Landesarbeitsgericht Hamburg Beschluss, 12. Jan. 2015 - 8 TaBV 14/14

bei uns veröffentlicht am12.01.2015

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11.11.2014 (5 BV 22/14) wird zurückgewiesen.

Beschluss

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11.11.2014 (5 BV 22/14) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle.

2

Die Beteiligte zu 2) (i.F. Arbeitgeberin) betreibt mehrere, jeweils als eigenständige Betriebe organisierte Krankenhäuser in Hamburg. Der Beteiligte zu 1 (i.F. Betriebsrat) ist der in der Klinik S. gewählte Betriebsrat.

3

Am 04.11.2013 verständigten sich die Beteiligten in einem anderen Rechtsstreit (29 BV 26/13) auf die Einsetzung einer Einigungsstelle unter Vorsitz des RiArbG G. mit folgendem Regelungsgegenstand:

4

„Unterweisung der Beschäftigten (§ 12 ArbSchG), Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen (§ 5 ArbSchG), Regelungen der Anforderungen nach § 4 an die Arbeitsgestaltung und deren Umsetzung zur präventiven Gestaltung im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (§ 3 II ArbSchG) und Regelungen zur Organisation des Gesundheitsschutzes einschließlich der Vorkehrungen zur Einbeziehung von Führungskräften und Arbeitnehmern (§ 3 II ArbSchG)“. Die Einigungsstelle hat bisher keine Regelung getroffen.

5

Mit Schreiben vom 12.09.2014 (Anl. A 2, Bl. 7ff d.A.) schlug der Betriebsrat der Arbeitgeberin mehrere Entlastungsmaßnahmen gemäß § 4 ArbSchG zur Verbesserung der aktuellen Personallage auf den Stationen des AK S. vor. Die Arbeitgeberin reagierte darauf nicht. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin daher mit Schreiben vom 25.09.2014 (Anl. A 3, Bl. 9 d.A.) mit, dass er beschlossen habe, die Einigungsstelle anzurufen.

6

Am 23.10.2014 hat der Betriebsrat beantragt,

7

1. zum unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung von Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit, einschließlich der Organisation eines entsprechenden Verbesserungsprozesses auf den Stationen, Herrn H., Richter am Arbeitsgericht Hamburg, zu bestellen.

8

2. Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf jeweils drei festzusetzen.

9

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

10

die Anträge zurückzuweisen.

11

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, die Einigungsstelle sei offensichtlich unzuständig, weil der Regelungsgegenstand der nunmehr begehrten Einigungsstelle bereits von der Einigungsstelle unter dem Vorsitz von Herrn G. umfasst sei.

12

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Zur Regelung der menschengerechten Gestaltung der Arbeit sei die Einigungsstelle zwar grundsätzlich zuständig. Die offensichtliche Unzuständigkeit ergebe sich im vorliegenden Fall jedoch daraus, dass der begehrte Regelungsgegenstand mit demjenigen einer bereits bestehenden Einigungsstelle teilweise identisch sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe unter II des angefochtenen Beschlusses (Bl. 41 – 44 d.A.) Bezug genommen.

13

Der am 11.11.2014 verkündete Beschluss des Arbeitsgerichts wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 14.11.2014 zugestellt. Mit der am 26.11.2014 bei Gericht eingegangen und sogleich begründeten Beschwerde hat der Betriebsrat die Ansicht vertreten, das Arbeitsgericht habe den erstinstanzlich gestellten Antrag aufgrund seiner Formulierung möglicherweise missverstanden. Tatsächlich seien die Regelungsgegenstände beider Einigungsstellen, obwohl es in beiden um Fragen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gehe, voneinander abgrenzbar. In der am 04.11.2013 eingesetzten Einigungsstelle gehe es um Regelungen der Anforderungen aus § 4 ArbSchG an die Arbeitsplatzgestaltung und deren Umsetzung zur präventiven Gestaltung im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Es handle sich hierbei um den sog. Planungsansatz, nach welchem der Arbeitgeber gemäß § 4 ArbSchG verpflichtet sei, bereits bei der Gestaltung von Arbeit z.B. den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Demgegenüber richte sich das Regelungsbegehren des Betriebsrats im vorliegenden Verfahren auf eine Korrektur der Arbeitsgestaltung der Arbeitsbedingungen auf den Stationen. Betriebsrat und Arbeitgeber seien sich darüber einig, dass die Arbeitsbedingungen auf den Stationen über Gebühr belastend und damit gesundheitsgefährdend seien. Es gehe vorliegend darum, die sich daraus ergebenden Gesundheitsgefahren abzubauen bzw. zu verhindern. Das Regelungsbegehren des Betriebsrats richte sich auf arbeitsschutzrechtlich gebotene Korrekturen gesundheitlich gefährdender Arbeitsbedingungen auf der Grundlage der geregelten Ablaufprozesse. Ablauforganisatorische Regelungen zum Gesundheitsschutz unterlägen nach der neuesten Rechtsprechung des BAG der Mitbestimmung des Betriebsrats. Jedenfalls von einer offensichtlichen Unzuständigkeit i.S.v. § 99 BetrVG könne keine Rede sein.

14

Der Betriebsrat hat zunächst folgenden Antrag angekündigt,

15

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11.11.2014 (5 BV 22/14)

16

1. zum unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung von Ablaufprozesses zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den Stationen, Herrn H., Richter am Arbeitsgericht Hamburg, einzusetzen;

17

2. die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf jeweils 3 festzusetzen.

18

In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat der Betriebsrat seine Anträge ein weiteres Mal dahingehend geändert, dass nunmehr beantragt wird,

19

1 zum unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung von Ablaufprozessessen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den Stationen C2 bis C8, H1, E3 IST, E3 INC, Herrn. H., Richter am Arbeitsgericht Hamburg, einzusetzen;

20

2 die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf jeweils 3 festzusetzen.

21

Die Arbeitgeberin beantragt,

22

die Beschwerde des Betriebsrats zurückzuweisen.

23

Sie widerspricht beiden Antragsänderungen im Beschwerdeverfahren und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass es im Betrieb der Arbeitgeberin außer den in der letzten Fassung des Antrags zu 1) genannten weitere Stationen gibt.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

25

Die Beschwerde ist gem. § 99 II 1 ArbGG statthaft. Sie ist auch zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Beschluss (Bl. 41 – 44 d.A. des Beschlusses) an. Ergänzend ist lediglich auf das Vorbringen der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz einzugehen.

26

1. Die Antragsänderungen des Betriebsrats in zweiter Instanz sind zulässig.

27

a) Die Antragsänderung in der Beschwerde ist gemäß § 81 III ArbGG zulässig, welcher gemäß § 99 I 3 ArbGG auch im Einsetzungsverfahren gilt. Eine Antragsänderung im Einsetzungsverfahren ist regelmäßig sachdienlich, wenn sie dazu dient, möglicherweise auch unter Berücksichtigung von im erstinstanzlichen Verfahren zu Tage getretenen Aspekten, den Regelungsgegenstand zu präzisieren oder zu modifizieren. Würde die Antragsänderung als unzulässig bewertet, wäre der Betriebsrat faktisch dazu gezwungen, sein Anliegen in einem weiteren Einsetzungsverfahren zu verfolgen, was zu einer weiteren Kostenbelastung des Arbeitgebers führen würde.

28

b) Bei der in der mündlichen Verhandlung erfolgten erneuten Umstellung des Antrags handelt es sich nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht um eine Klageänderung, weil der Betriebsrat seinen zunächst auf alle Stationen bezogenen Antrag lediglich auf eine Teilmenge der Stationen beschränkt hat.

29

2. Der Antrag des Betriebsrats ist unbegründet, weil die begehrte Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

30

a) Eine Einigungsstelle ist nach ständiger Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte offensichtlich unzuständig, wenn sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des BetrVG subsumieren lässt (LAG Hamburg v. 01.02.2007 – 8 TaBV 18/06 – MDR 07, 1083; LAG Niedersachen v. 03.11.2009 – 1 TaBV 63/09 – NZA-RR 10, 142, Tz 19; LAG Hamm v. 14.09.2009 – 13 TaBV 074/09 – Tz 61; LAG Berlin-Brandenburg v. 07.08.2008 – 14 TaBV 1212/08 – Tz 25; LAG Schleswig-Holstein v. 25.11.1999 – 4 TaBV 41/99 – n. v). Unter diesem Gesichtspunkt ist die im vorliegenden Verfahren beantragte Einigungsstelle offensichtlich zuständig, denn der Betriebsrat weist zu Recht darauf hin, dass er bei der Schaffung einer sachgerechten Struktur zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen gemäß § 87 I Nr. 7 mitzubestimmen hat (vgl. BAG v. 18.03.2014 – 1 ABR 73/12 – Tz 23).

31

b) Die offensichtliche Unzuständigkeit einer Einigungsstelle kann sich jedoch auch bei Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats daraus ergeben, dass für den angestrebten Regelungsgegenstand bereits eine andere Einigungsstelle zuständig ist.

32

Einigungsstellen sind gemäß § 76 III BetrVG befugt, Betriebsvereinbarungen zu beschließen, also innerbetriebliche Rechtsnormen, die für die Beteiligten nach § 77 IV BetrVG unmittelbar und zwingend gelten. Aus der Verbindlichkeit des Spruchs einer Einigungsstelle folgt, dass in jedem Fall widersprüchliche Regelungen zum gleichen Regelungsgegenstand zu vermeiden sind. Die Problematik ähnelt derjenigen sich widersprechender Urteile zu einem Streitgegenstand. Die Konfliktlösung besteht in diesem Fall nicht erst darin, ein späteres Urteil wegen entgegenstehender Rechtskraft für unwirksam zu erklären. Bereits die anderweitige Rechtshängigkeit führt zur Unzulässigkeit einer den gleichen Streitgegenstand betreffenden Klage. Nur so kann eine doppelte Inanspruchnahme der Gerichte in der gleichen Frage vermieden werden. Überträgt man diesen Lösungsansatz auf die Einigungsstelle, so bedeutet dies, dass eine Einigungsstelle dann unzuständig ist, wenn eine andere, noch bestehende Einigungsstelle in der Lage wäre, den gleichen Gegenstand zu regeln. Da sich die Regelungsgegenstände von Einigungsstellen jeweils aus der Vereinbarung der Betriebsparteien oder dem Einsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts ergeben, sind überschneidende Regelungsgegenständen im Normalfall offensichtlich.

33

c) So ist es im vorliegenden Fall. Die am 04.11.2013 eingesetzte Einigungsstelle wäre befugt, die Ablaufprozessesse zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf den im Antrag des Betriebsrats im vorliegenden Verfahren genannten Stationen zu regeln. Es handelt sich um Regelungen zur Organisation des Gesundheitsschutzes einschließlich der Vorkehrungen zur Einbeziehung von Führungskräften und Arbeitnehmern i. S. v. § 3 II ArbSchG, bei denen die in § 4 ArbSchG genannten Grundsätze zu beachten sind.

34

Dass bei der Einsetzung der Einigungsstelle am 04.11.2013 der planerische Aspekt im Vordergrund stand und es weniger um die Behebung akuter Missstände ging, steht dem nicht entgegen. Die Regelungsbefugnis einer Einigungsstelle wird durch die Motivation für ihre Einsetzung nicht beschränkt, soweit die Betriebsparteien den Regelungsgegenstand nicht entsprechend einschränken. Maßnahmen aufgrund eines planerischen Ansatzes und solche zur Behebung aktueller Missstände müssen sich nicht zwangsläufig unterscheiden. So könnte die vom Betriebsrat im Rahmen der im vorliegenden Verfahren beantragten Einigungsstelle angestrebte Personalaufstockung auch das Ergebnis eines planerischen Ansatzes sein.

35

Eine hinreichend klare Abgrenzung der Zuständigkeiten der Einigungsstelle ergibt sich auch nicht aus den Gegebenheiten, die zur Bildung der Einigungsstelle Anlass gaben. Die schon bestehende Einigungsstelle ist auch für Regelungen zuständig, deren Notwendigkeit sich erst nach Einsetzung der Einigungsstelle ergeben haben. Einigungsstellen sind typischerweise zukunftsorientiert und sollen eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit umfassend regeln unabhängig davon, wann einzelne Regelungsbedarfe zutage getreten sind.

36

d) Entgegen der vom Betriebsrat in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht ist es nicht erforderlich, für Einigungsstellen nach § 87 I Nr. 7 BetrVG besondere Regelungen zu treffen. Zwar trifft es zu, dass es sich beim Gesundheitsschutz anders als bei den anderen in § 87 I BetrVG genannten Angelegenheiten um eine Daueraufgabe handelt. Da sich widersprechende Regelungen auch im Bereich des Gesundheitsschutzes vermieden werden müssen, kann eine sinnvolle Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche mehrerer Einigungsstellen zum Gesundheitsschutz nur von den Betriebsparteien einvernehmlich oder ggf. durch Spruch der bereits bestehenden Einigungsstelle erfolgen. In keinem Fall ist das Gericht im Verfahren nach § 99 ArbGG befugt, einer mit einem umfassenden Regelungsauftrag eingesetzten Einigungsstelle einen Teil ihrer Zuständigkeit zu entziehen. Widersprüchliche Regelungen können, solange der Regelungsgegenstand der bestehenden Einigungsstelle nicht eingeschränkt worden ist, nur durch die Zurückweisung des Antrags auf eine weitere Einigungsstelle zum gleichen Regelungsgegenstand gewährleistet werden. Entgegen der vom Betriebsrat geäußerten Befürchtung werden dadurch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht eingeschränkt. Da die bereits bestehende Einigungsstelle auch für neue in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgetretene Fragen zuständig ist, kann aktuellen Entwicklungen ggf. durch eine Modifikation des Arbeitsplans der Einigungsstelle Rechnung getragen werden.

III.

37

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich (vgl. BAG v. 02.10.2007 – 1 ABR 59/06 – NZA 08, 372, Tz 11; Matthes in Germelmann u. a. ArbGG, 8. Aufl. 2013, § 84 Tz 31).

IV.

38

Gegen die vorliegende Entscheidung sind keine weiteren Rechtsmittel statthaft (§ 99 II 4 ArbGG).

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Bundesarbeitsgericht Beschluss, 18. März 2014 - 1 ABR 73/12

bei uns veröffentlicht am 18.03.2014

Tenor Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. September 2012 - 1 TaBV 5/12 - wird zurückgewiesen.

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(1) Der Arbeitgeber hat die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. Die Unterweisung umfaßt Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind. Die Unterweisung muß bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen. Die Unterweisung muß an die Gefährdungsentwicklung angepaßt sein und erforderlichenfalls regelmäßig wiederholt werden.

(2) Bei einer Arbeitnehmerüberlassung trifft die Pflicht zur Unterweisung nach Absatz 1 den Entleiher. Er hat die Unterweisung unter Berücksichtigung der Qualifikation und der Erfahrung der Personen, die ihm zur Arbeitsleistung überlassen werden, vorzunehmen. Die sonstigen Arbeitsschutzpflichten des Verleihers bleiben unberührt.

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

1.
die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
2.
physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
3.
die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
4.
die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
5.
unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
6.
psychische Belastungen bei der Arbeit.

Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

1.
Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
2.
Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
3.
bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
4.
Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
5.
individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
6.
spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
7.
den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
8.
mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

(1) In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Bei Einstellungen und Versetzungen hat der Arbeitgeber insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Die Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über die ihnen im Rahmen der personellen Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse und Angelegenheiten der Arbeitnehmer, die ihrer Bedeutung oder ihrem Inhalt nach einer vertraulichen Behandlung bedürfen, Stillschweigen zu bewahren; § 79 Abs. 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(2) Der Betriebsrat kann die Zustimmung verweigern, wenn

1.
die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Unfallverhütungsvorschrift oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung verstoßen würde,
2.
die personelle Maßnahme gegen eine Richtlinie nach § 95 verstoßen würde,
3.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer gekündigt werden oder sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist; als Nachteil gilt bei unbefristeter Einstellung auch die Nichtberücksichtigung eines gleich geeigneten befristet Beschäftigten,
4.
der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist,
5.
eine nach § 93 erforderliche Ausschreibung im Betrieb unterblieben ist oder
6.
die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass der für die personelle Maßnahme in Aussicht genommene Bewerber oder Arbeitnehmer den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung, stören werde.

(3) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen. Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber die Verweigerung seiner Zustimmung nicht innerhalb der Frist schriftlich mit, so gilt die Zustimmung als erteilt.

(4) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 11. September 2012 - 1 TaBV 5/12 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Übertragung von Unternehmerpflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz auf eine Arbeitnehmergruppe.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und der Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen befasst. Antragsteller ist der Betriebsrat ihres H Betriebs. Dort sind insgesamt 48 Monteure beschäftigt, denen als fachliche Vorgesetzte vier Meister im Servicegeschäft und zwei Meister im Neubaugeschäft vorstehen.

3

Mit Schreiben vom 16. September 2010 teilte die Arbeitgeberin ihren Meistern Folgendes mit:

        

„Für die von Ihnen betreuten Mitarbeiter der O werden Ihnen die dem Unternehmer hinsichtlich des Arbeitsschutzes und Umweltschutzes obliegenden Pflichten übertragen.

        

Dazu gehört insbesondere, dass Sie zur Gewährleistung von Arbeitssicherheit, Brandschutz, Gesundheits- und Umweltschutz an den Arbeitsplätzen

        

-       

Auf die Anwendung und Einhaltung der Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften achten

        

-       

Mitarbeiter einsetzen, unterweisen, informieren

        

-       

Anordnungen treffen und Anweisungen geben

        

-       

Überwachung der Einhaltung der Anweisungen

        

-       

Auf Benutzung der erforderlichen Körperschutzmittel achten

        

-       

Arbeitsplätze/Baustellen kontrollieren

        

-       

Gefahren und Gesundheitsschäden und jeden Unfall melden, die Unfallursache analysieren und durch geeignete Maßnahmen Wiederholungen ausschließen

        

-       

Vorläufige Regelungen im Falle plötzlicher Gefahren treffen

        

-       

Mit Betriebsarzt, Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragten sowie den Betriebsräten im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben zusammenarbeiten

        

-       

Vorgeschriebene ärztliche Vorsorgeuntersuchungen von Beschäftigten veranlassen

        

-       

Die Aufgaben nach §§ 3 - 14 des Arbeitsschutzgesetzes und die geltenden O Vorschriften wahrnehmen

        

Sie haben die Verantwortung für die Arbeitssicherheit in Ihrem Bereich            

        

Soweit Ihnen Mitarbeiter mit Vorgesetztenfunktion unterstellt sind, haben Sie diesen Vorgesetzten ebenfalls die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu delegieren.

        

Die Verantwortung der Ihnen überstellten Vorgesetzten und die der Geschäftsführung bleiben hiervon unberührt.

        

…“    

4

Den Betriebsrat beteiligte die Arbeitgeberin vor Bekanntgabe dieser Anweisung nicht.

5

Dieser hat geltend gemacht, mit der Anordnung vom 16. September 2010 habe die Arbeitgeberin eine organisatorische Maßnahme nach § 3 Abs. 2 ArbSchG getroffen, die seiner Mitbestimmung unterliege.

6

Der Betriebsrat hat beantragt

        

festzustellen, dass die Übertragung von Unternehmerpflichten gemäß §§ 3 bis 14 ArbSchG durch Schreiben der Arbeitgeberin vom 16. September 2010 auf die Gruppe der Meister der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt.

7

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung beantragt und gemeint, es handele sich um eine mitbestimmungsfreie Beauftragung fachkundiger Personen nach § 13 Abs. 2 ArbSchG.

8

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

9

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die im Schreiben vom 16. September 2010 erfolgte Anweisung der vorherigen Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterlag.

10

I. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

11

1. Der Betriebsrat begehrt mit seinem Antrag die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Übertragung von Unternehmerpflichten nach §§ 3 bis 14 ArbSchG, wie sie die Arbeitgeberin im Anschreiben vom 16. September 2010 auf die Gruppe der in ihrem Betrieb beschäftigten Meister vorgenommen hat. Es geht dem Betriebsrat damit nach der Antragsformulierung und seinen prozessualen Darlegungen nicht um die abstrakte Feststellung eines Mitbestimmungsrechts in allen Fällen der Übertragung von Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz, sondern nur um die Feststellung des Mitbestimmungsrechts bei der Übertragung der in jenem Anschreiben formulierten Aufgaben auf die im Betrieb der Arbeitgeberin beschäftigten Meister. Hierin sieht er eine mitbestimmungspflichtige Organisationsentscheidung der Arbeitgeberin. Dieses Antragsverständnis hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat bestätigt.

12

2. So verstanden ist der Antrag hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

13

a) Im Beschlussverfahren muss ein Antrag ebenso bestimmt sein wie im Urteilsverfahren. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist auf das Beschlussverfahren und die in ihm gestellten Anträge entsprechend anwendbar. Der jeweilige Streitgegenstand muss so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Beteiligten nicht zweifelhaft ist.

14

b) Hiernach genügt der Antrag dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Senat im Beschluss vom 18. August 2009 (- 1 ABR 43/08 - Rn. 10, BAGE 131, 351) angenommen hat, ein Antrag sei nicht hinreichend bestimmt, wenn er auf die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts in all den Fällen gerichtet sei, in denen der Arbeitgeber gemäß § 13 Abs. 2 ArbSchG Aufgaben auf externe Personen übertrage. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde geht es im vorliegenden Fall dem Betriebsrat nicht um die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Übertragung unbestimmter Aufgaben des Arbeitsschutzes auf externe Personen, sondern darum festzustellen, dass die von der Arbeitgeberin vorgenommene betriebliche Organisation des Arbeitsschutzes der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt.

15

3. Der Antrag ist auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei einem bestimmten Regelungstatbestand ist ein Rechtsverhältnis, das einer gerichtlichen Feststellung zugänglich ist (BAG 17. Januar 2012 - 1 ABR 45/10 - Rn. 16, BAGE 140, 223).

16

4. Für die begehrte Feststellung besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse, da zwischen den Beteiligten das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts in der im Antrag bezeichneten Angelegenheit in Streit steht.

17

II. Der Antrag ist begründet. Die Übertragung von Unternehmerpflichten auf die Arbeitnehmergruppe der Meister entsprechend dem Schreiben der Arbeitgeberin vom 16. September 2010 unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG.

18

1. Nach dieser Bestimmung hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber diese aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat und ihm bei der Gestaltung Handlungsspielräume verbleiben. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen des Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Eine näher ausgestaltbare Rahmenvorschrift liegt vor, wenn die gesetzliche Regelung Maßnahmen zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erfordert, diese aber nicht selbst im Einzelnen beschreibt, sondern dem Arbeitgeber lediglich ein zu erreichendes Schutzziel vorgibt. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz unmittelbar oder mittelbar dient, ist dabei unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an (BAG 11. Dezember 2012 - 1 ABR 81/11 - Rn. 17).

19

2. Der Begriff des Gesundheitsschutzes in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG stimmt mit dem des Arbeitsschutzgesetzes überein. Erfasst werden Maßnahmen, die dazu dienen, die psychische und physische Integrität des Arbeitnehmers zu erhalten, der arbeitsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, die zu medizinisch feststellbaren Verletzungen oder Erkrankungen führen oder führen können. Erfasst werden auch vorbeugende Maßnahmen. Des Weiteren ist Voraussetzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, dass die Anwendung der Rahmenvorschrift eine betriebliche Regelung notwendig macht, in der Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam festlegen, in welcher Weise das vorgegebene Schutzziel erreicht werden soll. Eine solche Regelung muss sich auf einen kollektiven Tatbestand beziehen, für den eine abstrakt-generelle Lösung erforderlich ist. Keine Regelung ist notwendig, wenn der Arbeitgeber nach den gesetzlichen Rahmenregelungen Einzelmaßnahmen zu treffen hat. Diese werden vom Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht erfasst(BAG 18. August 2009 - 1 ABR 43/08 - Rn. 17 und Rn. 19, BAGE 131, 351).

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3. Bei der Übertragung von Aufgaben auf Mitarbeiter oder Dritte ist mitbestimmungsrechtlich danach zu unterscheiden, ob der Arbeitgeber lediglich eine Einzelmaßnahme oder eine Organisationsentscheidung trifft:

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a) Erschöpft sich die Maßnahme des Arbeitgebers in der Übertragung einzelner Aufgaben auf Dritte nach § 13 Abs. 2 ArbSchG liegt typischerweise eine Einzelmaßnahme vor, die nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt(BAG 18. August 2009 - 1 ABR 43/08 - Rn. 23, BAGE 131, 351; Steffek in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 13 Rn. 62). In diesem Fall ist eine betriebliche Regelung, in der Arbeitgeber und Betriebsrat abstrakt-generell festlegen, in welcher Weise das vorgegebene Ziel des Arbeitsschutzes erreicht werden soll, nicht erforderlich.

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b) Hiervon abzugrenzen ist jedoch die Schaffung einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz.

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aa) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten zur Planung und Durchführung der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes für eine geeignete Organisation zu sorgen. Weiterhin hat er gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 ArbSchG Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können. Der Arbeitgeber hat damit durch den Aufbau einer geeigneten Organisation dafür Sorge zu tragen, dass die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergebenden Aufgaben auf Mitarbeiter, insbesondere Führungskräfte verteilt werden (Kohte in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 3 Rn. 47). Hierbei handelt es sich um generell-abstrakte Regelungen des Arbeitsschutzes, die über den Einzelfall hinausgehen. Sie betreffen nicht nur die Übertragung einzelner Aufgaben des Arbeitsschutzes auf bestimmte Personen, sondern den Aufbau einer Organisationsstruktur. Die Zuweisung von Aufgaben an einzelne Führungskräfte ist in diesem Fall lediglich Teil dieser Organisationsmaßnahme.

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bb) Derartige Maßnahmen unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. § 3 ArbSchG ist gewissermaßen der „Prototyp“ einer allgemein gehaltenen Rahmenvorschrift(Fitting 27. Aufl. § 87 Rn. 295; Pieper ArbSchR § 3 ArbSchG Rn. 5a; Kohte in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 3 Rn. 80; Wiese/Gutzeit in GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 585). Sie gibt dem Arbeitgeber kein bestimmtes, verallgemeinerungsfähiges Organisationsmodell vor, sondern setzt einen Rahmen für die Entwicklung einer an den betrieblichen Gegebenheiten ausgerichteten Organisation. Diese ist maßgeblich vom konkreten Ausmaß der jeweils bestehenden Unfall- und Gesundheitsgefahren sowie von der Betriebsgröße abhängig (Kohte in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 3 Rn. 80). § 3 ArbSchG stellt damit entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht nur eine umfassende Generalklausel ohne konkreten Regelungsgegenstand dar, die nicht der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt (zu dieser Unterscheidung BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 b bb (2) der Gründe, BAGE 111, 38). Diese Vorschrift enthält vielmehr von den Betriebsparteien auszufüllende Regelungsspielräume (ebenso bereits BAG 16. Juni 1998 - 1 ABR 68/97 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 89, 139).

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cc) Unzutreffend ist weiterhin die Annahme der Rechtsbeschwerde, aus § 10 Abs. 2 Satz 3 ArbSchG folge, dass nur in den im Arbeitsschutzgesetz ausdrücklich genannten Fällen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bestünden und im Übrigen nur freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG geschlossen werden könnten. Hiergegen spricht bereits, dass diese Vorschrift nach der Gesetzesbegründung allein darauf zielt, die unionsrechtliche Vorgabe aus Art. 11 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit vom 12. Juni 1989 umzusetzen (BT-Drs. 13/3540 S. 18 f.). Weitergehende Beteiligungsrechte des Betriebsrats, wie sie sich insbesondere aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben können, bleiben hiervon unberührt, wie § 10 Abs. 2 Satz 4 ArbSchG ausdrücklich klarstellt(Steffek in Kollmer/Klindt ArbSchG 2. Aufl. § 10 Rn. 42).

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4. Nach diesen Grundsätzen ist die von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 16. September 2010 vorgenommene Übertragung der Unternehmerpflichten aus §§ 3 bis 14 ArbSchG auf die Arbeitnehmergruppe der Meister nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig.

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Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Aufgabenübertragung über eine Einzelübertragung nach § 13 Abs. 2 ArbSchG hinausgeht. Die Arbeitgeberin hat mit der Anweisung vom 16. September 2010 die Grundlagen einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz geschaffen. Sie hat hierin ua. bestimmt, dass die Meister auf die Anwendung und Einhaltung der Gesundheitsschutzvorschriften zu achten, die erforderlichen Anweisungen zu erteilen und deren Einhaltung zu überwachen haben. Sie haben die Arbeitsplätze/Baustellen zu kontrollieren, etwaige Unfallursachen zu analysieren und durch geeignete Maßnahmen auszuschließen und mit Betriebsarzt, Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsbeauftragten sowie den Betriebsräten im Rahmen ihrer gesetzlichen Vorschriften zusammenzuarbeiten. Die Arbeitgeberin hat den Meistern weiterhin die Befugnis übertragen, vorläufige Regelungen zu treffen. Schließlich haben die Meister, soweit ihnen Mitarbeiter mit Vorgesetztenfunktion unterstellt sind, diesen die entsprechenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu übertragen. Die Arbeitgeberin hat damit eine betriebliche Organisationsstruktur im Arbeitsschutz aufgebaut und Verantwortungsbereiche ihrer Meister festgelegt. Dass diese nur recht allgemein gefasst sind, steht dem nicht entgegen. Mit der Anweisung vom 16. September 2010 hat die Arbeitgeberin damit erkennbar bezweckt, ihren Pflichten aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG nachzukommen und den Arbeitsschutz in ihre betriebliche Führungsstruktur einzubauen.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Wisskirchen    

        

    Seyboth    

                 

Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:

1.
Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;
2.
Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen;
3.
bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;
4.
Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;
5.
individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen;
6.
spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen;
7.
den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen;
8.
mittelbar oder unmittelbar geschlechtsspezifisch wirkende Regelungen sind nur zulässig, wenn dies aus biologischen Gründen zwingend geboten ist.

(1) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 wird das Verfahren auf Antrag einer Tarifvertragspartei eines kollidierenden Tarifvertrags eingeleitet.

(2) Für das Verfahren sind die §§ 80 bis 82 Absatz 1 Satz 1, die §§ 83 bis 84 und 87 bis 96a entsprechend anzuwenden.

(3) Der rechtskräftige Beschluss über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag wirkt für und gegen jedermann.

(4) In den Fällen des § 2a Absatz 1 Nummer 6 findet eine Wiederaufnahme des Verfahrens auch dann statt, wenn die Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag darauf beruht, dass ein Beteiligter absichtlich unrichtige Angaben oder Aussagen gemacht hat. § 581 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.