Finanzgericht München Urteil, 09. März 2017 - 14 K 2434/16

bei uns veröffentlicht am09.03.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die deutsche Zweigniederlassung der X mit Sitz in A (USA), die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach dem Recht des Staates A (USA) geführt wird. Sie ist im Handelsregister B des Amtsgerichts B unter der Nummer HRB (…) eingetragen. Gegenstand ihres Unternehmens ist u.a. der Transport von Waren und die (genehmigungsfreie bzw. genehmigte) Express-Beförderung im In- und Ausland.

Im Zeitraum März 2004 bis Dezember 2006 übernahm die Klägerin von ihren Kunden eine Vielzahl von Sendungen mit Nichtgemeinschaftswaren aus Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung (aktive Veredelung, vorübergehende Verwendung, etc.) und aus Versandverfahren. Zum Teil hat die C GmbH die Sendungen am Flughafen D zur Weitergabe und Verladung in die Flugzeuge der X übernommen.

Sämtliche Waren wurden beim Zollamt D gestellt und zur Wiederausfuhr angemeldet bzw. die Wiederausfuhr mitgeteilt. In den handschriftlich ausgefüllten Air Waybills (Luftfrachtbriefe, AWB) waren jeweils Zielflughäfen im Ausland angegeben. Außerdem weisen die AWB jeweils einen Stempelabdruck auf mit der Überschrift „Zollantrag“ und dem Text „Wir beantragen die zollamtliche Überwachung der Ausfuhr mit Flug-Nr. … am …., AWB-Nr. …, D, ..., Unterschrift, X, Zollabteilung“.

Die Nichtgemeinschaftswaren, die im Rahmen eines Versandverfahrens nach D gebracht worden waren, wurden der Klägerin zur Lagerung in der vorübergehenden Verwahrung übergeben.

Im Rahmen einer bei der Klägerin ab dem 15. Januar 2007 durchgeführten Außenprüfung stellte der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA) fest, dass die Klägerin die am Flughafen D gestellten Nichtgemeinschaftswaren nicht direkt ausfliegen, sondern sie zunächst – zum Teil zusammen mit Gemeinschaftswaren – mit einem Luftfahrzeug der X, Flug-Nr. (…), von D nach E befördern ließ. Dort wurden die Container geöffnet und die Waren – falls erforderlich – sortiert. Die Nichtgemeinschaftswaren hat man sodann in ein anderes Flugzeug umladen und anschließend in die USA weitertransportieren lassen. Außerdem stellte der Prüfer fest, dass Nichtgemeinschaftswaren mit Bestimmungsort innerhalb der Europäischen Union (EU) ohne vorherige Zollabfertigung als Gemeinschaftsware ausgeliefert worden waren.

Nach Auffassung des HZA waren diese Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden. Dadurch sei gemäß Art. 203 der Verordnung – EWG – Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK) eine Zollschuld entstanden. Auf den ersten Teilbericht des HZA vom 28. Februar 2007 und den Bericht vom 29. Juni 2011 wird wegen der Einzelheiten verwiesen (…).

Aufgrund der Prüfungsfeststellungen ergingen die folgenden Bescheide über Zoll und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt):

Datum

Reg.kennzeichen

geändert mit Bescheid vom

zuletzt festgesetzter Zoll in €

zuletzt festgesetzte EUSt in €

05.03.2007

05.03.2007

04.02.2008

08.05.2007

14.09.2011

11.06.2007

13.12.2007

11.06.2008

14.09.2011

Summe

Die hiergegen eingelegten Einsprüche vom 26. März 2007, 14. Mai 2007, 19. Juni 2007, 15. Dezember 2007 und 18. Juni 2008 blieben erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom 02. April 2012).

Hiergegen richtet sich die Klage vom 12. April 2012, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird:

Für die streitgegenständlichen Sendungen lägen sog. durchgehende Beförderungsverträge vor. Die auf Nichtgemeinschaftswaren anzuwendende Wiederausfuhr gemäß Art. 182 Abs. 1 erster Gedankenstrich ZK unterscheide sich von dem auf Gemeinschaftswaren anzuwendenden Ausfuhrverfahren nach Art. 161 ZK. Im Normalfall sei bei der Wiederausfuhr von Nichtgemeinschaftswaren das externe gemeinschaftliche Versandverfahren für die Beförderung der Waren von einer im Inland gelegenen Ausfuhrzollstelle/Abgangsstelle bis zur Ausgangszollstelle vorgeschrieben. Im Luftverkehr gelte aber als Ausgangszollstelle die Zollstelle, die für den Ort zuständig sei, an dem die Waren von der Luftverkehrsgesellschaft im Rahmen eines durchgehenden Beförderungsvertrags zur Beförderung mit Bestimmung in ein Drittland übernommen werden (Art. 793 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 2454/93 (EWG) der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (EWG) des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – ZK-DVO). Das Zollamt D sei somit sowohl Ausfuhrzollstelle als auch Ausgangszollstelle. Da die Wiederausfuhranmeldungen vom Zollamt D angenommen worden seien, sei auch das Wiederausfuhrverfahren nach Art. 793 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. b ZK-DVO durch das Zollamt D abzuschließen; die zollamtliche Überwachung habe an dieser Stelle geendet. Ihr sei keine Rechtsvorschrift bekannt, die ein externes gemeinschaftliches Versandverfahren nach Bestätigung der Wiederausfuhr durch die Ausgangszollstelle vorsehe. Auch der vom HZA zitierte Art. 340e ZK-DVO sei nur unter der Grundannahme zu verstehen, dass die Beförderung ausschließlich im EU-Zollgebiet erfolge. Wenn die Zollverwaltung nach ihren Verwaltungsvorschriften eine Beförderung von Waren mit durchgehendem Luftfrachtbrief auf der Straße zu einem Flughafen in der Gemeinschaft mit anschließender Umladung in ein Flugzeug als Ausfuhr/Wiederausfuhr im Luftverkehr zulasse, dann müsse dies erst Recht für eine Beförderung auf der ersten Teilstrecke mit einem Flugzeug (statt einem LKW) des Expresskurierdienstes (hier der X) und die anschließende Umladung in ein Flugzeug, das das Gemeinschaftsgebiet verlässt, gelten.

Für eine Zollschuldentstehung nach Art. 203 Abs. 1 ZK fehle es an einer Entziehungshandlung. Die zollamtliche Überwachung habe mit dem Abheben des Flugzeugs in D geendet. Die Zollschuld könne auch nicht dadurch entstanden sein, weil die Waren in ein nach Auffassung des HZA falsches Verfahren übergeführt worden seien. Der Zollanmelder sei grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, welche zollrechtliche Bestimmung die Waren nach Gestellung erhalten sollen. Sollte vorliegend überhaupt eine Zollschuld entstanden sein, dann allenfalls nach Art. 202 Abs. 1 Buchst. a ZK durch das vorschriftswidrige Verbringen der betroffenen Waren in das Zollgebiet bei der Umladung in E. Zollschuldner wäre dann aber allein die X bzw. der tatsächliche Eigentümer des Flugzeugs.

Seit dem 01. Juli 2001 könnten Nichtgemeinschaftswaren bei entsprechender Bewilligung zur Beendigung von Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung zum Zwecke der Wiederausfuhr gemäß Art. 512 Abs. 3 ZK-DVO vom Ort des Zollverfahrens zur Ausgangszollstelle befördert werden, ohne dass es hierzu eines externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens bedürfe. Sollten also die Wiederausfuhranmeldungen nicht wirksam vom Zollamt D angenommen worden sein, dann hätten sich die betroffenen Nichtgemeinschaftswaren auch nach einer Gestellung noch immer im Zollverfahren befunden. Das Verfahren sei nach Art. 512 Abs. 3 ZK-DVO erst dann beendet, nachdem die zur Wiederausfuhr angemeldeten Waren das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich verlassen haben. Ob dann in E eine Zollschuld entstanden sei, weil die Inhaber der Zollverfahren dort keine Anmeldungen zur Ausfuhr/Wiederausfuhr abgegeben hatten, könne dahingestellt bleiben. Zollschuldner wären alleine die Bewilligungsinhaber.

Unabhängig davon sei die Festsetzung von EUSt rechtswidrig, weil die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union bzw. Deutschlands eingegangen seien. Die Waren seien im Rahmen durchgehender Beförderungsverträge in die USA verbracht worden. Deshalb könne bei ihnen nicht von einer „Einfuhr“ i.S.v. Art. 2 Nr. 2 der bis zum 31. Dezember 2006 und damit für den Streitzeitraum geltenden Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 1457, S. 1), ab 01. Mai 2004 in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 (ABl. 2004, L 168, S. 35) geänderten Fassung (nachfolgend: Sechste Richtlinie) bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgegangen werden.

Letztlich seien die Bescheide auch deshalb rechtswidrig, weil das Ermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei. Das HZA habe die Inhaber der Zollverfahren zu Unrecht aus der Gesamtschuldnerschaft entlassen. Es sei nicht geprüft worden, ob einer der in Frage kommenden Zollschuldner bereit sei, die gesamten Abgaben zu zahlen. Stattdessen sei sie ausgewählt worden, obwohl sie mangels Verfügungsmacht nicht zum Abzug der festgesetzten EUSt als Vorsteuer berechtigt sei. Ihre alleinige Inanspruchnahme sei unverhältnismäßig und die erforderliche inhaltliche Begründung der Ermessensentscheidung unvollständig.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide vom – 05. März 2007 (…);

– 05. März 2007 (…), geändert durch Bescheid vom 04. Februar 2008 (…);

– 08. Mai 2007 (…), geändert durch Bescheid vom 14. September 2011 (…);

– 11. Juni 2007 (…);

– 13. Dezember 2007 (…) und

– 11. Juni 2008 (…), geändert durch Bescheid vom 14. September 2011 (…),

jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 02. April 2012 aufzuheben.

Das HZA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es handele sich bei den streitgegenständlichen Sendungen um Nichtgemeinschaftswaren, die gemäß Art. 37 ZK unter zollamtlicher Überwachung blieben, bis sie wiederausgeführt würden. Die zollamtliche Überwachung ende erst mit dem tatsächlichen Verlassen des Zollgebiets der EU und nicht vorher. Für die Beförderung von Nichtgemeinschaftswaren ohne Erhebung von Einfuhrabgaben zwischen zwei Orten in der EU sei grundsätzlich das externe Versandverfahren vorgesehen. Für die Beförderung von Waren auf dem Luftweg gelte dabei die Besonderheit, dass ein Versandverfahren nur vorgeschrieben sei, wenn die Nichtgemeinschaftswaren in einem Flughafen der EU verladen oder umgeladen würden (Art. 340e ZK-DVO). Der Umstand, dass für Sendungen ein durchgehender Beförderungsvertrag Deutschland – USA vorliege, schließe nicht aus, dass eine Beförderung zwischen zwei Orten in der EU (hier: D – E) stattfinde und dafür ein Versandverfahren nach Art. 91 ZK durchzuführen sei. Waren in Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung (aktive Veredelung, vorübergehende Verwendung, etc.) könnten im Hinblick auf die Wiederausfuhr ohne weitere Förmlichkeiten zur Ausgangszollstelle befördert werden, wenn dies bewilligt worden sei. Eine weitere Beförderung der Nichtgemeinschaftsware in der EU über die Ausgangszollstelle (hier: D) hinaus bis zur letzten Zollstelle in der EU (E) ohne Versandverfahren sei dagegen nicht vorgesehen. Nichtgemeinschaftswaren könnten in diesen Fällen nur bis zur Ausgangszollstelle im jeweiligen Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung ohne Förmlichkeiten befördert werden. Für den weiteren Transport von der Ausgangszollstelle bis zur Zollstelle, über die die Ware die EU verlässt, sei grundsätzlich ein Versandverfahren erforderlich. Dies habe wohl auch die Klägerin gesehen, da die Waren in einer Vielzahl von Fällen tatsächlich in ein Versandverfahren überführt und anschließend beim HZA E gestellt worden seien.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lägen umsatzsteuerpflichtige Einfuhren i.S.v. Art. 2 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie vor. Aus Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie ergebe sich, dass bei Waren, die seit dem Verbringen in die EU einer Regelung nach Art. 16 Abs. 1 Teil B der Richtlinie, der abgabenfreien vorübergehenden Einfuhr oder einem externen Versandverfahren unterlägen, eine Einfuhr erst erfolge, wenn die Waren nicht mehr diesen Regelungen unterlägen. Im Streitfall seien Waren im Versandverfahren zum Zollamt D befördert und dort gestellt worden. Damit seien die Versandverfahren beendet gewesen und die Nichtgemeinschaftswaren hätten sich anschließend in der vorübergehenden Verwahrung (unter zollamtlicher Überwachung) am Flughafen befunden. Außerdem seien Waren aus Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung (aktive Veredelung; vorübergehende Verwendung, etc.) bei der Zollstelle gestellt und zur Wiederausfuhr angemeldet worden. Die Sendungen seien in Deutschland mit dem Verlassen des Flughafens D der zollamtlichen Überwachung entzogen worden und hätten sich damit im Zeitpunkt der Wiederausfuhr nicht mehr in den in Art. 7 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie aufgeführten Verfahren befunden. Das HZA stützt seine Argumentation durch Verweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) C-480/12 vom 15. Mai 2014 und C-273/12 vom 11. Juli 2013.

Die Klägerin und die X seien für alle Sendungen Gesamtschuldner geworden. In einigen Fällen sei die C GmbH ebenfalls Gesamtschuldner, weil sie Sendungen von der Klägerin übernommen habe. Bei ca. 70% der Sendungen handele es sich um Nichtgemeinschaftwaren aus Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung. In diesen Fällen seien zusätzlich die Inhaber der Zollverfahren Abgabenschuldner geworden. Man sei bei der Prüfung der Umstände des Falles zu dem Ergebnis gekommen, nur die Klägerin in Anspruch zu nehmen. Die Realisierbarkeit der Forderungen sei im Streitfall bei allen Schuldnern gleich erschienen. Die Klägerin habe das Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung maßgeblich zu verantworten. Die Inhaber der Zollverfahren dagegen hätten am allerwenigsten dazu beigetragen, dass die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien. Mit einer freiwilligen Zahlung durch die Verfahrensinhaber sei nicht zu rechnen. Zudem hätte es einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand bedeutet, die Vielzahl der Verfahrensinhaber anteilig in Anspruch zu nehmen.

Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten wurde mit Beschluss vom 27. August 2014 das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die beiden Vorabentscheidungsersuchen C-226/14 und C-228/14 angeordnet. Nachdem in diesen Verfahren am 02. Juni 2016 ein Urteil ergangen war, wurde das Verfahren fortgesetzt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 09. März 2017 verwiesen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Die Festsetzung der Zollschuld ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO).

a) Die Zollschuld ist gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden. Danach entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wurde.

aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin unterlagen die streitgegenständlichen Waren auch noch nach dem Start des Flugzeugs in D der zollamtlichen Überwachung.

Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 ZK unterliegen Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Nichtgemeinschaftswaren bleiben gemäß Art. 37 Abs. 2 ZK so lange unter zollamtlicher Überwachung, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Art. 182 ZK vernichtet oder zerstört werden.

Im Streitfall handelte es sich um Nichtgemeinschaftswaren i.S.v. Art. 4 Nr. 8 i.V.m. Art. 4

Nr. 7 ZK, die gemäß Art. 79 Abs. 1 ZK durch die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr den zollrechtlichen Status einer Gemeinschaftsware erhalten. Ein solcher Statuswechsel durch Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr hat im Streitfall nicht stattgefunden.

Der Senat kann offen lassen, ob das in Art. 37 Abs. 2 ZK genannte Tatbestandsmerkmal „wiederausgeführt“ bereits mit der behördlichen Gestattung der Wiederausfuhr oder erst mit dem tatsächlichen Vorgang, durch den die Waren aus dem Zollgebiet der Union verbracht werden, erfüllt ist. Denn auch alle Waren, die aus dem Zollgebiet der Union verbracht werden, unterliegen gemäß Art. 183 ZK der zollamtlichen Überwachung.

Dass die zollamtlichen Befugnisse fortbestehen, bis die Waren tatsächlich (körperlich) das Zollgebiet der EU verlassen haben, entspricht dem Sinn und Zweck der Überwachung. Diese soll u.a. gewährleisten, dass die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf der Union eingehen. Diese Gefahr besteht erst mit dem Verlassen des Zollgebiets nicht mehr. Außerdem endet der räumliche Geltungsbereich des Unionszollrechts erst mit dem tatsächlichen Verbringen der Ware aus dem Zollgebiet (Territorialitätsprinzip; Art. 4 Nr. 8 Unterabs. 2 ZK). Bis dahin müssen die Zollbehörden in die Lage versetzt sein, die zur Wahrung der zollrechtlichen Belange erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

bb) Die streitgegenständlichen Waren wurden der zollamtlichen Überwachung entzogen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff des Entziehens jede Handlung oder (pflichtwidrige) Unterlassung, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der in Art. 37 Abs. 1 ZK vorgesehenen Kontrollen gehindert wird. Für eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung genügt es, dass die Ware etwaigen zollamtlichen Überprüfungen objektiv entzogen wurde, unabhängig davon, ob diese von der zuständigen Behörde tatsächlich vorgenommen worden wären (EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2015 C-319/14, B & S Global Transit Center, ECLI:ECLI:EU:C:2015:734 Zeitschrift für Zölle und Steuern -ZfZ- 2016, 96). Entscheidend ist, ob das Verschwinden der Ware die Gefahr eines Eintritts in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union mit sich brachte (EuGH-Urteil vom 15. Mai 2014 C-480/12, ECLI:ECLI:EU:C:2014:329, ZfZ 2016, 650, Rn. 35).

Ein ungehinderter Zugang zur Ware setzt voraus, dass die Zollbehörden jederzeit wissen, wo sich die Ware befindet. Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall. Denn dem Zollamt D wurde mitgeteilt, dass die Waren mit Bestimmungsorten im Ausland mit dem in D startenden Flug-Nr. (…) ausgeflogen werden sollen. Der fehlende Hinweis auf die (Zwischen-)Landung in E hätte allenfalls dann als unschädlich angesehen werden können, wenn die in D verladenen Container entweder an Bord eines in die USA weiterfliegenden Flugzeugs geblieben oder aber ungeöffnet in ein anderes Flugzeug verladen worden wären. Beides war aber nicht der Fall. Denn tatsächlich wurden die mit Flug-Nr. (…) transportierten Container in E ausgeladen und geöffnet, der Containerinhalt dort sortiert und die zur Wiederausfuhr bestimmten Nichtgemeinschaftswaren in ein anderes Flugzeug umgeladen. Damit war die Nämlichkeit der in D eingeladenen Waren mit denjenigen Waren, die in die USA ausgeführt wurden, nicht mehr gesichert. Die Nämlichkeitssicherung ist aber ein wesentlicher Zweck der zollamtlichen Überwachung.

Selbst wenn die Zollbeamten in D also – wie die Klägerin meint – anhand der angegebenen Flug-Nr. (…) erkannt haben sollten, dass das Flugzeug in E zwischenlandet, wäre diese Information für sich genommen nicht ausreichend gewesen, um die zollamtliche Überwachung sicherzustellen. Die durchgehende Überwachung der Waren wäre vielmehr nur dann möglich gewesen, wenn die Zollbehörde in D darüber informiert worden wäre, dass die Container in E geöffnet und umgepackt werden. Ohne diesen Hinweis bestand für das Zollamt D keine Veranlassung, das Zollamt am Flughafen in E einzuschalten, damit dieses die weitere Überwachung der Wiederausfuhr übernimmt.

Der von der Klägerin vorgetragene Umstand, dass die Waren im Rahmen durchgehender Beförderungsverträge transportiert wurden, macht den Hinweis auf die Öffnung der Container in E nicht entbehrlich. Die Frage, ob die Waren im Rahmen eines durchgehenden Beförderungsvertrages übernommen wurden, ist zwar für die Bestimmung der Ausgangszollstelle relevant (Art. 793 Abs. 2 Buchst. b ZK-DVO und die dazu ergangene Dienstvorschrift A 06 10, Abs. 434 der bis 30. April 2016 geltenden Fassung bzw. Abs. 32-32b der im Jahr 2004 geltenden Fassung); ein solcher Beförderungsvertrag entbindet die Beteiligten aber nicht davon, die tatsächliche Warenbewegung gegenüber dieser Ausgangszollstelle offenzulegen.

Auch der Hinweis der Klägerin, man könne den Verbleib der Waren anhand des von ihr verwendeten Tracking-Systems nachverfolgen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die entsprechenden Daten standen den Zollbehörden im Zeitpunkt der zu überwachenden Wiederausfuhr der streitgegenständlichen Waren nicht zur Verfügung. Damals lagen lediglich die handschriftlich ausgefüllten Manifeste und die Eingaben in das von den Zollbehörden verwendete EDV-System ATLAS (früher: ALFA) vor. Selbst wenn sich die Ankunft der Waren am Bestimmungsort in den USA im Nachhinein über die Daten des Tracking-Systems belegen ließe, würde dies nichts daran ändern, dass die Waren während ihrer Wiederausfuhr der zollamtlichen Überwachung entzogen waren.

Die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob ein – ggf. vereinfachtes – Versandverfahren erforderlich war, muss im Zusammenhang mit der Prüfung, ob die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden, nicht beantwortet werden. Mit der Durchführung eines Versandverfahrens wäre zwar die zollamtliche Überwachung sichergestellt gewesen; umgekehrt führt aber nicht jeder Verzicht auf die Durchführung eines Versandverfahrens dazu, dass die Zollbehörden an einer zollamtlichen Überwachung der Ware gehindert wären. Die Möglichkeit zur Überwachung kann z.B. im Rahmen anderer Verfahren gewährleistet sein, was ein Versandverfahren in der Regel entbehrlich macht (vgl. Art. 91 Abs. 3 ZK). Dies setzt aber voraus, dass die Orte, zwischen denen die Ware befördert wird, in der entsprechenden Bewilligung genannt sind (vgl. Art. 296 Abs. 1, Art. 512 Abs. 1 ZK-DVO).

Im Streitfall wurden die Waren nicht schon mit dem Entfernen vom Amts Platz des Zollamts D ohne vorherige Überführung in ein Versandverfahren der zollamtlichen Überwachung entzogen. Denn das Verladen der Ware in das Flugzeug und deren Transport mit der Flug-Nr. (…) fand im Rahmen der vom Zollamt D gestatteten Wiederausfuhr noch „unter den Augen der Zollbeamten“ statt. „Aus den Augen verloren“ haben die Zollbeamten die Ware erst, als die Container in E geöffnet und die Ware dort umgepackt wurde. Zu diesem Zeitpunkt bestand auch die Gefahr, dass die für die Wiederausfuhr bestimmten Nichtgemeinschaftswaren in den Wirtschaftskreislauf der EU eingehen konnten. Denn in den Containern aus D befanden sich zum Teil auch Gemeinschaftswaren bzw. Nichtgemeinschaftswaren mit Bestimmungsorten innerhalb der EU. Diese Container wurden in E – ohne zollamtliche Überwachung – geöffnet, die Ware sortiert und umgepackt. Dabei kam es nach den Feststellungen des Prüfers vor, dass Nichtgemeinschaftswaren mit Bestimmungsort innerhalb der EU ohne vorherige Zollabfertigung als Gemeinschaftsware ausgeliefert wurden. In diesen Fällen hat sich die für die Anwendung des Art. 203 ZK Abs. 1 ZK erforderliche Gefährdungslage sogar realisiert.

b) Die Klägerin ist gemäß Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK Zollschuldnerin.

Einer Zollschuldnerschaft der Klägerin steht nicht entgegen, dass es sich bei ihr nicht um eine natürliche Person, sondern um die Zweigniederlassung einer ausländischen Aktiengesellschaft handelt.

Der in Art. 203 Abs. 3 ZK verwendete Begriff „Person“ umfasst nach der Definition in Art. 4 Nr. 1 ZK neben natürlichen und juristischen Personen auch Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die im Rechtsverkehr wirksam auftreten können.

Nach Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK ist Zollschuldner die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat.

Die Klägerin hat den Transport der Waren organisiert und veranlasst, dass die Container nicht ungeöffnet in die USA oder andere Drittländer ausgeflogen, sondern in E geöffnet und umgepackt worden sind.

2. Auch die Festsetzung der EUSt ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt ein in Deutschland der EUSt unterliegender steuerbarer Umsatz vor.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland der EUSt.

Unter welchen Voraussetzungen von einer steuerbaren „Einfuhr im Inland“ auszugehen ist, regelt das UStG nicht.

Der Begriff der „Einfuhr“ lässt sich jedoch anhand von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) der Sechsten Richtlinie bestimmen. Danach liegt die Einfuhr eines Gegenstands vor, wenn ein Gegenstand, der nicht die Bedingungen der Artikel 9 und 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erfüllt oder wenn ein Gegenstand im Sinne des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der sich nicht im freien Verkehr befindet, in die Gemeinschaft verbracht wird.

Wann von einer steuerbaren Einfuhr „im Inland“ auszugehen ist, folgt aus den Bestimmungen in Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 der Sechsten Richtlinie. Nach der Grundregel in Art. 7 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie erfolgt die Einfuhr im Inland, wenn sich der Gegenstand im Zeitpunkt des Verbringens dort befindet. Davon macht Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 der Sechsten Richtlinie eine Ausnahme in den Fällen, in denen der Gegenstand vom Zeitpunkt seiner Verbringung in die Gemeinschaft an einer der Regelungen nach Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchstaben a, b, c und d, der Regelung der vorübergehenden Einfuhr bei vollständiger Befreiung von Eingangsabgaben oder dem externen Versandverfahren unterliegt. In diesen Fällen erfolgt die Einfuhr in dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Gegenstand nicht mehr diesen Regelungen unterliegt.

Zu den Regelungen nach Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchstaben a, b und c der Sechsten Richtlinie gehören die Lieferungen von Gegenständen, die zollamtlich erfasst und gegebenenfalls vorläufig verwahrt bleiben sollen, und von solchen, die einer Freizonen-, einer Freilagerregelung, einer Zolllagerregelung oder einer Regelung für den aktiven Veredelungsverkehr unterliegen sollen.

Solange die Gegenstände einer der genannten Regelungen unterliegen, ist die durchgehende zollamtliche Überwachung sichergestellt. Damit besteht keine Gefahr, dass die Gegenstände in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangen und hier verbraucht oder verwendet werden können. Diese Gefährdungslage ist nach der Rechtsprechung des EuGH für die Verwirklichung des Tatbestandes der EUSt entscheidend (vgl. EuGH-Urteil vom 02. Juni 2016 C-226/14 und C-228/14, Eurogate Distribution, ECLI:ECLI:EU:C:2016:405; ZfZ 2016, 193).

Im Streitfall hat die Klägerin die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Nichtgemeinschaftswaren aus Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung (aktive Veredelung, vorübergehende Verwendung, etc.) und aus Versandverfahren übernommen. Sie unterlagen also zunächst einer Regelung i.S.v. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 der Sechsten Richtlinie. Weil die Waren aber der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden (siehe oben II. 1.), war dies im Zeitpunkt der Wiederausfuhr nicht mehr der Fall.

aa) Sollen Waren – wie hier – wiederausgeführt werden, dauern vorangegangene Verfahren der aktiven Veredelung oder der vorübergehenden Verwendung grundsätzlich bis zu dem Zeitpunkt an, zu dem die Waren das Zollgebiet (körperlich) verlassen. Denn nach Art. 89 Abs. 1 ZK endet ein Nichterhebungsverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung, zu denen u.a. die aktive Veredelung und die vorübergehende Verwendung gehören (Art. 84 Abs. 1 Buchst. a dritter und fünfter Gedankenstrich und Buchst. b zweiter und vierter Gedankenstrich ZK), wenn die in diese Verfahren übergeführten Waren eine zulässige neue zollrechtliche Bestimmung erhalten.

Die zur Wahl stehenden zollrechtlichen Bestimmungen sind in Art. 4 Nr. 15 ZK abschließend aufgezählt. Danach ist neben der Überführung in ein Zollverfahren (Art. 4 Nr. 15 Buchst. a ZK) auch die Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft (Art. 4 Nr. 15 Buchst. c ZK) eine mögliche zollrechtliche Bestimmung.

Waren, die zur Überführung in ein Zollverfahren (Art. 4 Nr. 16 ZK) angemeldet wurden, erhalten ihre zollrechtliche Bestimmung, wenn sie für die Zwecke des Zollverfahrens überlassen werden (Art. 73, Art. 4 Nr. 20 ZK). Bei den sonstigen zollrechtlichen Bestimmungen, die nicht als Zollverfahren zu qualifizieren sind (z.B. Wiederausfuhr; Art. 4 Nr. 15 Buchst. b bis d ZK), findet keine solche Überlassung statt; in diesen Fällen führt erst die Vornahme der tatsächlichen Handlung zum Erhalt der zollrechtlichen Bestimmung (Kock in Dorsch, Zollrecht, Kommentar, Art. 48 ZK Rz. 13, 14; Henke in Witte, Zollkodex, Kommentar, 6. Aufl., Art. 73 Rz. 1; Urteil des FG Hamburg vom 28. April 2008 4 K 190/06 in juris). Im Falle der Wiederausfuhr müssen die Waren also körperlich das Gebiet der Gemeinschaft verlassen (vgl. auch Art. 512 Abs. 3 Satz 2 ZK-DVO).

bb) Externe Versandverfahren enden zwar gemäß Art. 92 Abs. 1 ZK, wenn die Waren am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle (hier: Zollamt D) gestellt werden. Für solche Waren gelten aber gemäß Art. 55 ZK die Artikel 42 bis 53 ZK. Sie müssen also u.a. eine der für Nichtgemeinschaftswaren zulässigen zollrechtlichen Bestimmungen erhalten (Art. 48 ZK) und haben bis zum Erhalt einer solchen zollrechtlichen Bestimmung die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung (Art. 50 ZK). Derartige zollamtlich erfassten und vorläufig verwahrten Waren sind in Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchstabe a der Sechsten Richtlinie genannt; sie unterlagen deshalb auch nach der Gestellung am Zollamt D weiterhin einer Regelung i.S.v. Art. 7 Abs. 3 UAbs. 1 der Sechsten Richtlinie.

Die vorübergehende Verwahrung endet grundsätzlich mit dem Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung (Kock in Dorsch, aaO., Art. 50 ZK Rz. 3), im Falle der Wiederausfuhr also damit, dass die Waren körperlich das Zollgebiet verlassen.

cc) Vorliegend wurden die Waren noch vor dem körperlichen Verlassen des Zollgebiets der zollamtlichen Überwachung entzogen. Nach der Rechtsprechung des EuGH führt diese Entziehung nicht nur zu einer Zollschuld nach Art. 203 ZK, sondern auch dazu, dass die Ware nicht mehr dem jeweiligen Zollverfahren unterliegt (EuGH-Urteil vom 11. Juli 2002 C-371/99, Liberexim, ECLI:ECLI:EU:C:2002:433, ZfZ 2002, 338). Ebenso endet die vorübergehende Verwahrung, die der zollamtlichen Überwachung der gestellten Waren dient (Kock in Dorsch, aaO., Art. 50 ZK Rz. 2).

Steht eine in die EU verbrachte Nichtgemeinschaftsware nicht mehr unter zollamtlicher Überwachung, steigt damit regelmäßig die Gefahr, dass die Ware (unversteuert) in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt und hier einem Verbrauch zugeführt wird. In seinen Schlussanträgen vom 13. Dezember 2016 zur Rechtssache C-571/15 (ECLI:ECLI:EU:C:2016:944) vertritt der Generalanwalt (…) zwar die Ansicht, dass diese Vermutung widerlegbar ist; dazu müsse aber im Rahmen einer eindeutigen richterlichen Würdigung unbestreitbar festgestellt werden, dass der Zugang zum Wirtschaftskreislauf der EU nicht möglich gewesen sei.

Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend. Es ist deshalb derzeit offen, ob sich der EuGH dieser Auffassung anschließen wird. Dennoch muss der Senat die Entscheidung des EuGH nicht abwarten. Denn im Streitfall hat die Klägerin die Vermutung, dass die Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangen und damit einem Verbrauch zugeführt werden konnten, nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegen können.

Durch den gemeinsamen Transport von Nichtgemeinschaftswaren und Gemeinschaftswaren nach E und die damit verbundene Notwendigkeit, die Waren dort umzupacken, bestand jederzeit die Gefahr, dass Nichtgemeinschaftswaren als Gemeinschaftswaren behandelt wurden und in der EU verblieben sind. Tatsächlich hat sich diese Gefahr nach den Feststellungen des HZA teilweise realisiert, weil Nichtgemeinschaftswaren mit Bestimmungsort innerhalb der EU ohne vorherige Zollabfertigung als Gemeinschaftsware ausgeliefert worden sind. Auch wenn es sich dabei nur um Einzelfälle gehandelt haben mag, zeigen diese Vorgänge dennoch, dass der Zugang zum Wirtschaftskreislauf der EU möglich war.

Der endgültige Verbleib der Waren kann auch nachträglich nicht mehr mit Gewissheit aufgeklärt werden, weil sich die im Tracking-System der Klägerin enthaltenen Daten nicht in jedem Fall den beim HZA vorhandenen Informationen zuordnen lassen.

Der Senat ist deshalb nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zur Überzeugung gelangt, dass die Voraussetzungen einer steuerbaren Einfuhr im Inland (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) zu dem Zeitpunkt, zu dem die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden, vorlagen.

b) Die EUSt ist gemäß § 21 Abs. 2 UStG in sinngemäßer Anwendung des Art. 203 Abs. 1 ZK entstanden, weil die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden. Auf die Ausführungen oben unter II.1.a) wird verwiesen.

c) Die Klägerin ist Schuldnerin der EUSt.

Wer Schuldner der EUSt ist, bestimmt sich gemäß § 13a Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG sinngemäß nach den Vorschriften für Zölle. Zollrechtlich folgt die Abgabenschuldnerschaft der Klägerin aus Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK. Auf die obigen Ausführungen unter II.1.b) wird insoweit verwiesen.

3. Die (alleinige) Inanspruchnahme der Klägerin ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Ein Ermessen stand dem HZA insoweit nicht zu.

Gibt es für eine Zoll- bzw. Einfuhrumsatzsteuerschuld mehrere Schuldner, sind diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Abgabenschuld verpflichtet (Art. 213 ZK; für die EUSt Art. 213 ZK i.V.m. § 21 Abs. 2 UStG). Welcher von mehreren als Gesamtschuldner in Frage kommenden Personen in Anspruch genommen wird, hat das HZA nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BFH-Urteil vom 20. Juli 2004 VII R 20/02, ZfZ 2005, 86). Eine solche Ermessensentscheidung darf gemäß § 102 Satz 1 FGO gerichtlich nur dahingehend überprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

Geht die Behörde allerdings irrtümlich von einem Ermessensspielraum aus, obwohl eine gebundene Entscheidung zu ergehen hat, ist die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ausschließlich nach Maßgabe der insoweit bindenden Rechtsvorschriften vorzunehmen; eine solcher Bescheid unterliegt – wie alle anderen gebundenen Verwaltungsentscheidungen – der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (Brandt in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 129. Lieferung, § 102 FGO Rz. 4 und 43).

Nach den Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen vom 02. April 2012 hat das HZA die Klägerin, die X, die Inhaber der Zollverfahren und die C GmbH zu Unrecht als Gesamtschuldner angesehen. Tatsächlich kommen die X, die Inhaber der Zollverfahren und die C GmbH jedoch nicht als Abgabenschuldner in Betracht.

Abgabenschuldner sind u.a. die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat (Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK; für die EUSt i.V.m. § 13a Abs. 2 und § 21 Abs. 2 UStG), die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen (Art. 203 Abs. 3 zweiter Anstrich ZK) sowie gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben (Art. 203 Abs. 3 vierter Anstrich ZK).

a) Die X konnte weder als Handelnde i.S.v. Art. 203 Abs. 3 erster Anstrich ZK noch als Beteiligte gemäß Art. 203 Abs. 3 zweiter Anstrich ZK in Anspruch genommen werden. Denn das Verladen der Ware in das Flugzeug der X und der Transport mit der Flug-Nr. (…) fand im Rahmen der vom Zollamt D gestatteten Wiederausfuhr noch unter zollamtlicher Überwachung statt. „Aus den Augen verloren“ haben die Zollbeamten die Ware erst, als die Container in E geöffnet und die Ware dort umgepackt wurde. Diese konkrete Entziehungshandlung steht nicht in Zusammenhang mit einem Verhalten der X.

b) Die C GmbH kommt ebenfalls nicht als Abgabenschuldner in Betracht, weil sie zwar z.T. die Transportvorbereitung und die Verladung der Ware in D übernommen und dort zollrechtliche Erklärungen für die Klägerin abgegeben hat, an der konkreten Entziehungshandlung in E aber nicht beteiligt war.

c) Eine Abgabenschuldnerschaft der Inhaber der Zollverfahren nach Art. 203 Abs. 3 vierter Anstrich ZK setzt ein Entziehen aus einem Zollverfahren voraus. Ein solches liegt aber im Streitfall nicht vor. Denn die konkrete Entziehungshandlung fand erst statt, nachdem schon der erste Schritt zum Erhalt einer neuen zollrechtlichen Bestimmung, nämlich die Anmeldung zur (bzw. die Mitteilung der) Wiederausfuhr getan war und sich die Waren auf dem Weg zur Außengrenze der EU befanden. Es ging also nicht mehr darum, die Einhaltung der Vorschriften des jeweiligen Zollverfahrens (z.B. aktive Veredelung, vorübergehende Verwendung) zu sichern, sondern darum, die (körperliche) Wiederausfuhr zu überwachen. Dafür war aber alleine die Klägerin zuständig.

d) Im Ergebnis kam deshalb nur die Klägerin als Abgabenschuldnerin in Betracht. Die von ihr in der mündlichen Verhandlung erneut aufgeworfene Frage, ob das HZA überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt eine tatsächliche Auswahl unter den möglichen Gesamtschuldnern getroffen hat, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.

4. Einwände gegen die Richtigkeit der Abgabenberechnung sind nicht erhoben worden und auch nicht erkennbar.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgericht München Urteil, 09. März 2017 - 14 K 2434/16 zitiert 10 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 1 Steuerbare Umsätze


(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund geset

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 21 Besondere Vorschriften für die Einfuhrumsatzsteuer


(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung. (2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr. (2a) Abfert

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 13a Steuerschuldner


(1) Steuerschuldner ist in den Fällen 1. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und des § 14c Abs. 1 der Unternehmer;2. des § 1 Abs. 1 Nr. 5 der Erwerber;3. des § 6a Abs. 4 der Abnehmer;4. des § 14c Abs. 2 der Aussteller der Rechnung;5. des § 25b Abs. 2 der letzte Abn

Referenzen

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.

(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.

(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.

(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.

(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

(1) Steuerschuldner ist in den Fällen

1.
des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und des § 14c Abs. 1 der Unternehmer;
2.
des § 1 Abs. 1 Nr. 5 der Erwerber;
3.
des § 6a Abs. 4 der Abnehmer;
4.
des § 14c Abs. 2 der Aussteller der Rechnung;
5.
des § 25b Abs. 2 der letzte Abnehmer;
6.
des § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2 der Unternehmer, dem die Auslagerung zuzurechnen ist (Auslagerer); daneben auch der Lagerhalter als Gesamtschuldner, wenn er entgegen § 22 Abs. 4c Satz 2 die inländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters nicht oder nicht zutreffend aufzeichnet;
7.
des § 18k neben dem Unternehmer der im Gemeinschaftsgebiet ansässige Vertreter, sofern ein solcher vom Unternehmer vertraglich bestellt und dies der Finanzbehörde nach § 18k Absatz 1 Satz 2 angezeigt wurde. Der Vertreter ist gleichzeitig Empfangsbevollmächtigter für den Unternehmer und dadurch ermächtigt, alle Verwaltungsakte und Mitteilungen der Finanzbehörde in Empfang zu nehmen, die mit dem Besteuerungsverfahren nach § 18k und einem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nach dem Siebenten Teil der Abgabenordnung zusammenhängen. Bei der Bekanntgabe an den Vertreter ist darauf hinzuweisen, dass sie auch mit Wirkung für und gegen den Unternehmer erfolgt. Die Empfangsbevollmächtigung des Vertreters kann nur nach Beendigung des Vertragsverhältnisses und mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Der Widerruf wird gegenüber der Finanzbehörde erst wirksam, wenn er ihr zugegangen ist.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gilt § 21 Abs. 2.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.

(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.

(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.

(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.

(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.