Abs. 1 a S. 2 ArbGG erweist sich der Verweisungsbeschluss als offensichtlich rechtswidrig und ist für das Arbeitsgericht Köln, an das verwiesen worden ist, nicht bindend (vgl. auch LAG Hessen v. 09.06.2008 - 1 SHa 1/08).

III.

12

Die Kosten des Verfahrens zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit sind Kosten des Rechtsstreits (BGH v. 10.12.1987 - 1 AZR 809/87 - NJW 1988, 1794).

13

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 ZPO).

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 48 Rechtsweg und Zuständigkeit


(1) Für die Zulässigkeit des Rechtsweges und der Verfahrensart sowie für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes mit folgender Maßgabe entsprechend: 1. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und

Zivilprozessordnung - ZPO | § 37 Verfahren bei gerichtlicher Bestimmung


(1) Die Entscheidung über das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts ergeht durch Beschluss. (2) Der Beschluss, der das zuständige Gericht bestimmt, ist nicht anfechtbar.

Referenzen

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Für die Zulässigkeit des Rechtsweges und der Verfahrensart sowie für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes mit folgender Maßgabe entsprechend:

1.
Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die örtliche Zuständigkeit sind unanfechtbar.
2.
Der Beschluß nach § 17a Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes ergeht, sofern er nicht lediglich die örtliche Zuständigkeit zum Gegenstand hat, auch außerhalb der mündlichen Verhandlung stets durch die Kammer.

(1a) Für Streitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, 4a, 7, 8 und 10 sowie Abs. 2 ist auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist ein gewöhnlicher Arbeitsort im Sinne des Satzes 1 nicht feststellbar, ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat.

(2) Die Tarifvertragsparteien können im Tarifvertrag die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts festlegen für

1.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis und aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt,
2.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgebern.
Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Satz 1 Nr. 1 gelten die tarifvertraglichen Bestimmungen über das örtlich zuständige Arbeitsgericht zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn die Anwendung des gesamten Tarifvertrags zwischen ihnen vereinbart ist. Die in § 38 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung vorgesehenen Beschränkungen finden keine Anwendung.

(1) Die Entscheidung über das Gesuch um Bestimmung des zuständigen Gerichts ergeht durch Beschluss.

(2) Der Beschluss, der das zuständige Gericht bestimmt, ist nicht anfechtbar.