Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 09. Juli 2015 - 7 Sa 638/14
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.01.2014 in Sachen 8 Ca 1763/13 d wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin auf Fahrtkostenerstattung für Fahrten von ihrem Wohnsitz in T zur Dienststelle in K sowie um Aufwandsentschädigung für das Vorhalten eines häuslichen Büroarbeitsplatzes.
3Seit dem 01.01.1991 arbeitete die am 1950 geborene Klägerin für eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, der B M als Berufskrankheiten-Ermittlerin bzw. Arbeitsplatzbegutachterin im Außendienst. Sie erzielte zuletzt einen Verdienst in Höhe von ca. 4.500,00 € brutto monatlich.
4Zum 01.07.1991 wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten der Klägerin auf deren Antrag ihren damaligen Wohnsitz in Kaa „bis auf Widerruf als Dienstsitz zu“ (Anlage K 3, Bl. 8 d. A.). Die Klägerin richtete in ihrer Privatwohnung einen Büroarbeitsplatz ein und erhielt hierfür von der Arbeitgeberin einen einmaligen Möblierungszuschuss in Höhe von 1.300,- DM. Außerdem zahlte die Arbeitgeberin der Klägerin ab dem 01.07.1991 eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 200,- DM brutto monatlich, später 103,00 €. Die Klägerin verrichtete ihre Vor- und Nacharbeiten zu ihrer Außendiensttätigkeit nunmehr an ihrem häuslichen Arbeitsplatz. Ihr stand ein Dienstwagen zur Verfügung, den sie auch privat nutzen durfte. Für privat gefahrene Kilometer stellte ihr die Arbeitgeberin (umgerechnet) 0,30 € in Rechnung. Ca. 30 mal im Jahr musste die Klägerin die Dienststelle der Arbeitgeberin in K aufsuchen, um dort an Besprechungen, Sitzungen u. ä. teilzunehmen. Die Fahrten von ihrem Wohnsitz zur Dienststelle in K wurden als Dienstfahrten behandelt. Zum 01.03.1994 zog die Klägerin von Kaa an ihren jetzigen Wohnsitz in T um. In der Folgezeit wurde ihr wiederum der neue Wohnsitz als Dienstsitz zugewiesen.
5Die M B verfügte in ihren Verwaltungsgebäuden in K nicht über ausreichend Raum, um Außendienstmitarbeitern wie der Klägerin dort einen Büroarbeitsplatz anbieten zu können.
6Zum 01.01.2011 fusionierte die B M mit anderen Berufsgenossenschaften zur jetzigen Beklagten. Nach dem Bezug eines neuen Verwaltungsgebäudes in K -O stand der Beklagten nunmehr ausreichend Platz zur Verfügung, so dass sie dort auch der Klägerin einen eigenen Büroraum einrichtete. Aus diesem Anlass widerrief die Beklagte mit Schreiben vom 19.06.2012 (Bl. 10 d. A.) die Zuweisung des Wohnsitzes als Dienstsitz zum 01.08.2012. Ungeachtet dessen verrichtete die Klägerin auch fortan mit Erlaubnis der Beklagten ihre Tätigkeit unverändert von ihrem Privatwohnsitz aus. Die Beklagte stellte jedoch die Zahlung der Aufwandsentschädigung ein und rechnete Fahrten der Klägerin von ihrem Privatwohnsitz zu Besprechungen, Sitzungen etc. in der Dienststelle K -O als Privatfahrten ab. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage.
7Die Klägerin hat das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Eigenkündigung vom 25.06.2014 zum 31.12.2014 beendet und bezieht seit dem 01.01.2015 Rente.
8Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird ergänzend auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 21.01.2014 Bezug genommen.
9Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 30.06.2014 zugestellt, nachdem am 21.06.2014 die 5-Monats-Frist des § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG abgelaufen war. Die Klägerin hat am 17.07.2014 gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt und diese am 21.08.2014 begründet.
10Die Klägerin/Berufungsklägerin hebt nochmals hervor, dass sich auch nach dem 01.08.2012 ihre Arbeitsabläufe in keiner Weise verändert hätten. Dies habe auch im Interesse beider Parteien gelegen. Der für sie, die Klägerin, in der Dienststelle K -O eingerichtete Büroraum habe leer gestanden. Der Widerruf der Regelung ‚Dienstsitz = Wohnsitz‘ sei somit letztlich nur zum Schein erfolgt.
11Die Klägerin vertritt weiter die Auffassung, dass der Widerruf gegen das Transparenzgebot verstoße und somit unwirksam sei, wenn man ihn nach den Kriterien des AGB-Rechts überprüfe; denn die Regelung führe nicht auf, aus welchen Gründen der Widerruf erfolgen dürfe. Der Widerruf halte den Kriterien der BAG-Entscheidung vom 12.01.2005, 5 AZR 364/04, die für sogenannte Altfälle entwickelt worden seien, nicht stand. Zwar liege kein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrages und des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses vor. Es gehe aber – auf der zweiten Stufe der BAG-Kriterien – allenfalls hinsichtlich der Fahrtkosten um Ersatz von Aufwendungen, die der Arbeitnehmer nach allgemeinen Regeln selbst tragen muss, nicht aber gelte dies für die Aufwandsentschädigung für das Vorhalten eines heimischen Arbeitsplatzes.
12Vor allem aber sei das dritte Kriterium, die Herstellung einheitlicher Arbeitsbedingungen im Betrieb, nicht erfüllt. Sie, die Klägerin, habe zahlreiche Außendienstmitarbeiter benannt, bei denen die ‚Dienstsitz = Wohnsitz-Regelungen‘ zumindest erst zum 31.10.2014, teilweise sogar erst zum 31.07.2018 widerrufen wurden bzw. werden sollen. Auch könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass es sich bei solchen Außendienstmitarbeitern, deren Wohnsitz mehr als 60 km von der Dienststelle in K -O entfernt liege, um sogenannte Härtefälle handele; denn diese Härtefallregelung werde auch bei diversen namentlich benannten Mitarbeitern der Dienststelle in K angewandt, deren Wohnsitz weniger als 60 km von der Dienststelle entfernt liege.
13Schließlich ist die Klägerin der Meinung, dass die von der Beklagten vorgenommene Änderung ihres Dienstsitzes auch gegen § 11 Abs. 3 c) des Ergänzungstarifvertrages zum bei der Beklagten geltenden Rationalisierungsschutztarifvertrag verstoße.
14Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
15das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.01.2014,8 Ca 1763/13 d, abzuändern und
161.) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Aufwandsentschädigung für die Zeit von September 2012 bis September 2013 in Höhe von 1.339,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
172.) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit von September 2012 bis September 2013 für Fahrten vom Dienstsitz der Klägerin in T zur Bezirksverwaltung der Beklagten in K in Höhe von 302,40 € netto nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
183.) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Aufwandsentschädigung für die Zeit von Oktober 2013 bis November 2014 in Höhe von 1.442,- € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
194.) die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für Fahrten vom Dienstsitz der Klägerin in T zur Bezirksverwaltung der Beklagten in K im Zeitraum von Oktober 2013 bis November 2014 netto 352,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
20Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
21die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
22Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil und hält es für zutreffend.
23Die Beklagte macht geltend, nachdem sie der Klägerin in K -O einen Büroarbeitsplatz eingerichtet habe, liege es ganz überwiegend in deren Interesse, wenn sie gleichwohl weiterhin einen Teil ihrer Arbeiten zu Hause erledigen möchte. Sie, die Beklagte, stelle sich als Arbeitgeber, der auf die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter eingehe, dem nicht entgegen, jedoch habe sich die Klägerin mit ihrer Entscheidung, an den Arbeitsabläufen nichts zu verändern, für ein Modell entschieden, bei dem ihr eben keine Aufwandsentschädigung und keine Fahrkostenerstattung mehr zustehe.
24Die Klägerin erleide auch keine Ungleichbehandlung. Die früher vorhandenen ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelungen‘ würden etappenweise widerrufen, sobald an den jeweiligen Standorten ausreichend Büroarbeitsraum für die Außendienstmitarbeiter zur Verfügung stehe. Dies sei nicht an allen Standorten gleichzeitig der Fall. Im Übrigen werde eine Härtefallregelung praktiziert, wonach Mitarbeiter, die von zu Hause zur Dienststelle mehr als 60 km zurückzulegen hätten, erst zu einem späteren Zeitpunkt aus der Regelung herausgenommen würden. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall, da sie nach eigenem Bekunden für den Weg von der Wohnung zur Arbeit 56 km zurücklege.
25Nach Auffassung der Beklagten hält der Widerruf auch einer AGB-Kontrolle stand und verstoße nicht gegen das Rationalisierungsschutzabkommen.
26Schließlich behauptet die Beklagte, die Klägerin habe am 27.09.2012 das Angebot der im Auftrag der Geschäftsführung handelnden Mitarbeiterin Bo vom Vortage angenommen, wonach der Klägerin eine Höhergruppierung in Entgeltgruppe 11 in Aussicht gestellt worden sei, wenn sie den Widerruf der ‚Wohnsitz = Dienstsitz - Zuweisung‘ akzeptiere. Die Klägerin sei nach Annahme des Angebots entsprechend höhergruppiert worden und könne sich nun nicht weiterhin gegen den Widerruf der ‚Wohnsitz = Dienstsitz –Regelung‘ wenden.
27Ergänzend wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift, der Berufungserwiderungsschrift, der weiteren Schriftsätze der Klägerin vom 20.01.2015, 22.06.2015 und 24.06.2015 sowie der Beklagten vom 09.02.2015 und 07.07.2015 sowie die Sitzungsprotokolle vom 09.12.2014 und 09.07.2015 Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.01.2014 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
30II. Die Berufung der Klägerin musste jedoch erfolglos bleiben. Der Widerruf der Zuweisung des Wohnsitzes der Klägerin als ‚Dienstsitz‘ durch die Beklagte mit Wirkung zum 01.08.2012 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Da die Klägerin seit dem 01.08.2012 die von ihr zu verrichtenden Büroarbeiten nicht mehr auf Anweisung der Beklagten an ihrem häuslichen Arbeitsplatz verrichtet hat, sondern aufgrund eigener Entscheidung und aus freien Stücken, steht ihr seit- dem ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung und auf Fahrtkostenerstattung für Fahrten vom Wohnsitz zur Dienststelle in K -O nicht mehr zu.
311. Bei dem Widerruf der ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelung‘ handelt es sich nicht um eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn. Dies hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit auch selbst mehrfach bestätigt und betont. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt nicht vor, erst recht nicht eine solche, die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Unstreitig hat sich an Inhalt und äußerem Erscheinungsbild des Ablaufs der Tätigkeit der Klägerin nach dem 01.08.2012 nichts geändert. Die Beklagte hat der Klägerin zwar einen Büroarbeitsplatz in ihrem neuen Verwaltungsgebäude in K -O eingerichtet. Sie hat aber gerade nicht darauf bestanden, dass die Klägerin von diesem Büroarbeitsplatz in Köln auch Gebrauch macht, sondern ihr nur die Möglichkeit eingeräumt, dies zu tun. Die Klägerin hat sich – mit Billigung der Beklagten – dafür entschieden, an ihrem Arbeitsablauf nichts zu verändern und ihre regelmäßigen Büroarbeiten weiterhin an ihren Privatwohnsitz zu verrichten.
322. Der Widerruf der ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelung‘ ist somit im Verhältnis der Parteien zueinander auch nicht gleichbedeutend mit der Zuweisung eines anderen Beschäftigungsortes.
33a. Die Beklagte hat die Klägerin unstreitig nicht angewiesen, ihre Bürotätigkeit ab dem 01.08.2012 in K -O zu verrichten. Der Umstand, dass durch den streitigen Widerruf der Wohnsitz der Klägerin nicht mehr als deren ‚Dienstsitz‘ gilt, hat zwischen den Parteien somit nur eine reisekosten- und entschädigungsrechtliche Bedeutung. Der Ort der Dienststelle der Beklagten in K , der die Klägerin überdies stets, auch zu Zeiten der Rechtsvorgängerin der Beklagten, ungeachtet ihres tatsächlichen Beschäftigungsortes organisatorisch zugeordnet war, ist durch den Widerruf nunmehr – wie dies in Ermangelung besonderer vertraglicher Regelungen dem Normalfall entspricht – zum Dienstsitz im reisekostenrechtlichen Sinne geworden.
34b. Die durch den Widerruf der ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelung‘ bewirkte Zuweisung des Ortes der Dienststelle in K als Dienstsitz der Klägerin im reisekostenrechtlichen Sinne hält einer AGB-Kontrolle stand. Es bedarf daher keiner abschließenden Untersuchung, ob es sich bei der ursprünglichen Zuweisung des Wohnsitzes als Dienstsitz „bis auf Widerruf“ tatsächlich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne der §§ 305 ff. BGB handelt.
35c. Die Klägerin beanstandet an dem vereinbarten Widerrufsvorbehalt, dass die zwischen den Parteien erstmals im Jahre 1991 formulierte Regelung keine Widerrufsgründe benennt. AGB-rechtlich handelt es sich unstreitig um einen sogenannten Altfall, auf den die auch vom Arbeitsgericht herangezogenen Grundsätze der Entscheidung des BAG vom 12.01.2005 in Sachen 5 AZR 364/04 Anwendung finden. Danach erweist sich ein Widerruf dann nicht als unwirksam, wenn der Arbeitnehmer sich dem Widerrufsrecht redlicherweise nicht verweigern kann. Dieses Kriterium hat das BAG in einer dreistufigen Voraussetzung konkretisiert.
36aa. Die erste Voraussetzung ist erfüllt, wenn durch den Widerruf nicht in den Kernbereich des Arbeitsvertrages und des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses eingegriffen wird. Die Klägerin selbst räumt ausdrücklich ein, dass die erste Stufe erfüllt ist. Die Themen Aufwandsentschädigung und Fahrtkostenerstattung betreffen nicht den Kernbereich des Arbeitsvertrages und das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis im eigentlichen Sinn.
37bb. An zweiter Stelle hat das BAG die Voraussetzung aufgestellt, dass ein Widerruf wirksam sein kann, wenn es um den Ersatz von Aufwendungen geht, die der Arbeitnehmer nach allgemeinen Regeln selbst tragen muss.
38aaa. Die Klägerin räumt ausdrücklich ein, dass es üblicherweise Sache des Arbeitnehmers ist, Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz selbst zu tragen.
39bbb. Sie meint jedoch, dies gelte nicht für die Ausstattung des heimischen Arbeitsplatzes. Es könne keine Rede davon sein, dass es zu den vom Arbeitnehmer zu tragenden Kosten gehöre, ein Arbeitszimmer vorzuhalten, dieses zu heizen und auch dessen sonstige Unterhaltskosten zu tragen. Üblich sei es vielmehr, dass der Arbeitgeber den Arbeitsplatz stellt und sämtliche Kosten, insbesondere Unterhaltskosten, trägt.
40ccc. Hierbei verkennt die Klägerin zweierlei: Zum einen übersieht sie, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Aufwand für einen im Privatbereich des Arbeitnehmers eingerichteten häuslichen Arbeitsplatz zu tragen, grundsätzlich nur dann gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers bzw. in dessen überwiegenden Interesse zu Hause zu arbeiten hat (BAG 9 AZR 14/10 vom 12.04.2011, NZA 2012, 97 ff.). Dies war bis zum 31.07.2012 der Fall. In dem hier allein interessierenden Zeitraum ab 01.08.2012 war es jedoch der Entscheidung der Klägerin überlassen, ob diese – nunmehr freiwillig – weiterhin ihre Büroarbeiten zu Hause erledigen oder ob sie das für sie in K -O eingerichtete Büro nutzen wollte. Ein Arbeitnehmer, der – wenn auch mit Billigung des Arbeitgebers – einen Teil seiner Arbeiten freiwillig zu Hause verrichtet, obwohl er diese auch im Betrieb ausführen könnte, hat regelmäßig gerade nicht einen Anspruch auf Aufwandsentschädigung (BAG a.a.O.).
41ddd. Zudem übersieht die Klägerin, dass die Beklagte ihr unstreitig in K -O einen vollwertigen Büroarbeitsplatz eingerichtet und die dafür anfallenden Aufwendungen getragen hat.
42cc. Schließlich ist vorliegend entgegen der Auffassung der Klägerin auch die dritte Voraussetzung erfüllt, die das BAG in seiner Entscheidung vom 12.01.2005 aufgestellt hat, nämlich dass der Arbeitgeber sich bei Ausübung seines Widerrufsvorbehalts von dem Bestreben leiten lässt, einheitliche Arbeitsbedingungen im Betrieb herzustellen.
43aaa. Die Beklagte hat ausgeführt, dass sie künftig generell keine ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelungen‘ mehr praktizieren will, dass die Umstellung bzw. der Widerruf bestehender ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelungen‘ aber nicht für alle Beschäftigten gleichzeitig erfolgen könne, sondern etappenweise daran angepasst werden müsse, wann an den einzelnen Standorten jeweils ausreichende Büroräumlichkeiten für alle zur Verfügung stehen. Dass sich die Beklagte an diese von ihr getroffene unternehmerische Entscheidung nicht hält, ist nicht ersichtlich.
44bbb. Auch die von ihr praktizierte Härtefallregelung folgt abstrakt generellen Maßstäben und führt nur zu einem zeitlichen Aufschub des Widerrufs, nicht aber zu einer dauerhaften Beibehaltung der ‚Dienstsitz = Wohnsitz – Regelung‘.
45ccc. Nicht zuletzt führt die Beklagte auch an, dass der Widerruf von ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelungen‘ zu einer Angleichung an die Verhältnisse der Mitarbeiter mit sogenannten Tele-Arbeitsplätzen führen soll, welche ebenfalls ganz oder teilweise von zu Hause aus arbeiten können, aber ebenfalls weder Aufwandsentschädigung noch Fahrtkostenerstattung für Fahrten von zu Hause zur Dienststelle erhalten.
46d. Vorliegend sind somit sämtlich Voraussetzungen der Entscheidung des BAG vom 12.01.2005 erfüllt, die dafür sprechen, dass sich die Klägerin dem von der Beklagten ausgeübten Widerruf redlicherweise nicht verweigern kann. Bis zur Ausübung des Widerrufs durch die Beklagte hatte die Klägerin keine andere Wahl, als ihre Büroarbeiten zu Hause zu verrichten. Durch das Einrichten und den Vorhalt ihres häuslichen Arbeitsplatzes hat sie bis zu diesem Zeitpunkt der Beklagten erspart, selbst einen Arbeitsplatz mit entsprechender Büroausstattung für die Klägerin einzurichten und vorzuhalten. Nachdem die Beklagte in ihren neuen Räumlichkeiten in K -O der Klägerin nun aber einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hat, hat sich das Interesse daran, dass die Klägerin ihre Büroarbeiten zu Hause verrichten kann, nahezu ausschließlich auf die Klägerin verschoben. Dem Wunsch der Beklagten, einen doppelten Aufwand zu vermeiden, nämlich einerseits der Klägerin einen Büroraum zur Verfügung zu stellen, andererseits aber gleichwohl Aufwandsentschädigung für den häuslichen Arbeitsplatz der Klägerin und Fahrkosten von deren Privatwohnung zur Dienststelle zu tragen, kann sich die Klägerin redlicherweise nicht verschließen.
473. Die Klägerin kann ihre streitigen Ansprüche auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung begründen.
48a. Unstreitig praktiziert die Beklagte eine abstrakt-generell definierte Härtefallregelung, wonach die ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelung‘ zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt widerrufen worden ist bzw. werden soll als im Falle der Klägerin, wenn der Mitarbeiter von seinem Wohnsitz zur Dienststelle mehr als 60 km zurücklegen müsste.
49b. Unstreitig erfüllt die Klägerin selbst diese Härtefallvoraussetzung nicht. Sie legt der Berechnung ihrer Klageforderung eine Strecke von ihrem Wohnsitz zur Dienststelle in K -O von 56 km zugrunde. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin tatsächlich nicht mehr als 60 km von ihrer Wohnung zur Dienststelle zurückgelegt hat. Auch durch die Verwendung sogenannter Routenplaner lässt sich ohne weiteres nachvollziehen, dass die Klägerin keine Strecke von 60 km oder mehr zurücklegen müsste. Dies gilt sowohl für die streckenmäßig kürzeste, wie auch die unter Abwägung aller einschlägigen Kriterien benutzerfreundlichste Strecke.
50c. In ihrem Schriftsatz vom 20.01.2015 hat die Klägerin zehn Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter der Dienststelle K benannt, die ihrer Ansicht nach in den Genuss der Härtefallregelung gekommen seien, obwohl sie deren abstrakt-generelle Voraussetzungen nicht erfüllten.
51aa. In sieben dieser zehn Fälle konnte die Beklagte den Behauptungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 09.02.2015 in tatsächlicher Hinsicht – und im weiteren Verlauf unwidersprochen – entgegentreten.
52bb. Für drei Fälle hat die Beklagte eingeräumt, dass sie im Jahre 2012 zunächst irrtümlich angenommen habe, dass bei diesen Mitarbeitern ebenfalls die 60 km-Grenze überschritten sei. Nachdem sie dies 2014 bemerkt habe, sei der Widerruf dann zum 01.11.2014 erfolgt.
53cc. Der Umstand, dass eine abstrakt-generelle Ausnahmeregelung nicht immer und in jedem Einzelfall irrtumsfrei praktiziert wurde, führt nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf ‚Gleichbehandlung im Irrtum‘ (BAG vom 27.08.2008, 4 AZR 484/07).
54dd. Bezeichnenderweise hat die Beklagte im Übrigen auch mehrere andere Mitarbeiter der Dienststelle K namentlich benennen können, deren Fahrtstrecke von der Wohnung zur Dienststelle ebenfalls wie bei der Klägerin nur knapp unterhalb der 60 km-Grenze liegt und bei denen der Widerruf der ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelung‘ ebenfalls zeitgleich mit der Klägerin im Jahre 2012 erfolgt ist.
554. Schließlich kann die Klägerin die Unwirksamkeit des Widerrufs auch nicht aus § 11 Ziff. 3 c) des Ergänzungstarifvertrages zum Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte bei den gewerblichen B herleiten. Nach dieser Tarifvorschrift sollen Beschäftigte, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, ohne ihre Einwilligung nicht versetzt oder abgeordnet werden.
56Wie bereits oben festgestellt wurde und von der Klägerin selbst in anderem Zusammenhang betont wird, stellt der Widerruf der ‚Wohnsitz = Dienstsitz – Regelung‘ der Klägerin keine Versetzung dar. Dies gilt nicht nur auf der Grundlage der in § 95 Abs. 3 BetrVG enthaltenen Definitionen der Versetzung, sondern auch nach der Begriffsbestimmung in § 11 Ziff. 3 f) des Ergänzungstarifvertrages selbst. Danach ist Versetzung die dauerhafte Veränderung des Beschäftigungsorts, die über das Einzugsgebiet im umzugskostenrechtlichen Sinne hinausgeht. Da die Beklagte von der Klägerin ungeachtet des Widerrufs nicht verlangt hat, dass sie ihre Tätigkeit künftig an einem anderen Beschäftigungsort zu verrichten hat, greift die Bestimmung des Ergänzungstarifvertrages zugunsten der Klägerin nicht ein.
575. Sonstige Anspruchsgrundlagen für das klägerische Zahlungsbegehren sind nicht ersichtlich.
58III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
59Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben. Die vorliegende Entscheidung orientiert sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen auf den Umständen des Einzelfalls. Es besteht auch keine Divergenz zu der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 17.12.2014, 4 Sa 404/14. Der dort entschiedene Sachverhalt ist mit dem des vorliegenden Falles nicht vergleichbar; denn anders als hier musste der dortige Kläger auf Weisung seines Arbeitgebers (!) künftig ausschließlich am Betriebssitz arbeiten, und der Betriebssitz war 300 Km (!) von seiner Wohnung entfernt.
60R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
61Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht zugelassen. Auf § 72 a ArbGG wird vorsorglich hingewiesen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 09. Juli 2015 - 7 Sa 638/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 09. Juli 2015 - 7 Sa 638/14
Referenzen - Gesetze
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(2a) Die Absätze 1 und 2 finden auch dann Anwendung, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien nach diesen Absätzen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.
(3) Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)