Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 04. Apr. 2014 - 13 TaBVGa 9/14

ECLI:ECLI:DE:LAGHAM:2014:0404.13TABVGA9.14.00
bei uns veröffentlicht am04.04.2014

Tenor

Auf die Beschwerde des Arbeitgebers – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen – wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 21.02.2014 - 1 BVGa 2/14 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, dem Wahlvorstand eine Liste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Region Westfalen-Süd mit Familienname, Vorname, Geburtsdatum sowie Eintrittsdatum in den Betrieb zur Verfügung zu stellen, soweit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht der „Geschäftsstelle des Geschäftsbereichs Westfalen-Süd“ und dem „Wohnverbund B“ angehören.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 83 Verfahren


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. (1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 19 Wahlanfechtung


(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 1 Errichtung von Betriebsräten


(1) In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt. Dies gilt auch für gemeinsame Betriebe mehrerer Unternehmen. (2) Ein gemeinsamer Betrieb mehrere

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 4 Betriebsteile, Kleinstbetriebe


(1) Betriebsteile gelten als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllen und 1. räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder2. durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.Die Arbeitnehmer eines Betr

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 16 Bestellung des Wahlvorstands


(1) Spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit bestellt der Betriebsrat einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen von ihnen als Vorsitzenden. Der Betriebsrat kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöhen, wenn dies

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 17 Bestellung des Wahlvorstands in Betrieben ohne Betriebsrat


(1) Besteht in einem Betrieb, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllt, kein Betriebsrat, so bestellt der Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Konzernbetriebsrat einen Wahlvorstand. § 16 Abs. 1 gilt entsprechend.

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Bundesarbeitsgericht Beschluss, 10. Dez. 2013 - 1 ABR 43/12

bei uns veröffentlicht am 10.12.2013

Tenor Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2012 - H 6 TaBV 103/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 27. Juli 2011 - 7 ABR 61/10

bei uns veröffentlicht am 27.07.2011

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2010 - 16 TaBV 57/10 - aufgehoben.

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(1) Betriebsteile gelten als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllen und

1.
räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder
2.
durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.
Die Arbeitnehmer eines Betriebsteils, in dem kein eigener Betriebsrat besteht, können mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen; § 3 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend. Die Abstimmung kann auch vom Betriebsrat des Hauptbetriebs veranlasst werden. Der Beschluss ist dem Betriebsrat des Hauptbetriebs spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit mitzuteilen. Für den Widerruf des Beschlusses gelten die Sätze 2 bis 4 entsprechend.

(2) Betriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht erfüllen, sind dem Hauptbetrieb zuzuordnen.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt im Rahmen der gestellten Anträge von Amts wegen. Die am Verfahren Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken.

(1a) Der Vorsitzende kann den Beteiligten eine Frist für ihr Vorbringen setzen. Nach Ablauf einer nach Satz 1 gesetzten Frist kann das Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts seine Zulassung die Erledigung des Beschlussverfahrens verzögern würde und der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt. Die Beteiligten sind über die Folgen der Versäumung der nach Satz 1 gesetzten Frist zu belehren.

(2) Zur Aufklärung des Sachverhalts können Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden.

(3) In dem Verfahren sind der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Stellen zu hören, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Drittelbeteiligungsgesetz, den §§ 177, 178 und 222 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, dem § 18a des Berufsbildungsgesetzes und den zu diesen Gesetzen ergangenen Rechtsverordnungen sowie nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte, dem SE-Beteiligungsgesetz, dem SCE-Beteiligungsgesetz, dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung im einzelnen Fall beteiligt sind.

(4) Die Beteiligten können sich schriftlich äußern. Bleibt ein Beteiligter auf Ladung unentschuldigt aus, so ist der Pflicht zur Anhörung genügt; hierauf ist in der Ladung hinzuweisen. Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(5) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden findet die Beschwerde nach Maßgabe des § 78 statt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Mai 2012 - H 6 TaBV 103/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Verwendung von „Google Maps“ zu Abrechnungszwecken.

2

Die Arbeitgeberin betreibt ein zum Konzern „Deutsche Post DHL“ gehörendes Logistikunternehmen. Antragsteller ist der für die Standorte Neumünster, Hamburg, Bremen und Hannover gebildete Betriebsrat.

3

Im Konzern besteht eine Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns Deutsche Post AG“ vom 20. August/22. September 2004 (KBV 2004). Diese beschreibt und regelt das Verfahren für die IT-mäßige Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten (§ 1 Abs. 1 KBV 2004). Bei der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin bestand eine im Jahr 1997 abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und den Betrieb EDV-gestützter Systeme (GBV 1997). Deren Regelungsgegenstand war die Planung, Einführung und Nutzung eines EDV-Systems sowie die Arbeitsorganisation (Nr. 3 GBV 1997). Die GBV 1997 ist im Jahr 2005 gekündigt worden.

4

Im Juni 2009 beantragte ein Arbeitnehmer die Erstattung von Reisekosten für die Teilnahme an einer Betriebsversammlung. Da die im Antrag angegebene Fahrtstrecke dem Niederlassungsleiter überhöht erschien, ermittelte dieser mit dem Routenplaner von „Google Maps“ die Entfernung zwischen der Wohnanschrift des Arbeitnehmers und dem Ort der Betriebsversammlung. Der betroffene Arbeitnehmer wurde auf die nach Auffassung der Arbeitgeberin überhöhte Kilometerangabe in der Reisekostenabrechnung hingewiesen und später abgemahnt.

5

Der Betriebsrat verlangte von der Arbeitgeberin daraufhin, die Anwendung von „Google Maps“ im Betrieb zu unterlassen.

6

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Nutzung dieses Routenplaners im Betrieb unterliege nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG seinem Mitbestimmungsrecht. Das Programm sei dazu bestimmt, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

7

Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, im Betrieb das Programm „Google Maps“ anzuwenden, solange eine Einigung mit dem Betriebsrat hierzu nicht erzielt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

                 

hilfsweise

                 

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, im Betrieb das Programm „Google Maps“ unter Verwendung von personenbezogenen oder personenbeziehbaren Daten ihrer Arbeitnehmer anzuwenden, insbesondere unter Verwendung von Wohnanschriften zur Überprüfung von Fahrstreckenangaben ihrer Arbeitnehmer, solange eine Einigung mit dem Betriebsrat nicht erzielt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

                 

höchst hilfsweise,

                 

der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Informationen, die sie unter Verwendung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten ihrer Arbeitnehmer durch das Programm „Google Maps“ gewonnen hat, zur Leistungs- oder Verhaltenskontrolle zu verwenden, solange eine Zustimmung des Betriebsrats oder des Gesamtbetriebsrats nicht vorliegt oder durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist;

        

2.    

der Arbeitgeberin für jede Zuwiderhandlung gegen die unter 1. genannte Verpflichtung ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld bis zu 10.000,00 Euro anzudrohen.

8

Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag sowie den dort allein gestellten ersten Hilfsantrag und den Antrag zu 2. abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen und den in der Beschwerdeinstanz erstmals gestellten zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat die ursprünglich gestellten Anträge weiter.

10

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu 1. und den ersten Hilfsantrag sowie den darauf bezogenen Antrag zu 2. zu Recht abgewiesen. Das beanspruchte Mitbestimmungsrecht bei der Anwendung des Routenplaners „Google Maps“ besteht nicht. Den zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. hat das Beschwerdegericht rechtskräftig abgewiesen.

11

I. Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist nicht, ob der Betriebsrat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus der KBV 2004 oder der GBV 1997 herleiten kann. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 18. Mai 2010 (- 1 ABR 6/09 - BAGE 134, 249) einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats aus den vom Konzern- bzw. Gesamtbetriebsrat abgeschlossen Vereinbarungen mit der Begründung verneint, der Betriebsrat habe aus eigenem Recht grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung einer von einer anderen Arbeitnehmervertretung in originärer Zuständigkeit abgeschlossenen Betriebsvereinbarung. Dem tritt die Rechtsbeschwerde nicht entgegen. Sie hat ihren Anspruch im Rechtsbeschwerdeverfahren allein auf die Verletzung eines aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG abgeleiteten Mitbestimmungsrechts beschränkt. Dies hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Entsprechend dem so bestimmten Verfahrensgegenstand verfolgt der Betriebsrat auch den in der Beschwerdeinstanz erhobenen zweiten Hilfsantrag zum Antrag zu 1. nicht mehr weiter.

12

II. Die zulässigen Anträge sind unbegründet.

13

1. Der Hauptantrag des Betriebsrats ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.

14

a) Nach seinem Wortlaut ist der Hauptantrag auf die Unterlassung der Anwendung von „Google Maps“ gerichtet. Ein solches Antragsverständnis würde auch die Nutzung dieses Routenplaners im Betrieb der Arbeitgeberin umfassen, selbst wenn dabei keine leistungs- oder verhaltensbezogenen Daten von Arbeitnehmern erhoben würden. In diesem Sinn kann der Antrag jedoch nicht verstanden werden. Nach der im Hilfsantrag enthaltenen Einschränkung („insbesondere”) ist bereits der Hauptantrag entsprechend dem betrieblichen Anlassfall dahingehend zu verstehen, dass es dem Betriebsrat um die Untersagung der Nutzung dieses Routenplaners für die Ermittlung der Wegstrecke zwischen der Wohnadresse von Arbeitnehmern zum Arbeitsort geht, soweit diese Angaben für einen Abgleich in Reisekostenanträgen der Belegschaft herangezogen werden sollen. Nur hierüber geht der Streit der Beteiligten. Bei diesem Verständnis des Hauptantrags ist der erste Hilfsantrag des Betriebsrats gegenstandslos.

15

b) Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin könnte bei einer Verurteilung mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, was von ihr verlangt wird.

16

c) Am Rechtsbeschwerdeverfahren sind nur der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beteiligt.

17

aa) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im Einzelfall am Verfahren beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist. Die ordnungsgemäße Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 - Rn. 11).

18

bb) Aufgrund der vom Betriebsrat vorgenommenen Beschränkung des Verfahrensgegenstands in der Rechtsbeschwerdeinstanz muss der Senat die von den Vorinstanzen unterlassene Beteiligung des Konzern- und des Gesamtbetriebsrats sowie möglicher anderer Betriebsräte im Konzern der Arbeitgeberin nicht nachholen. Von der Entscheidung über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts entsprechend dem betrieblichen Anlassfall sind andere Arbeitnehmervertretungen in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung nicht unmittelbar betroffen.

19

2. Der Antrag ist unbegründet. Ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG liegt nicht vor.

20

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ua. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. „Überwachung“ im Sinne der genannten Vorschrift ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers erhoben und - jedenfalls in der Regel - aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - Rn. 27, BAGE 109, 235). Die Überwachung muss aber durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, dh. wenigstens in ihrem Kern die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG setzt daher voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet(BAG 8. November 1994 - 1 ABR 20/94 - zu B I 1 der Gründe). Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt (BAG 15. Dezember 1992 - 1 ABR 24/92 - zu B Il 1 b der Gründe). Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen der Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an.

21

b) Danach unterliegt der Einsatz des Routenplaners „Google Maps“ nicht dem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

22

aa) Dieser internetbasierte Routenplaner schlägt dem Nutzer entsprechend den von ihm gewählten Vorgaben verschiedene Routen für die von ihm eingegebene Strecke vor. Für diese Wegstrecken werden ua. die zurückzulegenden Kilometer und die von den jeweiligen Verkehrsverhältnissen sowie den eingestellten Wegstreckenparametern abhängigen geschätzten Fahrtzeiten angezeigt. Der Nutzer des Routenplaners erhält nur Angaben über die vom System vorgeschlagenen Fahrmöglichkeiten, nicht aber über eine tatsächlich zurückgelegte Wegstrecke. Diese wird vom Routenplaner nicht ermittelt. Eine Aufzeichnung von Informationen über das Fahrverhalten in Echtzeit nimmt der Routenplaner, anders als etwa GPS-Systeme, nicht vor.

23

bb) Die Vorinstanzen haben nicht aufgeklärt, ob die Arbeitgeberin den Routenplaner auch dazu einsetzt, die Entfernungsangaben der Arbeitnehmer in den Reisekostenanträgen im Sinne einer Ehrlichkeitskontrolle zu überprüfen oder nur zur Ermittlung der kürzesten Wegstrecke für die von ihr zu ersetzenden Reisekosten. Im letztgenannten Fall fehlte es schon an der Bestimmtheit der technischen Einrichtung für die Überwachung der Leistung oder des Verhaltens der Arbeitnehmer iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Arbeitgeberin erstattet Reisekosten nur für die kürzeste verkehrsübliche Wegstrecke zwischen dem Ausgangs- und dem Arbeitsort. Für deren Berechnung sind die Entfernungsangaben der Arbeitnehmer in ihren Erstattungsanträgen jedoch ohne Bedeutung.

24

cc) Die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG lägen aber auch dann nicht vor, wenn zugunsten des Betriebsrats unterstellt würde, dass die Arbeitgeberin den Routenplaner von „Google Maps“ nicht ausschließlich für die Berechnung der erstattungsfähigen Reisekosten einsetzt. Es fehlt an der notwendigen Leistungs- oder Verhaltenskontrolle durch eine technische Einrichtung.

25

Die Überprüfung der in den Reisekostenanträgen enthaltenen Entfernungsangaben wird nicht durch den Routenplaner, sondern ausschließlich durch menschliches Handeln in Gang gesetzt. Der mit der Prüfung der Fahrtkostenabrechnung betraute Bearbeiter entscheidet eigenständig über den Einsatz des Routenplaners und die Verwendung der mit seiner Hilfe erzielten Informationen. Die Reaktion auf Unstimmigkeit bei der Angabe der Wegstrecke wird nicht durch die dabei gewonnenen Ergebnisse bestimmt, sondern hängt davon ab, ob der jeweilige Bearbeiter weitere Schritte zur Aufklärung der Angaben aus der Fahrtkostenabrechnung für notwendig hält. Anders als bei einer automatisierten Verhaltens- und Leistungskontrolle sind der Einsatz des Routenplaners und die Reaktion auf die durch seine Verwendung gewonnenen Erkenntnisse vom Tätigwerden einer kontrollierenden Person abhängig.

26

dd) Eine andere Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gebietet auch nicht der Normzweck.

27

(1) Sinn der Vorschrift ist es, Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der Arbeitnehmer durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen nur bei gleichberechtigter Mitbestimmung des Betriebsrats zuzulassen (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 7/03 - zu B II 1 c der Gründe, BAGE 109, 235). Die auf technischem Weg erfolgte Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über den Arbeitnehmer bergen die Gefahr in sich, dass in dessen Persönlichkeitsbereiche eingedrungen wird, die einer nicht technischen Überwachung nicht zugänglich sind, und dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird, der er sich nicht entziehen kann (BAG 18. Februar 1986 - 1 ABR 21/84 - zu B II 3 b der Gründe, BAGE 51, 143). Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wird bei einer technisierten Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten wegen der - gegenüber einer Überwachung durch Menschen - ungleich größeren Möglichkeit zur durchgehenden Datenverarbeitung besonders gefährdet. Darüber hinaus sind die Abläufe der technikgestützten Datenermittlung für den Arbeitnehmer vielfach nicht wahrnehmbar und es fehlt regelmäßig an einer Möglichkeit, sich ihr zu entziehen. Die Einbindung in eine von ihm nicht beeinflussbare Überwachungstechnik kann zu erhöhter Abhängigkeit führen und damit die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern (BAG 8. November 1994 - 1 ABR 20/94 - zu B I 1 der Gründe).

28

(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind derartige Wirkungen mit der Nutzung des internetbasierten Routenplaners bei der Überprüfung von Angaben in Fahrtkostenabrechnungen allein noch nicht verbunden. Vielmehr steht die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Nachprüfung ebenso wie die Entscheidung über den Einsatz von weiteren Aufklärungsmitteln allein in der Entscheidungsbefugnis des Bearbeiters. Eine Automatik, dass dem Arbeitnehmer allein beim Auftreten von Differenzen in den Entfernungsangaben zwischen seiner Fahrtkostenabrechnung und der individuellen Routenplanerrecherche eines Sachbearbeiters vorgegebene Maßnahmen drohen, ist weder offensichtlich noch vom Landesarbeitsgericht festgestellt. Auch eine Einflussnahme zu einem bestimmten Verhalten, nämlich die kürzeste Fahrtstrecke zu benutzen, erfolgt allenfalls durch die arbeitgeberseitigen Vorgaben für die Erstattung von Reisekosten, nicht aber durch den Einsatz des Routenplaners.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Schäferkord    

        

    Schwitzer    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2010 - 16 TaBV 57/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Jahr 2010 eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen und dem Wahlvorstand zu untersagen ist, die Wahl erneut einzuleiten.

2

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das Gebäudereinigungsarbeiten und sonstige Dienstleistungen für gewerbliche Kunden ausführt. Sie beschäftigt ca. 827 Arbeitnehmer in etwa 350 Objekten. Im Jahr 2008 wurde bei ihr ein dreizehnköpfiger Betriebsrat gewählt. Eines der Betriebsratsmitglieder war der Leiter der Lohnbuchhaltung der Arbeitgeberin M. Das frühere Betriebsratsmitglied S ist der Schwiegervater des Geschäftsführers der Arbeitgeberin.

3

In der Zeit vom 1. März 2010 bis 31. Mai 2010 sollten die regelmäßigen Betriebsratswahlen stattfinden. Die Betriebsratsvorsitzende V lud mit Schreiben vom 26. März 2010 zu einer Betriebsratssitzung am 30. März 2010, 9:00 Uhr, in das DGB-Haus in D, W-Saal, ein. Ersatzmitglieder wurden nicht geladen. In der Tagesordnung waren ua. die Themen genannt:

        

„5.     

Aufnahme von der BR-Sitzung am 29.01.2010 (Handy) - Ausschluss von der Sitzung am 30.03.2010 von Herrn M und Herrn S mit Beschlussfassung

        

…       

        
        

9.    

Wahl mit anschließendem Beschluss eines Wahlvorstandes für die kommende BR-Neuwahl“

4

Am 30. März 2010 erschienen alle 13 Mitglieder zu der Betriebsratssitzung. Auch die Gewerkschaftssekretärin der IG Bauen-Agrar-Umwelt B war anwesend. Als über den Tagesordnungspunkt 5 beraten werden sollte, verlangte die Vorsitzende, dass die Betriebsratsmitglieder M und S den Sitzungssaal verlassen sollten. Beide kamen dem nicht nach. Es folgte ein Streitgespräch. Die Vorsitzende sowie die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U verließen den W-Saal, um in einem anderen Raum über den Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S zu beraten. Zuvor hatte die Vorsitzende die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z aufgefordert, den Betriebsratsmitgliedern zu folgen, die den Saal verließen. Die fünf aufgeforderten Betriebsratsmitglieder hatten das abgelehnt. Nach den Angaben des Wahlvorstands wurde in dem anderen Sitzungssaal beschlossen, die Betriebsratsmitglieder M und S von der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 auszuschließen.

5

Die Vorsitzende und die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U kehrten danach in den W-Saal zurück und teilten den übrigen Betriebsratsmitgliedern mit, die Betriebsratsmitglieder M und S seien mit sechs Jastimmen und fünf Enthaltungen von der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 ausgeschlossen worden. Dieser Beschluss ist in Nr. 3 eines handschriftlichen Protokolls festgehalten, das von der Vorsitzenden und der Schriftführerin O unterzeichnet wurde. Die Vorsitzende forderte die Betriebsratsmitglieder M und S auf, nun den W-Saal zu verlassen, damit die Betriebsratssitzung fortgeführt werden könne. Die beiden Betriebsratsmitglieder lehnten das ab. Die Vorsitzende sowie die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U verließen daraufhin erneut den W-Saal, um die Sitzung in einem anderen Raum fortzusetzen. Zuvor hatten sie die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z erneut erfolglos aufgefordert, sie zu begleiten. Die Sitzung wurde von der Vorsitzenden sowie den Betriebsratsmitgliedern A, E, I, O und U in dem anderen Sitzungssaal fortgeführt. Auch auf diesen Teil der Betriebsratssitzung geht das handschriftliche Protokoll der Vorsitzenden und der Schriftführerin ein. Die Niederschrift behandelt die Bestellung eines Wahlvorstands nicht. Über die Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 wurde ein weiteres Protokoll verfasst, das von den Betriebsratsmitgliedern M und Z unterschrieben wurde.

6

Mit Schreiben vom 30. März 2010 verlangte der Wahlvorstand von der Arbeitgeberin die erforderlichen Auskünfte, um eine Wählerliste zu erstellen. Die Arbeitgeberin weigerte sich mit der Begründung, ein Wahlvorstand sei nicht ordnungsgemäß gebildet worden. Unter dem 1. April 2010 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben, mit dem die Betriebsratswahl für alle Arbeitnehmer der von der Arbeitgeberin betreuten Objekte eingeleitet wurde.

7

Die Arbeitgeberin hat in dem von ihr am 12. April 2010 eingeleiteten Beschlussverfahren verlangt, die eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen, weil der Wahlvorstand nicht wirksam errichtet sei. Der Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S aus dem Betriebsrat sei unwirksam. Als die Vorsitzende und die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U den W-Saal zum zweiten Mal verlassen hätten, sei zuvor nicht mitgeteilt worden, in welchem Raum die Sitzung fortgesetzt und dass dort über die Bestellung eines Wahlvorstands abgestimmt werden solle. Die Betriebsratsmitglieder F, K, M, R, H, S und Z hätten gegen einen Wahlvorstand in der jetzigen Besetzung gestimmt, wenn die Betriebsratssitzung am 30. März 2010 mit den Betriebsratsmitgliedern M und S im W-Saal fortgesetzt worden wäre. Die Wahl sei auch deshalb abzubrechen, weil das Unternehmen der Arbeitgeberin aufgrund einer Umstrukturierung vom 28. Oktober 2009 in zehn einzelne Betriebe aufgespalten worden sei.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

       

dem Wahlvorstand aufzugeben, das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl eines Betriebsrats abzubrechen und nicht fortzuführen und auch nicht neu einzuleiten.

9

Der Wahlvorstand hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat behauptet, er sei in der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 bestellt worden, nachdem die sechs Betriebsratsmitglieder zum zweiten Mal den W-Saal verlassen hätten. Der Wahlvorstand bestehe aus der Betriebsratsvorsitzenden V sowie den Betriebsratsmitgliedern A, E, I und O. Das Betriebsratsmitglied S habe die Sitzung vom 30. März 2010 von Beginn an gestört. Herr S habe unter Hinweis auf die Arbeitsunfähigkeit der Betriebsratsvorsitzenden bezweifelt, dass sie aufgrund ihres Tablettenkonsums in der Lage sei, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen. Dem hätten sich die anderen, dem Arbeitgeber nahestehenden Betriebsratsmitglieder und vor allem das Betriebsratsmitglied M angeschlossen. Sie hätten die Betriebsratsvorsitzende immer wieder unterbrochen. Die Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 habe wegen der Störungen in einen anderen Saal verlegt werden müssen, um die Sitzung ohne die Betriebsratsmitglieder M und S fortzusetzen. Da die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z dem nicht nachgekommen seien, habe ihr Verhalten als Stimmenthaltung gewertet werden müssen. Die Fortführung einer Betriebsratswahl dürfe nur dann untersagt werden, wenn die Wahl nichtig und nicht nur anfechtbar sei. Die durchzuführende Wahl sei weder nichtig noch „sicher anfechtbar“.

10

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Wahlvorstands zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verlangt der Wahlvorstand weiter die Abweisung des Antrags der Arbeitgeberin.

11

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Für eine abschließende Entscheidung fehlen erforderliche Tatsachenfeststellungen. Die Sache ist deshalb zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

12

I. Neben der Arbeitgeberin ist nur der Wahlvorstand am Verfahren beteiligt. Die Wahlvorstandsmitglieder sind keine Beteiligten.

13

1. Der Wahlvorstand ist selbst dann am Verfahren beteiligt, wenn seine Bestellung nichtig ist, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat.

14

a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (für die st. Rspr. BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 10).

15

b) Der Wahlvorstand ist danach am Verfahren beteiligt. Die von der Arbeitgeberin erstrebte Entscheidung betrifft unmittelbar seine Existenz und seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte.

16

2. Die einzelnen Wahlvorstandsmitglieder sind keine Beteiligten des Verfahrens. Es geht nicht um die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte der einzelnen Wahlvorstandsmitglieder, sondern um die Existenz und die Rechte des Gremiums.

17

II. Die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Ob er begründet ist, lässt sich erst beurteilen, wenn weitere Tatsachenfeststellungen getroffen sind.

18

1. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.

19

a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist das Begehren der Arbeitgeberin als einheitlicher Unterlassungsantrag zu verstehen. Er ist darauf gerichtet, dem Wahlvorstand jede weitere Handlung zu untersagen, die auf die Durchführung der Wahl gerichtet ist. Mit diesem Verständnis ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

20

b) Die Arbeitgeberin ist antragsbefugt. Sie kann sich mit einem Unterlassungsantrag dagegen wenden, dass der nach ihrer Auffassung nicht wirksam errichtete Wahlvorstand tätig wird (vgl. schon BAG 3. Juni 1975 - 1 ABR 98/74 - zu II 2 der Gründe, BAGE 27, 163). Ihre Antragsbefugnis entspricht dem Recht, die spätere Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 2 BetrVG anzufechten.

21

c) Der Wahlvorstand ist beteiligtenfähig iSv. § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG. Das gilt selbst dann, wenn seine Bestellung nichtig ist. Der Wahlvorstand hält sich für existent. Für das Verfahren, in dem mittelbar über die Nichtigkeit seiner Bestellung gestritten wird, ist er als bestehend zu behandeln und damit beteiligtenfähig.

22

d) Das Verfahren ist nicht erledigt. Im Betrieb der Arbeitgeberin ist weiter ein Betriebsrat zu wählen.

23

2. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Antrag der Arbeitgeberin begründet ist. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann dem Unterlassungsantrag nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Ergebnis zu Recht erkannt, dass einem in nichtiger Weise errichteten Wahlvorstand untersagt werden kann, weiter tätig zu werden. Die getroffenen Feststellungen lassen aber nicht die Würdigung zu, dass die Errichtung des Wahlvorstands nichtig ist. Es fehlen Feststellungen zu der Frage, ob die sechs Betriebsratsmitglieder, die am 30. März 2010 zweimal den W-Saal verließen, bei ihrem zweiten Aufenthalt in dem anderen Saal des DGB-Hauses in D überhaupt einen Wahlvorstand bestellten.

24

a) Ein Anspruch des Arbeitgebers darauf, die von einem Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen, kann sich zum einen aus der zu erwartenden Nichtigkeit der Betriebsratswahl ergeben. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht. Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers besteht zum anderen, wenn das Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, in dieser Funktion überhaupt nicht oder in nichtiger Weise bestellt wurde.

25

aa) Der gerichtliche Abbruch einer Betriebsratswahl aufgrund von Mängeln des Wahlverfahrens kommt nur in Betracht, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig wäre.

26

(1) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Wahlvorstand untersagt werden kann, eine von ihm eingeleitete Betriebsratswahl weiter durchzuführen, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Das Bundesarbeitsgericht konnte die Frage bisher nicht klären, weil diese Streitigkeiten regelmäßig in einstweiligen Verfügungsverfahren ausgetragen werden, deren Rechtszüge vor dem Landesarbeitsgericht enden (§ 92 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 85 Abs. 2 ArbGG).

27

(a) Ein Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur nimmt an, im Allgemeinen könne der Abbruch einer laufenden Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung nur angeordnet werden, wenn die eingeleitete Wahl mit Sicherheit als nichtig anzusehen sei (vgl. beispielhaft aus der Instanzrechtsprechung Sächsisches LAG 22. April 2010 - 2 TaBVGa 2/10 - zu II 1 der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 16 - 19; LAG Baden-Württemberg 9. März 2010 - 15 TaBVGa 1/10 - zu II 3 der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 12 - 15; grundlegend LAG Baden-Württemberg 20. Mai 1998 - 8 Ta 9/98 - AiB 1998, 401; aus dem Schrifttum zB ErfK/Koch 11. Aufl. § 18 BetrVG Rn. 7; wohl auch Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 18 Rn. 21).

28

(b) Die noch immer überwiegende Ansicht lässt dagegen bereits die sichere Anfechtbarkeit der Wahl genügen (vgl. bspw. LAG Schleswig-Holstein 7. April 2011 - 4 TaBVGa 1/11 - zu II 2 a aa aE der Gründe; LAG Hamburg 19. April 2010 - 7 TaBVGa 2/10 - zu II 2 b der Gründe, NZA-RR 2010, 585; Hessisches LAG 7. August 2008 - 9 TaBVGa 188/08 - zu II der Gründe; im Schrifttum zB Dzida/Hohenstatt BB-Special 14 Heft 50, 1, 2 bis 4; Fitting 25. Aufl. § 18 Rn. 42; DKKW/Schneider/Homburg 12. Aufl. § 18 Rn. 6; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 18 Rn. 79 f. mwN; Rieble/Triskatis NZA 2006, 233, 234 bis 236; Veit/Wichert DB 2006, 390, 391; wohl auch Bram FA 2006, 66 ff.; siehe zu weiter differenzierenden Ansichten auch die Übersicht in LAG Baden-Württemberg 9. März 2010 - 15 TaBVGa 1/10 - zu II 2 b der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 12 - 15).

29

(2) Das Betriebsverfassungsgesetz regelt nicht ausdrücklich, ob und unter welchen Voraussetzungen eine eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen ist und wer hierfür anspruchsberechtigt ist. Ausdrücklich geregelt ist in § 19 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG nur die Anfechtung einer durchgeführten Wahl. Obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Anspruchsgrundlage fehlt, ergibt sich aus dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang, dass jedenfalls der Arbeitgeber es unterbinden kann, wenn in seinem Betrieb eine nichtige Betriebsratswahl durchgeführt wird. Er kann verlangen, die nichtige Wahl zu unterlassen. Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt für den Unterlassungsanspruch dagegen nicht.

30

(a) Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchgeführt wird. Die mit der Durchführung einer Betriebsratswahl verbundenen Maßnahmen berühren den Arbeitgeber als Betriebsinhaber unmittelbar in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zugleich werden ihm im Zusammenhang mit der Wahl Pflichten auferlegt (vgl. zB § 2 Abs. 2 Satz 1 WO). Ferner hat er nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Kosten der Wahl zu tragen. Schon daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber in seinem Betrieb verlangen kann, eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchzuführen. Der Fall verlangt keine Entscheidung darüber, ob das in gleicher Weise für die weiteren in § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG genannten Anfechtungsberechtigten gilt.

31

(b) Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt für einen Anspruch auf Abbruch der Wahl demgegenüber nicht.

32

(aa) Der Antragsteller könnte sonst mit dem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Unterlassungsantrag mehr erreichen als mit der gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung hat nach § 19 Abs. 1 BetrVG keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens bleibt auch ein nicht ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt.

33

(bb) Würde schon im Fall der voraussichtlich sicheren Anfechtbarkeit der bevorstehenden Wahl ein Abbruch zugelassen, würde verhindert, dass zumindest vorläufig ein Betriebsrat zustande kommt, wie es das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht. Damit würde ein betriebsratsloser Zustand aufrechterhalten, der nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich bei einer nichtigen Wahl eintreten darf. Das Betriebsverfassungsgesetz will betriebsratslose Zustände möglichst vermeiden (vgl. BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B IV 3 a der Gründe, BAGE 95, 15). Das zeigen nicht nur die gesetzlichen Regelungen des Übergangs- und des Restmandats in §§ 21a und 21b BetrVG sowie der Weiterführung der Geschäfte des Betriebsrats nach § 22 BetrVG. Der Gesetzeszweck kommt auch in § 1 BetrVG zum Ausdruck. Die Bestimmung lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, dass möglichst in jedem betriebsratsfähigen Betrieb ein Betriebsrat besteht. Die Vorschriften, die die Betriebsratswahl regeln, sind daher so auszulegen, dass der Gesetzeszweck, Betriebsräte zu bilden, möglichst erreicht wird (vgl. schon BAG 14. Dezember 1965 - 1 ABR 6/65 - zu 5 a der Gründe, BAGE 18, 41).

34

(cc) Die Möglichkeit des vorzeitigen Abbruchs einer voraussichtlich nur anfechtbaren Wahl würde auch der Konzeption nicht gerecht, die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zum Ausdruck kommt. Danach ist die Wahlanfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig. Macht innerhalb dieser Frist keiner der Anfechtungsberechtigten von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch, können Fehler bei der Wahl des Betriebsrats - mit Ausnahme der Nichtigkeit der Wahl - nicht mehr geltend gemacht werden. Durch den vorzeitigen Abbruch der Wahl würde dem Anfechtungsberechtigten von vornherein die Möglichkeit genommen, die Frist verstreichen und die Wahl unangefochten zu lassen.

35

(dd) Auch die Grundsätze, die für politische Wahlen gelten, sprechen dafür, den Abbruch der Wahl auf Fälle der Nichtigkeit zu beschränken. Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren zum Deutschen Bundestag beziehen, können nach § 49 BWahlG nur mit den im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Gegen interne Entscheidungen des Wahlorgans kann außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens, das nach Abschluss des Wahlverfahrens erfolgt, kein gerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden (vgl. nur BVerfG 1. September 2009 - 2 BvR 1928/09, 2 BvR 2 BvR 1937/09 - Rn. 3 bis 14 mwN; s. auch Nießen Fehlerhafte Betriebsratswahlen S. 374 f., der auf S. 377 ff. eine - vollständige - Übertragung der Grundsätze politischer Wahlen auf Betriebsratswahlen ablehnt). Betriebsratswahlen sind zwar nicht so komplex wie Bundestagswahlen (vgl. dazu BVerfG 1. September 2009 - 2 BvR 1928/09, 2 BvR 2 BvR 1937/09 - Rn. 4). Bei § 49 BWahlG handelt es sich gleichwohl um die Konkretisierung eines allgemeinen für Wahlrechtsangelegenheiten geltenden Grundsatzes(vgl. für eine Landtagswahl BVerfG 15. Mai 1963 - 2 BvR 194/63 - BVerfGE 16, 128; für eine Stadtratswahl BVerfG 20. Oktober 1960 - 2 BvQ 6/60 - BVerfGE 11, 329).

36

bb) Der Arbeitgeber kann zudem verlangen, dass die weitere Durchführung der Wahl unterlassen wird, wenn das Gremium, das sich als Wahlvorstand geriert, in dieser Funktion überhaupt nicht bestellt wurde oder seine Bestellung nichtig ist. Handlungen eines inexistenten Wahlvorstands muss der Arbeitgeber in seinem Betrieb nicht hinnehmen.

37

b) Hier sind die von der Arbeitgeberin geltend gemachten Mängel - bis auf die Frage der wirksamen Bestellung des Wahlvorstands - nicht so schwer-wiegend, dass sie die Nichtigkeit der Wahl begründen könnten. Auch die bislang feststellbaren Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht derart gewichtig, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hätten. Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob der Wahlvorstand überhaupt bestellt wurde. Sollte das nicht der Fall sein, wäre dem Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, zu untersagen, die Wahl durchzuführen.

38

aa) Die Betriebsratswahl ist im Entscheidungsfall voraussichtlich nicht nichtig.

39

(1) Eine Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maß verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln (vgl. für die st. Rspr. BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - zu B II 1 b bb (1) der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1).

40

(2) Diesen hohen Anforderungen ist nicht genügt. Sollte der Betriebsbegriff mit Blick auf die von der Arbeitgeberin behauptete Betriebsaufspaltung vom 28. Oktober 2009 verkannt sein, führt dieser Mangel nicht dazu, dass die eingeleitete Betriebsratswahl sicher nichtig ist. Auch die Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht so schwerwiegend, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hätten.

41

(a) Die mögliche Verkennung des Betriebsbegriffs führt nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl.

42

(aa) Der Ausnahmefall einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl ist bei einer Wahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wird, grundsätzlich nicht anzunehmen. Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge. Bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs und seiner Anwendung auf die konkrete betriebliche Organisation ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten. Das erfordert eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Entscheidung. Kommt es bei diesem Prozess zu Fehlern, sind sie regelmäßig nicht derart grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht (vgl. etwa BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1).

43

(bb) Die Tatsachengrundlage einer möglichen Aufspaltung des ursprünglich einheitlichen Betriebs in zehn selbständige Betriebe aufgrund der von der Arbeitgeberin behaupteten Umstrukturierung vom 28. Oktober 2009 war zwischen der Arbeitgeberin und einem Teil der Mitglieder des früheren Betriebsrats umstritten. In einem solchen Fall kann wegen der stets nötigen Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände nicht von einem derart groben und evidenten Verstoß ausgegangen werden, der selbst den Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Betriebsratswahl ausschlösse.

44

(b) Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen es nicht anzunehmen, die Betriebsratswahl sei voraussichtlich deshalb nichtig, weil der Wahlvorstand wegen gravierender Fehler bei seiner Bestellung rechtlich inexistent sei. Dabei kann offenbleiben, ob die nichtige Bestellung des Wahlvorstands stets zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führt. Die bislang festgestellten Mängel bei der Bestellung des Wahlvorstands sind hier jedenfalls nicht so gewichtig, dass sie die Nichtigkeit der Bestellung zur Folge hätten.

45

(aa) Auch die Frage der zwingenden Folge der Nichtigkeit einer eingeleiteten Betriebsratswahl aufgrund der nichtigen Bestellung des Wahlvorstands wird in Rechtsprechung und Schrifttum kontrovers diskutiert. Ein Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur nimmt die Nichtigkeit der Betriebsratswahl infolge einer nichtigen Bestellung des Wahlvorstands an (vgl. zB LAG Köln 10. März 2000 - 13 TaBV 9/00 - zu II 3 der Gründe, LAGE BetrVG 1972 § 3 Nr. 6; GK-BetrVG/Kreutz § 16 Rn. 5; grundlegend Nießen S. 137 ff., 141 ff. mwN). Ein anderer Teil der Instanzrechtsprechung und des Schrifttums verlangt über die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands hinaus zusätzliche Umstände, um die Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl annehmen zu können (vgl. zB LAG Berlin 8. April 2003 - 5 TaBV 1990/02 - zu II 3 c der Gründe, NZA-RR 2003, 587; LAG Nürnberg 29. Juli 1998 - 4 TaBV 12/97 - zu II der Gründe; Fitting § 19 Rn. 5; grundlegend Jacobs Die Wahlvorstände S. 124 ff. mwN). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage bisher offengelassen (vgl. BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 3 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1). Auch dieser Fall verlangt nicht, die Frage abschließend zu beantworten.

46

(bb) Die bislang festgestellten Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht so schwerwiegend, dass sie zur Nichtigkeit der Bestellung führten.

47

(aaa) Zwischen der nur fehlerhaften und der darüber hinaus nichtigen Bestellung des Wahlvorstands ist sorgfältig zu unterscheiden. Im Fall eines (einfachen) Errichtungsfehlers bleibt die Bestellung des Wahlvorstands wirksam. Die von ihm durchgeführte Betriebsratswahl kann dann zwar anfechtbar sein, sie ist aber nicht nichtig. Die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands ist auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Eine nur fehlerhafte Bestellung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maß verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§ 16 bis 17a BetrVG handeln. Für die Beschränkung der nichtigen Bestellung auf ungewöhnliche Ausnahmefälle spricht vor allem das vom Betriebsverfassungsgesetz geschützte Interesse daran, betriebsratslose Zustände zu vermeiden, das insbesondere in §§ 1, 21a, 21b und 22 BetrVG zum Ausdruck kommt. Maßnahmen, die eine Betriebsratswahl vorbereiten sollen, dürfen nicht unnötig erschwert werden. Das gilt für die Bestellung des Wahlvorstands umso mehr, als dessen Kompetenzen nach §§ 18 und 18a BetrVG eng begrenzt sind. Seine Pflichten werden durch das Betriebsverfassungsgesetz und die Wahlordnung genau umrissen (vgl. bereits BAG 14. Dezember 1965 - 1 ABR 6/65 - zu 5 a der Gründe, BAGE 18, 41).

48

(bbb) Nach diesen Grundsätzen rechtfertigen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht die Beurteilung, dass die Bestellung des Wahlvorstands nichtig ist.

49

(aaaa) Aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist allerdings davon auszugehen, dass der Wahlvorstand nicht mit der nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderlichen Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder bestellt wurde. Der frühere Betriebsrat hat zum einen verkannt, dass der vollständige Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S aus dem Betriebsrat ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG voraussetzt. Er hat zum anderen nicht beachtet, dass für zeitweilig verhinderte Betriebsratsmitglieder nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Ersatzmitglieder heranzuziehen sind. Er ist schließlich auch zu Unrecht davon ausgegangen, die im W-Saal verbliebenen weiteren fünf Betriebsratsmitglieder enthielten sich dadurch ihrer Stimme.

50

(bbbb) Die Bestellung eines Wahlvorstands durch die Minderheit der Betriebsratsmitglieder ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aber kein solch gravierender Verstoß gegen die Bestellungsbestimmungen der §§ 16 bis 17a BetrVG, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Die Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands waren hier erheblich. Der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden und den Betriebsratsmitgliedern, die sie in den anderen Saal begleiteten, ging es jedoch ersichtlich darum, ihrer Pflicht zur Bestellung des Wahlvorstands nachzukommen. Eine andere Beurteilung könnte dann geboten sein, wenn die Bestellung durch die Minderheit der Betriebsratsmitglieder auf dem machttaktischen oder willkürlichen Kalkül beruht hätte, die Mehrheit durch die Minderheit zu majorisieren. Dafür bestehen nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem Vortrag der Arbeitgeberin keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der sog. Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S von der Sitzung vom 30. März 2010 war nach Nr. 3 des handschriftlichen Protokolls der Betriebsratsvorsitzenden V und der Schriftführerin O vielmehr insbesondere auf angenommene unbefugte Tonaufnahmen einer Betriebsratssitzung zurückzuführen. Das ergibt sich aus den in Nr. 1 der Niederschrift enthaltenen Gründen für ein angestrebtes Ausschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht. Die sechs Betriebsratsmitglieder verließen den W-Saal, weil sie annahmen, die Betriebsratssitzung wegen der behaupteten erheblichen Störungen der Betriebsratsmitglieder M und S nicht ordnungsgemäß durchführen zu können. Sie forderten die übrigen fünf Betriebsratsmitglieder zudem erfolglos auf, sie in den anderen Saal zu begleiten.

51

bb) Unabhängig von einer voraussichtlichen Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl hat der Arbeitgeber Anspruch darauf, dass die Durchführung der Wahl unterlassen wird, wenn das Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, in dieser Funktion überhaupt nicht bestellt wurde oder seine Bestellung nichtig ist. Von einer nichtigen Bestellung des Wahlvorstands kann hier aus den genannten Gründen nicht ausgegangen werden. Nicht festgestellt ist aber, ob am 30. März 2010 während des zweiten Aufenthalts der Betriebsratsmitglieder A, E, I, O, U und V in einem anderen Saal als dem W-Saal überhaupt ein Wahlvorstand bestellt wurde. Das handschriftliche Protokoll der Betriebsratsvorsitzenden V und der Schriftführerin O über die Betriebsratssitzung, die am 30. März 2010 außerhalb des W-Saal abgehalten wurde, weist keinen Beschluss aus, mit dem ein Wahlvorstand bestellt wurde. Die Verfahrensbevollmächtigte des Wahlvorstands hat in der Anhörung vor dem Senat erklärt, die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O, U und V hätten in Abwesenheit der übrigen Betriebsratsmitglieder durch Beschluss den Wahlvorstand bestellt, nachdem sie den W-Saal zum zweiten Mal verlassen hätten. Die Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin konnte dieses Vorbringen nicht unstreitig stellen. Das Landesarbeitsgericht wird den Umstand deshalb aufzuklären haben.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    Schuh    

        

    Hansen    

                 

(1) Spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit bestellt der Betriebsrat einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen von ihnen als Vorsitzenden. Der Betriebsrat kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöhen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist. Der Wahlvorstand muss in jedem Fall aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen. Für jedes Mitglied des Wahlvorstands kann für den Fall seiner Verhinderung ein Ersatzmitglied bestellt werden. In Betrieben mit weiblichen und männlichen Arbeitnehmern sollen dem Wahlvorstand Frauen und Männer angehören. Jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft kann zusätzlich einen dem Betrieb angehörenden Beauftragten als nicht stimmberechtigtes Mitglied in den Wahlvorstand entsenden, sofern ihr nicht ein stimmberechtigtes Wahlvorstandsmitglied angehört.

(2) Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft; Absatz 1 gilt entsprechend. In dem Antrag können Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands gemacht werden. Das Arbeitsgericht kann für Betriebe mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern auch Mitglieder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, die nicht Arbeitnehmer des Betriebs sind, zu Mitgliedern des Wahlvorstands bestellen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist.

(3) Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, kann auch der Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Konzernbetriebsrat den Wahlvorstand bestellen. Absatz 1 gilt entsprechend.

(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

(2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

(3) Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.

(1) Besteht in einem Betrieb, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllt, kein Betriebsrat, so bestellt der Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Konzernbetriebsrat einen Wahlvorstand. § 16 Abs. 1 gilt entsprechend.

(2) Besteht weder ein Gesamtbetriebsrat noch ein Konzernbetriebsrat, so wird in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer ein Wahlvorstand gewählt; § 16 Abs. 1 gilt entsprechend. Gleiches gilt, wenn der Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat die Bestellung des Wahlvorstands nach Absatz 1 unterlässt.

(3) Zu dieser Betriebsversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands machen.

(4) Findet trotz Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wählt die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.

(1) In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt. Dies gilt auch für gemeinsame Betriebe mehrerer Unternehmen.

(2) Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen wird vermutet, wenn

1.
zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden oder
2.
die Spaltung eines Unternehmens zur Folge hat, dass von einem Betrieb ein oder mehrere Betriebsteile einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs wesentlich ändert.

(1) Betriebsteile gelten als selbständige Betriebe, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllen und

1.
räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt oder
2.
durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind.
Die Arbeitnehmer eines Betriebsteils, in dem kein eigener Betriebsrat besteht, können mit Stimmenmehrheit formlos beschließen, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen; § 3 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend. Die Abstimmung kann auch vom Betriebsrat des Hauptbetriebs veranlasst werden. Der Beschluss ist dem Betriebsrat des Hauptbetriebs spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit mitzuteilen. Für den Widerruf des Beschlusses gelten die Sätze 2 bis 4 entsprechend.

(2) Betriebe, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 nicht erfüllen, sind dem Hauptbetrieb zuzuordnen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 7. September 2010 - 16 TaBV 57/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Jahr 2010 eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen und dem Wahlvorstand zu untersagen ist, die Wahl erneut einzuleiten.

2

Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Unternehmen, das Gebäudereinigungsarbeiten und sonstige Dienstleistungen für gewerbliche Kunden ausführt. Sie beschäftigt ca. 827 Arbeitnehmer in etwa 350 Objekten. Im Jahr 2008 wurde bei ihr ein dreizehnköpfiger Betriebsrat gewählt. Eines der Betriebsratsmitglieder war der Leiter der Lohnbuchhaltung der Arbeitgeberin M. Das frühere Betriebsratsmitglied S ist der Schwiegervater des Geschäftsführers der Arbeitgeberin.

3

In der Zeit vom 1. März 2010 bis 31. Mai 2010 sollten die regelmäßigen Betriebsratswahlen stattfinden. Die Betriebsratsvorsitzende V lud mit Schreiben vom 26. März 2010 zu einer Betriebsratssitzung am 30. März 2010, 9:00 Uhr, in das DGB-Haus in D, W-Saal, ein. Ersatzmitglieder wurden nicht geladen. In der Tagesordnung waren ua. die Themen genannt:

        

„5.     

Aufnahme von der BR-Sitzung am 29.01.2010 (Handy) - Ausschluss von der Sitzung am 30.03.2010 von Herrn M und Herrn S mit Beschlussfassung

        

…       

        
        

9.    

Wahl mit anschließendem Beschluss eines Wahlvorstandes für die kommende BR-Neuwahl“

4

Am 30. März 2010 erschienen alle 13 Mitglieder zu der Betriebsratssitzung. Auch die Gewerkschaftssekretärin der IG Bauen-Agrar-Umwelt B war anwesend. Als über den Tagesordnungspunkt 5 beraten werden sollte, verlangte die Vorsitzende, dass die Betriebsratsmitglieder M und S den Sitzungssaal verlassen sollten. Beide kamen dem nicht nach. Es folgte ein Streitgespräch. Die Vorsitzende sowie die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U verließen den W-Saal, um in einem anderen Raum über den Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S zu beraten. Zuvor hatte die Vorsitzende die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z aufgefordert, den Betriebsratsmitgliedern zu folgen, die den Saal verließen. Die fünf aufgeforderten Betriebsratsmitglieder hatten das abgelehnt. Nach den Angaben des Wahlvorstands wurde in dem anderen Sitzungssaal beschlossen, die Betriebsratsmitglieder M und S von der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 auszuschließen.

5

Die Vorsitzende und die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U kehrten danach in den W-Saal zurück und teilten den übrigen Betriebsratsmitgliedern mit, die Betriebsratsmitglieder M und S seien mit sechs Jastimmen und fünf Enthaltungen von der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 ausgeschlossen worden. Dieser Beschluss ist in Nr. 3 eines handschriftlichen Protokolls festgehalten, das von der Vorsitzenden und der Schriftführerin O unterzeichnet wurde. Die Vorsitzende forderte die Betriebsratsmitglieder M und S auf, nun den W-Saal zu verlassen, damit die Betriebsratssitzung fortgeführt werden könne. Die beiden Betriebsratsmitglieder lehnten das ab. Die Vorsitzende sowie die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U verließen daraufhin erneut den W-Saal, um die Sitzung in einem anderen Raum fortzusetzen. Zuvor hatten sie die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z erneut erfolglos aufgefordert, sie zu begleiten. Die Sitzung wurde von der Vorsitzenden sowie den Betriebsratsmitgliedern A, E, I, O und U in dem anderen Sitzungssaal fortgeführt. Auch auf diesen Teil der Betriebsratssitzung geht das handschriftliche Protokoll der Vorsitzenden und der Schriftführerin ein. Die Niederschrift behandelt die Bestellung eines Wahlvorstands nicht. Über die Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 wurde ein weiteres Protokoll verfasst, das von den Betriebsratsmitgliedern M und Z unterschrieben wurde.

6

Mit Schreiben vom 30. März 2010 verlangte der Wahlvorstand von der Arbeitgeberin die erforderlichen Auskünfte, um eine Wählerliste zu erstellen. Die Arbeitgeberin weigerte sich mit der Begründung, ein Wahlvorstand sei nicht ordnungsgemäß gebildet worden. Unter dem 1. April 2010 erließ der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben, mit dem die Betriebsratswahl für alle Arbeitnehmer der von der Arbeitgeberin betreuten Objekte eingeleitet wurde.

7

Die Arbeitgeberin hat in dem von ihr am 12. April 2010 eingeleiteten Beschlussverfahren verlangt, die eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen, weil der Wahlvorstand nicht wirksam errichtet sei. Der Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S aus dem Betriebsrat sei unwirksam. Als die Vorsitzende und die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O und U den W-Saal zum zweiten Mal verlassen hätten, sei zuvor nicht mitgeteilt worden, in welchem Raum die Sitzung fortgesetzt und dass dort über die Bestellung eines Wahlvorstands abgestimmt werden solle. Die Betriebsratsmitglieder F, K, M, R, H, S und Z hätten gegen einen Wahlvorstand in der jetzigen Besetzung gestimmt, wenn die Betriebsratssitzung am 30. März 2010 mit den Betriebsratsmitgliedern M und S im W-Saal fortgesetzt worden wäre. Die Wahl sei auch deshalb abzubrechen, weil das Unternehmen der Arbeitgeberin aufgrund einer Umstrukturierung vom 28. Oktober 2009 in zehn einzelne Betriebe aufgespalten worden sei.

8

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

       

dem Wahlvorstand aufzugeben, das eingeleitete Verfahren zur Durchführung der Wahl eines Betriebsrats abzubrechen und nicht fortzuführen und auch nicht neu einzuleiten.

9

Der Wahlvorstand hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er hat behauptet, er sei in der Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 bestellt worden, nachdem die sechs Betriebsratsmitglieder zum zweiten Mal den W-Saal verlassen hätten. Der Wahlvorstand bestehe aus der Betriebsratsvorsitzenden V sowie den Betriebsratsmitgliedern A, E, I und O. Das Betriebsratsmitglied S habe die Sitzung vom 30. März 2010 von Beginn an gestört. Herr S habe unter Hinweis auf die Arbeitsunfähigkeit der Betriebsratsvorsitzenden bezweifelt, dass sie aufgrund ihres Tablettenkonsums in der Lage sei, die Tragweite ihres Handelns zu erkennen. Dem hätten sich die anderen, dem Arbeitgeber nahestehenden Betriebsratsmitglieder und vor allem das Betriebsratsmitglied M angeschlossen. Sie hätten die Betriebsratsvorsitzende immer wieder unterbrochen. Die Betriebsratssitzung vom 30. März 2010 habe wegen der Störungen in einen anderen Saal verlegt werden müssen, um die Sitzung ohne die Betriebsratsmitglieder M und S fortzusetzen. Da die Betriebsratsmitglieder F, K, R, H und Z dem nicht nachgekommen seien, habe ihr Verhalten als Stimmenthaltung gewertet werden müssen. Die Fortführung einer Betriebsratswahl dürfe nur dann untersagt werden, wenn die Wahl nichtig und nicht nur anfechtbar sei. Die durchzuführende Wahl sei weder nichtig noch „sicher anfechtbar“.

10

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Arbeitgeberin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Wahlvorstands zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verlangt der Wahlvorstand weiter die Abweisung des Antrags der Arbeitgeberin.

11

B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Für eine abschließende Entscheidung fehlen erforderliche Tatsachenfeststellungen. Die Sache ist deshalb zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

12

I. Neben der Arbeitgeberin ist nur der Wahlvorstand am Verfahren beteiligt. Die Wahlvorstandsmitglieder sind keine Beteiligten.

13

1. Der Wahlvorstand ist selbst dann am Verfahren beteiligt, wenn seine Bestellung nichtig ist, wie es das Landesarbeitsgericht angenommen hat.

14

a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (für die st. Rspr. BAG 4. Mai 2011 - 7 ABR 3/10 - Rn. 10).

15

b) Der Wahlvorstand ist danach am Verfahren beteiligt. Die von der Arbeitgeberin erstrebte Entscheidung betrifft unmittelbar seine Existenz und seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte.

16

2. Die einzelnen Wahlvorstandsmitglieder sind keine Beteiligten des Verfahrens. Es geht nicht um die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte der einzelnen Wahlvorstandsmitglieder, sondern um die Existenz und die Rechte des Gremiums.

17

II. Die Rechtsbeschwerde des Wahlvorstands ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Ob er begründet ist, lässt sich erst beurteilen, wenn weitere Tatsachenfeststellungen getroffen sind.

18

1. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig.

19

a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, ist das Begehren der Arbeitgeberin als einheitlicher Unterlassungsantrag zu verstehen. Er ist darauf gerichtet, dem Wahlvorstand jede weitere Handlung zu untersagen, die auf die Durchführung der Wahl gerichtet ist. Mit diesem Verständnis ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

20

b) Die Arbeitgeberin ist antragsbefugt. Sie kann sich mit einem Unterlassungsantrag dagegen wenden, dass der nach ihrer Auffassung nicht wirksam errichtete Wahlvorstand tätig wird (vgl. schon BAG 3. Juni 1975 - 1 ABR 98/74 - zu II 2 der Gründe, BAGE 27, 163). Ihre Antragsbefugnis entspricht dem Recht, die spätere Betriebsratswahl nach § 19 Abs. 2 BetrVG anzufechten.

21

c) Der Wahlvorstand ist beteiligtenfähig iSv. § 10 Satz 1 Halbs. 2 ArbGG. Das gilt selbst dann, wenn seine Bestellung nichtig ist. Der Wahlvorstand hält sich für existent. Für das Verfahren, in dem mittelbar über die Nichtigkeit seiner Bestellung gestritten wird, ist er als bestehend zu behandeln und damit beteiligtenfähig.

22

d) Das Verfahren ist nicht erledigt. Im Betrieb der Arbeitgeberin ist weiter ein Betriebsrat zu wählen.

23

2. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob der Antrag der Arbeitgeberin begründet ist. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann dem Unterlassungsantrag nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat zwar im Ergebnis zu Recht erkannt, dass einem in nichtiger Weise errichteten Wahlvorstand untersagt werden kann, weiter tätig zu werden. Die getroffenen Feststellungen lassen aber nicht die Würdigung zu, dass die Errichtung des Wahlvorstands nichtig ist. Es fehlen Feststellungen zu der Frage, ob die sechs Betriebsratsmitglieder, die am 30. März 2010 zweimal den W-Saal verließen, bei ihrem zweiten Aufenthalt in dem anderen Saal des DGB-Hauses in D überhaupt einen Wahlvorstand bestellten.

24

a) Ein Anspruch des Arbeitgebers darauf, die von einem Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen, kann sich zum einen aus der zu erwartenden Nichtigkeit der Betriebsratswahl ergeben. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht. Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers besteht zum anderen, wenn das Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, in dieser Funktion überhaupt nicht oder in nichtiger Weise bestellt wurde.

25

aa) Der gerichtliche Abbruch einer Betriebsratswahl aufgrund von Mängeln des Wahlverfahrens kommt nur in Betracht, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig wäre.

26

(1) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem Wahlvorstand untersagt werden kann, eine von ihm eingeleitete Betriebsratswahl weiter durchzuführen, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Das Bundesarbeitsgericht konnte die Frage bisher nicht klären, weil diese Streitigkeiten regelmäßig in einstweiligen Verfügungsverfahren ausgetragen werden, deren Rechtszüge vor dem Landesarbeitsgericht enden (§ 92 Abs. 1 Satz 3 iVm. § 85 Abs. 2 ArbGG).

27

(a) Ein Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur nimmt an, im Allgemeinen könne der Abbruch einer laufenden Betriebsratswahl durch einstweilige Verfügung nur angeordnet werden, wenn die eingeleitete Wahl mit Sicherheit als nichtig anzusehen sei (vgl. beispielhaft aus der Instanzrechtsprechung Sächsisches LAG 22. April 2010 - 2 TaBVGa 2/10 - zu II 1 der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 16 - 19; LAG Baden-Württemberg 9. März 2010 - 15 TaBVGa 1/10 - zu II 3 der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 12 - 15; grundlegend LAG Baden-Württemberg 20. Mai 1998 - 8 Ta 9/98 - AiB 1998, 401; aus dem Schrifttum zB ErfK/Koch 11. Aufl. § 18 BetrVG Rn. 7; wohl auch Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 18 Rn. 21).

28

(b) Die noch immer überwiegende Ansicht lässt dagegen bereits die sichere Anfechtbarkeit der Wahl genügen (vgl. bspw. LAG Schleswig-Holstein 7. April 2011 - 4 TaBVGa 1/11 - zu II 2 a aa aE der Gründe; LAG Hamburg 19. April 2010 - 7 TaBVGa 2/10 - zu II 2 b der Gründe, NZA-RR 2010, 585; Hessisches LAG 7. August 2008 - 9 TaBVGa 188/08 - zu II der Gründe; im Schrifttum zB Dzida/Hohenstatt BB-Special 14 Heft 50, 1, 2 bis 4; Fitting 25. Aufl. § 18 Rn. 42; DKKW/Schneider/Homburg 12. Aufl. § 18 Rn. 6; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 18 Rn. 79 f. mwN; Rieble/Triskatis NZA 2006, 233, 234 bis 236; Veit/Wichert DB 2006, 390, 391; wohl auch Bram FA 2006, 66 ff.; siehe zu weiter differenzierenden Ansichten auch die Übersicht in LAG Baden-Württemberg 9. März 2010 - 15 TaBVGa 1/10 - zu II 2 b der Gründe, ZBVR online 2010 Nr. 7/8 12 - 15).

29

(2) Das Betriebsverfassungsgesetz regelt nicht ausdrücklich, ob und unter welchen Voraussetzungen eine eingeleitete Betriebsratswahl abzubrechen ist und wer hierfür anspruchsberechtigt ist. Ausdrücklich geregelt ist in § 19 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG nur die Anfechtung einer durchgeführten Wahl. Obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Anspruchsgrundlage fehlt, ergibt sich aus dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang, dass jedenfalls der Arbeitgeber es unterbinden kann, wenn in seinem Betrieb eine nichtige Betriebsratswahl durchgeführt wird. Er kann verlangen, die nichtige Wahl zu unterlassen. Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt für den Unterlassungsanspruch dagegen nicht.

30

(a) Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchgeführt wird. Die mit der Durchführung einer Betriebsratswahl verbundenen Maßnahmen berühren den Arbeitgeber als Betriebsinhaber unmittelbar in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zugleich werden ihm im Zusammenhang mit der Wahl Pflichten auferlegt (vgl. zB § 2 Abs. 2 Satz 1 WO). Ferner hat er nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Kosten der Wahl zu tragen. Schon daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber in seinem Betrieb verlangen kann, eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchzuführen. Der Fall verlangt keine Entscheidung darüber, ob das in gleicher Weise für die weiteren in § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG genannten Anfechtungsberechtigten gilt.

31

(b) Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt für einen Anspruch auf Abbruch der Wahl demgegenüber nicht.

32

(aa) Der Antragsteller könnte sonst mit dem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Unterlassungsantrag mehr erreichen als mit der gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung hat nach § 19 Abs. 1 BetrVG keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens bleibt auch ein nicht ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt.

33

(bb) Würde schon im Fall der voraussichtlich sicheren Anfechtbarkeit der bevorstehenden Wahl ein Abbruch zugelassen, würde verhindert, dass zumindest vorläufig ein Betriebsrat zustande kommt, wie es das Betriebsverfassungsgesetz vorsieht. Damit würde ein betriebsratsloser Zustand aufrechterhalten, der nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes lediglich bei einer nichtigen Wahl eintreten darf. Das Betriebsverfassungsgesetz will betriebsratslose Zustände möglichst vermeiden (vgl. BAG 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu B IV 3 a der Gründe, BAGE 95, 15). Das zeigen nicht nur die gesetzlichen Regelungen des Übergangs- und des Restmandats in §§ 21a und 21b BetrVG sowie der Weiterführung der Geschäfte des Betriebsrats nach § 22 BetrVG. Der Gesetzeszweck kommt auch in § 1 BetrVG zum Ausdruck. Die Bestimmung lässt den Willen des Gesetzgebers erkennen, dass möglichst in jedem betriebsratsfähigen Betrieb ein Betriebsrat besteht. Die Vorschriften, die die Betriebsratswahl regeln, sind daher so auszulegen, dass der Gesetzeszweck, Betriebsräte zu bilden, möglichst erreicht wird (vgl. schon BAG 14. Dezember 1965 - 1 ABR 6/65 - zu 5 a der Gründe, BAGE 18, 41).

34

(cc) Die Möglichkeit des vorzeitigen Abbruchs einer voraussichtlich nur anfechtbaren Wahl würde auch der Konzeption nicht gerecht, die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zum Ausdruck kommt. Danach ist die Wahlanfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig. Macht innerhalb dieser Frist keiner der Anfechtungsberechtigten von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch, können Fehler bei der Wahl des Betriebsrats - mit Ausnahme der Nichtigkeit der Wahl - nicht mehr geltend gemacht werden. Durch den vorzeitigen Abbruch der Wahl würde dem Anfechtungsberechtigten von vornherein die Möglichkeit genommen, die Frist verstreichen und die Wahl unangefochten zu lassen.

35

(dd) Auch die Grundsätze, die für politische Wahlen gelten, sprechen dafür, den Abbruch der Wahl auf Fälle der Nichtigkeit zu beschränken. Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren zum Deutschen Bundestag beziehen, können nach § 49 BWahlG nur mit den im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen sowie im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden. Gegen interne Entscheidungen des Wahlorgans kann außerhalb des Wahlprüfungsverfahrens, das nach Abschluss des Wahlverfahrens erfolgt, kein gerichtlicher Rechtsschutz erlangt werden (vgl. nur BVerfG 1. September 2009 - 2 BvR 1928/09, 2 BvR 2 BvR 1937/09 - Rn. 3 bis 14 mwN; s. auch Nießen Fehlerhafte Betriebsratswahlen S. 374 f., der auf S. 377 ff. eine - vollständige - Übertragung der Grundsätze politischer Wahlen auf Betriebsratswahlen ablehnt). Betriebsratswahlen sind zwar nicht so komplex wie Bundestagswahlen (vgl. dazu BVerfG 1. September 2009 - 2 BvR 1928/09, 2 BvR 2 BvR 1937/09 - Rn. 4). Bei § 49 BWahlG handelt es sich gleichwohl um die Konkretisierung eines allgemeinen für Wahlrechtsangelegenheiten geltenden Grundsatzes(vgl. für eine Landtagswahl BVerfG 15. Mai 1963 - 2 BvR 194/63 - BVerfGE 16, 128; für eine Stadtratswahl BVerfG 20. Oktober 1960 - 2 BvQ 6/60 - BVerfGE 11, 329).

36

bb) Der Arbeitgeber kann zudem verlangen, dass die weitere Durchführung der Wahl unterlassen wird, wenn das Gremium, das sich als Wahlvorstand geriert, in dieser Funktion überhaupt nicht bestellt wurde oder seine Bestellung nichtig ist. Handlungen eines inexistenten Wahlvorstands muss der Arbeitgeber in seinem Betrieb nicht hinnehmen.

37

b) Hier sind die von der Arbeitgeberin geltend gemachten Mängel - bis auf die Frage der wirksamen Bestellung des Wahlvorstands - nicht so schwer-wiegend, dass sie die Nichtigkeit der Wahl begründen könnten. Auch die bislang feststellbaren Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht derart gewichtig, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hätten. Der Senat kann aber nicht abschließend beurteilen, ob der Wahlvorstand überhaupt bestellt wurde. Sollte das nicht der Fall sein, wäre dem Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, zu untersagen, die Wahl durchzuführen.

38

aa) Die Betriebsratswahl ist im Entscheidungsfall voraussichtlich nicht nichtig.

39

(1) Eine Betriebsratswahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen nichtig. Voraussetzung dafür ist, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maß verstoßen wird, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen Wahlvorschriften handeln (vgl. für die st. Rspr. BAG 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - zu B II 1 b bb (1) der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1).

40

(2) Diesen hohen Anforderungen ist nicht genügt. Sollte der Betriebsbegriff mit Blick auf die von der Arbeitgeberin behauptete Betriebsaufspaltung vom 28. Oktober 2009 verkannt sein, führt dieser Mangel nicht dazu, dass die eingeleitete Betriebsratswahl sicher nichtig ist. Auch die Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht so schwerwiegend, dass sie die Nichtigkeit der Betriebsratswahl zur Folge hätten.

41

(a) Die mögliche Verkennung des Betriebsbegriffs führt nicht zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl.

42

(aa) Der Ausnahmefall einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl ist bei einer Wahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs durchgeführt wird, grundsätzlich nicht anzunehmen. Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge. Bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs und seiner Anwendung auf die konkrete betriebliche Organisation ist eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten. Das erfordert eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Entscheidung. Kommt es bei diesem Prozess zu Fehlern, sind sie regelmäßig nicht derart grob und offensichtlich, dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht besteht (vgl. etwa BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 1 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1).

43

(bb) Die Tatsachengrundlage einer möglichen Aufspaltung des ursprünglich einheitlichen Betriebs in zehn selbständige Betriebe aufgrund der von der Arbeitgeberin behaupteten Umstrukturierung vom 28. Oktober 2009 war zwischen der Arbeitgeberin und einem Teil der Mitglieder des früheren Betriebsrats umstritten. In einem solchen Fall kann wegen der stets nötigen Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände nicht von einem derart groben und evidenten Verstoß ausgegangen werden, der selbst den Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Betriebsratswahl ausschlösse.

44

(b) Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen es nicht anzunehmen, die Betriebsratswahl sei voraussichtlich deshalb nichtig, weil der Wahlvorstand wegen gravierender Fehler bei seiner Bestellung rechtlich inexistent sei. Dabei kann offenbleiben, ob die nichtige Bestellung des Wahlvorstands stets zur Nichtigkeit der Betriebsratswahl führt. Die bislang festgestellten Mängel bei der Bestellung des Wahlvorstands sind hier jedenfalls nicht so gewichtig, dass sie die Nichtigkeit der Bestellung zur Folge hätten.

45

(aa) Auch die Frage der zwingenden Folge der Nichtigkeit einer eingeleiteten Betriebsratswahl aufgrund der nichtigen Bestellung des Wahlvorstands wird in Rechtsprechung und Schrifttum kontrovers diskutiert. Ein Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur nimmt die Nichtigkeit der Betriebsratswahl infolge einer nichtigen Bestellung des Wahlvorstands an (vgl. zB LAG Köln 10. März 2000 - 13 TaBV 9/00 - zu II 3 der Gründe, LAGE BetrVG 1972 § 3 Nr. 6; GK-BetrVG/Kreutz § 16 Rn. 5; grundlegend Nießen S. 137 ff., 141 ff. mwN). Ein anderer Teil der Instanzrechtsprechung und des Schrifttums verlangt über die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands hinaus zusätzliche Umstände, um die Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl annehmen zu können (vgl. zB LAG Berlin 8. April 2003 - 5 TaBV 1990/02 - zu II 3 c der Gründe, NZA-RR 2003, 587; LAG Nürnberg 29. Juli 1998 - 4 TaBV 12/97 - zu II der Gründe; Fitting § 19 Rn. 5; grundlegend Jacobs Die Wahlvorstände S. 124 ff. mwN). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frage bisher offengelassen (vgl. BAG 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - zu C I 3 der Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 1). Auch dieser Fall verlangt nicht, die Frage abschließend zu beantworten.

46

(bb) Die bislang festgestellten Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands sind nicht so schwerwiegend, dass sie zur Nichtigkeit der Bestellung führten.

47

(aaa) Zwischen der nur fehlerhaften und der darüber hinaus nichtigen Bestellung des Wahlvorstands ist sorgfältig zu unterscheiden. Im Fall eines (einfachen) Errichtungsfehlers bleibt die Bestellung des Wahlvorstands wirksam. Die von ihm durchgeführte Betriebsratswahl kann dann zwar anfechtbar sein, sie ist aber nicht nichtig. Die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands ist auf ausgesprochen schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Eine nur fehlerhafte Bestellung genügt nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maß verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§ 16 bis 17a BetrVG handeln. Für die Beschränkung der nichtigen Bestellung auf ungewöhnliche Ausnahmefälle spricht vor allem das vom Betriebsverfassungsgesetz geschützte Interesse daran, betriebsratslose Zustände zu vermeiden, das insbesondere in §§ 1, 21a, 21b und 22 BetrVG zum Ausdruck kommt. Maßnahmen, die eine Betriebsratswahl vorbereiten sollen, dürfen nicht unnötig erschwert werden. Das gilt für die Bestellung des Wahlvorstands umso mehr, als dessen Kompetenzen nach §§ 18 und 18a BetrVG eng begrenzt sind. Seine Pflichten werden durch das Betriebsverfassungsgesetz und die Wahlordnung genau umrissen (vgl. bereits BAG 14. Dezember 1965 - 1 ABR 6/65 - zu 5 a der Gründe, BAGE 18, 41).

48

(bbb) Nach diesen Grundsätzen rechtfertigen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht die Beurteilung, dass die Bestellung des Wahlvorstands nichtig ist.

49

(aaaa) Aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist allerdings davon auszugehen, dass der Wahlvorstand nicht mit der nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderlichen Mehrheit der Stimmen der anwesenden Betriebsratsmitglieder bestellt wurde. Der frühere Betriebsrat hat zum einen verkannt, dass der vollständige Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S aus dem Betriebsrat ein Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG voraussetzt. Er hat zum anderen nicht beachtet, dass für zeitweilig verhinderte Betriebsratsmitglieder nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG Ersatzmitglieder heranzuziehen sind. Er ist schließlich auch zu Unrecht davon ausgegangen, die im W-Saal verbliebenen weiteren fünf Betriebsratsmitglieder enthielten sich dadurch ihrer Stimme.

50

(bbbb) Die Bestellung eines Wahlvorstands durch die Minderheit der Betriebsratsmitglieder ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen aber kein solch gravierender Verstoß gegen die Bestellungsbestimmungen der §§ 16 bis 17a BetrVG, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Die Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstands waren hier erheblich. Der ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden und den Betriebsratsmitgliedern, die sie in den anderen Saal begleiteten, ging es jedoch ersichtlich darum, ihrer Pflicht zur Bestellung des Wahlvorstands nachzukommen. Eine andere Beurteilung könnte dann geboten sein, wenn die Bestellung durch die Minderheit der Betriebsratsmitglieder auf dem machttaktischen oder willkürlichen Kalkül beruht hätte, die Mehrheit durch die Minderheit zu majorisieren. Dafür bestehen nach den unangegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem Vortrag der Arbeitgeberin keine ausreichenden Anhaltspunkte. Der sog. Ausschluss der Betriebsratsmitglieder M und S von der Sitzung vom 30. März 2010 war nach Nr. 3 des handschriftlichen Protokolls der Betriebsratsvorsitzenden V und der Schriftführerin O vielmehr insbesondere auf angenommene unbefugte Tonaufnahmen einer Betriebsratssitzung zurückzuführen. Das ergibt sich aus den in Nr. 1 der Niederschrift enthaltenen Gründen für ein angestrebtes Ausschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht. Die sechs Betriebsratsmitglieder verließen den W-Saal, weil sie annahmen, die Betriebsratssitzung wegen der behaupteten erheblichen Störungen der Betriebsratsmitglieder M und S nicht ordnungsgemäß durchführen zu können. Sie forderten die übrigen fünf Betriebsratsmitglieder zudem erfolglos auf, sie in den anderen Saal zu begleiten.

51

bb) Unabhängig von einer voraussichtlichen Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl hat der Arbeitgeber Anspruch darauf, dass die Durchführung der Wahl unterlassen wird, wenn das Gremium, das als Wahlvorstand auftritt, in dieser Funktion überhaupt nicht bestellt wurde oder seine Bestellung nichtig ist. Von einer nichtigen Bestellung des Wahlvorstands kann hier aus den genannten Gründen nicht ausgegangen werden. Nicht festgestellt ist aber, ob am 30. März 2010 während des zweiten Aufenthalts der Betriebsratsmitglieder A, E, I, O, U und V in einem anderen Saal als dem W-Saal überhaupt ein Wahlvorstand bestellt wurde. Das handschriftliche Protokoll der Betriebsratsvorsitzenden V und der Schriftführerin O über die Betriebsratssitzung, die am 30. März 2010 außerhalb des W-Saal abgehalten wurde, weist keinen Beschluss aus, mit dem ein Wahlvorstand bestellt wurde. Die Verfahrensbevollmächtigte des Wahlvorstands hat in der Anhörung vor dem Senat erklärt, die Betriebsratsmitglieder A, E, I, O, U und V hätten in Abwesenheit der übrigen Betriebsratsmitglieder durch Beschluss den Wahlvorstand bestellt, nachdem sie den W-Saal zum zweiten Mal verlassen hätten. Die Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin konnte dieses Vorbringen nicht unstreitig stellen. Das Landesarbeitsgericht wird den Umstand deshalb aufzuklären haben.

        

    Linsenmaier    

        

    Kiel    

        

    Gallner    

        

        

        

    Schuh    

        

    Hansen    

                 

(1) Spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit bestellt der Betriebsrat einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen von ihnen als Vorsitzenden. Der Betriebsrat kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöhen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist. Der Wahlvorstand muss in jedem Fall aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen. Für jedes Mitglied des Wahlvorstands kann für den Fall seiner Verhinderung ein Ersatzmitglied bestellt werden. In Betrieben mit weiblichen und männlichen Arbeitnehmern sollen dem Wahlvorstand Frauen und Männer angehören. Jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft kann zusätzlich einen dem Betrieb angehörenden Beauftragten als nicht stimmberechtigtes Mitglied in den Wahlvorstand entsenden, sofern ihr nicht ein stimmberechtigtes Wahlvorstandsmitglied angehört.

(2) Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft; Absatz 1 gilt entsprechend. In dem Antrag können Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands gemacht werden. Das Arbeitsgericht kann für Betriebe mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern auch Mitglieder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, die nicht Arbeitnehmer des Betriebs sind, zu Mitgliedern des Wahlvorstands bestellen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist.

(3) Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, kann auch der Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Konzernbetriebsrat den Wahlvorstand bestellen. Absatz 1 gilt entsprechend.