Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 28. Okt. 2014 - 7 Sa 382/13
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.03.2013 in Sachen 15 Ca 158/12 abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier betriebsbedingter Kündigungen und hilfsweise um einen arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 KSchG.
3Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 15. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, der Kündigungsschutzklage stattzugeben und den arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 12.03.2013 Bezug genommen.
4Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Beklagten am 26.04.2013 zugestellt. Sie hat hiergegen am 17.05.2013 Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäß bis zum 26.07.2013 verlängerter Frist am 26.07.2013 begründet.
5Die Beklagte und Berufungsklägerin vertritt die Auffassung, dass die ordentliche, fristgerechte betriebsbedingte Kündigung vom 21.11.2011 gemäߧ 1 Abs. 2 KSchG wegen dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt sei. Sie behauptet hierzu, sie habe am 09.11.2011 in den Geschäftsräumen an der S Straße in K durch den zuständigen Bereichsgruppenleiter Si nach Abstimmung mit dem Bereichsleiter H und nach abschließender Billigung durch das für den Strategischen Einkauf zuständige Vorstandsmitglied E die unternehmerische Entscheidung getroffen, die verselbständigten, getrennt geführten Bereiche „Frischfleisch/Frischgeflügel“ und „Fleisch-, Wurstwaren und Wurstkonserven“ im Strategischen Einkauf wieder zusammenzulegen und wieder einheitlich zu führen. Zur Vorbereitung dieser Entscheidung habe es keiner externen Ablaufanalyse bedurft; denn man sei zu einer Organisationsstruktur zurückgekehrt, wie sie aus der Zeit vor 2007 bereits praktiziert und insbesondere dem damaligen einheitlichen Bereichsleiter Si bekannt gewesen sei.
6Hintergrund der unternehmerischen Entscheidung sei gewesen, dass man im Jahre 2011 endgültig den Eindruck gewonnen habe, dass sich die im Jahre 2007 vorgenommene Aufteilung in die Bereiche „Frischfleisch/Frischgeflügel“ und „Fleisch-, Wurstwaren und Wurstkonserven“ eben nicht bewährt habe. Diese Aufteilung habe zu einer Verdoppelung der erforderlichen Gespräche und Schnittstellen mit den internen Kunden R und P geführt und einen erheblich höheren Kommunikations- und Abstimmungsbedarf hervorgerufen. Es sei verstärkt zu Konflikten mit dem Category-Management von R und Penny gekommen. Die Zufriedenheit insbesondere der konzerninternen Kunden des Strategischen Einkaufs sei deutlich eingebrochen. Als problematisch habe sich dabei insbesondere auch die Integration des Einkaufs der Rohwaren für die Produktionsfirma W B GmbH & Co. OHG in den Strategischen Einkauf erwiesen. Hierdurch seien die Einkäufer des Strategischen Einkaufs teilweise überfordert worden. Es habe erhebliche logistische Probleme dadurch gegeben, dass fünf Mitarbeiter jede Woche für ein bis zwei Tage an den Sitz der Firma W B GmbH & Co. OHG in F haben pendeln müssen.
7Die unternehmerische Entscheidung sei weder offenbar unsachlich, noch unvernünftig oder willkürlich gewesen. Ebenso wenig seien als Folge der unternehmerischen Entscheidung andere im Unternehmen verbliebene Arbeitnehmer überobligatorisch belastet worden. Die Beklagte legt hierzu in ihren Anlagen B 20 und B 21 tabellarische Darstellungen über die vom Kläger wahrgenommenen Aufgaben und Tätigkeiten vor. Hieraus ergibt sich nach Darstellung der Beklagten, dass ein großer Teil der vom Kläger zuletzt verrichteten Tätigkeiten mit der von der Beklagten getroffenen unternehmerischen Entscheidung weggefallen sei und gar nicht erst zur Verteilung auf andere angestanden habe. So falle der vom Kläger betriebene Aufwand, der mit der Integration des Einkaufs für die W B GmbH & Co. OHG angefallen sei, weg. Ein anderer Teil vom Kläger betriebener Projekte sei erledigt. Zudem habe der Kläger einen Führungsstil praktiziert, der dadurch gekennzeichnet gewesen sei, dass er in großem Umfang in das aktive operative Geschäft eingegriffen habe, was auf der Bereichsleiterführungsebene nicht (mehr) erwünscht sei und auch nicht der Arbeitsweise des anderen Bereichsleiters H entsprochen habe, dem jetzt die Leitung des wieder zusammengeführten Bereichs „Fleisch- und Wurstwaren“ übertragen worden sei. Zudem sei der nachgeordnete Bereich, welcher verstärkt eigenverantwortlich tätig werden solle, personell gestärkt worden; denn obwohl durch die Rückführung des Einkaufs von Rohware für die Produktionsfirma B an diese im Strategischen Einkauf Arbeitskapazität für drei Mitarbeiter entfallen sei, sei die Personalstärke durch Einstellung zweier Einkaufsassistenten und eines Einkaufsberaters zum 01.04., 15.06. und 01.08.2012 auf gleicher Stärke gehalten worden.
8Somit sei durch die organisatorische Wiederzusammenführung der Bereiche „Frischfleisch/Frischgeflügel“ und „Fleisch-, Wurstwaren und Wurstkonserven“ zu einem einheitlichen Bereich „Fleisch- und Wurstwaren“ die Stelle des Klägers als Bereichsleiter „Frischfleisch/Frischgeflügel“ weggefallen, ohne dass deswegen ein anderer Mitarbeiter im Strategischen Einkauf überobligatorische Mehrbelastungen zu verzeichnen habe.
9Die Beklagte vertritt ferner die Auffassung, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, dem Kläger im Wege der Änderungskündigung die Stelle eines Einkaufsbeauftragten (Jahresbruttogehalt 46.600,00 € ohne Anspruch auf Sonderleistungen) oder gar diejenige eines Einkaufsassistenten (Jahresbruttogehalt 32.800,- € bzw. 33.400,00 € ohne Anspruch auf Sonderleistungen) anzubieten. Ein solches Angebot habe für den Kläger geradezu beleidigenden Charakter haben müssen. Es wäre zudem auch für sie, die Beklagte, unzumutbar gewesen, da der Kläger bei Annahme eines solchen Änderungsangebotes nunmehr Mitarbeitern weisungsunterworfen gewesen wäre, die bis dahin drei Hierarchiestufen unter ihm gestanden hätten, was regelmäßig ein erhebliches Konfliktpotential mit sich brächte.
10Schließlich vertritt die Beklagte im Hinblick auf den Hilfsantrag die Ansicht, der Kläger sei als leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs.2 KSchG anzusehen.
11Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
121. das am 12.03.2013 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln (Az.: 15 Ca 158/12) zu ändern und die Klage abzuweisen;
132. hilfsweise:
14das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
15Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
16die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
17Der Kläger und Berufungsbeklagte macht sich die Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils zu eigen und meint, die Beklagte habe nach wie vor eine unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall seines Arbeitsplatzes geführt habe, nicht schlüssig und substantiiert darlegen können. Der Kläger bestreitet, dass eine solche komplexe unternehmerische Entscheidung lediglich mündlich zwischen Herrn Si und Herr H oder auch Herrn E getroffen worden sein solle.
18Er bestreitet auch den Sachvortrag der Beklagten zu den angeblichen Hintergründen der von ihr dargestellten unternehmerischen Entscheidung und bestreitet insbesondere, dass es verstärkte Konflikte mit dem Category-Management gegeben habe. Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass seine Aufgaben in erheblichen zeitlichen Umfang weggefallen sein sollen. Vielmehr sei ihm bekannt geworden, dass nunmehr ein Herr v St seine Tätigkeiten ausübe.
19Schließlich vertritt der Kläger die Meinung, dass bei der Besetzung der Stelle des Leiters des nunmehr einheitlichen, zusammengeführten Bereiches eine Sozialauswahl zwischen ihm und dem anderen Bereichsleiter H habe stattfinden müssen, die aufgrund seiner längeren Betriebszugehörigkeit zu seinen Gunsten habe ausfallen müssen. Zudem sieht der Kläger in dem Umstand, dass der andere Bereichsleiter H nunmehr auch seinen Bereich mitübernommen habe, eine unzulässige Austauschkündigung; denn der Bereichsleiter H sei gar nicht Arbeitnehmer der Beklagten, sondern – unstreitig – arbeitsvertraglich nur mit der Firma B verbunden.
20Zum hilfsweise gestellten arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag vertritt der Kläger die Meinung, dass dieser schon daran scheitern müsse, dass er, der Kläger, kein leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG gewesen sei.
21Wegen der weiteren konkreten Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift der Beklagten, der Berufungserwiderungsschrift des Klägers sowie der in der Berufungsinstanz eingereichten weiteren Schriftsätze der Parteien nebst ihren Anlagen Bezug genommen, soweit sie nicht lediglich die zwischenzeitlich geführten außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen betreffen.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.03.2013 in Sachen 15 Ca 158/12 ist zulässig. Die Berufung ist gemäߧ 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
24II. Die Berufung der Beklagten hatte auch Erfolg. Nach der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die streitige Kündigung der Beklagten vom 21.11.2012 aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Da der Kläger unstreitig als leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG nicht unter die Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes fällt, führt die fehlende Beteiligung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung vom 21.11.2011 nicht zu deren Unwirksamkeit. Da bereits die Kündigung vom 21.11.2011 das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.11.2012 aufgelöst hat, kommt es auf die vorsorglich ausgesprochene weitere Kündigung vom 27.01.2012 sowie auf den hilfsweise gestellten arbeitgeberseitigen Auflösungsantrag nicht an.
251. Die Beklagte hat in den Tagen vor dem 09.11.2011 durch den auf der Führungsebene unmittelbar unterhalb des Vorstands dafür zuständigen Bereichsgruppenleiter Si die unternehmerische Entscheidung getroffen, im Strategischen Einkauf bei Fleisch- und Wurstwaren wieder zu derjenigen Führungs- und Organisationsstruktur zurückzukehren, wie sie bereits bis zum Jahre 2007 bestanden hatte.
26a. Bei der Entwicklung seiner unternehmerischen Entscheidung hat sich der Bereichsgruppenleiter Si in den Wochen vor dem 09.11.2011 mit dem Bereichsleiter H beraten. Am 09.11.2011 wurde die Entscheidung sodann dem für den Strategischen Einkauf zuständigen Vorstandsmitglied E abschließend vorgetragen und von diesem genehmigt. Damit war sie bestandskräftig und wurde in der Zeit ab Mitte November 2011 umgesetzt.
27b. Der Kerninhalt der unternehmerischen Entscheidung bestand darin, die seit dem Jahre 2007 jeweils selbständig geführten Bereiche „Frischfleisch/Frischgeflügel“ und „Fleisch-, Wurstwaren und Wurstkonserven“ wieder zu einem einheitlichen Bereich „Fleisch- und Wurstwaren“ zusammenzuführen, wie er bis 2007 bestanden hatte.
28c. Durch die organisatorische Auflösung der bisher selbständig geführten Bereiche „Frischfleisch/Frischgeflügel“ und „Fleisch-, Wurstwaren und Wurstkonserven“ sind nach dem Grundsatz ein Bereich = ein Bereichsleiter zunächst beide seit 2007 bestehenden Bereichsleiterstellen weggefallen. Zugleich ist jedoch durch die organisatorische Wiederherstellung des einheitlichen Gesamtbereichs „Fleisch- und Wurstwaren“ bezogen hierauf eine neue Bereichsleiterstelle entstanden. Insgesamt hat sich somit die Zahl der Bereichsleiterstellen nachvollziehbar um eine vermindert.
29d. Die durch den Bereichsgruppenleiter Si nach Konsultation mit dem Bereichsleiter H getroffene und von dem zuständigen Vorstandsmitglied E genehmigte unternehmerische Entscheidung erschöpfte sich aber nicht darin, eine von zwei Bereichsleiterstellen einzusparen. Dementsprechend hat sich auch die Annahme des Arbeitsgerichts als unzutreffend erwiesen, dass die unternehmerische Entscheidung quasi mit dem Entschluss gleichgesetzt werden könnte, dem Kläger als einem von zwei Bereichsleitern zu kündigen. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der unternehmerischen Entscheidung bestand nämlich darin, den Einkauf von Rohwaren für die konzerninterne Produktionsfirma B , der seit 2007 zum Strategischen Zentraleinkauf, und dort angesiedelt in dem vom Kläger geführten Bereich „Frischfleisch/Frischgeflügel“, verlagert worden war, wieder auf die Produktionsfirma B selbst zurückzuverlagern. Hiervon war ein Volumen von immerhin ca. 30 % des Zentraleinkaufs betroffen. Inhalt der unternehmerischen Entscheidung war es dabei auch, die Personalstärke im nachgeordneten Bereich des Strategischen Zentraleinkaufs trotz des Wegfalls eines nicht unerheblichen Teils des Einkaufsvolumens durch die Rückverlagerung des Einkaufs der Rohwaren für B auf B beizubehalten. Dem diente die Neueinstellung zweier Einkaufsassistenten und eines Einkaufsbeauftragten. Hierdurch sollte bewusst eine Stärkung des nachgeordneten Personalbereichs erfolgen. Flankierend kam noch die Entscheidung hinzu, die Anzahl der vom Strategischen Einkauf arbeitsaufwändig zu betreuenden externen Klein-Lieferanten deutlich zu vermindern.
30e. Hintergrund der unternehmerischen Entscheidung war, dass der verantwortliche Bereichsgruppenleiter Si zunehmend den Eindruck gewonnen hatte, dass sich die von ihm selbst im Jahre 2007 inszenierte Aufteilung des bis dahin einheitlichen Bereichs „Fleisch- und Wurstwaren“ in die beiden dann selbständigen Bereich „Frischfleisch/Frischgeflügel“ und „Fleisch-, Wurstwaren und Wurstkonserven“ in der Praxis nicht bewährt habe. Der Zeuge Si hat in der Beweisaufnahme freimütig eingeräumt, dass er im Jahre 2011 zu der Erkenntnis gelangt sei, dass seine im Jahre 2007 getroffene Entscheidung zur Aufteilung des Bereichs Fleisch- und Wurstwaren in zwei selbständige Teilbereiche eine Fehlentscheidung gewesen sei, die es jetzt rückgängig zu machen galt.
31f. Das zuständige Vorstandsmitglied E hat in seiner Parteivernehmung bestätigt, dass ihm zu Ohren gekommen sei, dass es Unruhen gebe und dass er sich von Herrn Si habe berichten lassen, was da los sei und ob etwas geändert werden muss. „Am Ende des Tages war es dann eben im November so, dass er dann auch von sich aus zu der Entscheidung gekommen ist, zu den alten Strukturen wieder zurückzukehren.“
32g. Aus der Aussage des Vorstandsmitglieds E geht auch hervor, dass die Entscheidungsfindung in einem Fall wie dem vorliegenden entsprechend den Gepflogenheiten bei der Beklagten nicht ungewöhnlich verlaufen ist: Eine derartige organisatorisch-strukturelle Entscheidung trifft der dafür sachlich und fachlich Verantwortliche, hier der immerhin in der Hierarchieebene unmittelbar unterhalb des Vorstands angesiedelte Bereichsgruppenleiter Si . Der Bereichsverantwortliche hat den Vorstand als oberstes Entscheidungsgremium in Gestalt des für den Sachbereich zuständigen Vorstandsmitgliedes fortlaufend zu informieren und zu konsultieren und hat sich letztendlich die einmal getroffene Entscheidung von dem Vorstand absegnen zu lassen, wie hier am 09.11.2011 geschehen. Ob eine anstehende Entscheidung von solcher Bedeutung für das Unternehmen bzw. den Konzern ist, dass hiermit der Gesamtvorstand befasst werden müsste, unterliegt der Einschätzung des für den Bereich zuständigen Vorstandsmitglieds, welches seinerseits dem Gesamtvorstand gegenüber ebenfalls Berichtspflichten unterliegt. Der Aussage des Vorstandsmitglieds Esser ist zu entnehmen, dass in einem Fall wie dem vorliegenden eine Entscheidung des Gesamtvorstandes nicht vonnöten erschien.
33h. Das Vorstandsmitglied E hat auch einleuchtend erklärt, dass im vorliegenden Fall zur Vorbereitung der unternehmerischen Organisationsentscheidung die Einholung einer Ablaufanalyse durch externe Berater nicht erforderlich erschien. Dies beruhte darauf, dass die Entscheidung zum Inhalt hatte, im Wesentlichen zu einer Struktur zurückzukehren, die insbesondere dem verantwortlichen Bereichsgruppenleiter Si aus eigener Anschauung aus der Zeit vor 2007 bestens bekannt war.
342. Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten vom 09.11.2011 kann auch nicht als offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich gekennzeichnet werden.
35a. So haben die Zeugen Si und H eingehend davon berichtet, dass es in der Zeit des Nebeneinanderbestehens der selbständigen Teilbereiche diverse Probleme im Arbeitsablauf gegeben habe und insbesondere Spannungen zwischen dem Strategischen Einkauf und dem für den Vertrieb an den Endkunden zuständigen Category-Management aufgetreten seien. Das Vorstandsmitglied E hat gar von „Unruhen“ gesprochen, die ihm zu Ohren gekommen seien und die ihn veranlasst hätten, sich von dem Bereichsgruppenleiter Si berichten zu lassen. Dies verdeutlicht, dass die unternehmerische Entscheidung nicht grundlos und ohne erkennbaren Anlass getroffen worden ist.
36b. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte, unternehmerische Entscheidungen auf ihre betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Es geht vielmehr darum, ein zu Lasten einzelner oder mehrerer Arbeitnehmer rechtsmissbräuchliches Verhalten auszuschließen und insbesondere zu verhindern, dass unter dem Vorwand nur vorgeschobener und nicht ernst gemeinter sogenannter ‚unternehmerischer Entscheidungen‘ betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Für einen derartigen Tatbestand ergibt sich vorliegend nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme aber kein Hinweis.
373. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass durch die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung und hier, bezogen auf den vorliegenden Fall, insbesondere durch die Einsparung einer Bereichsleiterstelle nunmehr andere Mitarbeiter der Beklagten in überobligatorischer Weise belastet würden.
38a. Zum einen ergibt sich bereits eine Verminderung der Arbeitsaufgaben durch die Verlagerung des Rohwareneinkaufs für die Produktionsfirma B auf die Produktionsfirma B und durch die Verminderung der Anzahl der externen Klein-Lieferanten.
39b. Desweiteren hat eine Stärkung des der Führungsebene des Bereichs nachgeordneten Personals stattgefunden, die es tendenziell ermöglichen kann, Eingriffe des Bereichsleiters in das operative Geschäft auf ein Minimum zu beschränken. In diesem Zusammenhang ist auf die – grundsätzlich unstreitige – Tatsache hinzuweisen, dass eine Führungskraft wie ein Bereichsleiter in wesentlich stärkerem Maße als etwa ein Sachbearbeiter, der genau definierte Tätigkeiten zu verrichten hat, durch geeignete Schwerpunktsetzung in der Lage ist, seinen Arbeitseinsatz graduell zu steuern. Wenn die Beklagte dabei den Gedanken betont, dass dem nachgeordneten Bereich in seiner Aufgabenerfüllung möglichst viel Selbständigkeit überlassen werden soll und sich die Führungskraft auf notwendigste Aufsichts- und Beratungsfunktionen beschränken soll, so ermöglicht dies der Führungskraft, ihren Arbeitseinsatz in diesem Bereich zu begrenzen, ohne hierfür Kritik der eigenen Vorgesetzten befürchten zu müssen.
40c. Diese Umstände machen es plausibel, dass durch den Wegfall der vom Kläger besetzten Bereichsleiterstelle keine anderen Personen übermäßig mit Zusatzaufgaben belastet worden sind. Naheliegenderweise käme hierfür am ehesten diejenige Person in Betracht, die nach der Durchführung der Umstrukturierung die Leitung des nunmehr wieder vereinheitlichten Gesamtbereichs übernommen hat, also der Zeuge H . Dieser hat jedoch im Rahmen der Beweisaufnahme glaubhaft angegeben, dass er nach Übernahme der neuen Position des einheitlichen Bereichsleiters keine signifikante Mehrarbeit zu verzeichnen hatte.
41d. Eine Erörterung der Einzelheiten der Anlagen B 20 und B 21 zur Berufungsbegründung der Beklagten kann daher auf sich beruhen.
424. Der Kläger kann gegen die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung auch nicht mit Erfolg einwenden, dass statt des Bereichsleiters H er selbst mit der neuen Position des Bereichsleiters für den wiederhergestellten Gesamtbereich „Fleisch- und Wurstwaren“ hätte betraut werden müssen.
43a. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob in der vorliegenden Konstellation überhaupt die Vornahme einer Sozialauswahl in Frage kommen konnte; denn der Mitarbeiter H erscheint aufgrund der einschlägigen Sozialdaten keineswegs weniger schutzwürdig als der Kläger, sodass die Entscheidung der Beklagten für den Mitarbeiter H auch im Rahmen einer Sozialauswahl nicht zu beanstanden wäre.
44aa. Was die Unterhaltsverpflichtungen angeht, stehen sich der Kläger und der Mitarbeiter H vollständig gleich: Beide sind verheiratet und haben drei unterhaltsberechtigte Kinder.
45bb. Der gut zweieinhalb Jahre längeren Betriebszugehörigkeit des Klägers (im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ca. 12 Jahre und 9 Monate gegenüber 10 Jahren und 1 Monat beim Mitarbeiter H ) steht gegenüber, dass der Mitarbeiter H sieben Jahre und vier Monate älter ist als der Kläger. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass der Mitarbeiter H darüber hinaus nach Darstellung der Beklagten ein zu 30 % GdB behinderter Mensch ist, kann die geringfügig längere Beschäftigungsdauer des Klägers gegenüber dem nicht unerheblich höheren Lebensalter des Mitarbeiters H nicht den Ausschlag geben, von einer fehlerhaften Sozialauswahl zu sprechen.
46b. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt auch keine unzulässige Austauschkündigung vor.
47aa. Eine unzulässige Austauschkündigung setzt voraus, dass der Arbeitsplatz des betriebsbedingt gekündigten Mitarbeiters nicht weggefallen ist, sondern lediglich mit einer externen Arbeitskraft neu besetzt wurde/werden sollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob in dem Mitarbeiter H eine externe Arbeitskraft in diesem Sinne gesehen werden kann, weil er einen Anstellungsvertrag nicht mit der Beklagten selbst, sondern mit der Firma B abgeschlossen hat. Demgegenüber besitzt der Kläger zwar einen Anstellungsvertrag mit der Beklagten. Dieser war aber – ebenso wie in umgekehrter Richtung bei dem Mitarbeiter H – auf einen Einsatz nicht nur bei der Beklagten, sondern auch bei der Firma B gerichtet.
48bb. Eine Austauschkündigung liegt jedoch schon deshalb nicht vor, weil der Mitarbeiter H nicht die frühere Bereichsleiterstelle des Klägers eingenommen hat, sondern auf eine hiervon zu unterscheidende, organisatorisch neu eingerichtete Bereichsleiterstelle des vereinheitlichten Gesamtbereichs „Fleisch- und Wurstwaren“ berufen wurde.
49cc. Durch die Aussage des Zeugen Si ist schließlich auch die Annahme des Klägers widerlegt, dass eine unzulässige Austauschkündigung insofern vorgenommen worden sei, als jetzt der Mitarbeiter v St quasi die bisherigen Aufgaben des Klägers übernommen habe. Der Zeuge Si hat ausgesagt, dass der Mitarbeiter v St weiterhin als Einkäufer im Fleischbereich tätig sei, und näher ausgeführt, inwiefern sich die Tätigkeit des Mitarbeiters v St von den früheren Aufgaben des Klägers unterscheidet.
505. Schließlich folgt entgegen der Ansicht des Klägers und des Arbeitsgerichts die Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung vom 21.11.2011 auch nicht aus der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
51a. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist verletzt, wenn ein Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt wird, weil sein bisheriger Arbeitsplatz weggefallen ist, obwohl er auf einem freien anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könnte, auch wenn der Arbeitgeber diesen anderen Arbeitsplatz nicht im Wege des Direktionsrechts, sondern nur im Wege einer Änderungskündigung zuweisen könnte (sogenannter Grundsatz des Vorrangs der Änderungskündigung).
52b. Unstreitig hat die Beklagte im Zuge der Umsetzung ihrer unternehmerischen Entscheidung, aufgrund derer der Arbeitsplatz des Klägers als Bereichsleiter „Frischfleisch/Frischgeflügel“ weggefallen ist, im nachgeordneten Bereich drei Neueinstellungen vorgenommen, nämlich die Einstellung zweier Einkaufsassistenten mit einem Jahresbruttogehalt von 33.400,00 € bzw. 32.800,00 € und die Einstellung eines Einkaufsbeauftragten zu einem Jahresbruttogehalt von 46.600,00 €, wobei alle drei Positionen nicht mit einem Anspruch auf weitere Zusatzvergütungen wie Bonuszahlungen etc. verbunden sind.
53c. Der Auffassung des Klägers und ihm folgend des Arbeitsgerichts, dass die Beklagte vorrangig verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger eine dieser drei Positionen im Wege der Änderungskündigung anzubieten, folgt das Berufungsgericht nicht.
54aa. Der Kläger war als Bereichsleiter eine Führungskraft, die auf einer Hierarchieebene nur zwei Stufen unterhalb des Vorstandes angesiedelt war. Er verfügte über ein Jahreszieleinkommen in Höhe von 268.400,- € und erzielte im Jahre 2011, in welchem er zeitweise im Krankengeldbezug stand und nach Auffassung der Beklagten die Ziele beim sogenannten R -Bonus nicht erreicht hatte, ein Einkommen in Höhe von 238.996,38 € brutto.
55bb. Zwar gilt bei der Anwendung des Grundsatzes des Vorrangs der Änderungskündigung die Maxime, dass jeder Arbeitnehmer selbst zu entscheiden hat, inwieweit er bereit ist, arbeitsvertragliche Nachteile hinzunehmen, um sich überhaupt einen Arbeitsplatz zu erhalten und nicht arbeitslos zu werden. Diese Maxime hat jedoch ihre Grenze dort, wo der Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben schlechterdings nicht mehr damit rechnen kann, dass der Arbeitnehmer ernsthaft über ein entsprechendes ihm unterbreitetes Änderungsangebot nachdenken würde.
56cc. Es trifft zwar zu, dass hierbei ein weiter Maßstab anzulegen ist und die Konstellation, in der ein Änderungsangebot als offensichtlich unzumutbar und daher überflüssig anzusehen ist, auf Extremfälle begrenzt werden sollte. Ein solcher Extremfall liegt aber in einer Konstellation, wie sie hier gegeben ist, nach Überzeugung des Berufungsgerichts ohne Weiteres vor: Selbst wenn man das im Vergleich zum Einkaufsassistenten höhere Gehalt des Einkaufsbeauftragten zugrundelegt und nicht mit dem vollen Jahreszielgehalt des Klägers vergleicht, sondern mit dem im Jahre 2011, welches durch längere Erkrankung des Klägers geprägt war, tatsächlich erzielten Jahresgehalts vergleicht, so hätte der Kläger eine Einkommenseinbuße von deutlich mehr als 80 % hinnehmen müssen. Er hätte weder einen Anspruch auf einen Dienstwagen, noch auf ein Einzelbüro, noch auf eine betriebliche Altersversorgung gehabt und wäre überdies von Personen weisungsabhängig gewesen, die bisher von ihm weisungsabhängig waren und in der Hierarchie deutlich unter ihm standen. Unter diesen Umständen musste die Beklagte schlechterdings nicht damit rechnen, dass der Kläger die Annahme des Angebots als Einkaufsbeauftragter weiterzuarbeiten, auch nur ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Vielmehr musste die Beklagte, wie sie in ihrem Sachvortrag zum Ausdruck gebracht, befürchten, dass der Kläger einem solchen Angebot beleidigenden Charakter zumessen würde.
57dd. In der Einschätzung der Unzumutbarkeit eines solchen Angebots durfte sich die Beklagte auch durch das Verhalten des Klägers nach der Kündigung bestätigt sehen: Dieser hat sich erstmals nach anwaltlicher Beratung im laufenden Kündigungsschutzprozess auf den Einwand berufen hat, dass man ihm die neu besetzten Stellen eines Einkaufsbeauftragten bzw. eines Einkaufsassistenten habe anbieten müssen. Auch die Vorstellungen, die der Kläger im Zuge der langwierigen Vergleichsverhandlungen der Parteien als nicht verhandelbare Mindestbedingungen einer gütlichen Einigung angegeben hat, lassen es nicht wahrscheinlich erscheinen, dass er sich ernsthaft mit dem Gedanken an eine Weiterbeschäftigung als Einkaufsbeauftragter oder Einkaufsassistent beschäftigt hätte.
586. Soweit das Berufungsgericht bei den vorstehenden Ausführungen in tatsächlicher Hinsicht dem Ergebnis der Beweisaufnahme folgt, hält es die Aussagen der Zeugen Si und H sowie des Vorstandsmitglieds E als Partei für gut nachvollziehbar und in sich glaubhaft.
59a. Sowohl die Zeugen wie auch das Vorstandsmitglied E haben detaillierte Angaben gemacht und zahlreiche Nachfragen nicht nur des Gerichts, sondern auch des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten sachlich und einleuchtend beantwortet. Ein hinreichendes Indiz für eine Beschönigungstendenz zugunsten der Beklagten konnte das Gericht bei den Zeugenaussagen nicht feststellen. Im Gegenteil zeigte sich insbesondere der Zeuge Si als dem Kläger gegenüber ausgesprochen wohlwollend eingestellt. Für das Bemühen insbesondere des Zeugen Si um Wahrhaftigkeit seiner Aussagen spricht gerade auch, dass er sich nicht gescheut hat, seine eigene Entscheidung zur Verselbständigung der Teilbereiche „Frischfleisch/Frischgeflügel“ und „Fleisch-, Wurstwaren und Wurstkonserven“ unumwunden als Fehlentscheidung darzustellen.
60b. Die Kammer hat bei alledem keinen Anlass, den Kerngehalt der Aussagen der Zeugen und des Vorstandsmitglieds E als Partei in Zweifel zu ziehen.
617. Auf die Berufung der Beklagten hin war dementsprechend das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.03.2013 abzuändern und die Klage abzuweisen.
62III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
63Die vorliegende Entscheidung folgt den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und beruht im Übrigen auf den Umständen des Einzelfalls, sodass ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision nicht ersichtlich ist.
64R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
65Gegen diese Entscheidung ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben. Auf § 72 a ArbGG wird vorsorglich hingewiesen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 28. Okt. 2014 - 7 Sa 382/13
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 28. Okt. 2014 - 7 Sa 382/13
Referenzen - Gesetze
(1) Die Vorschriften dieses Abschnitts gelten nicht
- 1.
in Betrieben einer juristischen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, - 2.
in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen.
(2) Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme des § 3 Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 findet mit der Maßgabe Anwendung, daß der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.
(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht
- 1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist; - 2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben; - 3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist; - 4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden; - 5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.
(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
- 1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder - 2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder - 3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer
- 1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder - 2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder - 3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder, - 4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.