Finanzgericht München Urteil, 31. Aug. 2016 - 3 K 3080/14

bei uns veröffentlicht am31.08.2016

Gericht

Finanzgericht München

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 3 K 3080/14

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Die Leitsätze lauten:

In der Streitsache

…,

Klägerin

prozessbevollmächtigt: Steuerberater …,

gegen

Finanzamt …,

Beklagter

Wegen Umsatzsteuer 2008 bis 2013

hat der 3. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter … am Finanzgericht, den Richter … am Finanzgericht und den Richter … am Finanzgericht sowie die ehrenamtliche Richterin … und die ehrenamtliche Richterin …

aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 31. August 2016

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www...de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe

I.

Streitig ist, ob für die Umsätze aus dem Verkauf einer von der Klägerin herausgegebenen und vertriebenen Zeitschrift der ermäßigte Umsatzsteuersatz zur Anwendung kommt.

Die Klägerin betreibt in A als Einzelunternehmen einen Verlag, mit dem sie eine Zeitschrift unter der Bezeichnung „Lifestyle Magazin“ herausgibt. Diese Zeitschrift hat eine Gesamtauflage von durchschnittlich 1.800 Exemplaren je Ausgabe und erscheint alle zwei Monate im Hochglanz Din A 4 Format. Sie ist beim Verlag, im Abonnement und im Zeitschriftenhandel für 2,50 € zu erwerben und wird im Übrigen bei den Inserenten der Werbeanzeigen und teilweise auch in weiteren Geschäften in A kostenlos für deren Kunden ausgelegt. Je Ausgabe werden durchschnittlich circa 200 Exemplare in örtlichen Zeitschriftenläden oder im Abonnement verkauft.

In den von der Klägerin eingereichten Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2013 wurden folgende Besteuerungsgrundlagen angemeldet (Beträge in €):

Nach der Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 2009 bis 2011 setzt der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) die Umsatzsteuer für die Jahre 2008, 2009, 2010 und 2011 durch Bescheide vom 14. Mai 2014 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung wie folgt fest:

Für das Kalenderjahr 2012 wurde die Umsatzsteuer durch Bescheid vom 4. Juli 2014 auf € und für das Jahr 2013 durch Bescheid vom 19. August 2014 auf € jeweils unter der Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung festgesetzt. Dadurch ergaben sich folgende Nachzahlungen für die Klägerin:

Der Grund der Änderungen der Steuerfestsetzungen war, dass das FA die Erlöse aus dem Verkauf des oben genannten Livestyle-Magazins abweichend von den Steuererklärungen der Klägerin nicht dem ermäßigten Steuersatz zu 7 Prozent unterwarf, da die Zeitschrift überwiegend Werbezwecken diene. Das FA unterwarf diese Umsätze daher dem Regelsteuersatz von 19 Prozent.

Gegen die vorgenannten Änderungsbescheide legte die Klägerin am 14. Juni 2014, am 23. Juli 2014 und am 20. August 2014 Einspruch ein.

In ihrem Schriftsatz vom 23. Juli 2014 wies die Klägerin darauf hin, dass die Berechnung der

Umsätze für 2012 rechnerisch nicht zutreffend sei. Das FA änderte daraufhin die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2012 mit Bescheid vom 7. August 2014 und setzte die Umsatzsteuer auf € fest, damit verringerte sich die Nachzahlung auf €.

Mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2014 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.

Dagegen ist die Klage vom 19. November 2014 gerichtet.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass es sich bei der von ihr herausgegebenen Zeitschrift um ein Livestyle-Magazin handele, das über den Tourismusort A informiere. Diese Zeitschrift werde mit großem journalistischem Aufwand erstellt, wobei vor allem auf eine umfangreiche Bildberichterstattung Wert gelegt werde. Sie werde nicht ausschließlich im Interesse und auf Kosten der Anzeigenkunden erstellt, wie dies bei Ferienmagazinen üblich sei. Die Klägerin sei vielmehr sowohl bei der Auswahl und als auch bei der Gestaltung der Artikel völlig unabhängig von ihren Anzeigenkunden, über den Inhalt der Zeitung würden ausschließlich die Klägerin und ihre Redaktion entscheiden. Es würde sich deshalb weder um eine „Annoncen-Zeitung“ noch um ein „Anzeigenblatt“ handeln, bei denen wegen des Überwiegens der Werbung der Regelsteuersatz zur Anwendung käme. Diese Regelung sei mit Blick auf die europäische Richtlinie so auszulegen, dass der ermäßigte Steuersatz bei einem Druckerzeugnis nur dann nicht zur Anwendung kommen könne, wenn dieses vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken diene. So könne sogar der Verkauf von Messekatalogen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen und der Begriff der Werbeleistung sei höchstrichterlich geklärt. Auch das Finanzgericht Hamburg habe in einem vergleichbaren Fall die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für rechtmäßig erachtet.

Zu dem weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf ihre im Verfahren eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide für 2008, 2009, 2010 und 2011 vom 14. Mai 2014, die Umsatzsteuerbescheide für 2012 vom 4. Juli 2014 und vom 7. August 2014 sowie den Umsatzsteuerbescheid für 2013 vom 19. August 2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. November 2014, aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und trägt weiter vor, dass die Umsätze aus dem Anzeigengeschäft bei weitem die Umsätze aus dem Verkauf der Zeitschrift übersteigen würden. Dadurch werde deutlich, dass dem Inserenten an einer positiven Darstellung gelegen sei, um der Kundschaft zu zeigen, was diese alles versäumt habe.

Zu dem weiteren Vorbringen des FA wird auf die Stellungnahmen vom 2. März 2015 und vom 30. April 2015 verwiesen.

Mit Aufklärungsanordnung vom 2. Mai 2016 wurde der Klägerin aufgegeben, dem Gericht für die Streitjahre jeweils mindestens zwei Ausgaben der Zeitschrift „Scene“ zu übersenden. Am 10. Mai 2016 übersandte die Klägerin sämtliche Ausgaben der Zeitschrift für die Streitjahre.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet. Auf die Umsätze aus dem Verkauf der von der Klägerin vertriebenen Zeitschrift „Lifestyle Magazin“ kommt der Regelsteuersatz zur Anwendung, weil dieses Druckwerk im Wesentlichen Werbezwecken dient.

1. Gemäß § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf sieben Prozent für die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände.

Nach Nr. 49 der Anlage 2 des UStG sind die Lieferungen von Büchern, Zeitungen und anderen Erzeugnissen des grafischen Gewerbes erfasst mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die überwiegend Werbezwecken (einschließlich Reisewerbung) dienen, und zwar:

a) Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in Teilheften, losen Bogen oder Blättern, zum Broschieren, Kartonieren oder Binden bestimmt, sowie Zeitungen und andere periodische Druckschriften kartoniert, gebunden oder in Sammlungen mit mehr als einer Nummer in gemeinsamem Umschlag (ausgenommen solche, die überwiegend Werbung enthalten),

b) Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern oder Werbung enthaltend (ausgenommen Anzeigenblätter, Annoncen-Zeitungen und dergleichen, die überwiegend Werbung enthalten),

Verweis auf Position 4902 des Zolltarifs

c) …

In der Anmerkung 3 zu Kapitel 49 des Zolltarifs wird geregelt, dass Zeitungen und andere periodische Druckschriften, kartoniert, gebunden oder in Sammlungen mit mehr als einer Nummer in einem Umschlag, zu Position 4901 gehören, auch wenn sie Werbung enthaltender nationalen umsatzsteuerrechtlichen Regelung i. V. m. dem Zolltarif kommt demnach der ermäßigte Steuersatz für periodisch erscheinende Druckwerke nicht zur Anwendung, wenn diese überwiegend Werbezwecken dienen.

Nach der nationalen umsatzsteuerrechtlichen Regelung i. V. m. dem Zolltarif kommt demnach der ermäßigte Steuersatz für periodisch erscheinende Druckwerke nicht zur Anwendung, wenn diese überwiegend Werbezwecken dienen.

Soweit es sich um die umsatzsteuerrechtliche Einstufung von Druckschriften mit Werbeinhalt handelt, sind allerdings nicht zolltarifliche, sondern umsatzsteuerrechtliche Gesichtspunkte maßgebend (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VII R 26/96, UR 1998, 152).

Unionsrechtlich beruht die deutsche Regelung auf Art. 98 Abs. 2 Satz 1 der Mehrwertsteuer Systemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom28. November 2006, ABl.EU 2006 Nr. L 347, S. 1 = MwStSystRL) mit Verweisung auf den Anhang III Nr. 6 zur MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten die „Lieferung von Büchern, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnliche Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder -manuskripte, Landkarten und hydrografische oder sonstige Karten), Zeitungen und Zeitschriften, mit Ausnahme von Druckerzeugnissen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen“ einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen können.

Die deutsche Regelung entspricht dabei mit dem Tatbestandsmerkmal des „Überwiegens“ der Werbung allerdings nicht dem Wortlaut des Unionsrechts, weil ein „Überwiegen des Werbeinhalts“ sprachlich weniger bedeutet als die Anforderung eines „wesentlichen“ oder „vollständigen“ Werbezweckes eines Druckerzeugnisses. Insoweit kommt in Betracht, dass das deutsche Kriterium „überwiegend Werbezwecken dienen“ unionsrechtlich im Sinne der MwStSystRL von „vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen“ zu verstehen ist (Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 17. April 2007 3 K 64/06, EFG 2007, 1994, Rz. 121 m. w. N.), auch wenn die Anmerkung 5 zu Kapitel 49 des Zolltarifs ein „Überwiegen“ der Werbezwecke für ausreichend erachtet.

2. Bei Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben auf den Streitfall kommt der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Nr. 49 Buchst. b der Anlage 2 des UStG auf die Umsätze aus dem Verkauf der Zeitschrift „Lifestyle Magazin“ nicht zur Anwendung.

a) Veröffentlichungen, die „überwiegend Werbezwecken dienen“ liegen vor, wenn sie in erster Linie wegen der darin enthaltenen Werbung herausgegeben werden (z. B. Reise- und Fremdenverkehrsprospekte, Hotel-Hausprospekte), wobei der Begriff „Werbezwecke“ sowohl die geschäftliche als auch die nichtgeschäftliche (private) Werbung umfasst (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2011 5 K 5278/08, EFG 2012, 471, Rz. 15). Für eine Abgrenzung ist dabei nicht entscheidend auf das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text, sondern auf die Art der Aufmachung, den Inhalt und den Herausgabezweck des Druckerzeugnisses abzustellen, sofern diese Kriterien in dem Druckerzeugnis ihren Niederschlag gefunden haben (Husmann, in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 12, Rz. 661; Kraeusel, in Reiß/Kraeusel/Langer, Kommentar zum UStG, § 12 Rz. 525; Klenk, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 12 Rz. 216 und Rondorf, in Schwarz/Widmann/Radeisen, Kommentar zum UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 1, Rz. 661).

So hatte der BFH zum Beispiel für den Fall von sogenannten Fremdenverkehrsprospekten entschieden, dass es sich dabei um Druckerzeugnisse für Werbezwecke handelt (Urteil vom 28. September 1988 X R 49/81, BStBl II 1989, 208). Unter Werbung ist hier im Allgemeinen wie im wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch eine „zwangfreie und absichtliche Form der Beeinflussung, welche die Menschen zur Erfüllung des Werbeziels veranlassen soll“ zu verstehen. Auch bei einer in die Form einer Sachinformation gekleideten positiven Darstellung eines Objekts, die dem Adressaten eine bestimmte Entscheidung im Sinne des jeweiligen Werbeziels nahelegen soll, handelt es sich um Werbezwecke. So ist es ausreichend für die Fremdenverkehrswerbung, wenn ein Prospekt darauf angelegt ist, den vorgestellten Ort als geeignetes Reiseziel vorzustellen (BFH-Urteil vom 28. September 1988 X R 49/81, BStBl II 1989, 208, Rz. 25 und 27; vgl. auch BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2014 VII B 206/13, BFH/NV 2015, 245, Rz. 7).

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze handelt es sich bei der Zeitschrift „Lifestyle Magazin“ um ein Druckerzeugnis, welches im Wesentlichen Werbezwecken auch im Sinne der vorgenannten Fremdenverkehrswerbung dient. In erster Linie soll mit ihr die Fremdenverkehrsregion A als lohnendes und geeignetes Reiseziel angepriesen werden.

aa) Vorliegend dient die gesamte im Hochglanzdruck herausgegebene Zeitung im Wesentlichen dazu, eine bestimmte Region - hier die Gemeinde A und ihre Umgebung - im allgemeinen sowie die dort befindlichen Einrichtungen, wie Ausflugsziele, Pensionen, Gaststätten und sonstige an Touristen gerichtete Leistungen positiv zu präsentieren, um sie für Besucher und Gäste attraktiv zu machen. Gegen einen vollständigen oder wesentlichen Werbecharakter spricht hier nicht, dass einzelne so genannte Präsentationsanzeigen den Eindruck eines journalistischen Beitrags erwecken sollen.

So weisen bereits die auf der Titelseite jeder Ausgabe der Zeitschrift abgedeckten Themenbereiche „Golf, Gäste, Gesundheit, Rezepte, Hotels, Gastronomie, Events, Veranstaltungen und Horoskop“ und der auf jeder Titelseite erscheinende Leitspruch „in ist wer drin ist ...“ darauf hin, dass der Herausgabezweck von der Gesamtaufmachung her und inhaltlich im Wesentlichen der Werbung dient. Hier sollen dem Leser das umfassende Angebot der in der Gemeinde A vertretenen Unternehmen sowie der Freizeitangebote der Region positiv vorgestellt werden. Dabei dient insbesondere die Darstellung der vielen „Events“ und der dort anzutreffenden mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten - welche an diversen Veranstaltungen in A teilnahmen - dazu, die überregionale Bekanntheit dieses Fremdenverkehrsortes und seiner Einrichtungen und deren Beliebtheit auch bei prominenten Gästen hervorzuheben.

So fehlt bei keinem der durch Bilder und die Namen der Anwesenden sowie kurze Schlagworte beschriebenen Ereignisse - wie zum Beispiel Feiern oder Partys - der explizite Hinweis auf den Namen der Gaststätte, Bar oder des Hotels, wo diese stattgefunden haben, wie z. B. „B Bar ... die Bar in A“, „Alpe C“, „D“, „E“, „F“ oder die „G-Hütte“. Selbst wenn demnach über ein „Event“ oder eine Veranstaltung mit Bildern und redaktionell berichtet wird, so steht hier durch den Bezug auf ein bestimmtes Unternehmen doch durchgängig der Werbecharakter im Vordergrund; der Leser soll dazu veranlasst werden, z. B. dieses Lokal aufzusuchen, um an ähnlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Selbst vermeintlich redaktionell geprägte Themen, wie z. B. der Beitrag über den „Viehscheid Z“ im Heft ... sind im Ergebnis auch der Werbung zuzuordnen, denn hierbei handelt es sich um „den Auszug aus einem demnächst erscheinenden Buch“ der Autorin dieses Beitrags.

Festzuhalten ist, dass dieses Erscheinungsbild der Zeitschrift durchgängig in allen Ausgaben der Streitjahre vorhanden ist.

bb) Soweit die Zeitschrift „Lifestyle Magazin“ neben dem vorgenannten Inhalt in geringem Umfang auch allgemeiner gehaltene Beiträge enthält, die auf Veranstaltungen hinweisen, Tipps oder Rezepte enthalten, ohne dass dahinter erkennbar ein kommerzieller Anbieter steht, handelt es sich dabei nach den oben dargestellten Grundsätzen ebenfalls um Reisewerbung (i. d. S. auch das Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2011 5 K 5278/08, EFG 2012, 471, Rz. 18), denn auch dadurch soll in erster Linie die Attraktivität der Ferienregion A hervorgehoben und damit beworben werden.

So heben zum Beispiel auch die abgedruckten Veranstaltungshinweise die Bedeutung der Fremdenverkehrsregion um A hervor und bei den Kochrezepten finden sich zudem Hinweise (Links) auf gewerbliche Anbieter oder bei Beiträgen zur Gesundheit oder Schönheit ist auf derselben Seite die Anzeige eines Anbieters abgedruckt, der entsprechende Leistungen an- bietet (z. B. im Heft … S. ... „Wissenswertes über Frischzellentherapie“ oder im Heft …, S. „Traditionelle Chinesische Medizin“). Gleiches gilt bei Berichten über Sportereignisse in der Region; hier werden die Sponsoren dieser Veranstaltungen und deren Produkte ausdrücklich und wiederholt aufgeführt.

cc) Im Ergebnis besteht die Zielrichtung der einzelnen Artikel der vorliegenden Zeitschrift fast durchweg in der positiv werbenden Darstellung des entsprechenden Objekts, der Leistung oder des Reiseziels (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2011 5 K 5278/08, EFG 2012 471, Rz. 16), so dass ihr Zweck schon auf Grund ihrer redaktionellen Aufmachung insgesamt im Wesentlichen in der Werbung besteht.

Insoweit kommt es im Streitfall auch nicht darauf an, dass das deutsche Umsatzsteuerrecht in der Anlage 2 Nr. 49 des UStG sowie der Anhang 5 zu Kapitel 49 des Zolltarifs das Wort „überwiegend“ verwenden, während das umsatzsteuerrechtliche Unionsrecht in Anhang III Nr. 6 der MwStSystRL von „vollständig oder wesentlich“ spricht (vgl. oben in Tz. denn „wesentlich“ ist immer mehr als „überwiegend“.

Der im Wesentlichen durch Werbung bestimmte Herausgabezweck ist im Übrigen auch daraus ersichtlich, dass sich in den Zeitschriften keinerlei kritische Berichterstattung findet, es werden durchweg nur positive Aspekte der Fremdenverkehrsregion A beschrieben.

dd) Der vorgenannte Werbecharakter der Zeitschrift wird im Streitfall weiter dadurch unterstrichen, dass die Zeitschriften überwiegend - zu fast 90 Prozent - kostenlos - vor allem durch die Anzeigenkunden wie Hotels, Gaststätten und Kliniken an deren Kunden - abgegeben werden. Nach dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung wird die Zeitschrift zudem bei Gaststätten und sonstigen Einzelhändlern in A zur Einsichtnahme und in der Regel zur kostenfreien Mitnahme ausgelegt.

Die Zeitschriften werden demnach vor allem im Interesse und auf Kosten der Anzeigenkunden erstellt, was auch das Verhältnis der Einnahmequellen der Klägerin zeigt. So sind die Umsätze aus dem Verkauf der Zeitschrift im Verhältnis zu den Umsätzen aus dem Anzeigengeschäft der Klägerin nur gering, in den Streitjahren betragen die Umsätze zum Regelsteuersatz durchgängig mehr als 95 Prozent der Gesamtumsätze der Klägerin (vgl. oben inTz. I).

c) Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg vom 17. Juli 2007 (3 K 64/06, EFG 2007, 1994), in der dieses Gericht entschieden hatte, dass eine sogenannte Special-Interest-Zeitschrift (hier auf dem Gebiet der Immobilien) dann dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, wenn die Zeitschrift nach Gesamtwürdigung von Aufmachung, Inhalt und erkennbarem Herausgabezweck nicht überwiegend Werbung enthält.

Gerade das Abstellen auf die „Aufmachung“ einer Zeitschrift erfordert immer eine einzelfallbezogene Würdigung und das führt im Streitfall aus den vorgenannten Gründen zu dem Ergebnis, dass die Zeitschrift der Klägerin im Wesentlichen der Werbung dient. Insoweit war das vorliegende Verfahren auch nicht wegen der beim BFH anhängigen Streitsache VII R 12/15 (vormals V R 5/15, vorgehend Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 8. Dezember 2014 7 K 1457/12, juris) wegen des Steuersatzes bei der Erstellung von Messekatalogen zum Ruhen zu bringen, denn auch dabei kommt es ausschließlich auf die Umstände des konkreten Falls und deren rechtliche Würdigung an.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 12 Steuersätze


(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4). (2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:1.die Lieferungen, die Einfuhr u

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(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf sieben Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
2.
die Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände mit Ausnahme der in der Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 bezeichneten Gegenstände;
3.
die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Anzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere;
4.
die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen;
5.
(weggefallen);
6.
die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte;
7.
a)
die Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen, sowie die den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler
b)
die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie die Filmvorführungen, soweit die Filme nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 des Jugendschutzgesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730, 2003 I S. 476) in der jeweils geltenden Fassung gekennzeichnet sind oder vor dem 1. Januar 1970 erstaufgeführt wurden,
c)
die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergeben,
d)
die Zirkusvorführungen, die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller sowie die unmittelbar mit dem Betrieb der zoologischen Gärten verbundenen Umsätze;
8.
a)
die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden. Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht,
b)
die Leistungen der nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Gemeinschaften der in Buchstabe a Satz 1 bezeichneten Körperschaften, wenn diese Leistungen, falls die Körperschaften sie anteilig selbst ausführten, insgesamt nach Buchstabe a ermäßigt besteuert würden;
9.
die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist;
10.
die Beförderungen von Personen
a)
im Schienenbahnverkehr,
b)
im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und im genehmigten Linienverkehr mit Schiffen sowie die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt;
11.
die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Satz 1 gilt nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind;
12.
die Einfuhr der in Nummer 49 Buchstabe f, den Nummern 53 und 54 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände;
13.
die Lieferungen und der innergemeinschaftliche Erwerb der in Nummer 53 der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände, wenn die Lieferungen
a)
vom Urheber der Gegenstände oder dessen Rechtsnachfolger bewirkt werden oder
b)
von einem Unternehmer bewirkt werden, der kein Wiederverkäufer (§ 25a Absatz 1 Nummer 1 Satz 2) ist, und die Gegenstände
aa)
vom Unternehmer in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wurden,
bb)
von ihrem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an den Unternehmer geliefert wurden oder
cc)
den Unternehmer zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt haben;
14.
die Überlassung der in Nummer 49 Buchstabe a bis e und Nummer 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Absatz 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten;
15.
die nach dem 30. Juni 2020 und vor dem 1. Januar 2024 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken.
-----
*)
§ 12 Abs. 2 Nr. 10: Gilt gem. § 28 Abs. 4 idF d. Art. 8 Nr. 9 G v. 20.12.2007 I 3150 bis zum 31. Dezember 2011 in folgender Fassung:
"10.
a)
die Beförderungen von Personen mit Schiffen,
b)
die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr, im Verkehr mit Oberleitungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen, im Verkehr mit Taxen, mit Drahtseilbahnen und sonstigen mechanischen Aufstiegshilfen aller Art und die Beförderungen im Fährverkehr
aa)
innerhalb einer Gemeinde oder
bb)
wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt."

(3) Die Steuer ermäßigt sich auf 0 Prozent für die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Photovoltaikanlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Photovoltaikanlage laut Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 Kilowatt (peak) beträgt oder betragen wird;
2.
den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
3.
die Einfuhr der in Nummer 1 bezeichneten Gegenstände, die die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllen;
4.
die Installation von Photovoltaikanlagen sowie der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) wendet sich gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG), wonach auf den Verkauf von Messekatalogen durch die Klägerin und Beschwerdegegnerin, eine Messegesellschaft, der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden ist.

2

Das FG ging davon aus, dass die streitgegenständlichen Kataloge unter die in § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. der Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a genannten Erzeugnisse des graphischen Gewerbes fallen, die nicht überwiegend Werbezwecken dienen. In seiner Entscheidung stellte das FG fest, die Kataloge enthielten allgemeine Informationen über Öffnungszeiten u.ä., Werbe-Anzeigen, ein alphabetisches Verzeichnis der Aussteller mit Kontaktdaten und ihren Standorten in den Messehallen sowie ein systematisches Verzeichnis, in dem die Aussteller (Produkt-)Kategorien zugeordnet werden. Die Verzeichnisse machten nach den Feststellungen des FG gemessen an der Anzahl der bedruckten Seiten den weit überwiegenden Teil der Kataloge aus. Das FG kam zu der Überzeugung, die Kataloge dienten nach Beschaffenheit und Zweckbestimmung nicht überwiegend Werbezwecken, sondern v.a. der Information der Messebesucher über Aussteller und deren Standorte. Die Kataloge hätten nicht das Ziel, die Besucher zur Inanspruchnahme von Waren oder Dienstleistungen bestimmter Aussteller zu veranlassen; in den Verzeichnissen würden diese nicht besonders hervorgehoben. Die Kataloge dienten auch nicht der Werbung für einen Messebesuch. Sie würden erst kurz vor der Messe fertiggestellt und regelmäßig erst erworben, nachdem die Entscheidung zum Messebesuch bereits gefallen sei.

3

Das FA stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es meint, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil in einer Vielzahl von Fällen fraglich sei, ob nur dann davon ausgegangen werden könne, dass ein in Pos. 4901 der Kombinierten Nomenklatur (KN) einzureihendes Erzeugnis überwiegend Werbezwecken diene, wenn das Erzeugnis unmittelbar und offensichtlich die Adressaten zur Inanspruchnahme von Waren und Dienstleistungen bestimmter Unternehmen veranlasse. Es frage sich dabei auch, inwieweit das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text für die Beurteilung als überwiegend Werbezwecken dienendem Erzeugnis maßgeblich sei und ob ein Messekatalog, der --neben einem nicht unerheblichen Teil von Werbeanzeigen-- überwiegend allgemeine Informationen über die jeweiligen Aussteller enthalte, ein Druckerzeugnis sei, welches i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 49 bzw. der Anmerkung 5 zu Kapitel 49 KN überwiegend Werbezwecken diene. Das FA trägt --entsprechend der Linie der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (vgl. z.B. Schreiben der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 4. März 2011 S 7225 A-32-St 112)-- vor, Messekataloge dienten sowohl der Werbung für den Messeveranstalter als auch für die Aussteller und damit stets Werbezwecken. Das Aufzählen einer Vielzahl wichtiger Aussteller steigere die Attraktivität der Messe; es sei geeignet, die Entscheidung positiv zu beeinflussen, die Messe zu besuchen oder als Aussteller selbst an zukünftigen Messen teilzunehmen. Mit Hilfe der Angaben im Messekatalog könnten die Aussteller auch über die Dauer der Messe hinaus von interessierten Kunden gefunden und kontaktiert werden.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- unbegründet. Den vom FA aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

5

1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). Dazu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. Juni 1995 II B 5/95, BFH/NV 1996, 141, m.w.N.; vom 14. März 2000 V B 23/00, BFH/NV 2000, 1148; Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2002 VII B 178/02, BFH/NV 2003, 214).

6

2. Der Frage, ob die streitgegenständlichen Messekataloge Werbezwecken dienen, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

7

a) Der Begriff "Werbezwecke" ist geklärt. Es ist nach der Beschaffenheit und der erkennbaren Zweckbestimmung der Druckschrift --nicht nur nach der Seitenzahl-- zu beurteilen, ob die Schrift überwiegend darauf ausgerichtet ist, durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung den Werbeadressaten zur Erfüllung des Werbeziels, d.h. insbesondere zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 24. November 2005 V B 197/04, BFH/NV 2006, 624; vom 18. Februar 1997 VII R 26/96, BFH/NV 1997, 726, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1997, 234; vom 2. April 1996 VII R 119/94, BFHE 180, 231, ZfZ 1996, 378; vom 17. August 1993 VII R 34/93, BFH/NV 1994, 433; vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, BStBl II 1989, 208; vom 10. Dezember 1974 VII K 2/73, BFHE 114, 519, ZfZ 1975, 203).

8

Zur Begründung einer gleichwohl vorliegenden grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hätte die Beschwerde somit eingehend begründen müssen, warum sie eine erneute Entscheidung des BFH zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält, und hätte hierfür substantiiert darlegen müssen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten ist, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben werden oder in welchen Punkten weiterer Klärungsbedarf besteht (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. April 2000 VIII B 99/99, BFH/NV 2000, 985, m.w.N.).

9

b) Ein in diesem Sinne weiterer Klärungsbedarf besteht nicht. Mit der Frage, ob nur dann davon ausgegangen werden könne, dass ein in Pos. 4901 KN einzureihendes Erzeugnis überwiegend Werbezwecken diene, wenn das Erzeugnis unmittelbar und offensichtlich die Adressaten zur Inanspruchnahme von Waren und Dienstleistungen bestimmter Unternehmen veranlasse, wird keine über die o.g. allgemeine Definition der Werbezwecke hinausgehende konkrete Definitionslücke aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, welche zusätzlichen allgemeingültigen Kriterien aufgestellt werden müssten, um den Begriff der Werbezwecke ausreichend zu konkretisieren. Die Argumentation des FA deutet vielmehr darauf hin, dass es die --seiner Auffassung nach bestehenden-- werbetypischen Besonderheiten der konkreten Messekataloge zu verallgemeinern sucht. Damit wird die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.

10

c) Der Sache nach wendet sich das FA demnach lediglich gegen die Tatsachenwürdigung bzw. Rechtsanwendung des FG im konkreten Einzelfall. Mit der darin enthaltenen Rüge, das Urteil des FG sei rechtsfehlerhaft, weil es § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a falsch angewandt habe, lässt sich die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen. Dass das FG in seinem Urteil einen Fehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung gemacht hat, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Nach den nachvollziehbaren Feststellungen des FG wird die Entscheidung für den Besuch der Messe regelmäßig nicht anhand des Messekatalogs --aus dem sich ggf. auch eine geringe Ausstellerzahl, das Fehlen der Branchenführer oder ähnliche "Mängel" der Messe ergeben können-- getroffen. Das Ausstellerverzeichnis, in dem die miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen gleichrangig nebeneinander aufgeführt werden, dient nach den nachvollziehbaren Feststellungen des FG in erster Linie der Information der Besucher, die sogar --bei Werbeschriften unüblich-- bereit sind, für die Informationen zu bezahlen.

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 8. Dezember 2014  7 K 1457/12 aufgehoben und der Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 9. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juni 2012 dahin geändert, dass die Steuer um ... € niedriger festgesetzt wird.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Messegesellschaft, wendet sich gegen die Anwendung des Regelsteuersatzes auf den Verkauf von Messekatalogen.

2

Nach einer Außenprüfung unter Beteiligung des Bundeszentralamts für Steuern änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom November 2009 die Umsatzsteuerfestsetzung 2003 u.a. unter Berücksichtigung einer Erhöhung um ... €, weil er davon ausging, auf den Verkauf von Messekatalogen sei der Regelsteuersatz anzuwenden.

3

Das Finanzgericht (FG) bestätigte dies und urteilte, die streitgegenständlichen Kataloge seien nicht in Pos. 4901 der Kombinierten Nomenklatur --KN-- ("Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke ...") oder eine andere Position der KN, für die sich die Steuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. Nr. 49 Buchst. a bis e der Anlage zu § 12 UStG in der 2003 geltenden Fassung auf 7 % ermäßigt, einzureihen, sondern in die Pos. 4911 KN ("Andere Drucke ...", u.a. "Werbedrucke und Werbeschriften, Verkaufskataloge und dergleichen"), für die der Regelsteuersatz (im Streitjahr 16 %) gegolten habe.

4

Dies folge u.a. aus den Anm. 3 und 5 zu Kap. 49 KN, weil es sich bei den Katalogen um sonstige Veröffentlichungen --nicht Zeitungen und andere periodische Druckschriften-- handele, die überwiegend Werbezwecken dienten. Alle wesentlichen Teile der Messekataloge hätten das Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. die Definition in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung --RL 2006/114/EG--, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 376/21). Dies gelte insbesondere für die Auflistung der Aussteller nach dem Alphabet bzw. nach Ländern geordnet mit Anschriften, Telefonnummern, E-Mail- und Internetadressen sowie der Messestandorte, die Auflistung mit Firmenzeichen (Trademark) oder Lizenz, die alphabetischen Listen der ausgestellten Produkte unter Angabe des Standorts auf der Messe und die Listen mit der alphabetischen Zuordnung von Ausstellern zu einem bestimmten Produktbereich. Die Nennung eines Ausstellers in einem Verzeichnis fördere seine Bekanntheit und Erreichbarkeit und damit den Absatz der von ihm hergestellten oder vertriebenen Waren oder erbrachten Dienstleistungen. Schließlich seien die Kataloge Werbung für die Klägerin selbst und die von ihr veranstalteten Messen, weil die Auflistung zahlreicher Aussteller die Bedeutung der Messe und der Klägerin als Veranstalterin zeigten.

5

Der Bundesfinanzhof --BFH-- (vgl. Urteil vom 17. August 1993 VII R 34/93, BFH/NV 1994, 433) habe zwar bei der Beurteilung eines Anzeigenblattes darauf abgestellt, ob es zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen veranlassen sollte, und folglich nur Verkaufsanzeigen, nicht Suchanzeigen, als Werbung angesehen. Zöge man dieses Abgrenzungskriterium heran, so läge bei Messekatalogen ganz überwiegend keine Werbung vor. Mit der bloßen Nennung der Aussteller in den Verzeichnissen der Kataloge würden keine Waren oder Dienstleistungen angepriesen. Die Verzeichnisse bezweckten nicht unmittelbar, Leser zum Kauf bestimmter Produkte oder zur Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen zu veranlassen.

6

Sowohl nach der Definition von Werbung in der RL 2006/114/EG als auch dem heute allgemein verbreiteten Verständnis sei der Begriff der Werbung aber weitergehend zu verstehen und umfasse die Verbreitung von Informationen in der Öffentlichkeit oder an ausgesuchte Personengruppen zwecks Bekanntmachung, Verkaufsförderung oder Imagepflege meist gewinnorientierter Unternehmen. Werbung diene sowohl der gezielten und bewussten als auch der indirekten und unbewussten Beeinflussung des Menschen. Daher werde auch die bloße Nennung eines Unternehmens in Medien, an Gebäudeflächen oder in Sportstätten ("Bandenwerbung") oder mittels anderer geeigneter Werbemittel als Werbung angesehen, wenn sie nach der Aufmachung des Werbeträgers der Absatzförderung diene. Das gelte auch für im Zusammenhang mit einer Messe, also einer Werbeveranstaltung, verkaufte Kataloge.

7

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, auf Erlöse aus dem Verkauf von Messekatalogen sei gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 Buchst. a der Anlage zu § 12 UStG der ermäßigte Steuersatz anzuwenden. Als nicht überwiegend Werbezwecken dienende Druckerzeugnisse fielen die Messekataloge nicht unter die Pos. 4911 KN ("Andere Drucke ...", u.a. "Werbedrucke ..."), sondern unter die Pos. 4901 KN ("Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke ...").

8

Das FA schließt sich den Ausführungen des FG an.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist begründet. Das Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es ist aufzuheben und der Umsatzsteuerbescheid 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer um ... € niedriger festzusetzen ist.

10

1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ist bei Umsätzen mit Waren der Pos. 4901 KN die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes vorgesehen. Die hier streitgegenständlichen Messekataloge sind als Erzeugnisse des graphischen Gewerbes, die nicht überwiegend Werbezwecken dienen, in diese Position einzureihen.

11

Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat (vgl. z.B. die Urteile in BFH/NV 1994, 433; vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/NV 1991, 779; vgl. auch BFH-Beschluss vom 20. März 1998 V B 138/97, BFH/NV 1998, 1380), richtet sich die Auslegung der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG allein nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen, soweit die Verweisung auf den Zolltarif reicht. Die hier einschlägige Nr. 49 Buchst. a der Anlage verweist auf den Zolltarif ("aus Pos. 4901 KN ...") und damit auch auf die (Abgrenzungs-)Vorschriften zu Kap. 49 KN (Senatsurteile vom 20. Februar 1990 VII R 121/86, BFHE 160, 79, BStBl II 1990, 761, und in BFH/NV 1991, 779). Dazu gibt es die Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS), die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. etwa Senatsurteile vom 7. Juli 2015 VII R 65/13, BFH/NV 2015, 1605; vom 14. November 2000 VII R 83/99, BFH/NV 2001, 499).

12

Zu Pos. 4901 KN gehören Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, gemäß der Anm. 3 zu Kap. 49 jedoch nicht Veröffentlichungen, die überwiegend Werbezwecken dienen. Diese sind in die Pos. 4911 KN ("Andere Drucke ..." bzw. dort Unterpos. 4911 10 KN "Werbedrucke und Werbeschriften, Verkaufskataloge und dergleichen") einzureihen (Anm. 5 zu Kap. 49).

13

Nach ständiger Rechtsprechung darf bei der zolltariflichen Einreihung auf den Verwendungszweck einer Ware nur insoweit abgestellt werden, als im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird und er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware bemisst (Senatsurteil vom 13. Januar 2015 VII R 25/13, BFH/NV 2015, 712, m.w.N.). Ob ein Buch oder eine Broschüre überwiegend Werbezwecken dient, ist somit allein anhand der Druckschrift zu beurteilen. Nicht maßgeblich ist, wie der Begriff "Werbung" außerhalb des Zolltarifs verstanden wird (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 433). Entscheidend ist, ob ein Druck nach seiner Beschaffenheit und seiner erkennbaren Zweckbestimmung, also nach Art der Aufmachung, des Inhalts und Herausgabezwecks, soweit diese ihren Niederschlag in dem Druck gefunden haben, überwiegend Werbezwecken dient (BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 433, und vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, BStBl II 1989, 208). Dies ist der Fall, wenn der Druck überwiegend darauf ausgerichtet ist, durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung den Adressaten zur Erfüllung des Werbeziels, d.h. insbesondere zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Oktober 2014 VII B 206/13, BFH/NV 2015, 245, m.w.N.; vom 24. November 2005 V B 197/04, BFH/NV 2006, 624; Senatsurteil vom 18. Februar 1997 VII R 26/96, BFH/NV 1997, 726, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1997, 234). Dabei ist nicht allein das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text bzw. Illustrationen maßgebend. Ergibt sich etwa aus der Aufmachung, dem Inhalt oder auch dem Herausgabezweck der Druckschrift, dass die Werbung im Vordergrund steht, so ließe selbst ein nennenswerter Anteil von redaktionellem Text, Suchanzeigen o.Ä. den Werbecharakter nicht entfallen. Bei Zweifeln kann indessen das Raumverhältnis bei der Beurteilung von Beschaffenheit oder Zweck der Schrift herangezogen werden (Senatsurteil in BFH/NV 1994, 433).

14

2. Nach diesen Grundsätzen dienen die im Streitjahr verkauften Kataloge nicht überwiegend Werbezwecken. Es handelt sich insbesondere bei den Verzeichnissen, die dem Umfang und der Relevanz nach den wesentlichen Teil der Kataloge ausmachen, nicht um Werbung. Denn das FG hat festgestellt, dass in ihnen keine Waren oder Dienstleistungen angepriesen werden und dass sie auch sonst nicht überwiegend darauf ausgerichtet sind, die Adressaten zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen.

15

Zu Unrecht hat das FG bei der Frage, ob die streitgegenständlichen Messekataloge überwiegend Werbezwecken dienen, berücksichtigt, dass sie von einer Messebetreiberin auf bzw. im Zusammenhang mit einer Messe vertrieben werden (Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 245). Nach der Senatsrechtsprechung hat die Beurteilung, wie ausgeführt, allein nach dem Inhalt der Druckschrift, d.h. u.a. losgelöst von der Person des oder der Werbungtreibenden zu erfolgen (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 1997, 726, ZfZ 1997, 234). Im Übrigen ist auch die Annahme, die (Fach-)Messen, deren Kataloge streitgegenständlich sind, seien reine (einseitige) Werbeveranstaltungen, nicht zutreffend. Messen sind auch ein Nachfrageforum, ähnlich wie Anzeigenblätter, in denen auch Suchanzeigen veröffentlicht werden (vgl. Senatsurteile in BFH/NV 1994, 433, und in BFH/NV 1991, 779).

16

Die Feststellungen des FG zur (schlichten) Aufmachung und zum Inhalt der Kataloge zeigen, dass die Sachinformation in den streitgegenständlichen Katalogen überwog bzw. der "unterrichtende Charakter" im Vordergrund stand (vgl. Senatsurteil vom 10. Dezember 1974 VII K 2/73, BFHE 114, 519). Es lag in erster Linie im Interesse der (Fach-)Besucher, rasch Ansprechpartner, Telefonnummern, Lagepläne u.Ä. sowie Firmen oder Produktbereiche zu finden und, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, schneller zum Ziel bzw. zum jeweiligen Messestand zu gelangen, unterwegs die besuchten Aussteller "abhaken", sich Notizen machen, sich die Mitnahme und das spätere Sortieren und Archivieren mancher Prospekte, Flyer und Visitenkarten sparen zu können. Deshalb waren sie sogar --bei Werbeschriften unüblich (wenn auch möglich, vgl. Senatsurteil in BFHE 160, 79, BStBl II 1990, 761)-- bereit, für die Kataloge zu bezahlen, obwohl auf Messen regelmäßig kostenlos Prospekte, Kataloge etc. verteilt werden. Weshalb das FG meint, die Schlichtheit der Darstellung --das Fehlen der zum Kauf oder Vertragsschluss motivierenden Elemente-- zeige, dass der von den Ausstellern gezahlte Preis einem von den Listen ausgehenden Werbeeffekt geschuldet sein müsse, ist nicht nachvollziehbar. Auch ist nicht jede Namensnennung eines Unternehmens geeignet, dessen Absatz zu steigern.

17

Die Überlegung des FG, dass Messekataloge stets für die Messe bzw. für die Veranstalterin werben, trägt angesichts der vom FG festgestellten Schlichtheit der Aufmachung nicht, zumal sich aus den Katalogen ggf. auch eine geringe Ausstellerzahl, das Fehlen der Branchenführer oder ähnliche "Mängel" der Messe ergeben können (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 245).

18

Umstände, die darauf hindeuten, dass die streitgegenständlichen Kataloge indirekte oder versteckte Werbung i.S. der ErlHS zu Pos. 4901 Rz 13.1 enthielten, hat das FG nicht festgestellt.

19

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.