Finanzgericht Münster Beschluss, 07. Jan. 2015 - 8 V 1774/14 G
Tenor
Die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 2008 bis 2010, jeweils vom 25.11.2013, wird in Höhe von 18.365 EUR für 2008, 16.444 EUR für 2009 und 18.133 EUR für 2010 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung mit der Maßgabe ausgesetzt, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der jeweiligen Gewerbesteuerbescheide in Bezug auf einen Teilbetrag des Gewerbesteuermessbetrages in Höhe von 13.475 EUR für 2008, in Höhe von 14.120 EUR für 2009 und in Höhe von 13.391 EUR für 2010 ausgeschlossen wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 23 % und der Antragsgegner zu 77 %.
1
Gründe:
2I.
3Streitig ist, ob bei der Aussetzung der Vollziehung von Gewerbesteuermessbescheiden eine Sicherheitsleistung auszuschließen ist.
4Der Antragsteller betreibt ein italienisches Restaurant („I- Restaurant“). Seinen Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich.
5Der Antragsgegner setzte die Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre 2008 bis 2010 zunächst auf der Grundlage der von dem Antragsteller erklärten Gewinne fest, wobei die Bescheide für 2009 und 2010 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen.
6Nachdem anonyme Strafanzeigen gegen den Antragsteller bei dem Antragsgegner und dem Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N-Stadt eingegangen waren, wurde am 04.11.2011 ein Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung bezüglich der Jahre 2008 bis 2010 eingeleitet. Zudem ordnete der Antragsgegner mit Verfügung vom 03.02.2012 eine steuerliche Außenprüfung bei dem Antragsteller an. Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N-Stadt kam in seinem Bericht vom 27.12.2012 zu folgenden steuerlichen Feststellungen:
7Der Antragsteller habe in seinem Restaurant eine Registrierkasse der Firma K eingesetzt. Dokumentationsunterlagen über die Kassenprogrammierung hätten sich nicht bei den Buchführungsunterlagen befunden und hätten auch bei der Durchsuchung der Wohnung sowie der Geschäftsräume des Antragstellers nicht sichergestellt werden können. Die eingesetzte Registrierkasse sei in der Weise programmiert, dass bei Bedienen der Taste „Tagesabschluss“ ein so genannter Kettenbericht ausgedruckt werde. Dieser bestehe aus einem Finanzbericht (= Tagesendsummenbon), einem Bedienerbericht und einem Hauptgruppenbericht. Auf den Finanzberichten sei zwar das jeweilige Datum, nicht aber die Uhrzeit des Ausdrucks angegeben. Es seien nur die Barumsätze, nicht hingegen die Einnahmen mittels Scheck und Kreditkarte, welche ausweislich der Bankunterlagen ebenfalls erzielt worden seien, ausgewiesen worden. Angaben zu den aus der Kasse getätigten Entnahmen hätten in den Finanzberichten gefehlt. Da nach Abruf der Finanzberichte der Speicher gelöscht worden sei, hätten die Umsätze nachträglich nicht mehr sichtbar gemacht werden können. Täglich seien zudem die Bedienerberichte ausgedruckt worden. Im Prüfungszeitraum hätten sich allerdings nur wenige – das heißt insgesamt vier – Bedienerberichte in den aufbewahrten Unterlagen befunden. Nach Aussage zweier Angestellter seien diese Berichte vernichtet worden. In Anbetracht des Umstandes, dass sich in den Unterlagen für Februar 2011 ein „Finanzbericht monatlich“ befunden habe, sei davon auszugehen, dass der Antragsteller diese Berichte monatlich abrufe. Aufbewahrt worden seien diese allerdings nicht. Vor dem Hintergrund, dass die laufende Nummer für den „Z-Zähler 2“ (= Z-Zähler für Monatsberichte) nicht auf dem Finanzbericht aufgedruckt sei, sei davon auszugehen, dass die Kasse so programmiert worden sei, dass nur das Nötigste angezeigt werde.
8Für den Veranlagungszeitraum 2008 habe der Antragsteller folgende Unterlagen nicht aufbewahrt:
9- 10
Buchführungsunterlagen für Mai
- 11
2 Finanzberichte (Z)
- 12
361 Bedienerberichte (Z)
- 13
362 Hauptgruppenberichte (Z)
- 14
10 Monatsberichte
Für das gesamte Jahr 2008 seien 32 Postenstorni, jedoch keine Nachstorni ausgewiesen worden.
16Für den Veranlagungszeitraum 2009 hätten folgende Unterlagen gefehlt:
17- 18
3 Finanzberichte (Z)
- 19
350 Bedienerberichte (Z)
- 20
350 Hauptgruppenberichte (Z)
- 21
7 Monatsberichte.
Für das gesamte Jahr 2009 seien 1 Postenstorno, jedoch keine Nachstorni ausgewiesen worden.
23Für den Veranlagungszeitraum 2010 hätten folgende Unterlagen gefehlt:
24- 25
5 Finanzberichte (Z)
- 26
362 Bedienerberichte (Z)
- 27
362 Hauptgruppenberichte (Z)
- 28
7 Monatsberichte.
Für das gesamte Jahr 2010 seien 17 Postenstorni, jedoch keine Nachstorni ausgewiesen worden.
30Ferner seien in dem gesamten Prüfungszeitraum in den Kassenberichten weder Kassenbestände noch die Einlage von Geld ausgewiesen worden. Die täglichen Kassenberichte könnten daher nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, da ein gewisser Wechselgeldbestand in der Kasse hätte verbleiben müssen. Auch die vorgelegten Inventare entsprächen nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung. Insbesondere seien die Unterlagen nicht nachvollziehbar und überprüfbar, da sie keine Angaben zu den aufgenommenen Mengen je Einzelware und den zugrundegelegten Werten enthielten. Durch die Verwendung von Sammelbezeichnungen (z.B. Kühlhaus, diverse Getränke, Wein in Regalen) sei gegen die Einzelaufzeichnungspflicht verstoßen worden. Die Aufzeichnung des Wareneingangs entspräche nicht den Anforderungen des § 143 der Abgabenordnung (AO). So hätten mehrfach die Rechnungsunterlagen zu einzelnen Wareneinkäufen vollständig gefehlt. Teilweise seien lediglich im Nachgang zugegangene Schreiben (Mahnungen, Zahlungserinnerungen) statt der Einkaufsrechnungen zu den Bankauszügen geheftet worden. Von einzelnen Eingangsrechnungen hätten nur eine Seite oder eine Ablichtung vorgelegen.
31In der Gesamtschau seien die festgestellten Mängel nicht nur formeller Natur, sondern wesentlich; die Mängel würden das sachliche Ergebnis der Buchführung beeinflussen. Da der Antragsteller daher die Vermutung der sachlichen Richtigkeit der Buchführung nach § 158 AO nicht in Anspruch nehmen könne, seien die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Dabei sei eine Schätzung nach Richtsätzen zulässig, da der Steuerpflichtige bei Fehlen aller oder wesentlicher Teile der Buchführungsunterlagen nicht verlangen könne, dass umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen und Berechnungen angestellt würden. Wegen der schwerwiegenden Mängel sei eine Zuschätzung am oberen Rahmen der Richtsätze vertretbar. Die amtlichen Richtsätze sähen beim Rohgewinnaufschlagsatz eine Bandbreite von
32- 33
170 – 233 – 335 Prozent für die Jahre 2008 und 2009, sowie
- 34
186 – 257 – 400 Prozent ab dem Jahr 2010
vor. In Anbetracht der vorliegenden Mängel sei ein Rohgewinnaufschlagsatz von 335 % für die Jahre 2008 und 2009 sowie 350 % für die Jahre 2010 bis 2012 als angemessen anzusehen. Im Einzelnen ergäben sich für die Streitjahre folgende Schätzungen:
362008 (in EUR) |
2009 (in EUR) |
2010 (in EUR) |
|
Wareneinsatz |
265.555,57 |
280.141,96 |
278.490,49 |
Erklärte Erlöse |
630.468,53 |
748.733,54 |
730.673,47 |
+ Sicherheitszuschläge |
524.698,20 |
469.883,99 |
522.533,74 |
Erlöse neu |
1.155.166,73 |
1.218.617,53 |
1.253.207,21 |
Rohgewinnaufschlagsatz (bisher) |
137,41 |
167,27 |
162,37 |
Rohgewinnaufschlagsatz (neu) |
335,00 |
335,00 |
350,00 |
Rohgewinnaufschlagsatz (Unterschiedsbetrag) |
197,59 |
167,73 |
187,63 |
Auf dieser Grundlage ergäben sich folgende Gewinnänderungen:
382008 (in EUR) |
2009 (in EUR) |
2010 (in EUR) |
|
Gewinn bisher |
52.590,51 |
151.103,59 |
60.950,65 |
Sicherheitszuschläge |
524.698,20 |
469.883,99 |
522.533,74 |
Gewinn laut Betriebsprüfung |
577.288,71 |
620.987,58 |
583.484,39 |
Unter Berücksichtigung von erhöhten Gewerbesteuerrückstellungen betrügen demnach die steuerlichen Gewinne 568.196,75 EUR (2008), 620.987,77 EUR (2009) und 585.622,53 EUR (2010). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 27.12.2012 samt Anlagen Bezug genommen.
40Der Antragsteller nahm hierzu mit Schriftsatz vom 22.04.2013 wie folgt Stellung: Die als Zeugen vernommenen Mitarbeiter Z1 und Z2 hätten überzeugend dargelegt, dass Manipulationen an der Registrierkasse oder eine Verheimlichung von Einnahmen ausgeschlossen werden könnten. Bei der Anschaffung der Kasse habe er, der Antragsteller, keine Organisationsunterlagen erhalten; vielmehr könnten die entsprechenden Unterlagen aus dem Internet heruntergeladen werden. Die Steuerfahndung habe die Unterlagen weder bei dem Kassenverkäufer beschlagnahmt noch aus dem Internet heruntergeladen. Tagesendsummenbons (sog. Z-Bons) seien erstellt wurden. Der Umstand, dass auf den Z-Bons die Uhrzeit nicht vermerkt sei, habe seinen Grund darin, dass im Gastronomiebereich der Geschäftsschluss regelmäßig nach 0:00 Uhr liege und der Z-Bon daher bei der Programmierung einer Uhrzeit das Datum des Folgetages trüge. Aus diesem Grund werde üblicherweise auf die Programmierung der Uhrzeit verzichtet. Unzutreffend sei, dass die Zahlungswege nicht angegeben worden seien. Vielmehr seien die Schecks oder Kreditkartenbelege direkt hinter die Z-Bons oder Kassenberichte geheftet worden. Auch im Übrigen lieferten die Z-Bons verbunden mit den täglichen Kassenberichten ein vollständiges und steuerlich korrektes Bild über die Einnahmen und Ausgaben. Kellner- und Bedienerberichte seien nicht „konsequent vernichtet“, sondern nur sporadisch zu Kontrollzwecken ausgedruckt worden. Eine Aufbewahrungspflicht bestehe insoweit nicht. Die Löschung des Speichers nach dem Ausdruck des Z-Bons entspreche der standardmäßigen Programmierung und beruhe nicht auf einer Manipulation der Kasse. Die Hauptgruppenberichte seien nicht aufbewahrt worden, da sie rein betriebswirtschaftlicher Natur seien. Nicht richtig sei, dass es an Rechnungen fehle. Vielmehr würden mit der Registrierkasse grundsätzlich keine Rechnungen erstellt. Soweit darauf verwiesen werde, dass angeblich lediglich Postenstorni ausgewiesen worden seien, sei zu berücksichtigen, dass Nachstorni nicht angefallen seien. Die wenigen aufgefundenen Bedienerberichte seien generiert worden, um während des laufenden Tagesgeschäfts die Umsätze – und damit letztlich auch die Mitarbeiter – überprüfen zu können. Ansonsten seien die Bedienerberichte weder ausgedruckt noch archiviert worden. Eine „Vernichtungsanweisung“ habe es nicht gegeben. Bei dem Vorwurf, dass der Z-Zähler 2 nicht auf den Finanzberichten aufgedruckt sei, handele es sich letztlich um eine Mutmaßung. Unzutreffend sei, dass die Z-Bons nicht vollständig vorhanden gewesen seien. Die Steuerberaterin S. könne jederzeit bestätigen, dass alle Unterlagen im Original vorgelegen hätten. Entsprechendes gelte für die – angeblich fehlenden – Buchführungsunterlagen für Mai 2008. Im Jahr 2008 sei es teilweise vermehrt zu Stornierungen gekommen, da das neu eingestellte Personal erst habe eingewiesen werden müssen. Die Kassenbestände seien korrekt angegeben worden. Wenn ein Kassenbestand von null Euro ausgewiesen worden sei, dann sei der gesamte Bargeldbestand zur Bank gebracht worden. Das Wechselgeld sei aus den Tageseinnahmen des Vortages bestritten worden; dies sei entsprechend im Finanzbericht vermerkt worden. Zudem habe er, der Antragsteller, stets privates Geld in einem Portemonnaie als Wechselgeld vorgehalten. Daraus entnommenes Wechselgeld sei regelmäßig aus Bareinnahmen wieder aufgefüllt worden. Die Inventarlisten seien nicht zu beanstanden. Die pauschale Feststellung durch die Fahndungsprüfung, dass Eingangsrechnungen gefehlt hätten, sei nicht einlassungsfähig.
41In rechtlicher Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung eine Buchführung bereits dann ordnungsgemäß sei, wenn die Kasseneinnahmen täglich in ein Kassenbuch eingetragen und dazu die Kassenberichte sowie die Z-Bons aufbewahrt würden. Zudem sei die Ordnungsgemäßheit der Buchführung für jeden Besteuerungszeitraum separat zu ermitteln. Darüber hinaus müsse die Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder zum Teil sachlich unrichtig sein. Die vom Antragsgegner vorgenommene Schätzung sei auch der Höhe nach nicht haltbar. Eine Schätzung sei nur dann zulässig, wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln könne. Der Antragsgegner habe die ursprünglich beabsichtigte Kalkulation nicht durchgeführt. Ferner seien die zugrundegelegten Rohgewinnaufschlagsätze völlig lebensfremd. Für den Streitfall sei zu berücksichtigen, dass auch ein Mittagstisch mit knapp kalkulierten Preisen angeboten werde. Im Jahr 2008 habe er, der Antragsteller, vor dem Hintergrund, dass er das Restaurant gerade erst übernommen habe, Kundenbindung über die Ausgabe von Gratisgetränken betreiben müssen. Eine weitere Schmälerung des Rohgewinnaufschlagsatzes ergebe sich daraus, dass frisches Fleisch und frischer Fisch verkauft werde. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Betriebsprüfung bei dem vormaligen Inhaber des Restaurants eine Nachkalkulation mit einem Rohgewinnaufschlagsatz von lediglich 179 % vorgenommen habe. Unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages sei im Ergebnis ein Rohgewinnaufschlagsatz von 215 % angesetzt worden. Diese Zuschätzung, welche ebenfalls angefochten werde, zeige, wie überhöht die im Streitfall durchgeführte Zuschätzung ausgefallen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22.04.2013 Bezug genommen.
42Der Antragsgegner folgte den Feststellungen aus dem Bericht vom 27.12.2012 und erließ am 03.12.2013 Änderungsbescheide bezüglich der Umsatzsteuer, am 05.11.2013 Änderungsbescheide bezüglich der Einkommensteuer sowie am 25.11.2013 Änderungsbescheide bezüglich der Gewerbesteuermessbeträge, wobei der Gewerbesteuermessbescheid für 2008 auf der Grundlage des § 35b Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes und die Gewerbesteuermessbescheide für 2009 sowie 2010 auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 AO erlassen wurden.
43Der Antragsgegner legte gegen die Gewerbesteuermessbescheide Einspruch ein und beantragte, die Vollziehung dieser Bescheide auszusetzen. Der Antragsgegner setzte daraufhin mit Verfügung vom 13.12.2013 die Vollziehung der angefochtenen Bescheide bezüglich der Gewerbesteuermessbeträge i.H.v. 18.365 EUR (2008), 16.444 EUR (2009) und 18.133 EUR (2010) bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die eingelegten Einsprüche aus. Eine Sicherheitsleistung wurde weder angeordnet noch ausdrücklich ausgeschlossen. Mit Schreiben vom 13.12.2013 teilte der Antragsgegner der Stadt N-Stadt mit, dass die angefochtenen Bescheide von der Vollziehung ausgesetzt worden seien.
44Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N-Stadt verfasste unter dem 18.12.2013 einen steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht, in dem ergänzend Folgendes ausgeführt wurde: Der Antragsteller habe das Restaurant „I- Restaurant“ zum 01.01.2008 übernommen. Zum Beginn seiner Selbstständigkeit habe der Kassenaufsteller K. (K. Kassensysteme) eine Registrierkasse Typ K, Modell K1 installiert. Bei der Durchsuchung der Geschäftsräume des Kassenaufstellers seien drei Kassenprogrammierungen der im Restaurant des Antragstellers eingesetzten Registrierkasse vorgefunden worden. Der Kassenprogrammierung vom 09.09.2008 lasse sich entnehmen, dass nicht mehr benötigte Journalzeilen beim Rotieren gelöscht würden, während nach der Standardeinstellung mindestens 50 % der Journalzeilen nach dem Rotieren erhalten blieben. Die Finanzberichte seien in der Weise programmiert worden, dass nur Postenstorni, nicht hingegen Nachstorni ausgewiesen würden. Ebenfalls nicht angezeigt würden die Anzahl der abgerufenen Monatsberichte. Die Zeugen Z1 und Z2 hätten ausgesagt, dass die Abrechnung durch den Antragsteller persönlich und nur dann durch sie, die Zeugen, gemacht werde, wenn der Antragsteller nicht im Restaurant anwesend sei. Nach Aussage der Zeugen sei der Tagesabschluss mit dem „Z-Schlüssel“ gemacht worden. Im Z-Modus würden nach dem Ausdrucken der Berichte die Speicher auf „o“ gestellt. Hierbei werde ein Kettenbericht abgerufen, welcher aus einem Bediener-, einem Finanz- und einem Hauptgruppenbericht bestehe. Die Zeugen hätten hierzu erläutert, dass hiervon nur die Finanzberichte aufbewahrt worden seien. Auch die Monatsberichte seien nicht aufbewahrt worden. Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass durch konsequente Vernichtung wichtiger, aufbewahrungspflichten Unterlagen die Überprüfung der tatsächlichen Einnahmen nicht möglich sei. Im Einzelnen seien folgende Unterlagen betroffen:
45- 46
Einzelaufzeichnungen (laufende Löschung elektronischen Journals),
- 47
Protokolle zur Kassenprogrammierung,
- 48
Bedienerberichte, aus denen die durchgeführten Nachstorni hätten erkannt werden können,
- 49
Hauptgruppenberichte, aus denen das Verhältnis der verkauften Speisen zu den verkauften Getränken für eine Kalkulation hätte ermittelt werden können,
- 50
Monatsberichte, mit deren Hilfe die Vollständigkeit der Einnahmen hätte überprüft werden können,
- 51
Inventuren,
- 52
Speisekarten über täglich wechselnde Menüs.
Die Stadt N-Stadt setzte die auf der Grundlage der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide erlassenen Gewerbesteuerbescheide gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 269.094,40 EUR von der Vollziehung aus. Das Verwaltungsgericht N-Stadt lehnte den Antrag des Antragstellers, die Stadt N-Stadt im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vollziehung der Gewerbesteuerbescheide ohne Sicherheitsleistung auszusetzen, mit Beschluss vom 05.03.2014 (9 L x/x) ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 23.04.2014 zurück.
54Der Antragsteller beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 07.05.2014 beim Antragsgegner, bei der Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide auf eine Sicherheitsleistung ausdrücklich zu verzichten. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag mit Schriftsatz vom 20.05.2014 unter Hinweis darauf, dass die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide nicht mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig seien, ab.
55Der Antragsteller hat daraufhin beim Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide unter Verzicht auf eine Sicherheitsleistung gestellt. Zur Begründung macht er geltend, die eingelegten Einsprüche hätten aufgrund der mit Schriftsatz vom 22.04.2013 erhobenen Einwendungen mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hätten – zumindest im Hinblick auf den gesamten Besteuerungszeitraum – nicht vorgelegen. Die vorgenommenen Schätzungen seien grob fehlerhaft. Der zugrunde gelegte Rohgewinnaufschlagsatz von 350 % liege jenseits der Richtsätze, die für die hier in Rede stehenden Zeiträume aus den Richtlinien der Finanzverwaltung entnommen werden könnten, und könne von seinem Unternehmen nicht erzielt werden. Hierin liege ein evidenter und klarer Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es sei unzutreffend, dass er, der Antragsteller, eine Registrierkasse in der Weise programmiert habe, dass Nachstorni nicht ausgewiesen worden seien; vielmehr habe er ein Kassensystem mit einer Standard-Programmierung erworben. Eine Verpflichtung zur Aufbewahrung der Kettenberichte habe nicht bestanden. Die entsprechenden Regelungen in dem BMF-Schreiben vom 26.11.2010 seien als bloße Verwaltungsanweisung nicht bindend. Ferner hätte eine Schätzung allenfalls auf der Grundlage einer Kalkulation und nicht nach Rohgewinnaufschlagsätzen durchgeführt werden dürfen. Wegen der Einzelheiten nimmt der Antragsteller Bezug auf den Schriftsatz vom 22.04.2013.
56Der Antragsteller macht ferner geltend, dass sein Unternehmen durch die Hinzuschätzungen in existenzielle Schwierigkeiten getrieben werde. Der Antragsgegner habe bei der Ablehnung des Antrags, auf eine Sicherheitsleistung zu verzichten, sein Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. In dem Schriftsatz vom 20.05.2014 heiße es lediglich ohne weitere Begründung, dass die Grundlagenbescheide nicht mit Sicherheit oder mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig seien. Im Hinblick auf die umfassenden Einwendungen im Schriftsatz vom 22.04.2013 sei eine ausführlichere Begründung erforderlich gewesen.
57Schließlich sei es nach der Systematik der Abgabenordnung nicht haltbar, dass die Aussetzung der Vollziehung nur im Hinblick auf die Gewerbesteuer ohne Sicherheitsleistung gewährt werde, wenn auf eine solche Sicherheitsleistung ausdrücklich verzichtet werde. Dies sei im besonderen Maße bedenklich, wenn der Verzicht nur unter der Voraussetzung erklärt werden könne, dass der Rechtsbehelf mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sei. In diesem Fall würde dem Steuerpflichtigen von der Gemeinde mehr abverlangt als die Finanzverwaltung ihm aufgebürdet habe. Eine solche Regelung verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz sowie gegen das Rechtsstaatsprinzip.
58Der Antragsteller beantragt,
59die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 2008 bis 2010, jeweils vom 25.11.2013, in Höhe von 18.365 EUR für 2008, 16.444 EUR für 2009 und 18.133 EUR für 2010 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung mit der Maßgabe auszusetzen, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der jeweiligen Gewerbesteuerbescheide ausgeschlossen wird,
60hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antrag, die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide 2008 bis 2010, jeweils vom 25.11.2013, in Höhe von 18.365 EUR für 2008, 16.444 EUR für 2009 und 18.133 EUR für 2010 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung mit der Maßgabe auszusetzen, dass die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung der jeweiligen Gewerbesteuerbescheide ausgeschlossen wird, erneut zu bescheiden.
61Der Antragsgegner beantragt,
62den Antrag abzulehnen.
63Der Antragsgegner führt an, die gegen die Gewerbesteuermessbescheide gerichteten Einsprüche seien nicht mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Zur Begründung nimmt er auf den Bericht über die steuerlichen Feststellungen vom 27.12.2012 sowie den steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht vom 18.12.2013 Bezug. Ergänzend führt er an, der Antragsteller habe die Registrierkasse nachweislich derart programmiert, dass vorgenommene Nach-Storni nicht in den täglichen Finanzberichten ausgewiesen worden seien. Maschinell erzeugte Kassenberichte, aus denen die Höhe der Umsatzlöschungen ersichtlich gewesen wäre (Bedienerberichte) bzw. mithilfe derer die stornierten Differenzen hätten errechnet werden können (Monatsbedienerberichte), seien konsequent vernichtet worden. Ebenfalls gelöscht worden seien Unterlagen und Daten (wie z.B. das elektronische Journal, die Warengruppenberichte und die Hauptgruppenberichte), die ihm, dem Antragsgegner, als Kalkulationsgrundlage hätten dienen können. Im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen seien vernichtete Kassenausdrucke im Büro der A-Gastronomie GmbH, deren Geschäftsführer der Antragsteller gewesen sei, sowie in der privaten Wohnung des Antragstellers gefunden worden. Diese Kassenausdrucke würden die umsatzmindernden Manipulationen beweisen sowie die Höhe des Schätzungsrahmens untermauern – so hätten acht von zehn der im Müll vorgefundenen Kassenausdrucke einen stornierten Gesamtumsatz in Höhe von rund 12.500 EUR ausgewiesen. Die Schätzungen seien auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung erfolgt. Dabei sei für alle Veranlagungszeiträume ein Rohgewinnaufschlagsatz von 350 % angewandt worden. Die Rohgewinnaufschlagsätze für Gast- und Speisewirtschaften lauteten für die Jahre 2007-2009 auf 170 % - 233 % - 335 % sowie für 2010 auf 186 % - 257 % - 400 %. Angesichts dessen, dass durch die Kassenprogrammierung und die nachfolgende Vernichtung relevanter Kassenunterlagen die Möglichkeit bestanden habe, Umsätze in willkürlicher Höhe nachträglich zu löschen und eine Kalkulation der Umsätze zu vereiteln, seien Schätzungen an der oberen Grenze des Richtsatzrahmens angezeigt gewesen. Auch die Überschreitung des Richtsatzrahmens in den Veranlagungszeiträumen 2008 und 2009 sei angesichts des festgestellten Fehlverhaltens des Antragstellers zulässig.
64II.
65Der zulässige Hauptantrag ist nur teilweise begründet. Bei summarischer Prüfung sind die eingelegten Einsprüche nur insoweit mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich, als die vom Antragsgegner vorgenommene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu hoch ausgefallen ist. Der Hilfsantrag ist unzulässig.
66Gemäß § 69 Abs. 3, Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt ein ausdrücklicher Ausschluss der Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung nur in Betracht, wenn der gegen den Grundlagenbescheid gerichtete Rechtsbehelf mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird (BFH Beschlüsse vom 29.07.1997 VIII S 1/97, BFH/NV 1998, 186 und vom 04.07.2002 VIII B 72/02, BFH/NV 2002, 1445).
67Dieser Prüfungsmaßstab verstößt nach Auffassung des Senats nicht gegen das Grundgesetz. Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Eine Ungleichbehandlung ist nicht gegeben, da der verschärfte Prüfungsmaßstab nur für die Frage, ob eine Sicherheitsleistung auszuschließen ist, und nicht für die Frage, ob Aussetzung der Vollziehung zu gewähren ist, gilt. Auch bei anderen Steuerarten entspricht es allgemeinen Grundsätzen, dass eine Sicherheitsleistung dann ausgeschlossen ist, wenn der angefochtene Verwaltungsakt mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist (vgl. BFH Beschluss vom 25.11.2005 V B 75/05, BStBl II 2006, 484). Bei Rechtsbehelfen gegen Gewerbesteuermessbescheide besteht lediglich in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Besonderheit, dass das Finanzamt bzw. das Finanzgericht für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zuständig ist, während die Gemeinde bzw. das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Sicherheitsleistung im Übrigen zu überprüfen hat. Eine Ungleichbandlung in der Sache ist damit nicht verbunden. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG, da gegen die Entscheidung des Finanzamtes der Finanzrechtsweg und gegen die Entscheidung der Gemeinde der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
68Bei der im Rahmen des § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung ist im Streitfall nicht mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsgegner bereits dem Grunde nach nicht zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt war. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich. Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend. Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Insbesondere wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen. Auch wenn eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen ist, scheidet eine Schätzung aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können (BFH Urteil vom 14.12.2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921 m.w.N.).
69Buchungen und sonst erforderliche Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen. Die Einnahmeermittlung – z.B. bei Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons – muss nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein. Die Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind (BFH Urteil vom 24.06.2014 VIII R 54/10, BFH/NV 2014, 1501). Bei dem Einsatz von elektronischen Registrierkassen sind neben den allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung spezielle Grundsätze ordnungsgemäßer Speicherbuchführung zu beachten. Bei elektronischer Erfassung und Speicherung der Betriebseinnahmen handelt es sich um ein der Buchführung vorgelagertes System, mit dem Grundaufzeichnungen generiert werden. Mit der EDV-Registrierkasse lässt sich eine ordnungsgemäße wie auch eine nur scheinbar ordnungsgemäße Kasse erstellen. Aus diesem Grunde sind nicht nur die Tagesendsummenbons, sondern auch alle Dokumentationsunterlagen über die Kasseneinstellungen, Bedienerprogrammierung, Artikel- und Warengruppeneinstellungen und vor allem auch Bedienerberichte aus der Abrechnung mit dem kassierberechtigten Personal vorzulegen. Fehlen diese Unterlagen, ist nicht gewährleistet, dass die erfassten Umsätze vollständig sind. Wird zudem festgestellt, dass Z-Nummern auf den Tagesendsummenbons nicht fortlaufen, dass Storni oder Rücknahmebuchungen unterdrückt werden, so kann dies sogar auf bewusste Manipulationen der Kasse hindeuten (FG Münster Urteil vom 16.05.2013 2 K 3030/11 E, U, EFG 2014, 86; Hessisches Finanzgericht Urteil vom 24.03.2014 4 K 2340/12, bei juris).
70Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen ist es jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass die Buchführung des Antragstellers in sämtlichen Streitjahren formelle Mängel aufweist. Nach den – insoweit unbestrittenen – Feststellungen des Antragsgegners hat der Antragsteller die Dokumentationsunterlagen über die Kassenprogrammierung nicht vorgelegt. Der Antragsgegner konnte nicht überprüfen, ob bei der Programmierung manipulierende Einstellungen gewählt wurden. Der Antragsgegner geht weiterhin – aufgrund der bei dem Kassenaufsteller gefundenen Unterlagen – davon aus, dass die eingesetzte Registrierkasse in der Weise programmiert worden sei, dass beim Erstellen des Tagesabschlusses ein Finanzbericht (= Tagesendsummenbon), ein Bedienerbericht sowie ein Hauptgruppenbericht ausgedruckt worden seien. Nachstorni seien nur auf den Bedienerberichten, nicht hingegen auf den Finanzberichten ausgewiesen worden. Da sich die Bedienerberichte überwiegend nicht in den Buchführungsunterlagen befunden haben, konnte der Antragsgegner auch insoweit nicht überprüfen, ob die Umsätze durch Nachstorni manipuliert worden sind. In Anbetracht der in dem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbericht wiedergegebenen Aussage der Zeugin Z1 kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller seine Mitarbeiter dazu aufgefordert hat, lediglich den Finanzbericht aufzubewahren.
71Die vorstehend genannten Mängel dürften auch die sachliche Richtigkeit der Buchführung in sämtlichen Streitjahren infrage stellen. Nach der Rechtsprechung des BFH muss eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig sein (BFH Urteil vom 24.06.1997 VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51). In bargeldintensiven Betrieben kann allerdings bereits eine nicht ordnungsgemäße Kassenaufzeichnung den Schluss zulassen, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht worden sind (BFH Urteil vom 24.06.2014 VIII R 54/10, BFH/NV 2014, 1501). Nach diesen Grundsätzen ist es im Streitfall jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass nicht sämtliche Umsätze erfasst wurden. Vor dem Hintergrund, dass Nachstorni nur in den überwiegend nicht aufbewahrten Bedienerberichten ausgewiesen wurden, war es ohne weiteres möglich, die Umsätze durch die Tätigung von Nachstorni zu manipulieren.
72Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung ist nicht mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die aufgrund der mangelhaften Buchführung bestehenden Unklarheiten durch anderweitige zumutbare Ermittlungen des Antragsgegners beseitigt werden konnten. Ausweislich der Betriebsprüfungsakten wurde zwar mit solchen Kalkulationen begonnen. Es spricht aber einiges dafür, dass anhand der vorgelegten Unterlagen eine verlässliche Kalkulation nicht möglich war. So hat der Antragsteller nach dem Vortrag des Antragsgegners Unterlagen und Daten wie z.B. das elektronische Journal, die Warengruppenberichte und die Hauptgruppenberichte, die als Kalkulationsgrundlage hätten dienen können, nicht vorgelegt. Ferner standen dem Antragsgegner nach seinem – insoweit nicht substantiiert bestrittenen – Vortrag keine ordnungsgemäße Inventarlisten und keine Speisekarten über die täglich wechselnden Menüs zur Verfügung.
73Mit großer Wahrscheinlichkeit ist allerdings davon auszugehen, dass die vom Antragsgegner vorgenommenen Schätzungen der Höhe nach rechtswidrig sind. Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (BFH Urteil vom 17.06.2004 IV R 45/03, BFH/NV 2004, 1618). Eine Schätzung auf der Grundlage eines äußeren Betriebsvergleichs ist grundsätzlich zulässig (BFH Urteil vom 21.02.1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Eine Überschreitung der höchsten Reingewinnsätze nach der Richtsatzsammlung ist allerdings nur dann zulässig, soweit plausible Gründe dafür bestehen (BFH Urteile vom 25.01.1989 I R 289/83, BStBl. II 1989, 620 und vom 17.06.2004 IV R 45/03, BFH/NV 2004, 1618; FG Münster Urteile vom 23.06.2010 12 K 2714/06 E,U, bei juris und vom 16.05.2013 2 K 3030/11 E,U, EFG 2014, 86).
74Im Streitfall hat der Antragsgegner Rohgewinnaufschlagsätze von 335 (2008), 335 (2009) und 350 (2010) und damit Richtsätze innerhalb des Rahmens der amtlichen Richtsatzsammlungen (Höchstsätze für 2008 und 2009 335 und für 2010 400) angewandt. Eine Überschreitung der amtlichen Rohgewinnaufschlagsätze ist damit – entgegen der Auffassung der Beteiligten – nicht gegeben. Unter Zugrundelegung der von dem Antragsgegner ermittelten Erlöse und Gewinne werden allerdings die amtlichen Reingewinnsätze deutlich überschritten:
752008 (in EUR) |
2009 (in EUR) |
2010 (in EUR) |
|
Erlöse nach Betriebsprüfung (= wirtschaftlicher Umsatz) |
1.155.166,73 |
1.218.617,53 |
1.253.207,21 |
Gewinne nach Betriebsprüfung |
577.288,71 |
620.987,58 |
583.484,39 |
Reingewinnsätze nach Schätzung |
49,97 |
50,96 |
46,56 |
Reingewinnsätze nach der amtlichen Sammlung |
6 - 15 - 25 |
6 - 15 - 25 |
8 - 20 - 35 |
Bei der hier gebotenen summarischen Prüfung sind auch keine plausiblen Gründe ersichtlich, die eine solche Überschreitung der höchsten amtlichen Reingewinnsätze rechtfertigen würden. Dem Antragsgegner ist zwar darin zuzustimmen, dass in Fällen, in denen der Verdacht besteht, dass der Steuerpflichtige Einnahmen verheimlichen will, eine Schätzung an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens angezeigt sein kann (BFH Urteil vom 29.03.2001 IV R 67/99, BStBl. II 2001, 484). Da das Schätzungsergebnis jedoch wirtschaftlich möglich sein muss, kann die Verletzung von Mitwirkungspflichten nicht ohne Weiteres die Überschreitung der höchsten amtlichen Reingewinnsätze um bis zu 100 % rechtfertigen. Auch der Einwand des Antragsgegners, im Büro und in der privaten Wohnung des Antragstellers seien Kassenausdrucke mit stornierten Umsätzen in nicht unerheblicher Höhe (stornierter Gesamtumsatz von rund 12.500 EUR bei 80 % der Belege) gefunden worden, führt bei der hier gebotenen summarischen Prüfung zu keinem anderen Ergebnis. Denn ausweislich des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsberichtes (Blatt 26 ff. und 41 ff.) bezogen sich diese Ausdrucke auf das von der A-Gastronomie GmbH betriebene Restaurant „I- Restaurant B“ und nicht auf das von dem Antragsteller betriebene Einzelunternehmen „I- Restaurant“.
77Der Senat macht von seiner ihm zustehenden Schätzungsbefugnis (BFH Urteil vom 14.12.2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921) Gebrauch und orientiert sich dabei an den von dem Antragsgegner herangezogenen amtlichen Richtsätzen. Dabei erweisen sich Zuschätzungen auf der Grundlage von Rohgewinnaufschlagsätzen als angemessen, welche die höchsten amtlichen Reingewinnsätze für die jeweiligen Veranlagungszeiträume nicht überschreiten. Da bei summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsteller Einnahmen verheimlichen wollte, werden die höchsten Reingewinnsätze für die Jahre 2008 und 2009 ausgeschöpft. Da keine wirtschaftlichen Gründe dafür ersichtlich sind, dass der Gewinn für 2010 deutlich über den Gewinnen aus den Jahren 2008 und 2009 liegt – sowohl der von dem Antragsteller erklärte als auch der von dem Antragsgegner geschätzte Gewinn für 2010 liegt unter dem erklärten bzw. geschätzten Gewinn für 2009 –, erscheint es angemessen, für 2010 einen ähnlichen Gewinn wie für 2008 und 2009 anzusetzen. Die für 2010 erhöhten amtlichen Reingewinnsätze werden insoweit nicht vollständig ausgeschöpft:
782008 (in EUR) |
2009 (in EUR) |
2010 (in EUR) |
|
Wareneinsatz |
265.555,57 |
280.141,96 |
278.490,49 |
Erklärte Erlöse |
630.468,53 |
748.733,54 |
730.673,47 |
Sicherheitszuschläge (Gewinnzuschätzungen) |
139.642,62 |
46.869,63 |
135.431,95 |
Erlöse nach Schätzung |
770.111,15 |
795.603,17 |
866.105,42 |
Erklärter Gewinn |
52.590,51 |
151.103,59 |
60.950,65 |
Sicherheitszuschläge (Gewinnzuschätzungen) |
139.642,62 |
46.869,63 |
135.431,95 |
Gewinn nach Schätzung |
192.233,13 |
197.973,22 |
196.382,60 |
Rohgewinnaufschlagsatz nach Schätzung |
190 |
184 |
211 |
Rohgewinnaufschlagsatz nach amtlicher Sammlung |
170 - 233 - 335 |
171 - 233 - 335 |
186 - 257 - 400 |
Reingewinnsatz nach Schätzung |
24,96 |
24,88 |
22,67 |
Reingewinnsatz nach amtlicher Sammlung |
6 - 15 - 25 |
7 - 15 - 25 |
8 - 20 - 35 |
Die vom Senat geschätzten Gewinne betragen demnach 192.233,13 EUR (2008), 197.973,22 EUR (2009) und 196.382,60 EUR (2010). Bei summarischer Prüfung ergeben sich hieraus – unter Zugrundelegung der Angaben im Bericht vom 27.12.2012 (dort insbesondere Anlage 5) – für die Gewerbesteuermessbescheide folgende Gewinne aus Gewerbebetrieb:
802008 (in EUR) |
2009 (in EUR) |
2010 (in EUR) |
|
Gewinn nach Schätzung |
192.233,13 |
197.973,22 |
196.382,60 |
+ im erklärten Gewinn berücksichtigter Gewerbesteueraufwand |
+ 2.908 |
+ 19.497 |
+ 6.622 |
Sonstige Zu- und Abrechnungen |
./. 12.000 |
+ 100 |
- |
Gewinn aus Gewerbebetrieb |
183.141,13 |
217.570,22 |
203.004,60 |
Auf dieser Grundlage ergeben sich Gewerbesteuermessbeträge von 5.551 EUR für 2008, 6.755 EUR für 2009 und 6.247 EUR für 2010. Indem hiervon die Gewerbesteuermessbeträge, welche bereits aufgrund der Steuererklärung festgesetzt worden sind (661 EUR für 2008, 4.431 EUR für 2009 und 1.505 EUR für 2010), abgezogen werden, ergeben sich die Gewerbesteuermessbeträge, hinsichtlich derer die Aussetzung der Vollziehung der jeweiligen Gewerbesteuerbescheide von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden darf (4.890 EUR für 2008, 2.324 EUR für 2009 und 4.742 EUR für 2010). In Höhe der Differenz aus den insgesamt von der Vollziehung ausgesetzten Gewerbesteuermessbeträgen und den vorstehend ermittelten Teilbeträgen ist die Anordnung einer Sicherheitsleistung dagegen ausgeschlossen:
822008 (in EUR) |
2009 (in EUR) |
2010 (in EUR) |
|
Von der Vollziehung ausgesetzter Gewerbesteuermessbetrag insgesamt |
18.365 |
16.444 |
18.133 |
./. Teilbetrag des Gewerbesteuermessbetrages, auf dessen Grundlage die Aussetzung der Vollziehung des jeweiligen Gewerbesteuerbescheides von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden darf |
4.890 |
2.324 |
4.742 |
Teilbetrag des Gewerbesteuermessbetrages, auf dessen Grundlage die Anordnung einer Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung des jeweiligen Gewerbesteuerbescheides ausgeschlossen ist |
13.475 |
14.120 |
13.391 |
Der Hilfsantrag ist unzulässig. Im Rahmen des § 69 Abs. 3 FGO fehlt einem Antrag, die Finanzbehörde zu verpflichten, über die Aussetzung der Vollziehung erneut zu entscheiden, das Rechtsschutzbedürfnis, da das Finanzgericht selber eine Ermessensentscheidung trifft und daher die Entscheidung des Finanzamtes vollumfänglich – d.h. ohne die Einschränkungen nach § 102 FGO – überprüfen kann. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO wäre ebenfalls unzulässig, da ein solcher Antrag gegenüber einem Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO subsidiär ist (§ 114 Abs. 5 FGO).
84Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Münster Beschluss, 07. Jan. 2015 - 8 V 1774/14 G
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Münster Beschluss, 07. Jan. 2015 - 8 V 1774/14 G
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenFinanzgericht Münster Beschluss, 07. Jan. 2015 - 8 V 1774/14 G zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Gewerbliche Unternehmer müssen den Wareneingang gesondert aufzeichnen.
(2) Aufzuzeichnen sind alle Waren einschließlich der Rohstoffe, unfertigen Erzeugnisse, Hilfsstoffe und Zutaten, die der Unternehmer im Rahmen seines Gewerbebetriebs zur Weiterveräußerung oder zum Verbrauch entgeltlich oder unentgeltlich, für eigene oder für fremde Rechnung, erwirbt; dies gilt auch dann, wenn die Waren vor der Weiterveräußerung oder dem Verbrauch be- oder verarbeitet werden sollen. Waren, die nach Art des Betriebs üblicherweise für den Betrieb zur Weiterveräußerung oder zum Verbrauch erworben werden, sind auch dann aufzuzeichnen, wenn sie für betriebsfremde Zwecke verwendet werden.
(3) Die Aufzeichnungen müssen die folgenden Angaben enthalten:
(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.
(2) Absatz 1 gilt nicht,
- 1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder - 2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
(1)1Der Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid ist von Amts wegen aufzuheben oder zu ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid, der Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt.2Die Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb ist insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags oder des vortragsfähigen Gewerbeverlustes beeinflusst.3§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung gilt sinngemäß.
(2)1Zuständig für die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist das für den Erlass des Gewerbesteuermessbescheids zuständige Finanzamt.2Bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust festgestellt wird, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Absatz 10, § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 351 Absatz 2 der Abgabenordnung sowie § 42 der Finanzgerichtsordnung gelten entsprechend.3Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 2 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Gewerbesteuermessbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe des festzusetzenden Steuermessbetrags unterbleibt.4Die Feststellungsfrist endet nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Erhebungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust gesondert festzustellen ist; § 181 Abs. 5 der Abgabenordnung ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes pflichtwidrig unterlassen hat.
(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.
(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.
(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.
(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.
(2) Absatz 1 gilt nicht,
- 1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder - 2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
(1) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen.
(2) Absatz 1 gilt nicht,
- 1.
soweit nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, die sachliche Richtigkeit zu beanstanden oder - 2.
soweit die elektronischen Daten nicht nach der Vorgabe der einheitlichen digitalen Schnittstellen des § 41 Absatz 1 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes in Verbindung mit § 4 Absatz 2a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung, des § 146a oder des § 147b in Verbindung mit der jeweiligen Rechtsverordnung zur Verfügung gestellt werden.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Dienstgebäude der Behörde X in Berlin eine Kantine. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Von den im Streitjahr 2001 ausgeführten Umsätzen bezeichnete er einen Anteil von 53,19 % als zum ermäßigten Steuersatz zu besteuernde "Außer-Haus-Verkäufe".
- 2
-
Im Jahr 2003 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch. Im Bericht vom 14. Oktober 2003 führte die Prüferin unter Tz. 5 zur steuerlichen Beurteilung der Buchführung aus:
- 3
-
"Die Prüfung ergab Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen.
- 4
-
Die Ergebnisse der Buchführung können unter Berücksichtigung der in den nachfolgenden Textziffern behandelten Änderungen der Besteuerung zugrunde gelegt werden."
- 5
-
Unter Tz. 6 werden als Mängel der Buchführung angeführt:
- 6
-
"In der jährlichen Bestandsaufnahme wurde nicht das Verpackungsmaterial (Pappteller, Pappschalen, Einschlagpapier usw.) erfasst.
- 7
-
Desweiteren wurden keine Speise- und Getränkekarten vorgelegt."
- 8
-
Weitere Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen, enthält der Bericht nicht. Unter Tz. 14 nahm die Prüferin "nach Zusammenstellung des betrieblichen Datenmaterials ... eine Umverteilung der 7%igen und der 16%igen USt-Erlöse für Speisen und Getränke" vor. Bei durchschnittlich 361 Gästen täglich an 260 Arbeitstagen und einem täglichen Durchschnittsverzehr von 5,11 DM, hätten --ausgehend von dem vom Kläger genannten Anteil der ermäßigt zu versteuernden Umsätze von 53,19 %-- 49 920 "Außer-Haus-Verkäufe" im Kalenderjahr stattfinden müssen. Das im Jahr 2001 eingekaufte Verpackungsmaterial habe aber weit unter dem gelegen, was für so viele Verkäufe benötigt worden wäre.
- 9
-
Das FA ging daraufhin in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 5. Februar 2004 von einem Anteil von 27 % der "Außer-Haus-Verkäufe" aus. Der dagegen eingelegte Einspruch, in dem der Kläger u.a. vortrug, der erklärte Anteil der "Außer-Haus-Verkäufe" entspreche dem der Vorpächter der Kantine, hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2005 wird u.a. ausgeführt, die Übertragung der Kassenbons in das Kassenbuch sei "nicht identisch" erfolgt. Zum Beispiel seien am 2. und 3. Januar 2001 auf den Kassenbons sämtliche Umsätze als "Im-Haus" registriert worden, während im Kassenbuch eine Aufteilung in "Außer-Haus" und "Im-Haus"-Umsätze erfolgt sei. Am 30. Oktober 2001 seien nach der Registrierkasse Umsätze zu 7 % in Höhe von 373,70 DM und zu 16 % in Höhe von 1.908,70 DM getätigt worden. Im Kassenbuch seien vom Kläger für diesen Tag Umsätze zu 7 % in Höhe von 1.100 DM und zu 16 % in Höhe von 1.182,10 DM erklärt worden.
- 10
-
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens trug das FA in der Klageerwiderung vom 11. August 2005 u.a. vor, derartige Abweichungen bei der Gegenüberstellung der Kassenbons mit den jeweiligen Eintragungen im Kassenbuch habe es an 25 Arbeitstagen gegeben. Weiter machte das FA geltend, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Bei einer täglichen Abgleichung des Soll-Ist-Kassenbestands wäre aufgefallen, dass die zu vergleichenden Kassenbestände voneinander abwichen.
- 11
-
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ offen, ob die Buchführung des Klägers formell nicht ordnungsgemäß sei, weil er das Verpackungsmaterial nicht in den jährlichen Bestandsaufnahmen erfasst und die Speise- und Getränkekarten nicht aufbewahrt habe. Denn selbst eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung würde das FA noch nicht zur Durchführung einer Schätzung berechtigen. Eine solche erfordere stets Anzeichen für eine sachliche Fehlerhaftigkeit der Buchführung. Hierzu habe das FA aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Grundlagen der anhand des Verpackungsmaterials vorgenommenen Schätzung des FA seien nicht hinreichend substantiiert und vom Kläger in nachvollziehbarer Weise angegriffen worden.
- 12
-
Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Vorentscheidung verstoße gegen die §§ 162 und 146 der Abgabenordnung (AO). Neben der fehlenden jährlichen Bestandsaufnahme des Verpackungsmaterials und der Nichtvorlage der Speise- und Getränkekarten habe das FA in der Einspruchsentscheidung und im Klageabweisungsantrag vom 11. August 2005 auf die nicht identische Übertragung von mehreren Kassenbons in das Kassenbuch und auf die nicht im zeitlichen Ablauf erfassten Barausgaben hingewiesen sowie auf die mangelnde Kassensturzfähigkeit. Dies begründe auch Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Das FG hätte unter Zugrundelegung des Akteninhalts die Missstände in der Buchführung feststellen und die Buchführung als weder formell noch sachlich ordnungsgemäß verwerfen müssen.
- 13
-
Außerdem habe das FG verkannt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr auf dem Gelände auf Grund des räumlichen Zusammenhangs eine Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle, die als sonstige Dienstleistung nicht dem nur für bestimmte Lieferungen geltenden ermäßigten Steuersatz unterfallen könne.
- 14
-
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 15
-
Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger verweist auf seine bereits früher gegenüber dem FA und dem FG abgegebenen Stellungnahmen.
Entscheidungsgründe
- 16
-
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat nicht beachtet, dass es sich von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) bilden musste. Es hat ferner den Vortrag des FA nicht berücksichtigt, dass Barausgaben nicht im zeitlichen Ablauf erfasst und Kassenbons nicht identisch in das Kassenbuch übertragen worden seien und die Kassensturzfähigkeit nicht gewährleistet gewesen sei.
- 17
-
1. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).
- 18
-
a) Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015, unter 1.a).
- 19
-
Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109, unter 1., m.w.N.). Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).
- 20
-
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist u.a. ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
- 21
-
b) Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 1.a).
- 22
-
c) Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO, Rz 13). Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2008 X B 144/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R645; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 23, m.w.N.). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 158 AO Rz 3).
- 23
-
d) Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).
- 24
-
e) Die Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 162 Rz 53; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 96, m.w.N.; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 167; wohl auch Söhn in HHSp, § 121 AO Rz 93, m.w.N.). Eine vom FA vorgenommene Schätzung wird vom FG in vollem Umfang überprüft und ggf. durch eine eigene Schätzung ersetzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
- 25
-
2. Nach diesen Grundsätzen durfte es das FG nicht offenlassen, ob die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ganz oder teilweise aus den vom FA geltend gemachten Gründen zu verneinen ist.
- 26
-
a) Soweit das FA vorträgt, der Kläger habe entgegen der aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO folgenden Aufbewahrungspflicht keine Speise- und Getränkekarten aufbewahrt, ist allerdings zu beachten, dass der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO grundsätzlich durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht begrenzt wird.
- 27
-
aa) Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 AO ist akzessorisch. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten in Zusammenhang stehen, ist § 147 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Durch die Abhängigkeit der Aufbewahrungspflicht von einer im Gesetz angeordneten Aufzeichnungspflicht wird der Umfang der aufzubewahrenden Unterlagen sachgemäß begrenzt. Diese Beschränkung trägt dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflicht ebenso Rechnung wie der von Verfassungs wegen geforderten Verhältnismäßigkeit der Norm (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
- 28
-
bb) Dies gilt auch für § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, wonach sonstige Unterlagen aufzubewahren sind, "soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind".
- 29
-
Zwar lässt der weite Wortlaut der Vorschrift die Deutung zu, dass nach ihr ohne Rücksicht auf eine Aufzeichnungpflicht sämtliche für die Besteuerung bedeutsamen Unterlagen aufzubewahren sind. Dementsprechend hat das FG München im Urteil vom 29. Oktober 2009 15 K 219/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 10) ohne nähere Begründung im dortigen Streitfall angenommen, durch die Nichtaufbewahrung von Speisekarten habe der Kläger gegen § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen.
- 30
-
§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist aber unter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht im Lichte der im Einzelfall jeweils bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungspflichten einschränkend auszulegen. Danach müssen bei einer abstrakten Bestimmung der Reichweite der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO nur solche sonstigen, also nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4a AO fallenden, Unterlagen aufbewahrt werden, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
- 31
-
b) Zutreffend rügt das FA, dass das FG wesentlichen, bereits in der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 11. August 2005 vorgetragenen Sachverhalt unberücksichtigt gelassen und damit gegen seine Pflicht verstoßen habe, sein Urteil auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
- 32
-
aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung sowie in der Klageerwiderung auf die "nicht identische" Übertragung mehrerer Kassenbons in das Kassenbuch durch den Kläger und darauf hingewiesen, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Mit diesem für die Frage der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung maßgeblichen Vortrag hat sich das FG nicht erkennbar auseinandergesetzt, denn es hat sich in den Entscheidungsgründen weder mit der Verbuchung der Bareinnahmen noch mit der Führung des Kassenbuchs befasst.
- 33
-
bb) Zwar ist das FG nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 2003 X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209; vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116, unter II.3., m.w.N.). Zumindest die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen und Rechtsausführungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a).
- 34
-
Zu diesen wesentlichen Umständen gehört im Streitfall insbesondere auch die Feststellung, ob der Kläger seiner Pflicht, Kasseneinnahmen und Kassenausgaben vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen und die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten, nachgekommen ist. Zumal wenn --wie hier-- vorwiegend Bargeschäfte getätigt worden sind, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem die Aufzeichnungen zugleich dazu dienten, die Umsätze entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nach unterschiedlichen Steuersätzen aufzuteilen.
- 35
-
3. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang den Einwänden des FA gegen die Kassenaufzeichnungen des Klägers nachgehen und prüfen, inwieweit die Speise- und Getränkekarten zum Verständnis und zur Überprüfung der für die zutreffende Umsatzbesteuerung in § 22 UStG vorgeschriebenen Aufzeichnung zur Trennung der Umsätze nach Steuerarten im Einzelfall von Bedeutung sind.
- 36
-
a) Ob die danach ggf. festzustellenden Mängel der Buchführung und die fehlerhafte Nichtaufnahme des noch vorhandenen Verpackungsmaterials bei der jährlichen Bestandsaufnahme (§ 146 AO) zur Feststellung der formellen Ordnungswidrigkeit führen, ist in erster Linie eine Tatfrage und deshalb zunächst vom FG zu entscheiden, zumal bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers nicht auf die formale Bedeutung des Buchführungsmangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1462 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 31. Juli 1969 IV R 57/67, BFHE 97, 246, BStBl II 1970, 125; vom 15. März 1972 I R 60/70, BFHE 105, 138, BStBl II 1972, 488, und vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 13, m.w.N.).
- 37
-
b) Das FG muss sich vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung bilden. Dies ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht "nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" entscheidet. Deshalb muss das FG den vom FA gegen die Richtigkeit der Buchführung des Klägers vorgebrachten Umständen nachgehen. Das FG wird ggf. von der ihm gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen haben (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
- 38
-
c) Das FG wird hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die vom Kläger erbrachten Leistungen die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.-- (Deutsches Steuerrecht 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 272) und die dazu ergangenen BFH-Urteile (vom 8. Juni 2011 XI R 33/08, BFH/NV 2011, 1927 und XI R 37/08, BFHE 234, 443, BFH/NV 2011, 1976, sowie vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BFH/NV 2011, 1811 und V R 3/07, BFHE 234, 484, BFH/NV 2011, 2186) berücksichtigen.
(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.
(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.
(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.
(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass
- 1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt, - 2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist, - 3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und - 4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.
(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.
(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.
(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.
(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Treuhänder über das Vermögen des M. M war seit 1997 Geschäftsführer und Alleingesellschafter einer GmbH (M-GmbH), die in den Streitjahren 1999 bis 2003 mehrere Gaststätten in A betrieb.
- 2
-
Eine ab September 2005 bei der M-GmbH durchgeführte Außenprüfung für die Streitjahre stellte fest, dass die Kassenführung und die Buchführung nicht ordnungsgemäß gewesen seien. Es lägen Kassenfehlbeträge vor. Inventuren zur Ermittlung des Warenbestandes seien nicht vorgelegt worden. Sie schätzte daher Umsatzerlöse und Betriebsausgaben hinzu. Die Hinzuschätzungsbeträge ermittelte die Außenprüfung durch eine für das Jahr 2002 durchgeführte Ausbeutekalkulation für drei der Gaststätten. Danach erhöhten sich die Einnahmen in der Summe wie folgt:
- 3
-
Jahr 1999:
157.850 DM,
Jahr 2000:
326.537 DM,
Jahr 2001:
232.328 DM,
Jahr 2002:
130.049 €,
Jahr 2003:
121.096 €.
- 4
-
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) änderte am 11. Dezember 2006 die Einkommensteuerbescheide des M für die Jahre 1999, 2000 sowie 2002 entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung. Für das nicht veranlagte Jahr 2001 setzte das FA erstmals Einkommensteuer durch Bescheid vom 14. Dezember 2006 fest. Nachdem das FA M erfolglos aufgefordert hatte, eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 abzugeben, erließ es am 26. März 2007 einen Einkommensteuerbescheid für 2003, in dem das FA die von der Außenprüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen als Einnahmen des M aus verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) erfasste.
- 5
-
Die Einsprüche blieben --mit Ausnahme der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf die vGA für die Jahre 2001 bis 2003-- erfolglos.
- 6
-
Das für die M-GmbH zuständige Finanzamt (F) hatte aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung die Körperschaftsteuerbescheide der M-GmbH für die Jahre 1999 bis 2003 geändert. Da auch diese Einsprüche erfolglos blieben, erhob die M-GmbH im Januar 2007 vor dem Finanzgericht (FG) Klage. Nachdem das Klageverfahren zunächst nach § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) wegen Insolvenzeröffnung über das Vermögen der M-GmbH unterbrochen wurde, nahm F das Verfahren nach § 180 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) wieder auf. Der Berichterstatter äußerte sich nach summarischer Prüfung zu den Erfolgsaussichten der Klage dahingehend, dass eine Schätzungsbefugnis des F wohl bestanden habe, aber die Beträge ihm um ca. ein Drittel zu hoch erschienen. Der Insolvenzverwalter und das F einigten sich schließlich, dass die Hinzuschätzungen um ein Drittel verringert werden und der verbleibende Betrag nur zur Hälfte als vGA angesetzt werde. Das F begründete diese Einigung mit der Vermeidung eines langwierigen und zeitaufwendigen Verfahrens und mit der Insolvenz der M-GmbH. Es berichtigte entsprechend die zur Insolvenztabelle angemeldeten Körperschaftsteuerbeträge. Der Rechtsstreit wurde von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt.
- 7
-
M erhob am 20. November 2007 Klage beim FG gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003. Am … Januar 2009 eröffnete das Amtsgericht über das Vermögen des M das Verbraucherinsolvenzverfahren. Der zum Treuhänder bestellte Kläger bestritt die zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerbeträge und nahm den Rechtsstreit auf. Das FG wies die Klage ab und beseitigte den Widerspruch des Klägers gegen die zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen für die Jahre 1999 bis 2003. Es führte im Wesentlichen aus, das FA sei nach § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) berechtigt gewesen, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen und diese Schätzung auf der Ebene des M bei dessen Einkommensteuerveranlagungen zu verwenden.
- 8
-
Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1999 bis 2003 seien auch nicht aufgrund der im Klageverfahren der M-GmbH gegen die Körperschaftsteuerbescheide erzielten Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der M-GmbH und dem F rechtswidrig. Das FA sei nicht nach § 32a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zur Änderung der Einkommensteuerbescheide verpflichtet.
- 9
-
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
- 10
-
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und der Klage stattzugeben, hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
- 11
-
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
- 12
-
II. Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 13
-
1. Die Revision ist zulässig. Das durch die Klage des M anhängig gewordene Klageverfahren ist aufgrund der Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24. Juli 2003 IX ZR 333/00, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2004, 48) über das Vermögen des M unterbrochen worden (§ 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO). Der Kläger ist vom Insolvenzgericht zum Treuhänder (§ 313 Abs. 1 Satz 1 InsO) über das Vermögen des M bestellt worden und hat das Klageverfahren aufgenommen. Er hat gegen die vom FA zur Eintragung in die Insolvenztabelle angemeldeten Ansprüche auf Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag Widerspruch erhoben (§ 174, § 175 Abs. 1 Satz 1, § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO). Dem gesetzlichen Übergang vom bisherigen Anfechtungs- zum Insolvenzfeststellungsverfahren und dem damit verbundenen Wechsel des Streitgegenstands entspricht die Umstellung des Klageantrags (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. November 2011 I R 96/10, BFH/NV 2012, 991, m.w.N.). Der Antrag ist nicht mehr auf eine geänderte Steuerfestsetzung, sondern darauf gerichtet, den Widerspruch gegen die vom FA zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen insoweit für begründet zu erklären, als diese Steuern auf Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 157.850 DM für das Jahr 1999, 326.537 DM für das Jahr 2000, 116.164 DM für das Jahr 2001, 65.024 € für das Jahr 2002 und 60.548 € für das Jahr 2003 beruhen.
- 14
-
2. Die Revision ist auch begründet. Zwar hat das FG dem Grunde nach zu Recht die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei der M-GmbH bejaht (a). Es hat aber rechtsfehlerhaft die Schätzung des FA der Höhe nach als in sich schlüssig und deshalb rechtmäßig angesehen (b). Die Feststellungen des FG reichen zudem für die Annahme einer dem M zurechenbaren vGA nicht aus (c).
- 15
-
a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (z.B. BFH-Urteile vom 24. Juli 1990 VIII R 304/84, BFH/NV 1991, 90; vom 13. September 2000 I R 10/00, BFH/NV 2001, 584; vom 22. September 2004 III R 9/03, BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160; BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379).
- 16
-
Ergeben sich aufgrund einer Nachkalkulation Differenzen bei der Kapitalgesellschaft und schätzt das FA deshalb --wie im Streitfall-- dem Gewinn Beträge hinzu, sind die Zuschätzungen nicht zwingend als Zuwendungen an den verantwortlichen Gesellschafter-Geschäftsführer oder an die Gesellschafter zu beurteilen. Die Annahme einer vGA setzt zum einen voraus, dass die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der Kapitalgesellschaft beruhen und zum anderen, dass die nicht erklärten Betriebseinnahmen nicht betrieblich verwendet worden, sondern einem oder allen Gesellschaftern zugeflossen sind (BFH-Urteil in BFHE 207, 549, 555, BStBl II 2005, 160, 163).
- 17
-
Zu Recht hat das FG --entgegen der Auffassung des Klägers-- die Voraussetzungen für eine Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen bei der M-GmbH dem Grunde nach bejaht. Zu schätzen ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag, und nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO dann, wenn die Buchführung nach § 158 AO der Besteuerung nicht zugrunde gelegt wird. Gemäß § 158 AO ist die Buchführung, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entspricht, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
- 18
-
Die Buchführung der M-GmbH entsprach nicht der Vorschrift des § 146 Abs. 1 AO und hatte sonach nicht die Vermutung sachlicher Richtigkeit für sich. Buchungen und sonst erforderliche Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, 402, BStBl II 1975, 96, 97; vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, 15, BStBl II 1982, 430, 432; vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109). Die Einnahmeermittlung --z.B. bei Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons-- muss nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein. Die Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass nicht nur die geltend gemachten Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen werden, sondern auch die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1999 IV R 68/98, BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481; BFH-Beschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, juris).
- 19
-
Diesen Maßstäben genügte die Kassenbuchführung der M-GmbH nicht. Nach den Feststellungen des FG hat die M-GmbH ihre gesamten Umsätze in einer Summe erfasst, ohne das Zustandekommen der Summe durch Aufbewahrung der angefallenen Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons nachzuweisen. Auch die von M zur Ermittlung der Tageseinnahmen gefertigten Inventurblätter sind nicht vorgelegt worden. In den Registrierkassen sind nur die Waren gebucht worden, die nicht durch Zählwerke erfasst worden sind. Eine solche Kassenbuchführung ist mangelbehaftet, wenn --wie im Streitfall-- weitere Zählwerke neben einer Registrierkasse geführt und die Einzelergebnisse nicht nachvollziehbar und richtig zusammengeführt werden; denn hier ist es offensichtlich, dass in der Registrierkasse nur ein Teil der Einnahmen erfasst wird und die sich aus der Verwendung der Registrierkasse ergebenden Aufzeichnungen nicht vollständig sein können. Die Nichtordnungsmäßigkeit der Kassenführung ergreift bei der Struktur des Betriebs der M-GmbH (sie tätigte Bargeschäfte) ihre gesamte Buchführung. Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlage Betriebseinnahmen (Umsatzerlöse) war daher geboten.
- 20
-
Da nicht ordnungsmäßige Kassenaufzeichnungen nach den Umständen des Einzelfalls den Schluss zulassen können, dass nicht alle Bareinnahmen verbucht worden sind (BFH-Urteile vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, 165, BStBl II 1982, 409, 412; in BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109), ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG das FA für berechtigt gehalten hat, Betriebseinnahmen bei der M-GmbH dem Grunde nach hinzuzuschätzen. Der Kläger hat nach den Darlegungen des FG für die Fehler in der Kassenführung keine substantiierte und nachprüfbare Erklärung angeboten.
- 21
-
Die Vorentscheidung hat ferner zu Recht die Einwendungen des Klägers als unsubstantiiert zurückgewiesen, soweit das F --nach einer Bestätigung durch den Kläger-- im Rahmen der Schätzung angenommen hat, dass die betrieblichen Verhältnisse des Jahres 2002 denen der anderen Streitjahre entsprechen. Das FG hat auch rechtsfehlerfrei keine Bedenken gegen die Annahme des FA geäußert, dass die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der M-GmbH beruhen. Für die unsubstantiierten Einwendungen des Klägers, dass sich eventuell die Bierfahrer durch die Zurückbehaltung abgerechneter Bierfässer und die Mitarbeiter durch die Unterschlagung von Betriebseinnahmen bereichert hätten, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
- 22
-
b) Der Höhe nach hat das FG aber zu Unrecht die Schätzung des FA als in sich schlüssig und deshalb rechtmäßig beurteilt.
- 23
-
Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 45/03, BFH/NV 2004, 1618; BFH-Beschluss vom 28. März 2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217, m.w.N.).
- 24
-
aa) Zwar ist die Vorentscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, soweit es die Ermittlung der Umsatzerlöse und Betriebseinnahmen durch die Außenprüfung mittels für das Jahr 2002 durchgeführten Ausbeutekalkulationen für die einzelnen Gaststätten auf der Grundlage der auf der jeweiligen Speise- und Getränkekarte ausgewiesenen Preise und die Aufgliederung des Wareneinsatzes in Getränke und Küchenwaren als rechtmäßig angesehen hat. Zu Recht hat es das FG auch nicht beanstandet, dass die Außenprüfung den Wareneinsatz in den Jahren 1999 und 2000 auf die Gaststätten prozentual nach den Umsätzen verteilt und der Kalkulation zugrunde gelegt hat. Da der Wareneinsatz in diesen Jahren nicht getrennt verbucht worden war, bestand für die Außenprüfung keine andere Möglichkeit, die Aufteilung vorzunehmen.
- 25
-
bb) Die Auffassung des FG, die im Streitfall zu beurteilende Schätzung des FA sei der Höhe nach in sich schlüssig und begegne keinen Bedenken, ist indes durch tatsächliche Feststellungen nicht gedeckt. Es ist nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage das FG zu diesem Ergebnis kommen konnte, denn es hat keine ausreichenden Feststellungen zu den einzelnen Schätzungsgrundlagen getroffen. Das FG verweist zwar wegen der Einzelheiten der Kalkulationen auf den Bericht der Außenprüfung vom 25. September 2006 und den Ergänzungsbericht vom 8. November 2006 sowie wegen der Berechnung der Kalkulation auf Blatt "446 f der Bp-Arbeitsakte". Diese Feststellungen sind aber unzureichend. Denn für die Berechnung der Kalkulationsdifferenzen und die Ermittlung des Wareneinsatzes und damit zu den einzelnen Schätzungsgrundlagen wird in den Berichten auf diverse Anlagen Bezug genommen, die den Berichten nicht beigefügt sind.
- 26
-
Die Schätzungsgrundlagen (z.B. Wareneinsatz) sind damit weder nachprüfbar noch schlüssig begründet. Die Rechtmäßigkeit der Schätzung konnte das FG anhand dieser unvollständigen Berichte der Außenprüfung nicht überprüfen. Das FA hätte vielmehr Angaben machen müssen, die es dem Gericht ermöglicht hätten, die Angemessenheit der betreffenden Kalkulationen festzustellen. Dass das FG seine Beurteilung, die Schätzung des FA sei der Höhe nach unbedenklich, auf eine unzureichende Tatsachengrundlage gestützt hat, stellt einen Rechtsfehler dar, der schon für sich allein zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
- 27
-
c) Unbeschadet dessen sind zudem weitere Feststellungen des FG für die Annahme einer dem M zurechenbaren vGA notwendig.
- 28
-
aa) Die objektive Feststellungslast dafür, ob die Voraussetzungen einer vGA vorliegen, obliegt grundsätzlich dem FA (vgl. BFH-Urteile vom 16. Februar 1977 I R 94/75, BFHE 122, 48, BStBl II 1977, 568; vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569; vom 13. Juli 1994 I R 43/94, BFH/NV 1995, 548; vom 9. August 2000 I R 82/99, GmbH-Rundschau 2001, 208). Das betrifft sowohl das Vorliegen einer Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) als auch die Frage nach der Veranlassung dieser Vermögensminderung (verhinderten Vermögensmehrung) durch das Gesellschaftsverhältnis. Zudem setzt die Erfassung einer vGA als Einnahme i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ihren Zufluss beim Empfänger voraus (§ 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 EStG). Spricht der festgestellte Sachverhalt dafür, dass diese Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, kann es allerdings Sache des Gesellschafters sein, den dadurch gesetzten Anschein zu widerlegen. Es gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beweisrisikoverteilung (vgl. BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171; BFH-Beschluss vom 4. April 2002 I B 140/01, BFH/NV 2002, 1179; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 207, 549, BStBl II 2005, 160).
- 29
-
bb) Wie das FG rechtsfehlerfrei angenommen hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitarbeiter der M-GmbH durch eine Manipulation der Bierzählerstände oder Dritte sich einen Teil der vereinnahmten Entgelte zugeeignet hätten. Das FG hat aber die Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis und den deswegen widerlegbar zu vermutenden Zufluss noch nicht hinreichend aufgeklärt. Auch ist aus diesem Grund die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat z.B. keine Feststellungen zu dem im Ergänzungsbericht der Außenprüfung vom 8. November 2006 (Seite 2) enthaltenen Hinweis getroffen, dass die z.T. unregelmäßige Auszahlung des Geschäftsführergehalts bzw. die Buchung des Gehalts nur über ein Verrechnungskonto ein Indiz für die fehlende Trennung des Bereichs der GmbH zur privaten Vermögenssphäre des Geschäftsführers ist. Sofern sich --beispielsweise-- eine solch fehlende Trennung des Bereichs der M-GmbH zur privaten Vermögenssphäre des Alleingesellschafters M im zweiten Rechtsgang als zutreffend herausstellen sollte, wäre es nach den Umständen des Streitfalls Sache des Klägers, den dadurch gesetzten Anschein für die Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis und den entsprechenden Zufluss bei M zu widerlegen.
- 30
-
3. Die Sache ist nicht spruchreif, sondern muss an das FG zur Nachholung der unterbliebenen Feststellungen zurückverwiesen werden.
- 31
-
a) Das FG wird zunächst erneut nach den oben (unter II.2.b) niedergelegten Maßstäben die Hinzuschätzungen auf der Ebene der M-GmbH zu prüfen haben. Soweit es an einem schlüssigen Schätzungsverfahren des FA fehlen sollte, muss das FG von seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO) Gebrauch machen.
- 32
-
b) Sollte das FG im zweiten Rechtsgang Hinzuschätzungen bei der M-GmbH dem Grunde und der Höhe nach --durch tatsächliche Feststellungen unterlegt-- für rechtmäßig erachten, hat es die notwendigen Feststellungen für die Annahme einer dem M zurechenbaren vGA nachzuholen (vgl. oben II.2.c).
- 33
-
c) Sollte sich danach eine bei M als Einnahme zu erfassende vGA ergeben, so wäre, wovon das FG im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist, das FA nicht aufgrund der Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem F nach § 32a KStG zur Änderung der in der Insolvenztabelle angemeldeten Ansprüche auf Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2003 verpflichtet.
- 34
-
Nach § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG kann ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die vGA zuzurechnen ist, aufgehoben oder geändert werden, soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 32a KStG ist eröffnet, da die aufgrund der Einigung geänderten Körperschaftsteuerberechnungen für die M-GmbH, die zu einer Verminderung der angemeldeten Körperschaftsteuerforderungen geführt haben, nach dem 18. Dezember 2006 erfolgten (vgl. zum zeitlichen Geltungsbereich der Norm statt aller Blümich/Rengers, § 32a KStG Rz 9).
- 35
-
Zwar ist § 32a Abs. 1 KStG nach einer im Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung nach Auffassung des Senats (BFH-Beschluss vom 20. März 2009 VIII B 170/08, BFHE 224, 439) sachlich auch dann sinngemäß anwendbar, wenn sich die Beteiligten in dem Insolvenz-Feststellungsverfahren darauf geeinigt haben, dass die bei der M-GmbH angesetzte vGA reduziert wird und das für die M-GmbH zuständige F seine Anmeldung zur Insolvenztabelle entsprechend herabgesetzt hat. Im Streitfall kann die Frage einer sinngemäßen Anwendbarkeit der Vorschrift (streitig; bejahend Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Kommentar zum KStG und EStG, § 32a KStG Rz 14b; kritisch Blümich/Rengers, § 32a KStG Rz 23; verneinend Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, GewStG, UmwStG, Freiburg 2011, § 32a KStG Rz 20, 23) indes offenbleiben. Wenn § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG sinngemäß anwendbar wäre, hätte das FA die äußeren Grenzen des eingeräumten Ermessens nicht überschritten.
- 36
-
Die in § 32a Abs. 1 Satz 1 KStG gebrauchte Formulierung "kann" legt zwar eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde nahe (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 224, 439; Kohlhepp, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2007, 1502), die in den Anwendungsbereich des § 102 FGO fällt (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2011 VIII R 8/09, BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 102 Rz 12, m.w.N.). Dabei prüft das Gericht, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 298, BStBl II 2012, 395; Gräber/von Groll, a.a.O., § 102 Rz 2, m.w.N.). Das der Finanzverwaltung eingeräumte Ermessen wird in den Fällen des § 32a KStG allerdings regelmäßig auf Null reduziert, wenn die Steuerfestsetzung für den Gesellschafter ohne die Änderung sachlich unrichtig wäre und daher jede andere Entscheidung als die der Änderung der unrichtigen Steuerfestsetzung als ermessenswidrig beurteilt werden müsste (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 224, 439, m.w.N.).
- 37
-
Das FG hat im Streitfall zutreffend die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null nicht als erfüllt angesehen. Denn die Einigung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem F war wegen der Insolvenz der M-GmbH allein von dem Gedanken einer ökonomischen Verfahrensbeendigung geprägt und stellt keine sachgerechte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der M-GmbH dar. Entgegen der Auffassung des Klägers folgt auch aus der Stellungnahme des Berichterstatters am FG vom 29. August 2007 im damaligen Klageverfahren kein anderes Ergebnis. Zwar hat sich dieser dahingehend geäußert, dass nach "summarischer Prüfung" die Reduzierung der vGA um 1/3 als möglich erscheine. Es ist jedoch --mangels Begründung durch den Berichterstatter-- nicht nachvollziehbar, wie er zu diesem Ergebnis gelangt ist, insbesondere hat er seinen Vorschlag nicht anhand von konkreten Zahlen oder durch die Benennung eines konkreten Fehlers bei der Schätzung belegt. Ebenso wenig ist bei der letztlich erzielten Einigung --Reduzierung der Hinzuschätzungsbeträge bei der M-GmbH um ein Drittel und Ansatz lediglich eines Drittels als vGA-- eine sachliche Grundlage in dem festgestellten Sachverhalt ersichtlich. Es ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG annimmt, dass der Insolvenzverwalter über das Vermögen der M-GmbH und das F mit der Einigung angesichts der geringen wirtschaftlichen Bedeutung das Klageverfahren ohne sachgerechte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen der M-GmbH ohne Weiteres zum Abschluss bringen wollten.
- 38
-
d) Auf die Verfahrensrüge, mit der der Kläger geltend macht, die Vorentscheidung verstoße gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 FGO), da die angenommenen Kassenfehlbeträge widerlegt worden seien, kam es wegen der Zurückverweisung an das FG nicht mehr an.
- 39
-
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
Tatbestand
- 1
-
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Dienstgebäude der Behörde X in Berlin eine Kantine. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Von den im Streitjahr 2001 ausgeführten Umsätzen bezeichnete er einen Anteil von 53,19 % als zum ermäßigten Steuersatz zu besteuernde "Außer-Haus-Verkäufe".
- 2
-
Im Jahr 2003 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch. Im Bericht vom 14. Oktober 2003 führte die Prüferin unter Tz. 5 zur steuerlichen Beurteilung der Buchführung aus:
- 3
-
"Die Prüfung ergab Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen.
- 4
-
Die Ergebnisse der Buchführung können unter Berücksichtigung der in den nachfolgenden Textziffern behandelten Änderungen der Besteuerung zugrunde gelegt werden."
- 5
-
Unter Tz. 6 werden als Mängel der Buchführung angeführt:
- 6
-
"In der jährlichen Bestandsaufnahme wurde nicht das Verpackungsmaterial (Pappteller, Pappschalen, Einschlagpapier usw.) erfasst.
- 7
-
Desweiteren wurden keine Speise- und Getränkekarten vorgelegt."
- 8
-
Weitere Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen, enthält der Bericht nicht. Unter Tz. 14 nahm die Prüferin "nach Zusammenstellung des betrieblichen Datenmaterials ... eine Umverteilung der 7%igen und der 16%igen USt-Erlöse für Speisen und Getränke" vor. Bei durchschnittlich 361 Gästen täglich an 260 Arbeitstagen und einem täglichen Durchschnittsverzehr von 5,11 DM, hätten --ausgehend von dem vom Kläger genannten Anteil der ermäßigt zu versteuernden Umsätze von 53,19 %-- 49 920 "Außer-Haus-Verkäufe" im Kalenderjahr stattfinden müssen. Das im Jahr 2001 eingekaufte Verpackungsmaterial habe aber weit unter dem gelegen, was für so viele Verkäufe benötigt worden wäre.
- 9
-
Das FA ging daraufhin in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 5. Februar 2004 von einem Anteil von 27 % der "Außer-Haus-Verkäufe" aus. Der dagegen eingelegte Einspruch, in dem der Kläger u.a. vortrug, der erklärte Anteil der "Außer-Haus-Verkäufe" entspreche dem der Vorpächter der Kantine, hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2005 wird u.a. ausgeführt, die Übertragung der Kassenbons in das Kassenbuch sei "nicht identisch" erfolgt. Zum Beispiel seien am 2. und 3. Januar 2001 auf den Kassenbons sämtliche Umsätze als "Im-Haus" registriert worden, während im Kassenbuch eine Aufteilung in "Außer-Haus" und "Im-Haus"-Umsätze erfolgt sei. Am 30. Oktober 2001 seien nach der Registrierkasse Umsätze zu 7 % in Höhe von 373,70 DM und zu 16 % in Höhe von 1.908,70 DM getätigt worden. Im Kassenbuch seien vom Kläger für diesen Tag Umsätze zu 7 % in Höhe von 1.100 DM und zu 16 % in Höhe von 1.182,10 DM erklärt worden.
- 10
-
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens trug das FA in der Klageerwiderung vom 11. August 2005 u.a. vor, derartige Abweichungen bei der Gegenüberstellung der Kassenbons mit den jeweiligen Eintragungen im Kassenbuch habe es an 25 Arbeitstagen gegeben. Weiter machte das FA geltend, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Bei einer täglichen Abgleichung des Soll-Ist-Kassenbestands wäre aufgefallen, dass die zu vergleichenden Kassenbestände voneinander abwichen.
- 11
-
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ offen, ob die Buchführung des Klägers formell nicht ordnungsgemäß sei, weil er das Verpackungsmaterial nicht in den jährlichen Bestandsaufnahmen erfasst und die Speise- und Getränkekarten nicht aufbewahrt habe. Denn selbst eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung würde das FA noch nicht zur Durchführung einer Schätzung berechtigen. Eine solche erfordere stets Anzeichen für eine sachliche Fehlerhaftigkeit der Buchführung. Hierzu habe das FA aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Grundlagen der anhand des Verpackungsmaterials vorgenommenen Schätzung des FA seien nicht hinreichend substantiiert und vom Kläger in nachvollziehbarer Weise angegriffen worden.
- 12
-
Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Vorentscheidung verstoße gegen die §§ 162 und 146 der Abgabenordnung (AO). Neben der fehlenden jährlichen Bestandsaufnahme des Verpackungsmaterials und der Nichtvorlage der Speise- und Getränkekarten habe das FA in der Einspruchsentscheidung und im Klageabweisungsantrag vom 11. August 2005 auf die nicht identische Übertragung von mehreren Kassenbons in das Kassenbuch und auf die nicht im zeitlichen Ablauf erfassten Barausgaben hingewiesen sowie auf die mangelnde Kassensturzfähigkeit. Dies begründe auch Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Das FG hätte unter Zugrundelegung des Akteninhalts die Missstände in der Buchführung feststellen und die Buchführung als weder formell noch sachlich ordnungsgemäß verwerfen müssen.
- 13
-
Außerdem habe das FG verkannt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr auf dem Gelände auf Grund des räumlichen Zusammenhangs eine Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle, die als sonstige Dienstleistung nicht dem nur für bestimmte Lieferungen geltenden ermäßigten Steuersatz unterfallen könne.
- 14
-
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 15
-
Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger verweist auf seine bereits früher gegenüber dem FA und dem FG abgegebenen Stellungnahmen.
Entscheidungsgründe
- 16
-
II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat nicht beachtet, dass es sich von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) bilden musste. Es hat ferner den Vortrag des FA nicht berücksichtigt, dass Barausgaben nicht im zeitlichen Ablauf erfasst und Kassenbons nicht identisch in das Kassenbuch übertragen worden seien und die Kassensturzfähigkeit nicht gewährleistet gewesen sei.
- 17
-
1. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).
- 18
-
a) Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015, unter 1.a).
- 19
-
Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109, unter 1., m.w.N.). Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).
- 20
-
Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist u.a. ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
- 21
-
b) Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 1.a).
- 22
-
c) Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO, Rz 13). Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2008 X B 144/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R645; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 23, m.w.N.). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 158 AO Rz 3).
- 23
-
d) Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).
- 24
-
e) Die Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 162 Rz 53; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 96, m.w.N.; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 167; wohl auch Söhn in HHSp, § 121 AO Rz 93, m.w.N.). Eine vom FA vorgenommene Schätzung wird vom FG in vollem Umfang überprüft und ggf. durch eine eigene Schätzung ersetzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
- 25
-
2. Nach diesen Grundsätzen durfte es das FG nicht offenlassen, ob die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ganz oder teilweise aus den vom FA geltend gemachten Gründen zu verneinen ist.
- 26
-
a) Soweit das FA vorträgt, der Kläger habe entgegen der aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO folgenden Aufbewahrungspflicht keine Speise- und Getränkekarten aufbewahrt, ist allerdings zu beachten, dass der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO grundsätzlich durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht begrenzt wird.
- 27
-
aa) Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 AO ist akzessorisch. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten in Zusammenhang stehen, ist § 147 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Durch die Abhängigkeit der Aufbewahrungspflicht von einer im Gesetz angeordneten Aufzeichnungspflicht wird der Umfang der aufzubewahrenden Unterlagen sachgemäß begrenzt. Diese Beschränkung trägt dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflicht ebenso Rechnung wie der von Verfassungs wegen geforderten Verhältnismäßigkeit der Norm (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
- 28
-
bb) Dies gilt auch für § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, wonach sonstige Unterlagen aufzubewahren sind, "soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind".
- 29
-
Zwar lässt der weite Wortlaut der Vorschrift die Deutung zu, dass nach ihr ohne Rücksicht auf eine Aufzeichnungpflicht sämtliche für die Besteuerung bedeutsamen Unterlagen aufzubewahren sind. Dementsprechend hat das FG München im Urteil vom 29. Oktober 2009 15 K 219/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 10) ohne nähere Begründung im dortigen Streitfall angenommen, durch die Nichtaufbewahrung von Speisekarten habe der Kläger gegen § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen.
- 30
-
§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist aber unter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht im Lichte der im Einzelfall jeweils bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungspflichten einschränkend auszulegen. Danach müssen bei einer abstrakten Bestimmung der Reichweite der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO nur solche sonstigen, also nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4a AO fallenden, Unterlagen aufbewahrt werden, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).
- 31
-
b) Zutreffend rügt das FA, dass das FG wesentlichen, bereits in der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 11. August 2005 vorgetragenen Sachverhalt unberücksichtigt gelassen und damit gegen seine Pflicht verstoßen habe, sein Urteil auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
- 32
-
aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung sowie in der Klageerwiderung auf die "nicht identische" Übertragung mehrerer Kassenbons in das Kassenbuch durch den Kläger und darauf hingewiesen, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Mit diesem für die Frage der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung maßgeblichen Vortrag hat sich das FG nicht erkennbar auseinandergesetzt, denn es hat sich in den Entscheidungsgründen weder mit der Verbuchung der Bareinnahmen noch mit der Führung des Kassenbuchs befasst.
- 33
-
bb) Zwar ist das FG nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 2003 X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209; vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116, unter II.3., m.w.N.). Zumindest die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen und Rechtsausführungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a).
- 34
-
Zu diesen wesentlichen Umständen gehört im Streitfall insbesondere auch die Feststellung, ob der Kläger seiner Pflicht, Kasseneinnahmen und Kassenausgaben vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen und die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten, nachgekommen ist. Zumal wenn --wie hier-- vorwiegend Bargeschäfte getätigt worden sind, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem die Aufzeichnungen zugleich dazu dienten, die Umsätze entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nach unterschiedlichen Steuersätzen aufzuteilen.
- 35
-
3. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang den Einwänden des FA gegen die Kassenaufzeichnungen des Klägers nachgehen und prüfen, inwieweit die Speise- und Getränkekarten zum Verständnis und zur Überprüfung der für die zutreffende Umsatzbesteuerung in § 22 UStG vorgeschriebenen Aufzeichnung zur Trennung der Umsätze nach Steuerarten im Einzelfall von Bedeutung sind.
- 36
-
a) Ob die danach ggf. festzustellenden Mängel der Buchführung und die fehlerhafte Nichtaufnahme des noch vorhandenen Verpackungsmaterials bei der jährlichen Bestandsaufnahme (§ 146 AO) zur Feststellung der formellen Ordnungswidrigkeit führen, ist in erster Linie eine Tatfrage und deshalb zunächst vom FG zu entscheiden, zumal bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers nicht auf die formale Bedeutung des Buchführungsmangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1462 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 31. Juli 1969 IV R 57/67, BFHE 97, 246, BStBl II 1970, 125; vom 15. März 1972 I R 60/70, BFHE 105, 138, BStBl II 1972, 488, und vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 13, m.w.N.).
- 37
-
b) Das FG muss sich vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung bilden. Dies ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht "nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" entscheidet. Deshalb muss das FG den vom FA gegen die Richtigkeit der Buchführung des Klägers vorgebrachten Umständen nachgehen. Das FG wird ggf. von der ihm gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen haben (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).
- 38
-
c) Das FG wird hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die vom Kläger erbrachten Leistungen die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.-- (Deutsches Steuerrecht 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 272) und die dazu ergangenen BFH-Urteile (vom 8. Juni 2011 XI R 33/08, BFH/NV 2011, 1927 und XI R 37/08, BFHE 234, 443, BFH/NV 2011, 1976, sowie vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BFH/NV 2011, 1811 und V R 3/07, BFHE 234, 484, BFH/NV 2011, 2186) berücksichtigen.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.
(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.
(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.