Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 03. Nov. 2015 - 7 Ta 126/15
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hin wird der PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.01.2015 in der Fassung des Nicht-Abhilfe-Beschlusses vom 20.03.2015 teilweise abgeändert:
Dem Kläger wird für das Verfahren Arbeitsgericht Köln2 Ca 8662/13 Prozesskostenhilfe im Umfang eines Teil-Streitwerts von 1.000,00 € mit Wirkung ab dem 28.10.2013 mit der Maßgabe bewilligt, dass der Kläger aufgrund seiner glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit keinen eigenen Beitrag zu leisten hat.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e :
2I. Der Kläger war seit dem 16.04.2013 bei der Beklagten zu einem Stundenlohn von 9,00 € brutto als Reinigungshelfer beschäftigt. Ausweislich der Jahreswerte in der Lohnabrechnung August 2013 erzielte er einen Durchschnittsverdienst in Höhe von ca. 1.800,00 € brutto monatlich.
3Es war arbeitsvertraglich eine sechsmonatige Probezeit vereinbart.
4Mit Schreiben vom 07.10.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis „fristgerecht zum 22.10.2013“. Das Kündigungsschreiben war an die Anschrift „A 79, K “ adressiert. Diese Anschrift erscheint u. a. auf den Lohnabrechnungen der Monate Juni, Juli und August 2013 sowie auf drei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Klägers, ausgestellt am 15.09., 16.09. und 23.09.2013.
5Das Kündigungsschreiben vom 07.10.2013 wurde als Einwurf-Einschreiben versandt. Ausweislich eines Auslieferungsbeleges der Deutschen Post wurde dieses Einwurf-Einschreiben am 08.10.2013 in das Postfach Nummer 6 bei der Postfach-PLZ 5 eingelegt. Dieses Postfach hatte der Kläger nach eigenem Bekunden eingerichtet, nachdem er – bereits im Januar 2012 – anlässlich der Trennung von seiner Ehefrau aus der Wohnung A 79 ausgezogen war. Er wollte mit der Einrichtung des Postfachs sicherstellen, dass ihn weiterhin an seine bisherige Anschrift adressierte Post erreicht.
6Nach Angaben des Klägers ist dieser sodann am 15.09.2013 zu der Anschrift W 83 in Köln umgezogen. Der Kläger hat angegeben, er habe ca. zwei bis drei Wochen nach diesem Umzug einen Zettel mit seiner neuen Anschrift im Büro der Beklagten abgegeben. Nach Darstellung der Beklagten erfolgte die Information über die neue Anschrift fernmündlich am 10.10.2013.
7Der Kläger hat am 28.10.2013 mit anwaltlicher Hilfe Kündigungsschutzklage erhoben und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat die Klage später um vermeintliche Annahmeverzugsansprüche für den Zeitraum bis März 2014 im Umfang von 11.000,00 € erweitert. In seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger behauptet, er habe das Kündigungsschreiben erst am 17.10.2013 dem fraglichen Postfach entnommen. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger angegeben, er habe das Postfach auch am Montag, dem 14.10.2013 kontrolliert und hierbei ein Schreiben der Beklagten aufgefunden. Dabei habe es sich jedoch nicht um das Kündigungsschreiben gehandelt, sondern das Schreiben habe die Lohnabrechnung des letzten Monats enthalten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 21.01.2015 hat der Kläger persönlich auf Befragen zu Protokoll erklärt, „dass er Lohnabrechnungen niemals per Post erhalten habe“.
8Der Kündigungsschutzprozess endete mit einem am 21.01.2015 geschlossenen Vergleich. Dem Vergleich zufolge sind sich die Parteien darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Probezeitkündigung vom 17.10.2013 mit Ablauf des 22.10.2013 sein Ende gefunden hat. Die Beklagte verpflichtet sich in dem Vergleich, an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 1.000,00 € brutto zu zahlen. Im Übrigen enthält der Vergleich eine umfassende Ausgleichsklausel.
9Mit Beschluss vom 21.01.2015 hat das Arbeitsgericht Köln dem Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Kündigungsschreiben dem Kläger rechtswirksam bereits vor dem 16.10.2013 zugegangen sei, so dass der Kläger keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz genieße. Eine Partei, die die Prozesskosten selbst zu tragen habe, hätte in Anbetracht dieser Sachlage vernünftigerweise keine Kündigungsschutzklage erhoben. Zudem sei die unbedingte Klageerweiterung auf Zahlung von Annahmeverzugslöhnen im Sinne des PKH-Rechts als mutwillig zu bezeichnen, da eine kostenbewusst prozessierende Partei vor der Stellung entsprechender Zahlungsanträge zumindest den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abgewartet hätte.
10II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen den PKH-Beschluss des Arbeitsgerichts Köln hat nur in geringem Umfang Erfolg. Zum ganz überwiegenden Teil hat das Arbeitsgericht dem Kläger dagegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht versagt.
11Ausweislich ihrer Begründung strebt die sofortige Beschwerde nur noch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kündigungsschutzantrag an, da nach Auffassung des Klägers zumindest insoweit hinreichende Erfolgsaussichten hätten bejaht werden müssen. Auf den erstinstanzlichen Prozesskostenhilfeantrag für die Klageerweiterung muss daher nicht eingegangen werden.
12Auch der Kündigungsschutzantrag hatte jedoch im Wesentlichen keine Aussicht auf Erfolg; denn das Arbeitsgericht ist nach Würdigung des Sachvortrags der Parteien zu Recht davon ausgegangen, dass das Kündigungsschreiben dem Kläger am 14.10.2013, spätestens aber am 15.10.2013 zugegangen ist, so dass er sich zu seinen Gunsten auf die Regeln des Kündigungsschutzgesetzes nicht berufen konnte.
13Der Kläger hat das Kündigungsschreiben unstreitig in dem von ihm eingerichteten und bis zuletzt vorgehaltenen Postfach mit der Nummer 6 vorgefunden. Solange der Kläger dieses Postfach als private Postempfangseinrichtung vorhält, muss er sich den auf diesem Wege bewirkten Zugang von Postsendungen auch zurechnen lassen. Bezeichnenderweise hatte der Kläger nach eigenem Bekunden dieses Postfach gerade deshalb eingerichtet, um sicherzustellen, dass ihn auch an die Adresse „A 79 in K “ adressierte Post erreicht. Der Absender, der seine Postsendung mit Hilfe des Postunternehmens zurückverfolgen lässt und erfährt, dass die Sendung in ein vom Kläger vorgehaltenes Postfach eingelegt wurde, kann vom ordnungsgemäßen Zugang seiner Postsendung ausgehen. Anders, als wenn die Post in Ermangelung eines derartigen Postfaches in Rücklauf gerät, besteht für ihn auch kein Grund für weitere Veranlassungen.
14Der Kläger hat sich sodann zu dem Zeitpunkt, zu welchem er das Kündigungsschreiben im Postfach vorgefunden haben will, im Laufe des Prozesses widersprüchlich eingelassen. Er hat den Erhalt in der Klageschrift auf den 17.10.2013 datiert. Später hat er angegeben, bereits am 14.10.2013 das Postfach kontrolliert und einen Brief der Beklagten vorgefunden zu haben, dabei habe es sich jedoch nicht um das Kündigungsschreiben, sondern um eine Lohnabrechnung gehandelt. Nach entsprechendem Bestreiten der Beklagten hat er sodann im Kammertermin vom 21.01.2015 ausdrücklich ausgesagt, dass er Lohnabrechnungen niemals per Post erhalten habe.
15Die Angabe des Klägers, er habe am 14.10.2013 zwar einen Brief der Beklagten aus dem Postfach genommen, dies sei jedoch nicht das Kündigungsschreiben gewesen, muss damit als unsubstantiiert und folglich unerheblich gekennzeichnet werden. Der Kläger hätte konkrete Angaben dazu machen müssen, welchen Inhalt die Sendung vom 14.10.2013 denn gehabt haben soll, wenn es sich dabei weder um das Kündigungsschreiben noch um eine Lohnabrechnung gehandelt hat.
16Zutreffend stellt das Arbeitsgericht darüber hinaus der Sache nach darauf ab, dass jedenfalls von einem Zugang spätestens am 15.10.2013 auszugehen ist. Anhand der von der Beklagten beigebrachten Unterlagen und Auskünfte besteht kein hinreichender Grund zu zweifeln, dass das Kündigungsschreiben am 08.10.2013 in das Postfach des Klägers eingelegt wurde. Ebenso wie bei einem Hausbriefkasten bestehen auch bei einem Postfach übliche Gepflogenheiten der Zugangskontrolle, auf die sich ein Absender verlassen können muss. Das Beschwerdegericht folgt dabei der Auffassung des LAG Köln in seiner Entscheidung vom 04.12.2006 in Sachen14 Sa 873/06, wonach bei einem Postfach davon ausgegangen werden kann, dass dieses mindestens einmal wöchentlich kontrolliert wird. Dies zugrundegelegt wäre das Kündigungsschreiben spätestens am 15.10.2013 zugegangen. Die sechsmonatige Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG wäre damit ebenfalls nicht überschritten.
17Gründe außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, die zur Rechtsunwirksamkeit der streitigen Kündigung führen könnten, hat der Kläger selbst nicht genannt.
18Allerdings hat das Arbeitsgericht übersehen, dass bei einem anzunehmenden Zugang des Kündigungsschreibens am 14.10.2013, spätestens am 15.10.2013, die aus § 622 Abs. 3 BGB folgende zweiwöchige Kündigungsfrist bis zu dem im Kündigungsschreiben angegebenen Endtermin „22.10.2013“ nicht mehr eingehalten war. Da in dem Kündigungsschutzantrag als Minus auch die Rüge enthalten ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls nicht zum 22.10.2013, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt sein Ende finden konnte, war der Klage in diesem– vergleichsweise geringfügigen – Umfang die Erfolgsaussicht nicht abzusprechen.
19Der wirtschaftliche Wert dieser anteiligen Erfolgsaussichten lässt sich sinnfällig daran festmachen, was der Kläger letztlich tatsächlich als Ergebnis des Prozesses erzielt hat.
20Es erscheint daher gerechtfertigt, dem Kläger für einen Teil-Streitwert von 1.000,00 € Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Übrigen muss es bei der ablehnenden Entscheidung des Arbeitsgerichts verbleiben.
21Die glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers lassen eine Ratenbeteiligung derzeit nicht zu.
22Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen.
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