Finanzgericht des Saarlandes Beschluss, 07. Nov. 2005 - 1 V 271/05

bei uns veröffentlicht am07.11.2005

Tatbestand

I. Der Antragsgegner betreibt gegen den Antragsteller die Vollstreckung u.a. wegen Einkommensteuer 1996 bis 2000 (Vollstr. Bl. 189). Nachdem der Antragsgegner am 6. September 2005 eine Vollstreckung in der Wohnung des Antragstellers angedroht hatte (Vollstr., Bl. 203), wandte sich der Antragsteller am 12. September 2005 mit dem Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweilige Anordnung aufzugeben, die Vollstreckung einstweilen einzustellen, an das Finanzgericht (Bl. 1).

Mit Beschluss des Vorsitzenden vom 28. September 2005 (Bl. 11) wurde der Antrag unter Hinweis auf die Rechtskraft des Beschlusses vom 21. Juli 2005, 1 V 172/05, als unzulässig zurückgewiesen.

Am 4. Oktober 2005 (Bl. 17) beantragte der Antragsteller, "die Beschwerde gegen den Beschluss des Finanzgericht des Saarlandes" zuzulassen. Er macht geltend, das Gericht habe zu Unrecht den Antrag auf Erlass einer einstweilige Anordnung als unzulässig zurückgewiesen. Es sei ihm, dem Antragsteller, gestattet, neue Gründe vorzubringen. Das Gericht hätte ihm vor seiner Entscheidung, insbesondere nach Eingang des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 22. September 2005 (Bl. 8), nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.

Der Senatsvorsitzende hat dem Antragsteller am 6. Oktober 2005 (Bl. 22) mitgeteilt, er wolle dessen "Beschwerde" als Anhörungsrüge im Sinne des § 133a FGO auslegen. Der Antragsteller hat sich innerhalb der ihm zu einer Stellungnahme eingeräumten Frist hierzu nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

II. Der Antrag vom 4. Oktober 2005 beinhaltet eine Anhörungsrüge i.S. von § 133a FGO. Mit seinem Antrag rügt der Antragsteller die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine solche Rechtsverletzung kann und muss im Wege der Anhörungsrüge geltend gemacht werden.

Die damit statthafte und auch ansonsten zulässige Rüge nach § 133a FGO kann jedoch keinen Erfolg haben. Denn eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf rechtliches Gehör (vgl. § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO) lässt sich nicht feststellen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 16. August 2005 III S 23/05, juris m.w.N.).

Der ursprüngliche Antrag des Antragstellers zielte auf den Erlass einer einstweilige Anordnung ab. Insoweit war der Antrag im Wesentlichen mit dem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren 1 V 172/05 identisch. Lediglich auf diesen offenkundigen Umstand, der letztlich zur Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweilige Anordnung führte, hat der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 22. September 2005 hingewiesen. Insoweit vermag das Gericht keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erkennen, zumal der Antragsteller offensichtlich die Struktur des Verfahrens auf Erlass einer einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) verkennt.

Die einstweilige Anordnung ist eine wegen der Eilbedürftigkeit vorgezogene gerichtliche Entscheidung (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, FGO-Komm., § 114, Rz. 1 (Stand: März 2004)), in deren Rahmen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht des Antragstellers besteht (vgl. Loose, a.a.O., § 114, Rz. 71 (Stand: Juli 2003)). Die Praxis trägt der Eilbedürftigkeit, im Streitfall abgeleitet aus dem Umstand der beabsichtigten Vollstreckung in der Wohnung des Antragstellers dadurch Rechnung, dass eine Entscheidungsfindung sich anders als im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens vollzieht, bei dem die Schriftsätze regelmäßig mit einer ausreichenden Frist zur Stellungnahme der Gegenseite übermittelt werden. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung erfolgt eben wegen der gebotenen Eile ein solcher Schriftsatzaustausch im Regelfall nicht. Insoweit war es nicht geboten, den Schriftsatz des Antragsgegners vom 22. September 2005 dem Antragsteller zur Stellungnahme zuzuleiten. Vielmehr konnte das Gericht unmittelbar nach Eingang dieses Schriftsatzes, der im Übrigen keinen neuen Sachvortrag beinhaltete, seine Entscheidung treffen, zumal -wie bereits erwähnt- diese keine Sachentscheidung war.

Insgesamt war damit die vom Antragsteller erhobene Anhörungsrüge als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht unanfechtbar (§ 133a Abs. 4 Satz 3 FGO).

Für diese Entscheidung ist eine Gebühr in Höhe von 50 EUR zu erheben (vgl. Anlage 1 --Kostenverzeichnis-- zum GKG i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl I, 718, Teil 6 Gebühr Nr. 6400 i.d.F. von Art. 11 Nr. 7 Buchst. h AnhRüG).

Gründe

II. Der Antrag vom 4. Oktober 2005 beinhaltet eine Anhörungsrüge i.S. von § 133a FGO. Mit seinem Antrag rügt der Antragsteller die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine solche Rechtsverletzung kann und muss im Wege der Anhörungsrüge geltend gemacht werden.

Die damit statthafte und auch ansonsten zulässige Rüge nach § 133a FGO kann jedoch keinen Erfolg haben. Denn eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf rechtliches Gehör (vgl. § 133a Abs. 1 Nr. 2 FGO) lässt sich nicht feststellen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Beschluss vom 16. August 2005 III S 23/05, juris m.w.N.).

Der ursprüngliche Antrag des Antragstellers zielte auf den Erlass einer einstweilige Anordnung ab. Insoweit war der Antrag im Wesentlichen mit dem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren 1 V 172/05 identisch. Lediglich auf diesen offenkundigen Umstand, der letztlich zur Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweilige Anordnung führte, hat der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 22. September 2005 hingewiesen. Insoweit vermag das Gericht keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu erkennen, zumal der Antragsteller offensichtlich die Struktur des Verfahrens auf Erlass einer einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) verkennt.

Die einstweilige Anordnung ist eine wegen der Eilbedürftigkeit vorgezogene gerichtliche Entscheidung (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, FGO-Komm., § 114, Rz. 1 (Stand: März 2004)), in deren Rahmen eine gesteigerte Mitwirkungspflicht des Antragstellers besteht (vgl. Loose, a.a.O., § 114, Rz. 71 (Stand: Juli 2003)). Die Praxis trägt der Eilbedürftigkeit, im Streitfall abgeleitet aus dem Umstand der beabsichtigten Vollstreckung in der Wohnung des Antragstellers dadurch Rechnung, dass eine Entscheidungsfindung sich anders als im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens vollzieht, bei dem die Schriftsätze regelmäßig mit einer ausreichenden Frist zur Stellungnahme der Gegenseite übermittelt werden. Im Verfahren der einstweiligen Anordnung erfolgt eben wegen der gebotenen Eile ein solcher Schriftsatzaustausch im Regelfall nicht. Insoweit war es nicht geboten, den Schriftsatz des Antragsgegners vom 22. September 2005 dem Antragsteller zur Stellungnahme zuzuleiten. Vielmehr konnte das Gericht unmittelbar nach Eingang dieses Schriftsatzes, der im Übrigen keinen neuen Sachvortrag beinhaltete, seine Entscheidung treffen, zumal -wie bereits erwähnt- diese keine Sachentscheidung war.

Insgesamt war damit die vom Antragsteller erhobene Anhörungsrüge als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht unanfechtbar (§ 133a Abs. 4 Satz 3 FGO).

Für diese Entscheidung ist eine Gebühr in Höhe von 50 EUR zu erheben (vgl. Anlage 1 --Kostenverzeichnis-- zum GKG i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl I, 718, Teil 6 Gebühr Nr. 6400 i.d.F. von Art. 11 Nr. 7 Buchst. h AnhRüG).

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Referenzen - Gesetze

Finanzgericht des Saarlandes Beschluss, 07. Nov. 2005 - 1 V 271/05 zitiert 4 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 133a


(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn 1. ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2. das Gericht den Anspruch dieses

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 114


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des An

Referenzen

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 131 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 131 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 131 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.