Finanzgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2017 - 4 K 145/15

bei uns veröffentlicht am12.10.2017

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben für eine Goldhalskette mit einem Diamantanhänger.

2

Die Klägerin ist Geschäftsführerin der "A ... GmbH" (A) in B. Die A vermittelt gegen Provision den Verkauf von Schmuckstücken zwischen Privatpersonen. Anfang 2009 bot die A eine Weißgoldhalskette mit Diamantanhänger im Namen von Frau C aus D zum Kauf an. Die Klägerin fand selbst Gefallen an diesem Schmuckstück und erwarb es für ... €.

3

Im September 2014 besuchte die Klägerin eine Juwelenmesse in E, wo sie diverse Schmuckstücke kaufte. Am 21.09.2014 landete sie mit diesen Schmuckstücken im Gepäck auf dem Flughafen B. Beim Verlassen des Terminals wählte sie den grünen Kanal für anmeldefreie Waren, wo es zu einer Zollkontrolle kam. Die Beamten fanden zahlreiche Tüten mit Modeschmuck und Perlenketten, eine neuwertige Markenhandtasche sowie eine Handelsrechnung für einen Diamanten über ... €. Hierzu gab die Klägerin an, den Diamanten von einem Händler aus F in E gekauft zu haben. Den Stein habe sie aber nicht mitgenommen, sondern dieser werde ihr zugesandt werden. Die Mitarbeiter des Beklagten glaubten diese Einlassung nicht und vermuteten, dass die Rechnung einen Diamanten betraf, den die Klägerin in einem Anhänger gefasst an einer Kette um den Hals trug. Tatsächlich handelte es sich hierbei um die 2009 von Frau C erworbene Kette. Daraufhin erließ der Beklagte einen Einfuhrabgabenbescheid über ... € für die o. g. Waren. Hinsichtlich der Kette, die allein Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist, übernahm der Beklagte die Werte aus der gefundenen Handelsrechnung und nahm einen Zollwert von ... € an, was zu Zollabgaben i. H. v. ... € und Einfuhrumsatzsteuer i. H. v. ... € (insgesamt: ... €) führte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 21.09.2014 verwiesen.

4

Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 29.09.2014 Einspruch ein. Die Goldhalskette mit Diamantanhänger habe sie bereits im Jahr 2009 erworben. Zum Nachweis legte sie einen Verkaufsbeleg vom 05.01.2009 vor. Damit seien die Identität der sichergestellten Kette und ihr Eigentum nachgewiesen. Zoll und Einfuhrumsatzsteuer seien folglich nicht angefallen. Der für ... € in E gekaufte Diamant, bei dem es sich um einen Diamantring handelte, werde ihr demnächst per Post zugehen, so dass bisher gar keine Einfuhr stattgefunden habe.

5

Im Folgenden beglich die Klägerin die Einfuhrabgaben für die Perlenketten und den Modeschmuck und erhielt den Einspruch insoweit nicht aufrecht. Im Oktober 2014 ging ihr der in E ausweislich der Rechnung über ... € erworbene Diamantring per Post zu. Die Klägerin veranlasste die Verzollung des Ringes.

6

Im Februar 2015 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, dass das Vorliegen einer Rückware im Fall der Goldhalskette mit Diamantanhänger nicht nachgewiesen sei. Es sei zwar davon auszugehen, dass es sich bei der eingeführten Kette mit Anhänger um die nämliche handele, die die Klägerin im Jahr 2009 erworben habe. Es sei aber nicht nachgewiesen, dass es sich bei dieser Kette um eine abgabenbegünstigte Rückware gehandelt habe. Ein langjähriger Besitz sei kein entsprechender Nachweis.

7

Hierauf entgegnete die Klägerin, dass die Goldkette eine Rückware darstelle. Sie habe das Schmuckstück von der zwischenzeitlich verstorbenen Frau C erworben. Der Verkauf sei für Frau C durch einen Vertreter, Herrn G, abgewickelt worden. Frau C habe das Schmuckstück geerbt. Mit dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union im Jahr 2004 sei das Schmuckstück automatisch zur Gemeinschaftsware geworden. Dem Schreiben war eine eidesstattliche Versicherung des Herrn G, der in Belgien wohnhaft ist, beigefügt. Darin bestätigt Herr G, dass er die streitgegenständliche Goldkette mit Diamantanhänger über die A GmbH in Vertretung für die damalige Eigentümerin Frau C verkauft habe. Er habe die Verkäuferin vor ihrem Ableben seit mehr als 30 Jahren persönlich gekannt und erinnere sich daran, dass sie das Schmuckstück in diesem Zeitraum stets besessen und getragen habe. Sie habe ihm davon berichtet, dass sie das Schmuckstück geerbt habe.

8

Der Beklagte erwiderte, dass damit der Gemeinschaftsstatus der Goldkette nach wie vor nicht bewiesen sei. Waren, die sich vor dem Beitritt Ungarns im ungarischen Staatsgebiet befunden hätten, seien nicht mit dem Beitritt Ungarns automatisch zu Gemeinschaftswaren geworden. Nach Art. 24 EGV werde eine Ware nur dann Gemeinschaftsware, wenn sie zusätzlich die Freiverkehrseigenschaft innehabe. Dies sei vorliegend weiterhin ungeklärt.

9

Die Klägerin hielt am Vorliegen einer Gemeinschaftsware fest. Es sei lebensfremd, dass sich der mehrere Jahrzehnte in Ungarn befindliche Schmuck nicht im Zuge des Beitritts von Ungarn im freien Verkehr der Gemeinschaft befunden habe. Der Verweis des Beklagten auf Art. 24 EGV bzw. Art. 29 AEUV überzeuge nicht. Ungarn sei bereits zum Einfuhrzeitpunkt Mitgliedstaat gewesen und kein Drittland im Sinne der Vorschriften. Wenn die Auffassung des Beklagten zuträfe, müssten nach dem Beitritt Ungarns trotz der geltenden Zollunion sämtliche Waren, die aus Ungarn in einen anderen Mitgliedstaat der EU transportiert würden, zumindest einmalig einer Zolleinfuhrkontrolle unterzogen werden und mit Einfuhrabgaben belegt werden. Dies sei jedoch nicht der Fall. Im Übrigen müsse eine Glaubhaftmachung ausreichen. Aufgrund des Todes der Verkäuferin sei es ihr, der Klägerin, nicht möglich, die Gemeinschaftswareneigenschaft der Kette nachzuweisen. Andere Nachweise ständen nicht zur Verfügung.

10

Mit mittlerweile bestandskräftigem Einfuhrabgabenbescheid vom 17.06.2015 erließ der Beklagte Einfuhrabgaben i. H. v. ... €. Der Zollwert der Damenhandtasche sei auf ca. ... € festzulegen, da es sich hierbei um eine Fälschung handele. Die Handtasche werde deshalb im Rahmen der Einreisefreimenge abgabenfrei belassen. Hinsichtlich der Goldhalskette sei der Zollwert aufgrund des vorgelegten Kommissionsverkaufsbelegs über ... € zu reduzieren. Für die Festsetzung des Zollwertes seien zudem 19 % Umsatzsteuer vom Verkaufserlös abzuziehen, woraus sich ein Zollwert von ... € ergebe.

11

Mit Einspruchsentscheidung vom 16.09.2015, abgesandt am 01.10.2015, wies der Beklagte den Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014 in der Fassung des Bescheides vom 17.06.2015 als unbegründet zurück. Die Abgabenschuld sei nach Art. 202 ZK i. V. m. Art. 234 Abs. 2 ZK-DVO entstanden. Eine einfuhrabgabenpflichtige Ware sei vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden. Die Klägerin habe bei ihrer Einreise am 21.09.2014 beim Verlassen des Terminals am Flughafen B den grünen Ausgang für "anmeldefreie Waren" genutzt und damit eine Zollanmeldung durch Willensäußerung nach Art. 233 Abs. 1 lit. a) 1. Anstrich ZK-DVO abgegeben, ohne dass die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach Art. 230 bis Art. 232 ZK-DVO erfüllt gewesen seien. Die Klägerin hätte den grünen Ausgang nicht betreten dürfen, da die streitgegenständliche Kette aufgrund ihres hohen Wertes nicht unter die Einreisefreimenge von bis zu 430 € gefallen sei. Bei der Kette habe es sich auch nicht um eine Rückware gemäß Art. 185 ff. ZK i. V. m. Art. 846 ZK-DVO gehandelt. Diese Befreiung von den Einfuhrabgaben könne nur dann gewährt werden, wenn es sich bei der ausgeführten Ware um eine Gemeinschaftsware gehandelt hätte. Gemäß Art. 848 Abs. 3 ZK-DVO könnten Waren nur dann als Rückwaren anerkannt werden, wenn hierfür ein Nachweis auf Verlangen der Zollstelle erbracht werde. Der Anmelder müsse zum Nachweis der Rückwareneigenschaft die erforderlichen Unterlagen vorlegen. Er trage stets die Beweislast. Vorliegend habe die Klägerin zwar einen Kaufbeleg ausgestellt von der Firma A vorgelegt. Weitere Recherchen hätten jedoch ergeben, dass das Unternehmen das streitgegenständliche Schmuckstück lediglich in Kommission für Frau C mit Wohnsitz in D verkauft habe. Der zollrechtliche Status des Schmuckstücks sei trotz des Privatverkaufs an die Klägerin und des Kommissionsgeschäfts ungeklärt. Dies gelte ungeachtet der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn G. Hieraus ergebe sich nicht die Rückwareneigenschaft der Kette. Erforderlich sei hierfür auch, dass die Ware die Freiverkehrseigenschaft erlangt habe. Diese setze voraus, dass hinsichtlich des fraglichen Gegenstands bei einem Verbringen in das Zollgebiet die Einfuhrförmlichkeiten bereits erfüllt und die entsprechenden Abgaben entrichtet worden seien oder aber die Ware in der Gemeinschaft erzeugt oder hergestellt worden sei. Es genüge nicht, dass sich eine Ware vor der Ausfuhr über viele Jahre im Zollgebiet der Gemeinschaft befunden habe. Dem Sachvortrag der Klägerin, dass Ungarn 2004 der Europäischen Union beigetreten sei und alle Waren, die sich in Ungarn befunden hätten, mit dem EU-Beitritt zu Gemeinschaftswaren geworden wären, werde nicht gefolgt. Dies gelte lediglich für die Waren, die sich im Beitrittszeitpunkt im zollrechtlich freien Verkehr der Beitrittsstaaten befunden hätten, mithin für Waren, die entweder in Ungarn vollständig erzeugt oder hergestellt oder für die in Ungarn ordnungsgemäß die Einfuhrförmlichkeiten erfüllt worden seien. Ob sich das Schmuckstück im Zeitpunkt des Verkaufs durch die A im zollrechtlich freien Verkehr Ungarns und damit der EU befunden habe, sei jedoch unklar.

12

Die Klägerin hat am 02.11.2015 die vorliegende Klage erhoben. Sie verweist auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren und unterstreicht, dass die Goldhalskette mit Diamantanhänger die Rückwareneigenschaft besessen habe. Die Kette sei im selben Zustand aus- und wieder eingeführt worden; eine Bearbeitung im Ausland sei nicht erfolgt. Recherchen hätten ergeben, dass die ursprüngliche Fassung des Diamanten vor etwa 15 bis 20 Jahren in die jetzige (moderne) Form in D umgearbeitet worden sei. Schriftliche Auskünfte hierüber habe sie, die Klägerin, nicht erlangen können. Die vom Beklagten an sie gestellten hohen Beweisanforderungen könnten nicht rechtens sein, da sie in aller Regel nicht erfüllbar seien. Es sei nicht ersichtlich, wie es ihr möglich sein solle, den Nachweis zu führen, dass ein seit unbestimmter Zeit in Ungarn befindlicher Schmuckstein auch in Ungarn gewonnen oder hergestellt worden sei, bzw., da Ungarn keine Diamantenminen besitze, vor Jahrzehnten unter Beachtung der seinerzeit geltenden Zollbestimmungen in den zollrechtlich freien Verkehr Ungarns übergeführt worden sei. Rechtsvorschriften, die vom Bürger Beweise verlangten, die regelmäßig nicht erbracht werden könnten, widersprächen rechtstaatlichen Grundsätzen und seien deshalb verfassungswidrig.

13

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014 in der Fassung des Einfuhrabgabenbescheids vom 17.06.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 16.09.2015 aufzuheben, soweit darin Einfuhrabgaben für eine "Weißgoldhalskette mit Diamantenanhänger" (Position 2 im Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014) festgesetzt wurden.

14

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

15

Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf die Gründe der Einspruchsentscheidung. Es obliege der Klägerin, die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Rückware darzulegen und nachzuweisen. Die bloße, gegebenenfalls sehr lange Dauer des Besitzes einer Ware könne weder den Status als Gemeinschaftsware noch einen Wechsel des Status von einer Nichtgemeinschafts- zu einer Gemeinschaftsware begründen, weil es entsprechende gesetzliche Tatbestände hierfür nicht gebe. Das Zollrecht regele abschließend, welche Waren Gemeinschaftswaren seien und wodurch Nichtgemeinschaftswaren zu Gemeinschaftswaren würden. Der von der Klägerin vorgelegte Verkaufsbeleg vermöge die Rückwareneigenschaft nicht zu belegen. Das Vermittlungsgeschäft sage nichts darüber aus, ob es sich um eine Gemeinschaftsware gehandelt habe.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sachakte des Beklagten (ein Ordner) und der Gerichtsakte Bezug genommen. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 02.06.2017 auf den Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

17

I. Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

18

II. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 21.09.2014 in der Fassung des Einfuhrabgabenbescheids vom 17.06.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 16.09.2015 sind - soweit darin Einfuhrabgaben für die allein streitgegenständliche Goldhalskette mit Diamantanhänger festgesetzt worden sind - rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

19

Der Beklagte hat für dieses Schmuckstück Einfuhrabgaben sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zutreffend gem. Art. 202 Abs. 1 Satz 1 lit. a), Abs. 2, Abs. 3 1. Anstrich der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK), Art. 234 Abs. 2, 233 Abs. 1 lit. a) 1. Anstrich, Art. 230 lit a) 2. Alt. der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 02.07.1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ZK-DVO), § 21 Abs. 2 UStG festgesetzt. Insoweit folgt das Gericht den zutreffenden Begründungen der angegriffenen Bescheide, insbesondere der Begründung der Einspruchsentscheidung, die es sich zu Eigen macht (§ 105 Abs. 5 FGO).

20

Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob es sich bei der Goldhalskette mit Diamantanhänger um eine abgabenfreie Rückware handelt. Dies ist nicht der Fall. Die Rückwareneigenschaft der Kette konnte auch im finanzgerichtlichen Verfahren nicht festgestellt werden. Die Unerweislichkeit dieser abgabenbefreienden Tatsache geht zulasten der Klägerin.

21

In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass der Nachweis dafür, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Behandlung einer Ware als Rückware vorliegen, von dem Beteiligten zu erbringen ist, der die Abgabenfreiheit in Anspruch nehmen will (BFH, Beschluss vom 14.04.2014, VII B 213/12, Juris Rn. 9; FG München, Urteil vom 14.11.2007,14 K 993/05, Juris Rn. 19). Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen des Art. 185 Abs. 1 S. 1 ZK im Fall der Goldhalskette gegeben sind. Diese konnten im gerichtlichen Verfahren nicht nachgewiesen werden. Nach Art. 185 Abs. 1 S. 1 ZK sind Unionswaren, die aus dem Zollgebiet der Union ausgeführt worden sind und innerhalb von drei Jahren wieder in dieses Zollgebiet eingeführt und dort in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden, auf Antrag des Beteiligten von den Einfuhrabgaben befreit. Es ließ sich nicht feststellen, dass es sich bei der Goldhalskette im Zeitpunkt ihrer Ausfuhr um eine Unionsware im Sinne des Art. 4 Nr. 7 ZK gehandelt hat. Sie befand sich vor dem EU-Beitritt Ungarns am 01.05.2004 im Eigentum der damals in D wohnhaften Frau C und damit außerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union. Zu dieser Zeit handelte es sich bei der Kette mithin um eine Nicht-Unionsware im Sinne des Art. 4 Nr. 8 ZK.

22

Es konnte nicht bewiesen werden, dass sich dieser Status durch den EU-Beitritt Ungarns am 01.05.2004 geändert hat. Der EU-Beitritt hat nicht dazu geführt, dass alle Waren, die sich am 01.05.2004 auf ungarischem Staatsgebiet befunden haben, (automatisch) den Unionswaren-Status erhalten haben. Zu Unionswaren sind lediglich solche Waren geworden, die sich im Zeitpunkt des Beitritts im freien Verkehr eines Beitrittslandes befunden haben (vgl. Informationsunterlage der Europäischen Kommission, Ausschuss für den Zollkodex, Erweiterung der EU 2004, Übergangsmaßnahmen der Beitrittsakte im Zollbereich vom 10.12.2003, S. 3 ff., TAXUD/763/2003 ENDG. - DE; Lux, EU-Erweiterung 2004, AW-Prax 2004, S. 53; Vogl-Lang, Erfahrungen mit der EU-Erweiterung aus der Sicht des Zollrechts, S. 39, 45 in: EU-Erweiterung in der Praxis - Internationales Risikomanagement, Tagungsband des 16. Europäischen Zollrechtstages des EFA am 17./18. Juni 2004 in Graz - Schriftenreihe des Europäischen Forums für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V., Band 21). Aus den Regelungen des Anhangs IV, Nr. 5 (Zollunion) zur Geltung des ZK und der ZK-DVO der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (im Folgenden: Beitrittsakte; Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 236 vom 23.09.2003) ergibt sich der für die EU-Erweiterung geltende Grundsatz, der den grundlegenden Bestimmungen über den freien Warenverkehr (damals: Art. 23 Abs. 1, Abs. 2, 24 EG-Vertrag) Rechnung trug, dass nur Waren, die sich in einem Beitrittsland oder in einem alten Mitgliedstaat im zollrechtlich freien Verkehr befanden, sich zum Zeitpunkt des Beitritts nach dem EG-Vertrag in der Fassung der Beitrittsakte in der ganzen erweiterten Union im zollrechtlich freien Verkehr befinden sollten, mithin den Unionswaren-Status erlangen sollten. Dieser Grundsatz kommt insbesondere in den Regelungen für Waren der Beitrittsländer, die vor dem Beitritt in ein Zollverfahren übergeführt waren, das nach dem Beitritt beendet wurde, zum Ausdruck. In diesen Fällen musste der Unionscharakter der Waren nach den Regelungen des Anhangs IV, Nr. 5 (Zollunion) zur Geltung des ZK und der ZK-DVO der Beitrittsakte nachgewiesen werden, um zu verhindern, dass der Beitritt ungerechtfertigterweise Waren zugutekam, die sich vorher nicht im zollrechtlich freien Verkehr der Beitrittsländer befunden hatten. Der Unionscharakter konnte in diesen Fällen nur für folgende Waren nachgewiesen werden:
"- Waren, die (...) vollständig im Gebiet eines der neuen Mitgliedstaaten gewonnen oder hergestellt worden sind, ohne dass ihnen aus anderen Ländern oder Gebieten eingeführte Waren hinzugefügt wurden; - aus anderen als den betreffenden Ländern oder Gebieten eingeführte Waren, die in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind; - Waren, die in dem betreffenden Land entweder ausschließlich unter Verwendung von nach dem zweiten Gedankenstrich dieses Absatzes bezeichneten Waren oder unter Verwendung von nach den ersten beiden Gedankenstrichen dieses Absatzes bezeichneten Waren gewonnen oder hergestellt worden sind."

23

Konnte ein Beteiligter den förmlichen Nachweis nicht erbringen, so galten die betroffenen Waren als Nicht-Unionswaren und unterlagen Zöllen und anderen gegenüber Drittländern geltenden Maßnahmen, auch wenn sie aus einem Beitrittsland stammten (Lux, EU-Erweiterung 2004, AW-Prax 2004, S. 54).

24

Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, sondern ist aufgrund des lange zurückliegenden Sachverhalts nicht mehr aufklärbar, ob sich die Goldhalskette mit Diamantanhänger vor dem 01.05.2014 im zollrechtlich freien Verkehr Ungarns befunden hat. Insoweit konnte die Klägerin (vgl. zur erhöhten Mitwirkungspflicht aufgrund des Auslandssachverhalts § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i. V. m. § 90 Abs. 2 AO) lediglich darlegen, dass sich die Kette zu diesem Zeitpunkt im Eigentum von Frau C befunden habe und dass diese die Kette seit Jahrzehnten als Erbstück getragen habe. Vor etwa 15 bis 20 Jahren sei die ursprüngliche Fassung des Diamanten in die jetzige modernere Form in D umgearbeitet worden. Nachweise über diese Umarbeitung in D konnte die Klägerin nicht vorlegen und auch keine sonstigen Beweismittel benennen, sondern lediglich mitteilen, dass ihre ungarischen Ansprechpartner nur zu einer mündlichen Auskunft bereit gewesen seien. Angesichts der Unerweislichkeit dieser Tatsachen erübrigen sich Erwägungen dahingehend, ob durch die Umarbeitung die gesamte Kette als ungarische Ursprungsware angesehen werden könnte. Der zollrechtliche Status der Halskette vor dem EU-Beitritt Ungarns ist mithin unbekannt. Es ist möglich, dass sich die Kette im freien Verkehr Ungarns befunden hat. Ebenso möglich ist jedoch, dass sie die Freiverkehrsfähigkeit damals nicht besessen hat. Folglich ist nicht bewiesen, dass die Kette durch den EU-Beitritt Ungarns zu einer Unionsware geworden ist.

25

Die vorliegenden Beweisschwierigkeiten führen nicht dazu, dass die Beitrittsakte oder sonstige Rechtsvorschriften rechtstaatlichen Prinzipien widersprechen würden. Solche Schwierigkeiten treten regelmäßig auf, wenn streitentscheidende Tatsachen Jahrzehnte zurückliegen und gehen sodann zulasten des insoweit beweisbelasteten Beteiligten (BFH, Beschluss vom 28.01.2013, VII B 180/12, Juris Rn. 8). Überdies spielt die Freiverkehrseigenschaft der Kette vor dem EU-Beitritt Ungarns lediglich in der vorliegenden Situation eine Rolle, in der sich die Klägerin, nachdem sie die Kette aus- und wiedereingeführt hat, auf den Status der Kette als Rück- und Unionsware beruft.

26

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2017 - 4 K 145/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2017 - 4 K 145/15

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2017 - 4 K 145/15 zitiert 8 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Abgabenordnung - AO 1977 | § 90 Mitwirkungspflichten der Beteiligten


(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen un

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 105


(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrun

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 21 Besondere Vorschriften für die Einfuhrumsatzsteuer


(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung. (2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr. (2a) Abfert

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2017 - 4 K 145/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Urteil, 12. Okt. 2017 - 4 K 145/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Beschluss, 14. Apr. 2014 - VII B 213/12

bei uns veröffentlicht am 14.04.2014

Tatbestand 1 I.Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) flog am 12. November 2007 von Kanada nach A (Deutschland) und benutzte am Flughafen den grünen Ausgang für

Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Jan. 2013 - VII B 180/12

bei uns veröffentlicht am 28.01.2013

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) reiste im Mai 2008 aus der Türkei kommend über den Flughafen Frankfurt/Main in das Zollgebiet der Union ei

Referenzen

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Die Einfuhrumsatzsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinne der Abgabenordnung.

(2) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten die Vorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredelungsverkehr.

(2a) Abfertigungsplätze im Ausland, auf denen dazu befugte deutsche Zollbedienstete Amtshandlungen nach Absatz 2 vornehmen, gehören insoweit zum Inland. Das Gleiche gilt für ihre Verbindungswege mit dem Inland, soweit auf ihnen einzuführende Gegenstände befördert werden.

(3) Die Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer kann ohne Sicherheitsleistung aufgeschoben werden, wenn die zu entrichtende Steuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe als Vorsteuer abgezogen werden kann.

(3a) Einfuhrumsatzsteuer, für die ein Zahlungsaufschub gemäß Artikel 110 Buchstabe b oder c der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Unionszollkodex) bewilligt ist, ist abweichend von den zollrechtlichen Vorschriften am 26. des zweiten auf den betreffenden Monat folgenden Kalendermonats fällig.

(4) Entsteht für den eingeführten Gegenstand nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Einfuhrumsatzsteuer eine Zollschuld oder eine Verbrauchsteuer oder wird für den eingeführten Gegenstand nach diesem Zeitpunkt eine Verbrauchsteuer unbedingt, so entsteht gleichzeitig eine weitere Einfuhrumsatzsteuer. Das gilt auch, wenn der Gegenstand nach dem in Satz 1 bezeichneten Zeitpunkt bearbeitet oder verarbeitet worden ist. Bemessungsgrundlage ist die entstandene Zollschuld oder die entstandene oder unbedingt gewordene Verbrauchsteuer. Steuerschuldner ist, wer den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn derjenige, der den Zoll oder die Verbrauchsteuer zu entrichten hat, hinsichtlich des eingeführten Gegenstands nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

(5) Die Absätze 2 bis 4 gelten entsprechend für Gegenstände, die nicht Waren im Sinne des Zollrechts sind und für die keine Zollvorschriften bestehen.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Tatbestand

1

I.Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) flog am 12. November 2007 von Kanada nach A (Deutschland) und benutzte am Flughafen den grünen Ausgang für anmeldefreie Waren. Im Rahmen einer Kontrolle fanden die Zollbeamten in dem mitgeführten Instrumentenkoffer ein in Italien hergestelltes Musikinstrument sowie --neben weiteren Unterlagen-- eine von der Firma X-Inc. (USA) hierfür ausgestellte Rechnung vom 22. November 2000 über … US-Dollar, die an die Eheleute Y in Kalifornien adressiert war. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt --HZA--) verneinte daraufhin die Voraussetzungen einer Rückware und setzte Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von … € fest.

2

Sowohl das Einspruchsverfahren als auch das Klageverfahren blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass nach § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes i.V.m. Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a und Abs. 2 des Zollkodex (ZK) Einfuhrumsatzsteuer entstanden sei. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass das Musikinstrument, nachdem es vor dem Erwerb durch die Klägerin unstreitig in die USA verbracht worden sei, wieder den Status einer "Gemeinschaftsware" erlangt habe und dadurch bei der Einreise am 12. November 2007 als Rückware i.S. des Art. 185 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK in Betracht komme. Insbesondere fehle ein Beleg über die zollrechtliche Abfertigung bei der Wiedereinfuhr in das Unionsgebiet. Darüber hinaus könne sich die Klägerin weder durch den Hinweis auf einen Kauf innerhalb des Unionsgebiets noch durch den Hinweis auf die Dauer ihres Besitzes an dem Musikinstrument auf Vertrauensschutz berufen. Dabei sei zu beachten, dass die Vorlage einer Rechnung über den Erwerb der Ware innerhalb des Unionsgebiets nur bei einem Erwerb von einem gewerblichen Händler, nicht aber bei einem Erwerb von einer Privatperson zum Nachweis des Rückwarencharakters ausreiche. Im Übrigen könne auch eine etwaige Verjährung der bei der ursprünglichen Wiedereinfuhr entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld nicht zu einem Statuswechsel von einer "Nichtgemeinschaftsware" zu einer "Gemeinschaftsware" führen.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beruft sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe bisher nicht entschieden, ob --wie vom FG angenommen und wegen des steigenden Reiseverkehrs sowie einiger vergleichbarer Fälle von allgemeiner Bedeutung-- bei der Prüfung des Status "Gemeinschaftsware" bzw. bei der Prüfung der Rückwareneigenschaft an die Darlegungs- und Beweislast des Einführenden höhere Anforderungen zu stellen seien, wenn dieser die Ware innerhalb der Union nicht von einem gewerblichen Händler, sondern von einer Privatperson erworben habe. Vielmehr müsse auch bei einem Erwerb von einer Privatperson die Vorlage eines Belegs ausreichen, dass der Erwerb innerhalb des Unionsgebiets stattgefunden habe. Der Einführende müsse in einem solchen Fall nicht davon ausgehen, dass die Privatperson die Ware bei einer vorhergehenden Einfuhr nicht ordnungsgemäß der Einfuhrumsatzsteuer unterworfen habe, und brauche sich deshalb auch keinen Beleg über den Status der Ware als Gemeinschaftsware geben zu lassen.

4

Diese Fragen seien im Streitfall entscheidungserheblich, da sie, die Klägerin, lediglich den Nachweis über ihren eigenen Erwerb des Musikinstruments innerhalb des Unionsgebiets, nicht aber über die ordnungsgemäße Abführung der Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen der vorangegangenen Wiedereinfuhr des Musikinstruments durch ihren Verkäufer habe führen können. Dies sei im Fall von Veräußerungsketten niemals möglich. Im Streitfall sei der Versuch, entsprechende Unterlagen von den britischen Zollbehörden zu erlangen, an den dortigen Aufbewahrungsfristen gescheitert. Von ihrem Verkäufer habe sie diese Bescheinigungen ebenfalls nicht erlangen können.

5

Im Übrigen habe das HZA selbst Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternehmen müssen, dies aber trotz entsprechender Anregungen unterlassen. Außerdem habe das FG festgestellt, dass der Verkäufer das Musikinstrument in London von der X-Inc. erworben habe, d.h. von einem gewerblichen Händler. Insofern dürfte auch nach Auffassung des FG der Nachweis über einen Erwerb innerhalb des Unionsgebiets ausreichen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vor.

7

1. Grundsätzliche Bedeutung ist einer Rechtsfrage beizumessen, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist. Hierzu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 VII B 167/11, BFH/NV 2012, 2029, m.w.N.).

8

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

9

Die Klägerin geht selbst (zutreffend) davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Rückware i.S. des Art. 185 ZK (einschließlich des Status einer "Gemeinschaftsware" zum Zeitpunkt der Ausfuhr) grundsätzlich vom Einführer darzulegen und nachzuweisen sind. Insofern besteht kein Klärungsbedarf.

10

Darüber hinaus ist geklärt, dass das vorschriftswidrige Verbringen i.S. des Art. 202 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a und Abs. 2 ZK als eine reine Tathandlung zu verstehen ist. Auf die Vorstellungen oder ein Verschulden des Handelnden kommt es nicht an (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. März 2004 Rs. C-238/02 und 246/02 --Viluckas und Jonusas--, Slg. 2004, I-2141; Senatsurteil vom 10. Oktober 2007 VII R 49/06, BFHE 218, 469, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2008, 85). Auch die Einfuhrabgabenbefreiung für Rückwaren nach Art. 185 ZK richtet sich allein nach den objektiven Umständen. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, den das FG unter Hinweis auf einen Erwerb im Unionsgebiet bzw. auf die Dauer des Besitzes an dem Musikinstrument geprüft hat, war deshalb von vornherein nicht geeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen. Da nach Auffassung des FG ein schützenswertes Vertrauen der Klägerin letztlich nicht anzuerkennen war, ist seine Entscheidung allerdings insoweit im Ergebnis richtig (vgl. zur entsprechenden Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde: Senatsbeschluss vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729, m.w.N.).

11

Soweit die Beschwerde für klärungsbedürftig hält, "welche Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast gestellt werden" bzw. "welchen Umfang die Darlegungs- und Beweislast hat", will sie --wie sich aus ihren übrigen Ausführungen ergibt-- die Fragen beantwortet wissen, unter welchen Voraussetzungen Zweifel berechtigt sind, ob eine als angebliche Rückware in das Zollgebiet der Union verbrachte Ware die Voraussetzung des vormaligen Status einer Gemeinschaftsware (Art. 185 Abs. 1 ZK) erfüllt, und unter welchen Voraussetzungen derartige Zweifel als ausgeräumt angesehen werden können. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen, sondern um Fragen des Einzelfalls, die der Tatrichter anhand einer Würdigung der festgestellten Tatsachen zu beantworten hat.

12

Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass das Musikinstrument zu einem Zeitpunkt vor dem Kauf durch die Klägerin mit dem Verlassen des Zollgebiets der Union den Status als Gemeinschaftsware verloren hatte. Es hat jedoch aus den die Folgezeit betreffenden festgestellten Tatsachen nicht zu schließen vermocht, das Musikinstrument habe nach seinem Zurückverbringen in das Zollgebiet der Union wieder den Status einer Gemeinschaftsware erworben. Klärungsbedürftige Rechtsfragen ergeben sich insoweit nicht.

13

Das gilt auch, soweit das FG gemeint hat, nur beim Erwerb einer Ware von einem gewerblichen Unternehmer könne davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Gemeinschaftsware handele. Insoweit hat das FG keine Beweisregel aufgestellt, sondern hat dies bei der Prüfung eines evtl. zu gewährenden Vertrauensschutzes erwogen, auf den es --wie ausgeführt-- nicht ankommt. Die Beantwortung der Frage, ob eine Ware den Status einer Gemeinschaftsware hat oder diesen zuvor schon einmal hatte, hängt nicht von den subjektiven Vorstellungen der Beteiligten ab.

14

2. Weitere Zulassungsgründe sind nicht dargelegt. Insbesondere rügt die Beschwerde keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG, wenn sie die Auffassung vertritt, das HZA sei von Amts wegen verpflichtet gewesen, die Klägerin bei der Erfüllung ihrer Nachweispflicht "zu unterstützen und hierzu auch Auskünfte einzuholen".

15

Im Übrigen läge im Streitfall kein Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem FG ausreichend konkrete Angaben für eine sinnvolle Nachfrage bei den britischen Zollbehörden zur Verfügung standen. Eine solche Nachfrage erübrigte sich bereits deshalb, weil die Klägerin selbst davon ausgeht, dass die britischen Zollbehörden etwaige zollrechtliche Belege über die vorhergehende Einfuhr des Musikinstruments in das Unionsgebiet durch die Eheleute Y wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen nicht mehr zur Verfügung stellen können. Auch von den Eheleuten Y waren diese Belege nach dem Vortrag der Klägerin nicht zu erlangen. Weitere Beweismittel hat die Klägerin weder angeboten noch mussten sie sich dem FG von Amts wegen aufdrängen. Insbesondere hätte die Klägerin die im Ausland ansässigen Eheleute Y für eine etwaige Vernehmung als Zeugen in der mündlichen Verhandlung stellen müssen (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2011 XI B 90/10, BFH/NV 2011, 1479, m.w.N.).

16

Mit dem Hinweis, das FG hätte auch nach den von ihm aufgestellten Grundsätzen zu einer Stattgabe der Klage kommen müssen, da es von einem Verkauf des Musikinstruments durch einen gewerblichen Händler in London ausgehe, wendet sich die Klägerin letztlich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG. Dies stellt keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO dar. Im Übrigen lässt sich dem Urteil des FG keine entsprechende Sachverhaltsfeststellung entnehmen. Vielmehr stellt das FG auf der Seite 6 des Urteils, auf die sich die Klägerin bezieht, lediglich die Ausführungen der Klägerin im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung dar.

17

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.

(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.

(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) reiste im Mai 2008 aus der Türkei kommend über den Flughafen Frankfurt/Main in das Zollgebiet der Union ein, wo sie den sog. grünen Ausgang benutzte, obwohl sie, wie bei einer Überprüfung festgestellt wurde, in ihrer Handtasche mehrere goldene Armreifen mit sich führte. Für diese Waren erhob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt) Einfuhrabgaben.

2

Die nach erfolglosem Einspruch gegen den Einfuhrabgabenbescheid erhobene Klage wies das Finanzgericht ab. Die Einfuhrabgaben seien entstanden, weil die Armreifen durch das Benutzen des grünen Ausgangs am Flughafen ohne Abgabe einer ausdrücklichen Zollanmeldung vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbracht worden seien. Die Armreifen hätten einen Wert gehabt, mit dem die Wertgrenze für abgabenfreie Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden überschritten worden sei. Auch könne nicht angenommen werden, es habe sich um sog. Rückwaren gehandelt. Die Klägerin habe nicht behauptet, die Armreifen im Zollgebiet der Union erworben zu haben oder sie bei einer früheren Einreise in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt zu haben. Der evtl. bereits seit längerer Zeit bestehende Besitz an den Armreifen könne deren Status als Gemeinschaftswaren weder begründen noch könnten hieraus Beweiserleichterungen hergeleitet werden.

3

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht schlüssig dargelegt ist, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt.

5

Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, wenn ihre Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 29. April 2002 IV B 29/01, BFHE 198, 316, BStBl II 2002, 581, m.w.N.). Das Vorliegen dieser Zulassungsvoraussetzungen muss der Beschwerdeführer innerhalb der Begründungsfrist schlüssig und substantiiert darlegen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO). An solchen Darlegungen der Beschwerde fehlt es im Streitfall.

6

Die Beschwerde formuliert keine konkrete Rechtsfrage, sondern beklagt lediglich, es sei vielen Reisenden häufig gar nicht möglich, die Rückwareneigenschaft im persönlichen Gepäck mitgeführter Gegenstände nachzuweisen.

7

Soweit man der Beschwerdebegründung die Frage entnehmen wollte, welche Möglichkeiten Reisende bei ihrer Einreise in das Zollgebiet der Union haben, die Rückwareneigenschaft der von ihnen im Gepäck mitgeführten, die Reisefreimengengrenze überschreitenden Gegenstände zu beweisen, fehlt es an substantiierten Darlegungen, weshalb diese Frage klärungsbedürftig ist und weshalb von ihrer Beantwortung die Entscheidung über die Rechtssache abhängt.

8

Darüber hinaus ist diese Frage auch zum einen nicht klärungsbedürftig, weil der Nachweis der Rückwareneigenschaft in Art. 848 der Zollkodex-Durchführungsverordnung eindeutig und detailliert geregelt ist. Zum anderen wäre diese Frage im Streitfall nicht klärungsfähig, weil die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren überhaupt keinen Beweis für ihre Behauptung angeboten hat, hinsichtlich der mitgeführten Armreifen lägen die Voraussetzungen des Art. 185 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) für eine Befreiung von den Einfuhrabgaben vor. Sie hat lediglich vorgetragen, die Armreifen seit etwa 30 Jahren in ihrem Besitz zu haben, allerdings nicht in der Lage zu sein, irgendwelche Nachweise zu erbringen, wann die Armreifen in das Zollgebiet der Union eingeführt worden seien. Dass aber die bloße Behauptung eines Reisenden, bei den im Gepäck mitgeführten Gegenständen handele es sich um Rückwaren, nicht ausreichend für die Abgabenbefreiung gemäß Art. 185 Abs. 1 ZK sein kann, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.