FGD 4 K 1009/14 Z 4 K 1016/14 Z
Tenor
Die Verfahren 4 K 1009/14 Z und 4 K 1016/14 Z werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 4 K 1009/14 Z fortgeführt.
Das Verfahren 4 K 1009/14 Z wird ausgesetzt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Artikel 267 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu folgender Frage ersucht:
Ist die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1031/2008 der Kommission vom 19. September 2008, dahin auszulegen, dass aerodynamische Ultraviolett-Partikelgrößenmessgeräte und Handpartikelzähler der im Beschluss näher beschriebenen Art in die Unterposition 9027 10 10 einzureihen sind?
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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4 K 1009/14 Z
24 K 1016/14 Z
3 4Finanzgericht Düsseldorf
5BESCHLUSS
6In dem Rechtsstreit
7- Klägerin -
8Prozessbevollmächtigte:
9gegen
10- Beklagter -
11wegen Zoll
12hat der 4. Senat in der Besetzung:
13Vorsitzender Richter am FinanzgerichtRichter am FinanzgerichtRichterin am Finanzgerichtehrenamtlicher Richterehrenamtlicher Richter
14am 15. April 2015 beschlossen:
15Die Verfahren 4 K 1009/14 Z und 4 K 1016/14 Z werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen 4 K 1009/14 Z fortgeführt.
16Das Verfahren 4 K 1009/14 Z wird ausgesetzt.
17Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Artikel 267 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu folgender Frage ersucht:
18Ist die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1031/2008 der Kommission vom 19. September 2008, dahin auszulegen, dass aerodynamische Ultraviolett-Partikelgrößenmessgeräte und Handpartikelzähler der im Beschluss näher beschriebenen Art in die Unterposition 9027 10 10 einzureihen sind?
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
20Gründe:
21I.
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1. Die Klägerin meldete am 10. August 2009 einen Handpartikelzähler des Typs Aerotrak 9306 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Das Handgerät befindet sich in einem Gehäuse, das mit einem Bildschirm, Schnittstellen und Bedienungselementen, die aus elektrischen und elektronischen Bauelementen bestehen, ausgestattet ist. Mit dem Gerät können Partikelkontaminationen überwacht werden. Es verfügt über ein Griffstück, das es ermöglicht, sämtliche Bedienungselemente mit einem Daumen zu betätigen. Über den farbigen Berührungsbildschirm lässt sich das Gerät konfigurieren und bedienen. Die Ergebnisse der Untersuchung von Partikelproben können auf dem Bildschirm angezeigt, heruntergeladen oder direkt ausgedruckt werden. Das Gerät soll für die Lokalisierung von Schadstoffquellen, für die Klassifizierung von Reinräumen, für die Lokalisierung von Filterlecks oder für Untersuchungen des Instituts Arbeit und Qualifikation verwendet werden.
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2. Da die Klägerin das Gerät unter der Unterposition 9027 50 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) angemeldet hatte, beließ die Zollstelle es zollfrei.
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3. Die Klägerin meldete am 25. November 2009 ein aerodynamisches Ultraviolett-Partikelgrößenmessgerät des Typs 3314 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Das Gerät befindet sich in einem Gehäuse mit einer Lufteintrittsöffnung. Es ist mit LED-Anzeigen, Schnittstellen und Bedienungselementen, die aus elektrischen und elektronischen Bauelementen bestehen, ausgestattet. Das Gerät dient der Messung des aerodynamischen Durchmessers, der Streulichtintensität und der Floureszenzintensität einzelner Schwebepartikel in Echtzeit. Zur Messung des aerodynamischen Durchmessers und der Streulichtintensität von Partikeln wird ein optisches System mit zwei Scheitelpunkten verwendet. Die Floureszenzeigenschaften einzelner Partikel werden mithilfe eines aerodynamischen Ultraviolett-Partikelspektrometers erfasst. Das Gerät wird für Prüfungen von Filter- und Luftfiltern, für inhalationstoxikologische Studien, für die Überwachung der Luftqualität in Innenräumen und für biologische Aerosoluntersuchungen verwendet.
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4. Da die Klägerin das Gerät unter der Unterposition 9027 30 00 KN angemeldet hatte, beließ die Zollstelle es zollfrei.
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5. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das beklagte Hauptzollamt die Auffassung, dass das Partikelgrößenmessgerät und der Handpartikelzähler nicht in die von der Klägerin in ihren Anmeldungen angegebenen Unterpositionen, sondern in die Unterposition 9027 10 10 KN einzureihen seien. Es erhob deshalb von der Klägerin mit zwei Einfuhrabgabenbescheiden Zoll nach.
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6. Die Klägerin hat nach erfolglosen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren Klagen erhoben, mit denen sie vorträgt: Der Handpartikelzähler sei in die Unterposition 9027 50 00 KN einzureihen. Der Partikelspektrometer sei als Spektrometer in die Unterposition 9027 30 00 KN einzureihen. Bei dem Partikelspektrometer handele es sich nicht um einen Partikelzähler, sondern um eine Kombination eines Flugzeitspektrometers mit einem UV-Spektrometer. Die Geräte könnten nicht der Unterposition 9027 10 10 KN zugewiesen werden. Mit den Geräten könne man keine Gase untersuchen. Die Geräte seien weder dazu bestimmt noch dazu geeignet, Rauch oder heiße Abgase zu messen. Der Partikelspektrometer würde ohne Konditionierung mit anderen Geräten bei typischen Rauch- oder Abgasanwendungen zerstört werden.
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7. Das beklagte Hauptzollamt könne sich zur Begründung seiner Einreihungsauffassung auch nicht auf die Erläuterungen der Kommission zur KN zur Unterposition 9027 10 10 stützen. Der dort beschriebene Laser-Luftpartikelzähler könne nicht mit dem Handpartikelzähler und dem Partikelspektrometer verglichen werden. Die vorgenannten Erläuterungen seien auch nicht mit dem Wortlaut der Unterposition 9027 10 10 KN zu vereinbaren.
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8. Das beklagte Hauptzollamt trägt vor: Der Handpartikelzähler und das Partikelmessgerät seien in die Unterposition 9027 10 10 KN einzureihen. Dies werde durch die Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 90 KN und durch die Erläuterungen der Weltzollorganisation zum Harmonisierten System (HS) zu Position 9027 Nr. 8 sowie durch die Erläuterungen der Kommission zur KN zur Unterposition 9027 10 10 bestätigt. Eine Einreihung in die Unterposition 9027 50 00 KN scheide aus, weil das Messverfahren bei Untersuchungsgeräten für Gase oder Rauch kein entscheidungserhebliches Kriterium sei. Darüber hinaus würden von der Unterposition 9027 50 00 KN nur andere als die in den Unterpositionen 9027 10 10 bis 9027 30 00 KN genannten Waren erfasst.
II.
39- 40
9. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, wie die Unterpositionen 9027 10 10, 9027 30 00 und 9027 50 00 KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1031/2008 der Kommission vom 19. September 2008 (ABl EU Nr. L 291/1) auszulegen sind.
- 42
10. Der Senat hat Zweifel, ob das Partikelgrößenmessgerät des Typs 3314 in die von der Klägerin in ihrer Anmeldung angegebene Unterposition 9027 30 00 KN eingereiht werden kann. Spektrometer im Sinne dieser Unterposition sind nach den Erläuterungen zum HS zu Position 9027 Nr. 5 Apparate zum Messen der Wellenlängen der Spektrallinien des Emissions- oder Absorptionsspektrums. Derartige Apparate bestehen im Wesentlichen aus einem Kollimator mit verstellbarem Spalt, durch den das zu untersuchende Licht fällt, einem oder mehreren verstellbaren Prismen, einem Beobachtungsfernrohr und einer Platte. Das Partikelgrößenmessgerät des Typs 3314 weist diese Beschaffenheitsmerkmale nicht auf. Der aerodynamische Ultraviolett-Partikelspektrometer ist zudem nur ein Bestandteil des gesamten Gerätes. Zur Messung des aerodynamischen Durchmessers und der Streulichtintensität von Partikeln wird vielmehr ein optisches System mit zwei Scheitelpunkten verwendet. Nur als ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal für die Untersuchung und Erforschung von Aerosolen dient der aerodynamische Ultraviolett-Partikelspektrometer dazu, die Floureszenzeigenschaften einzelner Partikel zu erfassen. Das könnte dafür sprechen, dem Ultraviolett-Partikelspektrometer keine charakterbestimmende Bedeutung im Sinne der Nr. 3 Buchstabe b der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN zuzusprechen.
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11. Zweifelhaft ist zudem, ob der Handpartikelzähler und das Partikelgrößenmessgerät in die Unterposition 9027 50 00 KN eingereiht werden können. Von dieser Unterposition werden nur andere Instrumente, Apparate und Geräte, die optische Strahlen verwenden, erfasst. Eine Einreihung der in Rede stehenden Geräte in diese Unterposition scheidet daher aus, falls die Geräte der Unterposition 9027 10 10 KN zuzuweisen sind. Von dieser Unterposition werden elektronische Untersuchungsgeräte für Gase oder Rauch erfasst. Da die Geräte Waren der Position 8541 und 8542 KN enthalten, sind die Voraussetzungen für die Annahme von elektronischen Geräten nach der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 90 KN erfüllt.
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12. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Handpartikelzähler und das Partikelgrößenmessgerät keine Untersuchungsgeräte für Gase sind. Hieran hat der Senat auch keine Zweifel. Zweifelhaft ist jedoch, ob die fraglichen Geräte zolltariflich als solche für die Untersuchung von Rauch anzusehen sind. Dabei geht der Senat nach den von ihm in der mündlichen Verhandlung getroffenen Feststellungen davon aus, dass der Gegenstand der mit den Geräten durchführbaren Messungen von dem jeweiligen Messobjekt abhängt. Die zu untersuchende Umgebungsluft (Aerosol) kann Partikel aufweisen, die entweder durch Verbrennungsvorgänge oder durch mechanische Vorgänge entstanden sind. Der konkrete Einsatz eines der Messgeräte hängt nicht davon ab, in welcher Form und in welchem Umfang derartige Partikel in dem Aerosol enthalten sind. So können in einem Aerosol aus Verbrennungsvorgängen entstandene Partikel oder aus mechanischen Vorgängen entstandene Partikel vorhanden sein.
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13. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen und der Verwendungszwecke der in Rede stehenden Geräte stellt sich daher die Frage, wie der Begriff des Rauchs im Sinne der Unterposition 9027 10 10 KN auszulegen ist. Insoweit könnte man die Auffassung vertreten, dass sich der Begriff des Rauchs nicht nur auf das unmittelbar bei einer Verbrennung auftretende Abgas bezieht. Rauch ist ein Mehrphasensystem aus feinstverteilten festen oder flüssigen Partikeln (Schwebstoffen) in einem Aerosol, das sich bei Verbrennungsprozessen oder Verglimmungen bildet (Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl., 18. Band, Seite 91). Entscheidend für die Annahme von Rauch könnte mithin sein, dass die Partikel einmal bei Verbrennungen oder Verglimmungen entstanden sind, wenn auch die Verbrennungen oder Verglimmungen nicht notwendig unmittelbar vor der Untersuchung der Partikel stattgefunden haben müssen. Für ein solches weiteres Verständnis des Begriffs des Rauchs im Sinne der Unterposition 9027 10 10 KN könnten auch die Erläuterungen der Kommission zur KN zur Unterposition 9027 10 10 sprechen. Denn danach sind elektronische Laser-Luftpartikelzähler dieser Unterposition zuzuweisen. Diese Erläuterungen sind allerdings nicht verbindlich (Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 17. Juli 2014 Rs. C‑480/13, EU:C:2014:2097, Randnr. 30).
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14. Würde man von einem solchen weiten Verständnis des Begriffs des Rauchs im Sinne der Unterposition 9027 10 10 KN ausgehen, stellt sich jedoch die weitere Frage, ob man von einem Untersuchungsgerät für Rauch auch dann noch sprechen kann, wenn das betreffende Gerät nicht nur durch Verbrennungsvorgänge entstandene Partikel, sondern auch durch mechanische Vorgänge entstandene Partikel misst. Dies ist bei den beiden in Rede stehenden Geräten indessen der Fall. Für diese Geräte kann auch nicht quantifiziert werden, in welchem Umfang der jeweilige Nutzer durch Verbrennungsvorgänge oder durch mechanische Vorgänge entstandene Partikel misst. Den Erläuterungen zum HS zu Position 9027 Nr. 11 lässt sich entnehmen, dass Geräte zum Bestimmen des Staubanteils der Luft sowie zum Ausprobieren von Filtern in die Position 9027 einzureihen sind. Das bedeutet jedoch noch nicht, dass Geräte, die sowohl durch Verbrennungsvorgänge als auch durch mechanische Vorgänge entstandene Partikel messen, der Unterposition 9027 10 10 zuzuweisen sind.
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