Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 19. Nov. 2015 - 7 Ta 314/15
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.08.2015 in der Fassung des Nicht-Abhilfe-Beschlusses vom 22.09.2015 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
1
G r ü n d e
2Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Zurückweisung seines Zwangsgeldantrages nach § 888 ZPO vom 29.06.2015 ist unbegründet.
3Dem Kläger steht nach dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 20.01.2015 in Sachen 4 Ca 1469/14 ein Anspruch gegen die Beklagte zu, einen Nachweis gemäß § 2 Abs. 1 NachwG über die wesentlichen Vertragsbedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses zu erteilen. Dieser Anspruch wurde durch die Beklagte erfüllt, so dass für eine Fortsetzung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 20.01.2015 kein Raum bleibt.
4Die Beklagte hat dem Kläger mittlerweile eine von ihr unterzeichnete Niederschrift eines Arbeitsvertrags zukommen lassen. Dabei handelt es sich zwar nicht um einen vollgültigen Arbeitsvertrag, solange der Kläger diese Niederschrift nicht seinerseits unterzeichnet. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG schuldet der Arbeitgeber aber auch nur eine einseitig von ihm unterzeichnete Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen. Es ist unschädlich, wenn diese Niederschrift in die Form eines ausformulierten Arbeitsvertrags gegossen wird. Sie erfüllt ihre Funktion auch dann, wenn in der Niederschrift alle wesentlichen Vertragsbedingungen aufgeführt sind, die in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 10 NachwG konkretisiert sind.
5Dies ist vorliegend der Fall. Die von der Beklagten entworfene und mit ihrer Unterschrift versehene Niederschrift trifft zu allen in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 9 NachwG genannten Themen inhaltliche Aussagen.
6Zwar fehlt in der Niederschrift eine Aussage zu § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10. Ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, ist in der Niederschrift nicht enthalten. Dies ist aber unschädlich; denn der Kläger und Beschwerdeführer weist selbst darauf hin, dass die Beklagte ihm gegenüber bereits mit Schreiben vom 28.06.2002 ihre Bindung an den Tarif des Groß- und Außenhandels NRW deklariert hat. Die in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 10 NachwG aufgeführten wesentlichen Vertragsbedingungen müssen nicht notwendig in einem einheitlichen Dokument nachgewiesen werden. Es reicht aus, wenn der Arbeitgeber seine Nachweispflicht zu einzelnen Punkten durch Übersendung anderer Dokumente als die aktuelle Nachweisniederschrift bereits erfüllt hat (ErfK/Preiss, § 2 NachwG Rdnr. 35).
7Unerheblich für die Frage, ob der im Urteil vom 20.01.2015 tenorierte Anspruch auf Erteilung eines Nachweises gemäß § 2 Abs. 1 NachwG erfüllt ist oder nicht, ist entgegen der Auffassung des Klägers die Frage, ob der Arbeitgeber in seiner Nachweisniederschrift die bestehenden Arbeitsvertragsbedingungen allesamt inhaltlich korrekt wiedergegeben hat. Das Problem, ob der Arbeitgeber die von ihm nachgewiesenen wesentlichen Vertragsbedingungen inhaltlich korrekt aufgeführt hat oder nicht, ist eine Frage materiell-rechtlicher Natur, die nicht in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden kann. Es verhält sich dabei ähnlich wie mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung einer Lohnabrechnung: Erläutert der Arbeitgeber in Schriftform, wie er den von ihm gezahlten Arbeitslohn im Einzelnen in seinen Bestandteilen zusammengesetzt und berechnet hat, so ist der Abrechungsanspruch als solcher erfüllt, unabhängig davon, ob dem Kläger weitergehende Lohnansprüche zustehen oder nicht. Solange zwischen den Parteien kein beiderseits unterschriebener Arbeitsvertrag zustande gekommen ist, ist der Arbeitnehmer an die einseitig vom Arbeitgeber erteilte Nachweisniederschrift nicht gebunden. Es bleibt ihm vielmehr unbenommen, aus gegebenem Anlass auch Ansprüche oder Rechtspositionen geltend zu machen, die vom Inhalt der arbeitgeberseitig erteilten Nachweisniederschrift zu seinen Gunsten abweichen.
8Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.
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Referenzen - Gesetze
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:
- 1.
der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, - 2.
der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, - 3.
bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, - 4.
der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann, - 5.
eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, - 6.
sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit, - 7.
die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung, - 8.
die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen, - 9.
bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes: - a)
die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat, - b)
die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, - c)
der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und - d)
die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
- 10.
sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen, - 11.
die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, - 12.
ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung, - 13.
wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist, - 14.
das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden, - 15.
ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
(1a) Wer einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:
- 1.
der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, - 2.
die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele, - 3.
Beginn und Dauer des Praktikums, - 4.
Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit, - 5.
Zahlung und Höhe der Vergütung, - 6.
Dauer des Urlaubs, - 7.
ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind.
(2) Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise die Niederschrift nach Absatz 1 Satz 1 mit allen wesentlichen Angaben nach Absatz 1 Satz 2 und folgenden zusätzlichen Angaben auszuhändigen:
- 1.
das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, und die geplante Dauer der Arbeit, - 2.
die Währung, in der die Entlohnung erfolgt, - 3.
sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten, - 4.
die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr.
(3) Fällt ein Auslandsaufenthalt nach Absatz 2 in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1), die durch die Richtlinie (EU) 2018/957 (ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 16) geändert worden ist, muss die Niederschrift nach Absatz 1 Satz 1 neben den Angaben nach Absatz 2 auch folgende zusätzliche Angaben enthalten:
- 1.
die Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer nach dem Recht des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in dem oder in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, Anspruch hat, - 2.
den Link zu der einzigen offiziellen nationalen Website, die der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, betreibt nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems – („IMI-Verordnung“) (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).
(4) Die Angaben nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis 8 und 10 bis 14 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. Ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 11 und 14 die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend, so kann hierauf verwiesen werden. Die Angaben nach Absatz 2 Nummer 2 und Absatz 3 Nummer 1 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf konkrete Bestimmungen der einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Satzungen oder Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
(5) Wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung nach den Absätzen 1, 2 und 3, soweit der Vertrag die in den Absätzen 1 bis 4 geforderten Angaben enthält.