Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 20. Okt. 2009 - 5 Sa 180/09

bei uns veröffentlicht am20.10.2009

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um eine Einmalzahlung in Höhe von 650,00 Euro.

2

Der Kläger, der der Gewerkschaft v. angehört, ist seit 1989 bei der Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt.

3

Die Beklagte hat lange Jahre Tarifverträge mit der D.-Bund-Gewerkschaft v. abgeschlossen, die zum großen Teil auch heute noch Anwendung finden. Da im Rettungsdienst traditionell Zeiten der Arbeitsbereitschaft anfallen, die durch Bereitschaftszeiten oder Bereitschaftsdienste abgedeckt werden, hatte die Beklagte ein Interesse daran, mit v. einen Tarifvertrag zur Ausdehnung der Arbeitszeit im Sinne von § 7 Absatz 2a Arbeitszeitgesetz (ArbZG) abzuschließen. Dazu war v. aber nur bereit, wenn die Beklagte Gegenleistungen zu Gunsten der Belegschaft erbringt. Daher kam es nicht zu einem Tarifabschluss.

4

Vor diesem Hintergrund hat die beklagte Arbeitgeberin Kontakt aufgenommen zu einer Organisation mit Namen "DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V." (im Folgenden abgekürzt als DHV bezeichnet) und hat mit ihr unter dem 30. November 2007 einen Vertrag, den die Unterzeichner als Tarifvertrag bezeichnet haben, abgeschlossen. In dem Vertrag werden Arbeitszeitfragen für die Arbeitnehmer der Beklagten im Rettungsdienst geregelt. Der Vertrag sieht auch die Ausdehnung der Arbeitszeit im Sinne von § 7 Absatz 2a ArbZG vor. Der Vertrag sollte ausweislich seines § 6 mit dem 1. Januar 2008 in Kraft treten und - ebenfalls dort geregelt - unter Ausschluss der Nachwirkung zum 31. März 2008 enden. Der Vertragstext geht auf einen Formulierungsvorschlag der Beklagten zurück, der ohne große Änderungen übernommen wurde.

5

Außerdem hat die Beklagte mit der DHV unter dem 10. Dezember 2007 eine schriftliche Vereinbarung ("Gemeinsame Erklärung") abgeschlossen, die auszugsweise wie folgt lautet (Kopie Blatt 19 d. A., es wird Bezug genommen):

6

"Bei Inkrafttreten des Tarifvertrages erhalten die Mitglieder der DHV eine Einmalzahlung in Höhe von 650,00 Euro".

7

Den Beschäftigten der Beklagten, die daraufhin Mitglied der DHV geworden sind, wurde mit der Abrechnung für Dezember 2007 im Januar 2008 ein Betrag in Höhe von 650,00 Euro brutto als "Einmalzahlung" ausbezahlt. Um wie viele Arbeitnehmer es sich handelt, ist nicht festgestellt.

8

Der Kläger, der nicht Mitglied der DHV geworden ist, machte mit Schriftsatz vom 21. Juni 2008 den Anspruch auf Zahlung der 650,00 Euro schriftlich gegenüber der Beklagten geltend. Nachdem die Beklagte die Zahlung verweigert hat, verfolgt der Kläger sein Begehren mit seiner im Oktober 2008 eingegangenen Klage weiter.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. April 2009 abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

10

Mit seiner rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

11

Der Kläger stützt seine Forderung auf den Gesichtspunkt der Gleichbehandlung. Er ist der Auffassung, dass die Zahlung aus der "Gemeinsamen Erklärung" ausschließlich an die Mitglieder der DHV eine Differenzierungsklausel sei, die wegen Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit unwirksam sei. Er bestreitet, dass die DHV die für den Status einer Gewerkschaft erforderliche Mächtigkeit und Leistungsfähigkeit besitze. Darüber hinaus fehle der DHV die Tarifzuständigkeit für den Bereich des Rettungsdienstes (Hinweis auf BAG 10. Februar 2009 - 1 ABR 36/08 - DB 2009, 1657 = NZA 2009, 908). Dies sei alles so offensichtlich, dass man davon ausgehen müsse, die Beklagte habe bei Zahlung der 650,00 Euro an die Mitglieder der DHV gewusst, dass sie ohne Rechtsgrund eine Zahlung vornehme. Da die Beklagte gewusst habe, dass sie ohne Rechtsgrund zahle, gebe es auch keinen Grund, wieso sie nicht an alle Arbeitnehmer der Belegschaft die Einmalzahlung leiste.

12

Der Kläger beantragt,

13

unter Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung die Beklagte zu verurteilen, 650,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2008 an den Kläger zu

14

zahlen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie ist der Auffassung, dass eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht vorliege. Selbst bei Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel ergäbe sich kein Anspruch zu Gunsten des Klägers, sondern allenfalls ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung gegenüber den begünstigten Arbeitnehmern aus Bereicherungsrecht.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

19

Die Berufung, die keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache keinen Erfolg. Mit dem Arbeitsgericht, dessen Ausführungen sich das Berufungsgericht ausdrücklich zu Eigen macht, ist davon auszugehen, dass die Klage nicht schlüssig ist.

I.

20

Der vom Kläger behauptete Anspruch besteht nicht.

1.

21

Der klägerische Anspruch lässt sich nicht aus der "Gemeinsamen Erklärung" vom 10. Dezember 2007 ableiten. Da durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10. Februar 2009 (a. a. O.) inzwischen feststeht, dass die DHV keine Tarifzuständigkeit für Mitarbeiter im Rettungsdienst hat bzw. seinerzeit hatte, ist die "Gemeinsame Erklärung" nichts mehr weiter als ein Stück Papier mit mehreren Unterschriften. Direkte Ansprüche irgendwelcher Arbeitnehmer lassen sich daraus nicht ableiten.

2.

22

Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass er mit den Begünstigten aus dieser Vereinbarung gleich behandelt wird.

a)

23

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies aber, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (st. Rspr. vgl. BAG 25. April 2001 - 5 AZR 368/99 - BAGE 97, 350; vgl. dazu auch LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 27. Februar 2008 - 2 Sa 259/07 auf juris.de veröffentlicht). Ein Arbeitgeber, der nach einem selbstgesetzten System vergütet, muss dabei Verteilungsgerechtigkeit üben, weil ein System stets den gedanklichen Zusammenhang mit anderen Tatbeständen und anderen Arbeitnehmern und damit Vergleichbarkeit herstellt (BAG 3. Juli 2003 - 2 AZR 617/02 - BAGE 107, 56 = AP Nr. 73 zu § 2 KSchG 1969 = DB 2004, 655). Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, ist damit im Entgeltbereich anwendbar, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt und dazu bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 574 ff).

b)

24

Eine sachfremde Gruppenbildung kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat hier die Gruppe "Mitglieder der DHV" gebildet. Die Bildung einer Gruppe, die als Voraussetzung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Organisation hat, kann bei Vereinbarungen über Vergütungen mit dieser Organisation in einem Vertrag nicht "sachfremd" sein.

25

An diesem Befund ändert sich nichts, auch wenn heute feststeht, dass die "Gemeinsame Erklärung" zwischen der Beklagten und der DHV zu keinem Zeitpunkt direkte Ansprüche der Arbeitnehmer begründet hatte, da der DHV die Zuständigkeit für den Abschluss eines Tarifvertrages für Arbeitnehmer des Rettungsdienstes gefehlt hat. Denn selbst dann, wenn der Vereinbarung nicht die für den Tarifvertrag typische normative Kraft zukommt, bleibt sie doch ein Vertrag, den die vertragsschließenden Parteien wirksam im Rahmen der Vertragsfreiheit verabredet haben. Sonstige Bedenken gegen die Wirksamkeit der "Gemeinsamen Erklärung" als schlichter schuldrechtlicher Vertrag bestehen nicht, insbesondere verstößt der Vertrag nicht gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB.

26

Mit der Zahlung an die Mitglieder der DHV hat die Beklagte daher eine Pflicht erfüllt, zu der sie sich gegenüber der DHV verpflichtet hatte. Damit kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte die Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet hat. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung im Sinne des Gesetzes ergibt sich jedenfalls nicht durch den bloßen Vollzug eines vermeintlich wirksamen Tarifvertrages (BAG 18. November 2009 - 4 AZR 491/08). - Daher kann offen bleiben, ob der vom Kläger gebildete Rechtssatz, bei vorsätzlicher Zahlung ohne Rechtsgrund müsse die Zahlung an alle erfolgen, zutrifft.

3.

27

Mit dem Arbeitsgericht ist zu betonen, dass es einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht oder Rechtsirrtum nicht gibt. Bei einer rechtsirrtümlich falsch angewendeten Rechtsnorm kann niemand aus Gründen der Gleichbehandlung für sich die gleiche Falschanwendung verlangen (BAG 13. Dezember 1972 - 4 AZR 147/72 - AP Nr. 37 zu § 242 BGB Gleichbehandlung mit zust. Anmerkung Löwisch; BAG Urteil vom 19. März 1980 - 4 AZR 300/78 - AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Umstand, dass eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr nicht zustehende Vergünstigung rechtsirrtümlich bereits erhalten hat, ist ein sachlicher, eine Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund auch dann, wenn die versehentlich bevorzugten Arbeitnehmer die Vergünstigung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht zurückzugeben brauchen.

II .

28

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist.

29

Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 134 Gesetzliches Verbot


Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 2 Änderungskündigung


Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt a

Arbeitszeitgesetz - ArbZG | § 7 Abweichende Regelungen


(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden, 1. abweichend von § 3 a) die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig u

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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 27. Feb. 2008 - 2 Sa 259/07

bei uns veröffentlicht am 27.02.2008

Tenor I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 24.07.2007 - 4 Ca 74/07 - dahin abgeändert, dass die Verurteilung zur Zahlung der Abfindung lediglich insoweit erfolgt, soweit der Anspruch nicht auf.

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(1) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann zugelassen werden,

1.
abweichend von § 3
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
c)
(weggefallen)
2.
abweichend von § 4 Satz 2 die Gesamtdauer der Ruhepausen in Schichtbetrieben und Verkehrsbetrieben auf Kurzpausen von angemessener Dauer aufzuteilen,
3.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden zu kürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung der Ruhezeit innerhalb eines festzulegenden Ausgleichszeitraums ausgeglichen wird,
4.
abweichend von § 6 Abs. 2
a)
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich hinaus zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
b)
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen,
5.
den Beginn des siebenstündigen Nachtzeitraums des § 2 Abs. 3 auf die Zeit zwischen 22 und 24 Uhr festzulegen.

(2) Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden,

1.
abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeiten bei Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen,
2.
die Regelungen der §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 in der Landwirtschaft der Bestellungs- und Erntezeit sowie den Witterungseinflüssen anzupassen,
3.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei der Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen der Eigenart dieser Tätigkeit und dem Wohl dieser Personen entsprechend anzupassen,
4.
die Regelungen der §§ 3, 4, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 bei Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie bei anderen Arbeitgebern, die der Tarifbindung eines für den öffentlichen Dienst geltenden oder eines im wesentlichen inhaltsgleichen Tarifvertrags unterliegen, der Eigenart der Tätigkeit bei diesen Stellen anzupassen.

(2a) In einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung kann abweichend von den §§ 3, 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 zugelassen werden, die werktägliche Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über acht Stunden zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt und durch besondere Regelungen sichergestellt wird, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(3) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Absatz 1, 2 oder 2a können abweichende tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden. Können auf Grund eines solchen Tarifvertrags abweichende Regelungen in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch gemacht werden. Eine nach Absatz 2 Nr. 4 getroffene abweichende tarifvertragliche Regelung hat zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der für den öffentlichen Dienst geltenden tarifvertraglichen Bestimmungen vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebs überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken.

(4) Die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften können die in Absatz 1, 2 oder 2a genannten Abweichungen in ihren Regelungen vorsehen.

(5) In einem Bereich, in dem Regelungen durch Tarifvertrag üblicherweise nicht getroffen werden, können Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1, 2 oder 2a durch die Aufsichtsbehörde bewilligt werden, wenn dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(6) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen im Rahmen des Absatzes 1 oder 2 zulassen, sofern dies aus betrieblichen Gründen erforderlich ist und die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird.

(7) Auf Grund einer Regelung nach Absatz 2a oder den Absätzen 3 bis 5 jeweils in Verbindung mit Absatz 2a darf die Arbeitszeit nur verlängert werden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich eingewilligt hat. Der Arbeitnehmer kann die Einwilligung mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich widerrufen. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer nicht benachteiligen, weil dieser die Einwilligung zur Verlängerung der Arbeitszeit nicht erklärt oder die Einwilligung widerrufen hat.

(8) Werden Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 und 4, Absatz 2 Nr. 2 bis 4 oder solche Regelungen auf Grund der Absätze 3 und 4 zugelassen, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von zwölf Kalendermonaten nicht überschreiten. Erfolgt die Zulassung auf Grund des Absatzes 5, darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

(9) Wird die werktägliche Arbeitszeit über zwölf Stunden hinaus verlängert, muss im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Arbeitszeit eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden gewährt werden.

Tenor

I. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 24.07.2007 - 4 Ca 74/07 - dahin abgeändert, dass die Verurteilung zur Zahlung der Abfindung lediglich insoweit erfolgt, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Im Übrigen wird die Berufung des beklagten Landes auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.

2

Die Klägerin ist seit 1993 als Justizangestellte im Schreibdienst beschäftigt. Am 15.03.2006 hat das beklagte Land eine Abfindungsrichtlinie für die bei ihr in der Landesverwaltung beschäftigten Arbeitnehmer erlassen, hinsichtlich deren Inhalt auf die Anlage K 4 zur Klageschrift (Blatt 17 ff. d. A.) Bezug genommen wird.

3

Mit Schreiben vom 28.08.2006 an die Präsidentin des Verwaltungsgerichts bat die Klägerin um Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung zum 15.12.2006. Sie begründete ihren Schritt mit Schreiben vom 25.10.2006 mit gesundheitlichen Problemen auf Grund stressbedingter Überforderung als alleinerziehende Mutter. Mit Schreiben vom 25.10.2006 stimmte die Präsidentin des Verwaltungsgerichtes sodann der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu und erklärte, eine Abfindung könne nicht gezahlt werden, da nach dem Erlass eine übertarifliche Leistung nicht erfolgen könne, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Mitwirkung des Arbeitgebers zu erwarten sei - soweit dies bekannt ist - (z. B. Familienumzug, neues Arbeitsverhältnis). Es sei zu erwarten, dass die Klägerin auch ohne Mitwirkung des Arbeitgebers ihr Arbeitsverhältnis auf Grund der Trennung der Familie und der gesundheitlichen Probleme aufgelöst hätte. Am 01.11.2006 schlossen die Parteien einen Auflösungsvertrag mit Wirkung vom 15.12.2006. Eine Abfindung ist in diesem Auflösungsvertrag nicht vorgesehen.

4

Mit Urteil vom 24.07.2007 - 4 Ca 74/07 - hat das Arbeitsgericht Stralsund das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2006 zu zahlen und dem beklagten Land die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, es könne nicht von einem Mitnahmeeffekt ausgegangen werden, wenn eine Kausalität zwischen der Abfindungsrichtlinie und dem Auflösungswunsch des des Arbeitnehmers bestünde. Mit der Richtlinie sollten Arbeitnehmer angesprochen werden, die einerseits die Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses wünschten, andererseits aber an ihrem Arbeitsplatz festhalten wollten.

5

Gerade diese Personen sollten mit der Richtlinie angesprochen werden. Der Richtlinie vom 15.03.2006 sei auch nicht zu entnehmen, dass der Anspruch auf Abfindung nur entstehen sollte, wenn er im Aufhebungsvertrag vereinbart worden sei. Der Abfindungsanspruch folge vielmehr aus der Richtlinie in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Insofern enthalte der Aufhebungsvertrag der Parteien vom 01.11.2006 auch keinen Verzicht auf die Abfindungszahlung.

6

Dieses Urteil ist dem beklagten Land am 20.09.2007 zugestellt worden. Es hat dagegen Berufung eingelegt, die am Montag 22.10.2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 19.11.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

7

Das beklagte Land ist der Auffassung, aus dem Kontext der Vertragsverhandlungen hätte für die Klägerin nie der Eindruck entstehen können, dass ihr eine Abfindungszahlung zustehen könnte. Auch habe die Klägerin mündlich gegenüber der Präsidentin des Verwaltungsgerichts erklärt, dass sie auch dann an der Aufhebung des Arbeitsvertrages festhalten wolle, wenn sie keine Abfindung erhalten werde.

8

Selbst wenn ein Verzicht auf etwaige Ansprüche nicht vorliegen sollte, hätte aber ein Mitnahmeeffekt vorgelegen. Das Gericht habe bei der Bewertung der Umstände ausgeblendet, dass die Klägerin vor Antrag auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, die Ehe mit ihrem Lebensgefährten eingegangen sei. Tatsächlich habe der Aufhebungsantrag nicht im Zusammenhang mit der Abfindungsrichtlinie vom 15.03.2006, sondern mit der Hochzeit vom 25.08.2006 gestanden. Auch sei die Krankheitsbelastung der Klägerin nicht berücksichtigt worden. Die Stellungnahme der Klägerin sei nicht unter dem Druck der Präsidentin entstanden. Sollte der Klage gleichwohl stattgegeben werden, müsste ein teilweiser Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit, die mit Schreiben vom 11.01.2007 Ansprüche angemeldet habe, berücksichtigt werden.

9

Das beklagte Land beantragt:

10

Das am 24.07.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund, Az.: 4 Ca 74/07, abzuändern und die Klage abzuweisen.

11

hilfsweise,

12

das am 24.07.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund, Az.: 4 Ca 74/07, abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2006 zu verurteilen, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Sie behauptet, sie habe sich erst vor dem Hintergrund der in der Richtlinie in Aussicht gestellten Abfindung entschlossen zu heiraten, und ihren Lebensmittelpunkt nach G. zu verlegen. Die Abfindung, die ungefähr zwei Jahresgehälter der Klägerin betrage, habe ihr die finanzielle Freiheit verschafft, sich in Ruhe nach einem Arbeitsplatz in Leipzig umsehen zu können.

16

Dass die Klägerin vor Erlass der Abfindungsrichtlinie die Absicht gehabt habe, in G. zu bleiben, zeige sich darin, dass sie ihr Kind kurz vor Erlass der Abfindungsrichtlinie an einer in ihrer Wohnung in G. nahegelegenen Grundschule angemeldet habe. Erst nach dem Erlass der Abfindungsrichtlinie habe sie sich zum Wohnortwechsel entschlossen. Am 25.10.2006 sei sie von der Geschäftsleiterin des Verwaltungsgerichts gebeten worden, die Gründe für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses kurz darzulegen. Sie habe dabei unter erheblicher Arbeitsbelastung gestanden. Vor dem Hintergrund dieser Situation habe sie eine schriftliche Kurzbegründung abgegeben.

17

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

19

Das Arbeitsgericht Stralsund hat mit zutreffender Begründung der Klage stattgegeben. Es wird insoweit auf das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

20

Zu den Angriffen der Berufung gilt Folgendes:

21

1. Die Klägerin hat gegenüber dem beklagten Land einen Anspruch auf Zahlung des Abfindungsvertrages in unstreitiger Höhe von 50.000,00 EUR, wie er sich aus der Richtlinie vom 15. März 2006 ergibt. Dies folgt aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie die anderen Mitarbeiter der Landesverwaltung, die auf Grund der Richtlinie vom 15. März 2006 gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Mangels Vortrages des beklagten Landes ist davon auszugehen, dass das beklagte Land die Abfindungsrichtlinie vom 15. März 2006 gegenüber den Mitarbeitern der Landesverwaltung auch tatsächlich angewendet hat.

22

Das beklagte Land kann sich auch nicht darauf berufen, es müsse keine Abfindung bezahlen, da ein sogenannter Mittnahmeeffekt vorliegt. In dem Erlass vom 31. Mai 2006 (Blatt 20 d. A.) heißt es hierzu, dass die Vereinbarung übertariflicher Leistungen nicht erfolgen dürfe, wenn folgender Umstand vorliegt:

23

"Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist auch ohne Mitwirkung des Arbeitgebers zu erwarten - soweit dies bekannt ist - (z. B. Familienumzug, neues Arbeitsverhältnis)."

24

Es ist bereits fraglich, ob dieses Kriterium dem rechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht. Dieser Grundsatz gebietet es dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer, oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleichzubehandeln. Der Arbeitgeber verletzt diesen Grundsatz, wenn sich für eine unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder in sonstiger Weise sachlich einleuchtender Grund finden lässt. Bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers heißt dies, dass der Arbeitgeber die Leistungsvoraussetzung so abzugrenzen hat, dass Arbeitnehmer des Betriebes nicht aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber - wie hier - freiwillige Leistungen gewährt. Er ist grundsätzlich frei, den Personenkreis abzugrenzen dem er freiwillige Leistungen zukommen lassen will, also Gruppen zu bilden, wenn diese Gruppenbildung nicht willkürlich, sondern sachlich gerechtfertigt oder rechtlich zulässig ist.

25

Die sachliche Rechtfertigung in dieser Gruppenbildung kann nur am Zweck der freiwilligen Leistung des Arbeitgebers gemessen werden. Verstößt der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, hat der benachteiligte Arbeitnehmer Anspruch auf vorenthaltene Leistungen (BAG vom 15. Februar 2005, 9 AZR 116/04, BAG vom 18.09.2007, 9 AZR 788/06 - beide recherchiert über JURIS).

26

Das Kriterium eines Mitnahmeeffektes in der hier ausgestalteten Fassung ist willkürlich. Es ist nämlich rein zufällig, inwieweit der Arbeitgeber über persönliche Umstände aus dem Lebensbereich des Arbeitnehmers informiert ist. Liegt eine derartige Kenntnis des Arbeitgebers nicht vor kommt es zu einer Abfindungszahlung, in den anderen Fällen zu keiner Abfindungszahlung. Dies ist deshalb willkürlich, weil der Arbeitgeber keinen Anspruch darauf hat, von dem Arbeitnehmer über den in seiner Privatsphäre liegenden Gründe für den Wunsch auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses in Kenntnis gesetzt zu werden. Letztlich kann dies aber dahinstehen.

27

Das Arbeitsgericht hat in überzeugender Weise ausgeführt, dass im vorliegenden Fall der Mitnahmeeffekt überhaupt nicht vorliegt. Es hat ausgeführt, dass die Richtlinie den Zweck hat, Arbeitnehmern die Aufgabe des Arbeitsverhältnisses zu erleichtern. Sie richtet sich deshalb auch an Arbeitnehmer, die sich schon vor dem Erlass der Richtlinie mit dem Gedanken an eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses auf Grund bestimmter Lebensumstände beschäftigt haben.

28

Es wäre sinnwidrig, wenn der Arbeitgeber sich bei Arbeitnehmern, die sich auf Grund der Abfindungsrichtlinie zu der Aufgabe des Arbeitsverhältnisses entschlossen haben, darauf berufen könnte, die maßgeblichen Lebensumstände hätten ja schon vor dem Erlass der Richtlinie vom 15.03.2006 vorgelegen. Bei einer derartigen Handhabung könnte der Arbeitgeber in fast allen Fällen die Zahlung einer Abfindung verweigern. Gesundheitliche Gründe, der Wunsch nach beruflicher oder räumlicher Veränderung - all dies wird regelmäßig schon bei den Arbeitnehmern, die sich zur Aufgabe des Arbeitsverhältnisses vor dem 15.03.2006 entschieden haben, vorgelegen haben. Gerade an diese Arbeitnehmer richtet sich die Richtlinie. Ihnen soll damit die Aufgabe des Arbeitsverhältnisses erleichtert werden. Zu diesem Kreis gehört die Klägerin.

29

Das beklagte Land kann sich auch nicht auf die Eheschließung der Klägerin, die kurz vor dem Auflösungsantrag erfolgt ist, berufen. Das gemeinsame Kind der Klägerin, das sie mit ihrem jetzigen Ehemann hat, wurde am 23.01.2000 geboren. Bereits zu diesem Zeitpunkt lebte der damalige Lebensgefährte offensichtlich in S.. Auch ist zwischen den Parteien auf Grund Schweigens des beklagten Landes hierzu unstreitig, dass die Klägerin das gemeinsame Kind Anfang 2006 vor Erlass der Richtlinie an einer Schule in G. zum Schulbesuch angemeldet hat. Dies alles spricht dafür, dass die Klägerin vor dem Erlass der Richtlinie die Absicht hatte, in Greifswald zu bleiben.

30

Zusammengefasst: Die Richtlinie vom 15.03.2006 und der Erlass vom 31.05.2006 richten sich genau an den Personenkreis, zu dem die Klägerin gehört. Es sind Personen, die vor dem Erlass der Richtlinie sich auf Grund triftiger Gründe mit dem Gedanken an eine Auflösung beschäftigt haben, hierzu aber auf Grund fehlender finanzieller Motivation noch nicht bereit waren.

31

Das beklagte Land kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin schon vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit Abfindungszusage durch die Eheschließung Fakten geschaffen habe, die die Auflösung des Arbeitsverhältnisses quasi unabwendbar gemacht hätten. Nach den vorangegangenen Ausführungen liegt eine Kausalität zwischen der Richtlinie und dem Auflösungsgrund der Klägerin vor. Dass die Klägerin bei der Gestaltung ihrer persönlichen Lebenssituation und dem Wunsch auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine bestimmte zeitliche Rangfolge einzuhalten hat, geht weder aus der Richtlinie noch aus dem Erlass hervor.

32

Ferner kann sich das beklagte Land auch nicht auf das Schreiben der Klägerin vom 25.10.2006 berufen, in dem sie sich auf gesundheitliche Gründe für den Wunsch auf Aufhebung des Arbeitsverhältnisses berufen hat. Auch dieses Schreiben ändert nichts daran, dass die bereits ausgeführte Kausalität besteht. Schließlich ist unerheblich, ob die Klägerin geäußert hat, sie werde auch ohne Erhalt einer Abfindungszahlung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Diese Äußerung für sich genommen, stellt noch keinen Verzicht auf einen Anspruch dar.

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2. Die Klägerin hat auch nicht durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages auf die Zahlung einer Abfindung verzichtet, obwohl ihr bei Abschluss dieses Vertrages bekannt war, dass das beklagte Land zur Zahlung nicht bereit war. Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung folgt nach dem bereits Ausgeführten aus der Richtlinie, dem Erlass und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser Grundsatz hat immer dann Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbaren generalisierenden Prinzip festlegt (BAG vom 27.01.1999, 4 AZR 52/98, BAG vom 16.04.1997, 4 AZR 653/95, BAG vom 28.07.1992, 3 AZR 173/92).

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Würde man nämlich die Auffassung vertreten, dass der Grundsatz der Vertragsfreiheit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vorgeht, könnte der Arbeitgeber insbesondere bei der Einstellung - oder wie hier bei der Auflösung von Arbeitsverhältnissen - durch unsachgemäße Gruppenbildungen und entsprechenden Vertragsabschlüssen sich trotz verletzten Gleichbehandlungsgrundsatz auf die individuell vereinbarte vertragliche Gestaltung berufen und somit den Gleichbehandlungsgrundsatz wirkungslos machen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO. Soweit das Urteil dahin abgeändert worden ist, dass die Zahlung nur unter dem Vorbehalt zu erfolgen hat, dass der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist, war dies zwischen den Parteien nicht im Streit und ist lediglich auf das Schreiben der Bundesagentur für Arbeit zurückzuführen. Eine Verteilung der Kosten gem. § 92 Abs. 1 ZPO wäre daher unverhältnismäßig gewesen (vgl. § 92 Abs. 2 S. 1 ZPO)

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Zur Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.