Tenor

1. Die Beschwerden des Beteiligten zu 2 vom 02.02.2015 sowie der Beteiligten zu 1 vom 03.03.2015 jeweils gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 08.01.2015 – 1 BV 28/14 – werden zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Einrichtung einer Einigungsstelle über die Anzahl der Beisitzer sowie über die Person des Vorsitzenden.

2

Die Beteiligte zu 1, bei der ca. 500 Arbeitnehmer insgesamt beschäftigt sind, betreibt an zwei Standorten sechs Pflegeheime und bietet zudem Dienstleistungen im Bereich des altersgerechten Wohnens an.

3

Auf der Grundlage bereits bestehender vertraglicher Vereinbarungen mit Dritten beabsichtigt die Beteiligte zu 1 sukzessive die bei Ausscheiden eigener Arbeitnehmer im Bereich „Küche und Service“ frei werdenden Arbeitsplätze nicht wieder zu besetzen, sondern die insoweit anfallenden Aufgaben im Rahmen der bereits bestehenden Verträge auf die Firma K. Catering GmbH zu übertragen. Ein Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen ist nicht vorgesehen.

4

Anlässlich eines diesbezüglich geführten Rechtsstreits schlossen die Beteiligten einen Vergleich, der – soweit hier von Bedeutung – in Ziffer 3 wie folgt lautet:

5

„Die Beteiligten nehmen sodann Verhandlungen mit dem Ziel des Abschlusses eines Interessenausgleichs und Sozialplans auf. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Sozialplan ggf. freiwillig zu schließen ist. Die beteiligte Arbeitgeberin wird bis zum Abschluss eines Sozialplans keine weiteren Mitarbeiter der C. durch Beschäftigte der Firma K. ersetzen.“

6

Im Zuge der daraus resultierenden Verhandlungen übersandte die Beteiligte zu 1 dem Beteiligten zu 2 den Entwurf eines Interessenausgleiches sowie eines Sozialplanes. In der Folgezeit tauschten sich die Beteiligten mehrfach mündlich und schriftlich hierzu aus. Der Beteiligte zu 2 forderte verschiedene Änderungen in den Entwürfen. Mit Schreiben vom 25.11.2014 sagte der Beteiligte zu 2 den verabredeten weiteren Verhandlungstermin am 27.11.2014 mangels ausreichender Informationsgrundlage ab und fasste in der Sitzung am 27.11.2014 den Beschluss, die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan für gescheitert zu erklären und nunmehr die Einigungsstelle anzurufen.

7

Eine Einigung über die Person des Vorsitzenden sowie die Anzahl der Beisitzer konnte nicht erreicht werden. Daraufhin hat die Beteiligte zu 1 mit Schriftsatz vom 09.12.2014 das Verfahren nach § 99 ArbGG mit dem Ziel der Bestellung des Herrn Dr. P. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle sowie der Festsetzung von jeweils zwei Beisitzern eingeleitet.

8

Dagegen begehrt der Beteiligte zu 2 die Bestellung des Herrn Dr. W. zum Vorsitzenden und die Festsetzung von jeweils drei Beisitzern.

9

Mit Beschluss vom 08.01.2015 hat das Arbeitsgericht Rostock Herrn Dr. P. als Vorsitzenden bestellt und die Anzahl der Beisitzer auf jeweils drei festgesetzt.

10

Gegen diese am 20.01.2015 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 03.02.2015 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Beschwerde des Beteiligten zu 2 sowie die am 03.03.2015 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Anschluss-Beschwerde der Beteiligten zu 1.

11

Der Beteiligte zu 2 trägt zur Begründung vor, aus der Äußerung der Beteiligten zu 1, man halte eine Einigung in dieser Angelegenheit nicht mehr für möglich, folge, dass mit der Benennung des Herrn Dr. P. versucht werden solle, einseitig die Interessen der Beteiligten zu 1 durchzusetzen. Man benötige einen sicheren und zielführend vermittelnden Einigungsstellenvorsitzenden und nicht einen „durchsetzungsstarken“ Einigungsstellenvorsitzenden, der – (nur) aus seiner Sicht – pragmatische Lösungen gegebenenfalls durch einen Spruch erziele. Vor dem Hintergrund der Argumentation der Beteiligten zu 1 habe der Beteiligte zu 2 kein Vertrauen in den von der Beteiligten zu 1 vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden. Diese Gründe und Argumente seien in der Entscheidung des Arbeitsgerichts Rostock nicht berücksichtigt worden. Der von dem Beteiligten zu 2 vorgeschlagene Herr Dr. W. habe bereits in der Vergangenheit – insoweit unstreitig – den Vorsitz von Einigungsstellen bei der Beteiligten zu 1 inne gehabt. Es seien keine Gründe vorhanden, von dieser bewährten Praxis abzuweichen.

12

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

13

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 08.01.2015, Aktenzeichen 1 BV 28/14, insoweit aufzuheben, als dass der Richter am Landesarbeitsgericht Berlin, Herr Dr. R. P. als Vorsitzenden der Einigungsstelle mit der Regelungsthematik Betriebsänderung im Bereich Küche und Service bestellt wurde;

14

2. den Antrag des Arbeitgebers auf Bestellung des Richters am Landesarbeitsgericht Berlin, Herrn Dr. R. P. als Vorsitzenden der Einigungsstelle mit der Regelungsthematik Betriebsänderung im Bereich Küche und Service abzuweisen;

15

3. den Richter am Bundesarbeitsgericht a. D. Dr. J. W. als Vorsitzenden der Einigungsstelle mit dem Regelungsbereich „Sozialplan im Zuge der Betriebsänderung Küche und Service“ zu bestellen.

16

Die Beteiligte zu 1 beantragt,

17

die Beschwerde des Beteiligten zu 2 zurückzuweisen.

18

Zudem beantragt die Beteiligte zu 1,

19

1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 08.01.2015 zum Aktenzeichen 1 BV 28/14 abzuändern und

20

2. die Anzahl der von den Beteiligten in einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Interessenausgleich und Sozialplan anlässlich Betriebsänderung im Bereich Küche und Service“ jeweils zu benennenden Beisitzer auf zwei festzusetzen.

21

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

22

die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

23

Die Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, die Entscheidung des Arbeitsgerichts bezüglich der Anzahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer sei rechtsfehlerhaft. Bei dem streitgegenständlichen Regelungsgegenstand handele es sich um einen solchen mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. Dies gelte insbesondere angesichts des Umstandes, dass wirtschaftliche Nachteile für die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 1 nicht ersichtlich seien.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

25

Die Beschwerden des Beteiligten zu 2 und der Beteiligten zu 1 bleiben jeweils ohne Erfolg.

26

Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass ein Fall der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 ArbGG vorliegend nicht gegeben ist. Dieser Umstand wird mit den Beschwerden des Beteiligten zu 2 und der Beteiligten zu 1 auch nicht angegriffen. Zudem hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung ermessensfehlerfrei Herrn Dr. P. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle „Interessenausgleich und Sozialplan anlässlich der Betriebsänderung im Bereich Küche und Service“ bestellt und diesbezüglich ebenfalls ermessensfehlerfrei die Anzahl der Beisitzer auf jeweils drei festgesetzt.

1.

27

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

28

Auch bei der Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle hat das Gericht gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 ArbGG in Verbindung mit § 84 Satz 1 ArbGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, zu entscheiden. Dabei ist das Gericht bei der Auswahl der zu bestellenden Person grundsätzlich frei und an die Vorschläge der Beteiligten nicht gebunden. Das Auswahlermessen des Gerichts ist jedoch eingeschränkt, wenn gegen eine vom Antragsteller vorgeschlagene Person vom anderen Beteiligten keine oder keine nachvollziehbaren Einwände erhoben werden (ErfK – Koch, 15. Auflage, Rn. 2, 5 zu § 99 ArbGG m. w. N.). In diesem Zusammenhang sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles und der Befriedungszweck des Einigungsstellenverfahrens zu berücksichtigen. In die Auswahlentscheidung sind alle Gesichtspunkte einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen, die für eine zeitnahe und nachhaltige Beilegung der Meinungsverschiedenheiten von Bedeutung sind (vgl. insoweit auch LAG M-V vom 11.11.2008 – 5 TaBV 5 TaBV 16/08 -, juris Rn. 46).

29

Gemessen an den benannten Voraussetzungen stellt sich die von dem Arbeitsgericht Rostock in der streitigen Entscheidung vorgenommene Auswahlentscheidung vor dem Hintergrund der folgenden Formulierungen als zutreffend dar:

30

„Die von den Verfahrensbeteiligten vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden verfügen gleichermaßen über die erforderliche Sach- und Rechtskunde. Beide stehen zudem kurzfristig für ein Einigungsstellenverfahren zur Verfügung.

31

Herr Dr. W. kennt darüber hinaus bereits den Betrieb und die Betriebspartner. Er verfügt aufgrund der Leitung von zwei vorangegangenen Einigungsstellen über Hintergrundinformationen, die sich ein neuer Einigungsstellenvorsitzender erst noch aneignen muss. Dieser Wissensvorsprung kann das Einigungsstellenverfahren zur Betriebsänderung im Bereich Küche und Service durchaus beschleunigen. Andererseits wiegt dieser Vorteil aber nicht so schwer, dass deshalb automatisch mit einer schnelleren Erledigung des Einigungsstellenverfahrens zu rechnen ist. Das Wissensdefizit lässt sich in verhältnismäßig kurzer Zeit ausgleichen.

32

Allerdings birgt ein Verhandeln in der stets gleichen Besetzung auch die Gefahr, dass die Beteiligten in alte Verhaltensmuster verfallen und hilfreiche Lösungsansätze deshalb verloren gehen. Insofern bestehen Parallelen zu einem Mediationsverfahren. Ein anderer Mediator bringt bedingt durch seine Persönlichkeit stets eine eigene Herangehensweise in das Verfahren ein und bietet damit neue und zusätzliche Chancen zur Lösung des Konflikts.

33

Erst recht ist es hilfreich, einen weiteren Einigungsstellenvorsitzenden einzuschalten, wenn wie im vorliegenden Fall mehrere Einigungsstellen gleichzeitig anhängig sind. Es liegt im Interesse beider Betriebspartner, die durch einen weiteren Einigungsstellenvorsitzenden hinzukommenden neuen Impulse für die angestrebte gedeihliche Zusammenarbeit nutzbar zu machen. Zur Beilegung der konkreten Meinungsverschiedenheit und ggf. auch zur Verhinderung künftiger Meinungsverschiedenheiten erscheint es sachgerecht, alle in Betracht kommenden Möglichkeiten auszuschöpfen und für die streitgegenständliche Einigungsstelle einen anderen Vorsitzenden zu bestellen. Im Sinne einer Befriedung der Beteiligten ist zumindest der Versuch zu unternehmen, mit einem anderen Einigungsstellenvorsitzenden neue Wege zu beschreiten.“

34

Dieser sehr ausgewogenen und umfassenden Abwägung schließt sich das erkennende Gericht an, zumal weder der Sachverhalt noch der Vortrag der Beteiligten in dem Beschwerdeverfahren Veranlassung zur Vornahme einer abweichenden Auswahlentscheidung bietet.

35

Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Auffassung des Beteiligten zu 2, es sei stets ein anderer Vorsitzender, als der von einer Seite Vorgeschlagene zu bestellen, nicht gefolgt werden kann. Eine derartig umfassende Einschränkung der gerichtlich vorzunehmenden Auswahlentscheidung findet im Gesetz nach § 99 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 84 Satz 1 ArbGG keine Stütze. Insbesondere in den Fällen einer erhöhten Anzahl von Auseinandersetzungen auf der Grundlage eines spürbar gestörten Arbeitsklimas zwischen den Betriebsparteien – was hier nach den Ausführungen anlässlich der Anhörung der Beteiligten auch der Fall ist – ist bei der gerichtlich vorzunehmenden Auswahlentscheidung dem Aspekt der Bestellung wechselnder Personen als Vorsitzende eine nicht nur untergeordnete Bedeutung beizumessen (zutreffend LAG M-V vom 11.11.2008 – 5 TaBV 5 TaBV 16/08 -, juris Rn. 46).

2.

36

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist zwar zulässig, jedoch ebenfalls nicht begründet.

37

Die notwendige Anzahl der Beisitzer der jeweiligen Betriebsparteien zur Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens hängt nach einhelliger Auffassung von der Komplexität des Regelungsgegenstandes ab (ErfK – Koch, 15. Auflage, Rn. 6 zu § 99 ArbGG m. w. N.). Im Regelfall wird dabei die Anzahl von zwei Beisitzern auf jeder Seite als ausreichend angesehen, wobei im Falle besonders komplexer Regelungsfragen auch die Festlegung einer höheren Anzahl von Beisitzern auf Seiten der Betriebsparteien anerkannt ist (ErfK-Koch, a. a. O.).

38

Das Arbeitsgericht hat in der streitigen Entscheidung diesbezüglich zutreffend wie folgt ausgeführt:

39

„Für die Einigungsstelle zur Betriebsänderung im Bereich Küche und Service sind drei Beisitzer je Seite erforderlich. Eine Betriebsänderung wirft umfangreiche Tatsachen- und Rechtsfragen auf, für deren Klärung ein dritter Beisitzer hilfreich ist. Zwar betrifft die Betriebsänderung zunächst nur einen kleineren Teil des Betriebs, nämlich Küche und Service. Auch scheinen die Folgen für die Beschäftigten derzeit nicht besonders schwerwiegend zu sein. Andererseits sind jedoch verschiedene Grundsatzfragen in diesem Zusammenhang zu klären, da sich die Maßnahme weit in die Zukunft erstreckt und dementsprechend deren Auswirkungen auf den Betrieb, ggf. auch für weitere Maßnahmen, abzuschätzen sind. Hierzu bedarf es des Sachverstandes eines dritten Beisitzers, damit alle maßgeblichen Gesichtspunkte einbezogen werden. Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Betriebsgröße und der Anzahl von Betriebsstätten.“

40

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an, zumal weder der Sachverhalt noch der Vortrag der Beteiligten im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensentscheidung durch das Arbeitsgericht in der streitigen Entscheidung bieten. In der Beschwerdebegründung der Beteiligten zu 1 wird lediglich pauschal vorgetragen, es handele sich um einen durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad. Eine nähere Begründung in Auseinandersetzung mit der Argumentation in der angefochtenen Entscheidung erfolgt nicht.

III.

41

Diese Entscheidung ergeht gerichtskosten- und gebührenfrei (§ 99 ArbGG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 GKG) ohne ehrenamtliche Richter durch den Vorsitzenden allein (§ 99 Abs. 2 Satz 3 ArbGG).

42

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben (§ 99 Abs. 2 Satz 4 ArbGG).

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Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluß ist schriftlich abzufassen. § 60 ist entsprechend anzuwenden.

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(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet. (2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entspre

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bei uns veröffentlicht am 11.11.2008

Tenor Auf die Beschwerde der beteiligten Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 5. August 2008 (1 BV 20/08) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst. 1. Der Richter am Landesarbeitsgericht Mecklenburg-V

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(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.

(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.

(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluß ist schriftlich abzufassen. § 60 ist entsprechend anzuwenden.

(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.

(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.

(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

Tenor

Auf die Beschwerde der beteiligten Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 5. August 2008 (1 BV 20/08) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.

1. Der Richter am Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Herr B. E. wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen

a) Organisatorische Maßnahmen zur Einbeziehung des betrieblichen Arbeitsschutzes und seiner Wirksamkeitskontrollen in die betrieblichen Führungsstrukturen,

b) Krankenbesuche sowie telefonische Kontaktaufnahme mit erkrankten Mitarbeitern

c) Krankmeldeprozesse

d) Gestaltung von Arbeitsschutzunterweisungen und

e) Erstellung von Gesundheitsberichten

im Betrieb der Beteiligten zu 2) (Kundenniederlassung Nordost) bestellt.

2. Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle mit drei verschiedenen Regelungsbereichen, zwischen denen nur ein sehr loser Zusammenhang besteht.

2

Zum einen geht es um die Krankmeldeprozesse sowie um die institutionelle Begleitung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiter durch die Führungskräfte (Kranken-, Rückkehr- und Präventionsgespräche). Äußerer Anlass zu dieser Regelungsfrage war unter anderem die Einführung einer so genannten Handlungsguideline "zur Steigerung der Gesundheitsquote" im Unternehmen vom 30.10.2007 durch die beteiligte Arbeitgeberin. Diese richtet sich an die Vorgesetzten und schreibt Einzelheiten zur Erfassung und Begleitung von AU-Phasen der Mitarbeiter vor. Unter anderem sind dort Regeln zur persönlichen Krankmeldung, zur Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Mitarbeiter, zur Führung von Rückkehrgesprächen und zur Frage enthalten, wann die Betroffenen bereits für den ersten AU-Tag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen haben (Attestauflage). Die in diesem Rahmen durch die Führungskräfte veranlassten Maßnahmen sind in einem Gesundheitsbericht zu erfassen, der sich auch zur "Ursachenanalyse" verhalten soll. Auf Basis dieser Berichte soll es in dem unternehmensweiten "Führungskreis Gesundheit" Auswertungen geben, der sich auch mit dem Vergleich der Gesundheitsquoten in den einzelnen Betrieben befassen soll. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss verwiesen.

3

Zum anderen geht es dem Betriebsrat um die generelle Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb mit den Schwerpunkten der Implementierung des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Führungsstrukturen im Sinne von § 3 Absatz 2 Ziffer 2 ArbSchG sowie um die umfassende Regelung der Arbeitsschutzunterweisungen im Sinne von § 12 ArbSchG für die Beschäftigten.

4

Für den Bereich des Unternehmens der Arbeitgeberin gibt es auf sie übergegangene Gesamtbetriebsvereinbarungen mit Berührungspunkten zu der hier streitigen Thematik. So gibt es aus dem Jahre 2003 eine Gesamtbetriebsvereinbarung über das Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen abgeschlossen zwischen der DTAG und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat (Blatt 60 ff d. A.). Außerdem gibt es eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 29. Januar 2008 zwischen TMD und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat zur Beurteilung von Arbeitsbedingungen (Blatt 75 ff d. A.). Im Weiteren gibt es eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement aus 2004, abgeschlossen zwischen DTAG und dem dort gebildeten Gesamtbetriebsrat (Blatt 67 ff d. A.). Letztlich hat die TMD noch eine Gesamtbetriebsvereinbarung mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat im Jahre 2005 zum betrieblichen Arbeitsschutzmanagement abgeschlossen. Diese knapp gehaltene Gesamtbetriebsvereinbarung enthält unter Punkt 10 diverse Einzelregelungen zur "Unterweisung der Beschäftigten".

5

Auf Antrag des hier beteiligten Betriebsrats hat das Arbeitsgericht Rostock in Sachen 4 BV 14/08 eine Einigungsstelle zur Frage des Wiedereingliederungsmanagements nach § 84 Absatz 2 SGB IX eingesetzt; diese Einigungsstelle ist noch nicht abgeschlossen.

6

Mit Schreiben vom 21.05.2008 hat der beteiligte Betriebsrat die beteiligte Arbeitgeberin zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zum Arbeitsschutzmanagement aufgefordert. Am 02.06.2008 übersandte der beteiligte Betriebsrat der beteiligten Arbeitgeberin dazu einen Entwurf für eine Betriebsvereinbarung (Blatt 177 ff d. A.). Innerbetriebliche Verhandlungen dazu haben nicht stattgefunden. Die beteiligte Arbeitgeberin hat Verhandlungen hierüber abgelehnt.

7

Auf Antrag des beteiligten Betriebsrats hat das Arbeitsgericht Rostock mit Beschluss vom 5. August 2008 wie folgt entschieden:

8

1. Die Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Frau S. wird zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen

9

a) Organisatorische Maßnahmen zur Einbeziehung des betrieblichen Arbeitsschutzes und seiner Wirksamkeitskontrollen in die betrieblichen Führungsstrukturen,

10

b) Krankenbesuche sowie telefonische Kontaktaufnahme mit erkrankten Mitarbeitern

11

c) Krankmeldeprozesse

12

d) Gestaltung von Arbeitsschutzunterweisungen und

13

e) Erstellung von Gesundheitsberichten

14

im Betrieb der Beteiligten zu 2) bestellt.

15

2. Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.

16

Der Beschluss ist der beteiligten Arbeitgeberin am 12. August 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 26. August 2008 ist beim Landesarbeitsgericht per FAX am selben Tag eingegangen und sogleich begründet worden.

17

Die beteiligte Arbeitgeberin steht auf dem Standpunkt, dass eine Regelungszuständigkeit der vom Betriebsrat begehrten Einigungsstelle offensichtlich nicht gegeben sei.

18

So fehle es bereits an einem Beteiligungsrecht des Betriebsrats. § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG erfasse nur verbindliche Anordnungen des Arbeitgebers zum Verhalten der Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin habe jedoch in der Handlungsguideline keine verbindlichen Anordnungen getroffen. Die Regelungen zur telefonische Kontaktaufnahme mit Erkrankten und deren Aufsuchen durch Führungskräfte stellten keine verbindlichen Anordnungen für die betroffenen Arbeitnehmer dar. Zudem beträfe die Handlungsguideline das Arbeitsverhalten, nämlich die Frage, ob die Arbeitsfähigkeit gegeben sei; das Arbeitsverhalten habe der Arbeitgeber jedoch beteiligungsfrei mit dem Mitarbeiter zu regeln.

19

Soweit der Betriebsrat darüber hinaus eine Implementierung des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Führungsstrukturen begehre, sei weder ein Beteiligungsrecht aus Nr. 1 noch aus Nr. 7 des § 87 Absatz 1 BetrVG erkennbar, denn es gebe keine Arbeitsschutzvorschriften, die eine solche Regelung erforderten und die zusätzlich noch einen betrieblichen Regelungsspielraum eröffneten.

20

Wenn man hilfsweise doch das Bestehen eines Beteiligungsrechts annehmen würde, so sei dieses jedenfalls vorliegend durch vorrangige tarifliche Regelungen oder durch vorhandene Betriebsvereinbarungen mit dem Gesamtbetriebsrat bereits verbraucht.

21

Soweit es um die Frage gehe, ab welchem AU-Tag die Vorlage eines ärztlichen Attestes zur Arbeitsunfähigkeit verlangt werden könne, sei ein eventueller Regelungsspielraum bereits durch § 20 Absatz 1 MTV DTKS verbraucht.

22

Der Gesamtbetriebsrat sei auch zum Abschluss dieser Betriebsvereinbarungen befugt gewesen, da die Arbeitgeberin eine einheitliche Regelung wünsche und dies unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten auch im Interesse der Arbeitnehmer liege.

23

Schließlich sei der Auftrag der hier begehrten Einigungsstelle nicht von dem Auftrag der Einigungsstelle abgrenzbar, die das Arbeitsgericht Rostock unter dem Aktenzeichen 4 BV 14/08 zur Frage des Wiedereingliederungsmanagements nach § 84 Absatz 2 SGB IX eingesetzt habe.

24

Die beteiligte Arbeitgeberin beantragt,

25

den Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und die Anträge des beteiligten Betriebsrats abzuweisen.

26

Der Betriebsrat beantragt,

27

die Beschwerde zurückzuweisen.

28

Der beteiligte Betriebsrat beruft sich wegen der angestrebten Regelungen rund um die AU-Zeiten der Beschäftigten auf die Entscheidungen des BAG zu Krankenrückkehrgesprächen und wegen der angestrebten Regelungen zur Arbeitsunterweisung auf die Entscheidung des BAG vom 08.06.2004 (NZA 2004, 1174). Die Grundgedanken dieser Entscheidung würden auch für ein Beteiligungsrecht bei der Implementierung des Arbeitsschutzes in die Führungsstrukturen im Sinne von § 3 ArbSchG sprechen.

29

Die angeführten Gesamtbetriebsvereinbarungen könnten nicht zum Verbrauch des Beteiligungsrechts führen, da eine Zuständigkeit des GBR zur Regelung dieser Fragen nicht gegeben sei.

30

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

B.

31

Die rechtzeitig eingelegte und rechtzeitig begründete Beschwerde ist in der Sache nur zum Teil begründet. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit die Arbeitgeberin eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle annimmt. Das Gericht hat jedoch abweichend vom Arbeitsgericht eine andere Person mit der Aufgabe betraut, die Einigungsstelle zu leiten.

32

Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden (§ 76 Absatz 1 Satz 1 BetrVG). Das Arbeitsgericht bestellt den Vorsitzenden und legt die Zahl der Beisitzer fest, sofern sich die Betriebspartner hierüber nicht einigen (§ 76 Abs. 2 Satz 2, 3 BetrVG).

33

Ein solcher Antrag kann wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (z. B. LAG Hamm, Beschluss vom 7. Juli 2003 - 10 TaBV 85/03 - NZA-RR 2003, 637).

I.

34

Die im Antrag des beteiligten Betriebsrats genannten Regelungsgegenstände (Antrag 1 Buchstaben a, b, c, d und e) liegen nicht unzweifelhaft außerhalb jeglicher Mitbestimmungsrechte.

35

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer mitzubestimmen. Unter diesen Tatbestand fällt auch das formalisierte Führen von Krankengesprächen mit einer Mehrzahl von Arbeitnehmern (BAG 8.11.2004 AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes). Maßgeblich war für das BAG insoweit der Gedanke, dass durch die Formalisierung des Gesprächswesens eine betriebliche Ordnung geschaffen werde, mit der das Verhalten der Beschäftigten gesteuert werde. Dieser Gedanke trifft auch auf die systematische Begleitung und Aufarbeitung der AU-Zeiten der Beschäftigten zu, die die beteiligte Arbeitgeberin hier für ihre Führungskräfte eingeführt hat. Es kann offen bleiben, ob tatsächlich alle Regelungen aus der Handlungsguideline der Beteiligung unterliegen, denn es reicht für die Bildung der Einigungsstelle aus, wenn der betriebliche Regelungskonflikt im Kern der Beteiligung unterliegt; weitere Einzelheiten hat die Einigungsstelle in eigener Verantwortung zu entscheiden. Entgegen der Auffassung der beteiligten Arbeitgeberin kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin verbindliche Verhaltensvorschriften erlässt, entscheidend ist allein die vom Arbeitgeber bezweckte Verhaltenssteuerung, unabhängig davon, mit welchem Mittel die Steuerung bewirkt werden soll.

36

Damit muss die Einigungsstelle für die Antragspunkte 1 b, c und e eingerichtet werden.

37

Bezüglich dieser Regelungspunkte ist die Zuständigkeit der hier gebildeten Einigungsstelle weder durch tarifliche noch durch andere betriebliche Regelungen versperrt oder verbraucht.

38

§ 20 Absatz 1 MTV DTKS, auf den sich die Arbeitgeberin stützt, hat nahezu keinen eigenen Regelungsgehalt, da er im wesentlichen die Gesetzeslage wiedergibt. Es verbleibt daher bei der betrieblichen Regelungsbefugnis zu der Frage, unter welchen allgemeinen Bedingungen von einem Beschäftigten die sofortige Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung (die Beteiligten sprechen von "Attestauflage") verlangt werden kann (dazu BAG 25.01.2000 AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes).

39

Zu diesem Themenbereich sind auch von der Arbeitgeberin keine Gesamtbetriebsvereinbarungen genannt worden, die denselben Regelungsgegenstand betreffen, so das insoweit offen bleiben kann, ob ein Gesamtbetriebsrat in der Lage wäre, entsprechende Regelungen zu erlassen.

40

2. Soweit der Betriebsrat mit dem Antrag zu 1 d) Regelungen zu den gesetzlich geforderten Arbeitsschutzunterweisungen nach § 12 ArbSchG anstrebt, kann er sich für sein Beteiligungsrecht auf die entsprechende Rechtsprechung des BAG stützen (BAG 8.6.2004 NZA 2004, 1174).

41

Insoweit ist sein Beteiligungsrecht auch nicht durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitsschutzmanagement aus dem Jahre 2005 verbraucht, da die dortigen Regelungen zur Arbeitsschutzunterweisung (Ziffer 10 der GBV) offensichtlich die Materie nicht abschließend regeln.

42

3. Auch soweit der Betriebsrat mit dem Antrag zu 1 a) Regelungen zur Implementierung des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Führungsstrukturen verlangt, wird man ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht von vornherein negieren können.

43

Eine Entscheidung des BAG zu dieser Frage liegt zwar noch nicht vor, jedoch sehen namhafte Stimmen in der Literatur auch in § 3 ArbSchG eine ausfüllungsbedürftige Norm des betrieblichen Gesundheitsschutzes, die nur gemeinsam mit dem Betriebsrat konkretisiert werden kann (vgl. nur ErfK/Kania, 9. Auflage 2009 § 87 BetrVG RNr. 66). Sofern sich jedoch der Betriebsrat für das von ihm reklamierte Beteiligungsrecht auf namhafte Stimmen in der Literatur berufen kann, kann man nicht annehmen, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig (vgl. EfK/Eisemann , 9. Auflage 2009, § 98 ArbGG RNr. 3).

44

Auch bezüglich dieses Antrages kann die Regelungsbefugnis des beteiligten Betriebsrats nicht durch Regelungen in den von der Arbeitgeberin angeführten Gesamtbetriebsvereinbarungen verbraucht sein, da auch diese - soweit sie das Thema behandeln - keine abschließenden nicht mehr einer weiteren Konkretisierung fähigen Regelungen enthalten. Insbesondere die Gesamtbetriebsvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement 2005 (DTAG) enthält zwar viele Regelungen, die auch der beteiligte Betriebsrat hier auf seiner Ebene verankert wissen will. Diese GBV ist aber sowohl in der Prozessbeschreibung als auch in der Aufgabenbeschreibung für die zur Zielerreichung installierten Gremien so allgemein geblieben, dass es noch reichlich Regelungsspielraum für die Umsetzung dieser GBV auf Betriebsebene gibt. Entsprechendes gilt in noch viel größerem Maße für die GBV Arbeitsschutzmanagement (TMD) aus dem Jahre 2005, die in ihren Einzelregelungen sehr unkonkret bleibt und viele Fragen offen lässt. Die Zuständigkeit der hier begehrten Einigungsstelle kann daher nicht mit Hinweis auf diese Regelungen verneint werden. Damit kann auch hier die Frage offen blieben, ob überhaupt eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für derartige Regelungen bestehen kann.

II.

45

Abweichend vom Arbeitsgericht hält das Beschwerdegericht es jedoch für angebracht, für den Vorsitz der Einigungsstelle eine andere Person zu bestellen.

46

Es ist gerichtsbekannt, dass zwischen den Betriebsparteien eine Vielzahl von Beschlussverfahren anhängig sind. Weiter ist gerichtsbekannt, dass die Betriebsparteien in den letzten Jahren weit mehr Einigungsstellen zur Herstellung betrieblicher Einigungen bemühen mussten, als jeder andere Betrieb im hiesigen Zuständigkeitsbereich. Ohne einer der beiden Betriebsparteien damit zu nahe zu treten, kann man daher sagen, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Betriebsparteien derzeit nicht gewährleistet ist. In dieser für beide Seiten belastenden Situation hält es das Beschwerdegericht für angemessen, für die einzusetzenden Einigungsstellen häufiger als sonst vielleicht üblich wechselnde Personen als Vorsitzende zu bestellen, um jede Chance nutzen können, dass doch einmal ein oder eine Vorsitzende gefunden wird, der oder dem es gelingt, die unbefriedigende Gesamtsituation zwischen den Betriebsparteien nachhaltig zu verbessern.

III.

47

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Anzahl der Beisitzer war in der Beschwerdeinstanz nicht streitig, das Beschwerdegericht hat sich daher mit dieser Frage nicht beschäftigt.

C.

48

Gegen diese Entscheidung sieht das Gesetz kein Rechtsmittel vor, sie ist daher unanfechtbar.

Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Beschluß ist schriftlich abzufassen. § 60 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

Auf die Beschwerde der beteiligten Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 5. August 2008 (1 BV 20/08) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.

1. Der Richter am Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Herr B. E. wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen

a) Organisatorische Maßnahmen zur Einbeziehung des betrieblichen Arbeitsschutzes und seiner Wirksamkeitskontrollen in die betrieblichen Führungsstrukturen,

b) Krankenbesuche sowie telefonische Kontaktaufnahme mit erkrankten Mitarbeitern

c) Krankmeldeprozesse

d) Gestaltung von Arbeitsschutzunterweisungen und

e) Erstellung von Gesundheitsberichten

im Betrieb der Beteiligten zu 2) (Kundenniederlassung Nordost) bestellt.

2. Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.

Gründe

A.

1

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung einer Einigungsstelle mit drei verschiedenen Regelungsbereichen, zwischen denen nur ein sehr loser Zusammenhang besteht.

2

Zum einen geht es um die Krankmeldeprozesse sowie um die institutionelle Begleitung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiter durch die Führungskräfte (Kranken-, Rückkehr- und Präventionsgespräche). Äußerer Anlass zu dieser Regelungsfrage war unter anderem die Einführung einer so genannten Handlungsguideline "zur Steigerung der Gesundheitsquote" im Unternehmen vom 30.10.2007 durch die beteiligte Arbeitgeberin. Diese richtet sich an die Vorgesetzten und schreibt Einzelheiten zur Erfassung und Begleitung von AU-Phasen der Mitarbeiter vor. Unter anderem sind dort Regeln zur persönlichen Krankmeldung, zur Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Mitarbeiter, zur Führung von Rückkehrgesprächen und zur Frage enthalten, wann die Betroffenen bereits für den ersten AU-Tag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen haben (Attestauflage). Die in diesem Rahmen durch die Führungskräfte veranlassten Maßnahmen sind in einem Gesundheitsbericht zu erfassen, der sich auch zur "Ursachenanalyse" verhalten soll. Auf Basis dieser Berichte soll es in dem unternehmensweiten "Führungskreis Gesundheit" Auswertungen geben, der sich auch mit dem Vergleich der Gesundheitsquoten in den einzelnen Betrieben befassen soll. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss verwiesen.

3

Zum anderen geht es dem Betriebsrat um die generelle Organisation des Arbeitsschutzes im Betrieb mit den Schwerpunkten der Implementierung des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Führungsstrukturen im Sinne von § 3 Absatz 2 Ziffer 2 ArbSchG sowie um die umfassende Regelung der Arbeitsschutzunterweisungen im Sinne von § 12 ArbSchG für die Beschäftigten.

4

Für den Bereich des Unternehmens der Arbeitgeberin gibt es auf sie übergegangene Gesamtbetriebsvereinbarungen mit Berührungspunkten zu der hier streitigen Thematik. So gibt es aus dem Jahre 2003 eine Gesamtbetriebsvereinbarung über das Verfahren zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen abgeschlossen zwischen der DTAG und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat (Blatt 60 ff d. A.). Außerdem gibt es eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 29. Januar 2008 zwischen TMD und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat zur Beurteilung von Arbeitsbedingungen (Blatt 75 ff d. A.). Im Weiteren gibt es eine Gesamtbetriebsvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement aus 2004, abgeschlossen zwischen DTAG und dem dort gebildeten Gesamtbetriebsrat (Blatt 67 ff d. A.). Letztlich hat die TMD noch eine Gesamtbetriebsvereinbarung mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat im Jahre 2005 zum betrieblichen Arbeitsschutzmanagement abgeschlossen. Diese knapp gehaltene Gesamtbetriebsvereinbarung enthält unter Punkt 10 diverse Einzelregelungen zur "Unterweisung der Beschäftigten".

5

Auf Antrag des hier beteiligten Betriebsrats hat das Arbeitsgericht Rostock in Sachen 4 BV 14/08 eine Einigungsstelle zur Frage des Wiedereingliederungsmanagements nach § 84 Absatz 2 SGB IX eingesetzt; diese Einigungsstelle ist noch nicht abgeschlossen.

6

Mit Schreiben vom 21.05.2008 hat der beteiligte Betriebsrat die beteiligte Arbeitgeberin zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zum Arbeitsschutzmanagement aufgefordert. Am 02.06.2008 übersandte der beteiligte Betriebsrat der beteiligten Arbeitgeberin dazu einen Entwurf für eine Betriebsvereinbarung (Blatt 177 ff d. A.). Innerbetriebliche Verhandlungen dazu haben nicht stattgefunden. Die beteiligte Arbeitgeberin hat Verhandlungen hierüber abgelehnt.

7

Auf Antrag des beteiligten Betriebsrats hat das Arbeitsgericht Rostock mit Beschluss vom 5. August 2008 wie folgt entschieden:

8

1. Die Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Frau S. wird zur Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit den Regelungsgegenständen

9

a) Organisatorische Maßnahmen zur Einbeziehung des betrieblichen Arbeitsschutzes und seiner Wirksamkeitskontrollen in die betrieblichen Führungsstrukturen,

10

b) Krankenbesuche sowie telefonische Kontaktaufnahme mit erkrankten Mitarbeitern

11

c) Krankmeldeprozesse

12

d) Gestaltung von Arbeitsschutzunterweisungen und

13

e) Erstellung von Gesundheitsberichten

14

im Betrieb der Beteiligten zu 2) bestellt.

15

2. Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.

16

Der Beschluss ist der beteiligten Arbeitgeberin am 12. August 2008 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 26. August 2008 ist beim Landesarbeitsgericht per FAX am selben Tag eingegangen und sogleich begründet worden.

17

Die beteiligte Arbeitgeberin steht auf dem Standpunkt, dass eine Regelungszuständigkeit der vom Betriebsrat begehrten Einigungsstelle offensichtlich nicht gegeben sei.

18

So fehle es bereits an einem Beteiligungsrecht des Betriebsrats. § 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG erfasse nur verbindliche Anordnungen des Arbeitgebers zum Verhalten der Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin habe jedoch in der Handlungsguideline keine verbindlichen Anordnungen getroffen. Die Regelungen zur telefonische Kontaktaufnahme mit Erkrankten und deren Aufsuchen durch Führungskräfte stellten keine verbindlichen Anordnungen für die betroffenen Arbeitnehmer dar. Zudem beträfe die Handlungsguideline das Arbeitsverhalten, nämlich die Frage, ob die Arbeitsfähigkeit gegeben sei; das Arbeitsverhalten habe der Arbeitgeber jedoch beteiligungsfrei mit dem Mitarbeiter zu regeln.

19

Soweit der Betriebsrat darüber hinaus eine Implementierung des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Führungsstrukturen begehre, sei weder ein Beteiligungsrecht aus Nr. 1 noch aus Nr. 7 des § 87 Absatz 1 BetrVG erkennbar, denn es gebe keine Arbeitsschutzvorschriften, die eine solche Regelung erforderten und die zusätzlich noch einen betrieblichen Regelungsspielraum eröffneten.

20

Wenn man hilfsweise doch das Bestehen eines Beteiligungsrechts annehmen würde, so sei dieses jedenfalls vorliegend durch vorrangige tarifliche Regelungen oder durch vorhandene Betriebsvereinbarungen mit dem Gesamtbetriebsrat bereits verbraucht.

21

Soweit es um die Frage gehe, ab welchem AU-Tag die Vorlage eines ärztlichen Attestes zur Arbeitsunfähigkeit verlangt werden könne, sei ein eventueller Regelungsspielraum bereits durch § 20 Absatz 1 MTV DTKS verbraucht.

22

Der Gesamtbetriebsrat sei auch zum Abschluss dieser Betriebsvereinbarungen befugt gewesen, da die Arbeitgeberin eine einheitliche Regelung wünsche und dies unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten auch im Interesse der Arbeitnehmer liege.

23

Schließlich sei der Auftrag der hier begehrten Einigungsstelle nicht von dem Auftrag der Einigungsstelle abgrenzbar, die das Arbeitsgericht Rostock unter dem Aktenzeichen 4 BV 14/08 zur Frage des Wiedereingliederungsmanagements nach § 84 Absatz 2 SGB IX eingesetzt habe.

24

Die beteiligte Arbeitgeberin beantragt,

25

den Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und die Anträge des beteiligten Betriebsrats abzuweisen.

26

Der Betriebsrat beantragt,

27

die Beschwerde zurückzuweisen.

28

Der beteiligte Betriebsrat beruft sich wegen der angestrebten Regelungen rund um die AU-Zeiten der Beschäftigten auf die Entscheidungen des BAG zu Krankenrückkehrgesprächen und wegen der angestrebten Regelungen zur Arbeitsunterweisung auf die Entscheidung des BAG vom 08.06.2004 (NZA 2004, 1174). Die Grundgedanken dieser Entscheidung würden auch für ein Beteiligungsrecht bei der Implementierung des Arbeitsschutzes in die Führungsstrukturen im Sinne von § 3 ArbSchG sprechen.

29

Die angeführten Gesamtbetriebsvereinbarungen könnten nicht zum Verbrauch des Beteiligungsrechts führen, da eine Zuständigkeit des GBR zur Regelung dieser Fragen nicht gegeben sei.

30

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

B.

31

Die rechtzeitig eingelegte und rechtzeitig begründete Beschwerde ist in der Sache nur zum Teil begründet. Die Beschwerde ist unbegründet, soweit die Arbeitgeberin eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle annimmt. Das Gericht hat jedoch abweichend vom Arbeitsgericht eine andere Person mit der Aufgabe betraut, die Einigungsstelle zu leiten.

32

Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden (§ 76 Absatz 1 Satz 1 BetrVG). Das Arbeitsgericht bestellt den Vorsitzenden und legt die Zahl der Beisitzer fest, sofern sich die Betriebspartner hierüber nicht einigen (§ 76 Abs. 2 Satz 2, 3 BetrVG).

33

Ein solcher Antrag kann wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist (§ 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt infrage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (z. B. LAG Hamm, Beschluss vom 7. Juli 2003 - 10 TaBV 85/03 - NZA-RR 2003, 637).

I.

34

Die im Antrag des beteiligten Betriebsrats genannten Regelungsgegenstände (Antrag 1 Buchstaben a, b, c, d und e) liegen nicht unzweifelhaft außerhalb jeglicher Mitbestimmungsrechte.

35

1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, bei Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer mitzubestimmen. Unter diesen Tatbestand fällt auch das formalisierte Führen von Krankengesprächen mit einer Mehrzahl von Arbeitnehmern (BAG 8.11.2004 AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes). Maßgeblich war für das BAG insoweit der Gedanke, dass durch die Formalisierung des Gesprächswesens eine betriebliche Ordnung geschaffen werde, mit der das Verhalten der Beschäftigten gesteuert werde. Dieser Gedanke trifft auch auf die systematische Begleitung und Aufarbeitung der AU-Zeiten der Beschäftigten zu, die die beteiligte Arbeitgeberin hier für ihre Führungskräfte eingeführt hat. Es kann offen bleiben, ob tatsächlich alle Regelungen aus der Handlungsguideline der Beteiligung unterliegen, denn es reicht für die Bildung der Einigungsstelle aus, wenn der betriebliche Regelungskonflikt im Kern der Beteiligung unterliegt; weitere Einzelheiten hat die Einigungsstelle in eigener Verantwortung zu entscheiden. Entgegen der Auffassung der beteiligten Arbeitgeberin kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitgeberin verbindliche Verhaltensvorschriften erlässt, entscheidend ist allein die vom Arbeitgeber bezweckte Verhaltenssteuerung, unabhängig davon, mit welchem Mittel die Steuerung bewirkt werden soll.

36

Damit muss die Einigungsstelle für die Antragspunkte 1 b, c und e eingerichtet werden.

37

Bezüglich dieser Regelungspunkte ist die Zuständigkeit der hier gebildeten Einigungsstelle weder durch tarifliche noch durch andere betriebliche Regelungen versperrt oder verbraucht.

38

§ 20 Absatz 1 MTV DTKS, auf den sich die Arbeitgeberin stützt, hat nahezu keinen eigenen Regelungsgehalt, da er im wesentlichen die Gesetzeslage wiedergibt. Es verbleibt daher bei der betrieblichen Regelungsbefugnis zu der Frage, unter welchen allgemeinen Bedingungen von einem Beschäftigten die sofortige Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung (die Beteiligten sprechen von "Attestauflage") verlangt werden kann (dazu BAG 25.01.2000 AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes).

39

Zu diesem Themenbereich sind auch von der Arbeitgeberin keine Gesamtbetriebsvereinbarungen genannt worden, die denselben Regelungsgegenstand betreffen, so das insoweit offen bleiben kann, ob ein Gesamtbetriebsrat in der Lage wäre, entsprechende Regelungen zu erlassen.

40

2. Soweit der Betriebsrat mit dem Antrag zu 1 d) Regelungen zu den gesetzlich geforderten Arbeitsschutzunterweisungen nach § 12 ArbSchG anstrebt, kann er sich für sein Beteiligungsrecht auf die entsprechende Rechtsprechung des BAG stützen (BAG 8.6.2004 NZA 2004, 1174).

41

Insoweit ist sein Beteiligungsrecht auch nicht durch die Gesamtbetriebsvereinbarung Arbeitsschutzmanagement aus dem Jahre 2005 verbraucht, da die dortigen Regelungen zur Arbeitsschutzunterweisung (Ziffer 10 der GBV) offensichtlich die Materie nicht abschließend regeln.

42

3. Auch soweit der Betriebsrat mit dem Antrag zu 1 a) Regelungen zur Implementierung des Arbeitsschutzes in die betrieblichen Führungsstrukturen verlangt, wird man ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht von vornherein negieren können.

43

Eine Entscheidung des BAG zu dieser Frage liegt zwar noch nicht vor, jedoch sehen namhafte Stimmen in der Literatur auch in § 3 ArbSchG eine ausfüllungsbedürftige Norm des betrieblichen Gesundheitsschutzes, die nur gemeinsam mit dem Betriebsrat konkretisiert werden kann (vgl. nur ErfK/Kania, 9. Auflage 2009 § 87 BetrVG RNr. 66). Sofern sich jedoch der Betriebsrat für das von ihm reklamierte Beteiligungsrecht auf namhafte Stimmen in der Literatur berufen kann, kann man nicht annehmen, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig (vgl. EfK/Eisemann , 9. Auflage 2009, § 98 ArbGG RNr. 3).

44

Auch bezüglich dieses Antrages kann die Regelungsbefugnis des beteiligten Betriebsrats nicht durch Regelungen in den von der Arbeitgeberin angeführten Gesamtbetriebsvereinbarungen verbraucht sein, da auch diese - soweit sie das Thema behandeln - keine abschließenden nicht mehr einer weiteren Konkretisierung fähigen Regelungen enthalten. Insbesondere die Gesamtbetriebsvereinbarung zum betrieblichen Gesundheitsmanagement 2005 (DTAG) enthält zwar viele Regelungen, die auch der beteiligte Betriebsrat hier auf seiner Ebene verankert wissen will. Diese GBV ist aber sowohl in der Prozessbeschreibung als auch in der Aufgabenbeschreibung für die zur Zielerreichung installierten Gremien so allgemein geblieben, dass es noch reichlich Regelungsspielraum für die Umsetzung dieser GBV auf Betriebsebene gibt. Entsprechendes gilt in noch viel größerem Maße für die GBV Arbeitsschutzmanagement (TMD) aus dem Jahre 2005, die in ihren Einzelregelungen sehr unkonkret bleibt und viele Fragen offen lässt. Die Zuständigkeit der hier begehrten Einigungsstelle kann daher nicht mit Hinweis auf diese Regelungen verneint werden. Damit kann auch hier die Frage offen blieben, ob überhaupt eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für derartige Regelungen bestehen kann.

II.

45

Abweichend vom Arbeitsgericht hält das Beschwerdegericht es jedoch für angebracht, für den Vorsitz der Einigungsstelle eine andere Person zu bestellen.

46

Es ist gerichtsbekannt, dass zwischen den Betriebsparteien eine Vielzahl von Beschlussverfahren anhängig sind. Weiter ist gerichtsbekannt, dass die Betriebsparteien in den letzten Jahren weit mehr Einigungsstellen zur Herstellung betrieblicher Einigungen bemühen mussten, als jeder andere Betrieb im hiesigen Zuständigkeitsbereich. Ohne einer der beiden Betriebsparteien damit zu nahe zu treten, kann man daher sagen, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Betriebsparteien derzeit nicht gewährleistet ist. In dieser für beide Seiten belastenden Situation hält es das Beschwerdegericht für angemessen, für die einzusetzenden Einigungsstellen häufiger als sonst vielleicht üblich wechselnde Personen als Vorsitzende zu bestellen, um jede Chance nutzen können, dass doch einmal ein oder eine Vorsitzende gefunden wird, der oder dem es gelingt, die unbefriedigende Gesamtsituation zwischen den Betriebsparteien nachhaltig zu verbessern.

III.

47

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Anzahl der Beisitzer war in der Beschwerdeinstanz nicht streitig, das Beschwerdegericht hat sich daher mit dieser Frage nicht beschäftigt.

C.

48

Gegen diese Entscheidung sieht das Gesetz kein Rechtsmittel vor, sie ist daher unanfechtbar.

(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.

(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.

(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) In Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit sind von der Zahlung der Kosten befreit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen. In Verfahren der Zwangsvollstreckung wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen ist maßgebend, wer ohne Berücksichtigung des § 252 der Abgabenordnung oder entsprechender Vorschriften Gläubiger der Forderung ist.

(2) Für Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen nach § 2a Absatz 1, § 103 Absatz 3, § 108 Absatz 3 und § 109 des Arbeitsgerichtsgesetzes sowie nach den §§ 122 und 126 der Insolvenzordnung werden Kosten nicht erhoben.

(3) Sonstige bundesrechtliche Vorschriften, durch die für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, bleiben unberührt. Landesrechtliche Vorschriften, die für diese Verfahren in weiteren Fällen eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewähren, bleiben unberührt.

(4) Vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den Gerichten für Arbeitssachen finden bundesrechtliche oder landesrechtliche Vorschriften über persönliche Kostenfreiheit keine Anwendung. Vorschriften über sachliche Kostenfreiheit bleiben unberührt.

(5) Soweit jemandem, der von Kosten befreit ist, Kosten des Verfahrens auferlegt werden, sind Kosten nicht zu erheben; bereits erhobene Kosten sind zurückzuzahlen. Das Gleiche gilt, soweit eine von der Zahlung der Kosten befreite Partei Kosten des Verfahrens übernimmt.

(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.

(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.

(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.