Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Dez. 2013 - 4 KO 1272/13

ECLI:ECLI:DE:FGST:2013:1217.4KO1272.13.0A
bei uns veröffentlicht am17.12.2013

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

Die Erinnerungsführerin wendet sich persönlich gegen einen gegen sie ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. November 2013, der ausweislich des Empfangsbekenntnisses bei der Erinnerungsführerin am 28. November 2013 eingegangen ist. In diesem Beschluss hatte die Urkundsbeamtin die von der Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 08. November 2013 beantragte Festsetzung der Termins- und Erledigungsgebühr abgelehnt. Mit der am 05. Dezember 2013 bei Gericht eingegangenen Erinnerung begehrt die Erinnerungsführerin weiterhin die Berücksichtigung der beiden Gebühren.

Entscheidungsgründe

2

Die nach § 149 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 126 Zivilprozessordnung (ZPO) zulässige Erinnerung ist unbegründet.

3

Hat die Bevollmächtigte – wie im Streitfall – die Kostenfestsetzung im eigenen Namen beantragt, so ist sie selbst Partei des Festsetzungs- und Beitreibungsverfahrens. Deshalb ist die Erinnerungsführerin als im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordnete Bevollmächtigte selbst befugt, Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss einzulegen. Die Erinnerung ist auch innerhalb der Frist des § 149 Abs. 2 Satz 2 FGO eingelegt worden.

4

Die Erinnerungsführerin hat jedoch weder einen Anspruch auf die Festsetzung der Terminsgebühr noch auf die Erledigungsgebühr.

5

Nach VV Nr. 3202 RVG entsteht eine Terminsgebühr für die Teilnahme an einem gerichtlichen Termin. Die Gebühr entsteht auch, wenn ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Nach der Vorbemerkung Ziffer 3 Abs. 3 des VV RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.

6

Ein gerichtlicher Termin wurde im Streitfall nicht durchgeführt. Die zunächst mit richterlicher Verfügung von 25. Juli 2013 anberaumte mündliche Verhandlung am 10. September 2013 wurde mit Verfügung vom 5. September 2013 aufgehoben. Eine Entscheidung des Rechtsstreites erfolgte nicht mehr, vielmehr wurde das Verfahren mit Kostenbeschluss vom 13. September 2013 beendet.

7

Es erfolgte auch keine Besprechung zwischen den Verfahrensbeteiligten. Eine Besprechung i.S. der Vorbemerkung Ziffer 3 Abs. 3 des VV RVG setzt einen mündlichen wechselseitigen Austausch von Erklärungen und Argumenten sowie die Bereitschaft der Gegenseite voraus, überhaupt in Überlegungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung des Verfahrens einzutreten. Honoriert werden soll eine Besprechung zwischen den Parteien mit dem Ziel der Erledigung oder Vermeidung eines Verfahrens (vgl. z.B. Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom 16. Mai 2011, 4 Ko 772/10, EFG 2011, 1549, m.w.N.). Eine Besprechung im Sinne dieser Norm kann unter Umständen auch dann stattfinden, wenn die Parteien des Rechtsstreits ihre unterschiedlichen Vorstellungen über eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreits dem Gericht oder dem Berichterstatter mitteilen und dieses bzw. dieser die Vorschläge und die Antworten hierauf dann an die jeweils andere Partei weiterleitet (Leitsatz 2 des Beschlusses des BGH vom 10. Juli 2006 – II ZB 28/05, juris). Erst wenn der Richter mündlich vorgetragene Argumente und Vorschläge der Parteien wechselseitig weiterleitet, kann eventuell von einer auf die Herbeiführung der Beendigung des Verfahrens gerichteten Besprechung gesprochen werden, weil nur dann die beiden das Verfahren beherrschenden Parteien daran beteiligt sind. Macht dagegen der Richter eigene Vorschläge zur Erledigung, so kann dieser Vorgang nicht als Besprechung zwischen den Parteien gewertet werden. In einem solchen Fall obliegt dem Berichterstatter eine gewisse Verantwortung für seine Vorschläge, weil ihm ein für beide Seiten faires Verfahren obliegt, wogegen bei einer auf Einigung gerichteten Besprechung zwischen den Parteien diese selbst und allein für das Ergebnis verantwortlich sind. Das Gericht ist dann auch nicht nur als Kommunikationsmedium in den Entscheidungs- und Übermittlungsvorgang eingeschaltet, sondern hat nicht unerhebliche Anstrengungen im Hinblick auf die Erledigung des Streitfalles verwendet und wurde damit nicht im Sinne der Regelung entlastet (vgl. Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom      16. Mai 2011, 4 Ko 772/10, a.a.O.).

8

Im Streitfall kam es zwischen den Beteiligten zu keiner Besprechung hinsichtlich der Erledigung des Verfahrens. Vielmehr hat der Berichterstatter in Vorbereitung der beabsichtigten mündlichen Verhandlung am 03. September 2013 unter Hinweis auf die Entscheidung des Senats im Prozesskostenhilfebeschluss vom 8. Februar 2013 die Erinnerungsgegnerin hinsichtlich der Streitmonate Januar bis März 2011 telefonisch veranlasst, ihre bis dahin vertretene Rechtsauffassung zu überdenken und insoweit einen Abhilfebescheid zu erlassen und sodann den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Noch am gleichen Tage erklärte die Erinnerungsgegnerin schriftsätzlich, einen Änderungsbescheid hinsichtlich der Monate Januar bis März 2011 zu erlassen, woraufhin der Berichterstatter mit der Erinnerungsführerin telefonisch das weitere Vorgehen erörterte. Er regte an, unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfebeschluss die Rücknahme der Klage für die Monate September bis Dezember 2010 zu erklären und im Übrigen die Klage für erledigt zu erklären. Dem folgte die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 4. September 2013.

9

Aus der Sicht der Erinnerungsführerin mag das Telefonat eine Besprechung gewesen sein, die zu einer teilweise einvernehmlichen Beendigung des Rechtsstreits geführt hat. Es ist jedoch zu keinem Zeitpunkt zu einem Austausch von Argumenten zwischen den Beteiligten gekommen. Der Berichterstatter hat zu keiner Zeit wie ein Kommunikationsmedium wechselseitig Besprechungsbeiträge der Beteiligten weitergegeben, sondern er hat die Sach- und Rechtslage selbstständig geprüft und dann als Ergebnis dieser Überlegung selbst auf der Basis des Prozesskostenhilfebeschlusses einen Einigungsvorschlag entwickelt, den er dann mit den Beteiligten telefonisch besprochen hat. Insoweit entsteht jedoch keine Terminsgebühr (vgl. z.B. auch Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 15. August 2012 – 2 KO 221/12, n.v.).

10

Es ist auch keine Erledigungsgebühr entstanden. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

11

Ebenso wie schon § 24 BRAGO erfordert Nr. 1002 VV RVG die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung. Die Erledigungsgebühr ist eine zusätzliche Vergütung dafür, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit, insbesondere Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde, erreicht, dass die Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt aufhebt oder zu Gunsten des Mandanten ändert oder einen zunächst abgelehnten Verwaltungsakt doch noch erlässt. Die Entstehung der Erledigungsgebühr erfordert daher eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes, die besonders auf den Erfolg einer Erledigung des Rechtsstreites ohne förmliche Entscheidung gerichtet ist (vgl. BFH Beschluss vom 12.02.2007 – III B 140/06, BFH/NV 2007, 1109). Der innere Grund für die Erledigungsgebühr liegt darin, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Arbeit und Mühe darauf verwandt hat, die Belastung eines beschwerenden Verwaltungsaktes von seinem Auftraggeber abzuwenden, ohne dass dieser es auf eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung in dem anhängigen Rechtsstreit ankommen lassen muss, im Falle des Eintritts dieses Erfolges dem Auftraggeber in besonderer Weise genützt hat (vgl. Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6.8.2009 – 4 KO 924/09, n.v.). Da die Erledigungsgebühr den Charakter einer Erfolgsgebühr hat, erfüllen nur solche Mitwirkungshandlungen des Rechtsanwaltes den Gebührentatbestand, die nicht nur allgemein auf Verfahrensförderung gerichtet sind, sondern auf den besonderen Erfolg einer Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung (vgl. z.B. Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.7.2008 – 4 KO 645/08, n.v.; Finanzgericht Bremen, Beschluss vom 10.8.1990 – II 3/90 Ko, EFG 1990, 596). Eine über die allgemeine Prozessführung hinausgehende Tätigkeit, die den besonderen Erfolg der Erledigung der Sache ohne förmliche Entscheidung fördert und ermöglicht, kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Einigungsvorschlages bestehen oder in einem Einwirken auf die Behörde, welches die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes nach sich zieht, oder auch in der mit einer zusätzlichen Beratungsleistung verbunden Prüfung, ob das ursprüngliche Klagebegehren im Interesse der außergerichtlichen Beendigung des Rechtsstreites nicht unwesentlich eingeschränkt werden soll (vgl. Finanzgericht Köln, Urteil vom 6.5.2010 – 10 K 4102/09, EFG 2010, 1446).

12

An diesem besonderen Mitwirken der Erinnerungsführerin fehlt es. Die Abhilfe für die Streitmonate Januar bis März 2011 ist vielmehr auf den Prozesskostenhilfebeschluss vom 8. Februar 2013 sowie auf das Telefonat des Berichterstatters mit der Beklagtenvertreterin am 3. September 2013 zurückzuführen, ohne dass diesbezüglich ein Mitwirken der Erinnerungsführerin erfolgt ist. Da bereits ein entsprechender Prozesskostenhilfebeschluss vorlag, ist auch nicht davon auszugehen, dass die mit Schriftsatz der Erinnerungsführerin vom 4. September 2013 erklärte Teilerledigung des Rechtsstreites besondere Erörterungen oder Unterrichtungen der Klägerin durch die Erinnerungsführerin erforderte. Besondere Verhandlungen zwischen der Erinnerungsführerin und der Beklagten haben nach Aktenlage nicht stattgefunden. Soweit die Erinnerungsführerin den Klageantrag hinsichtlich des Zeitraums September bis Dezember 2010 zurückgenommen hat, kommt eine Erledigungsgebühr sowieso nicht in Betracht.


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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 149


(1) Die den Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen werden auf Antrag von dem Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. (2) Gegen die Festsetzung ist die Erinnerung an das Gericht gegeben. Die Frist für die Einlegung der Eri

Zivilprozessordnung - ZPO | § 126 Beitreibung der Rechtsanwaltskosten


(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben. (2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Juli 2006 - II ZB 28/05

bei uns veröffentlicht am 10.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 28/05 vom 10. Juli 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja RVG VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 278 Abs. 6 a) Ein Rechtsanwalt verdient die Terminsgebühr nach RVG Anlage 1 zu § 2 A

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(1) Die den Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen werden auf Antrag von dem Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt.

(2) Gegen die Festsetzung ist die Erinnerung an das Gericht gegeben. Die Frist für die Einlegung der Erinnerung beträgt zwei Wochen. Über die Zulässigkeit der Erinnerung sind die Beteiligten zu belehren.

(3) Der Vorsitzende des Gerichts oder das Gericht können anordnen, dass die Vollstreckung einstweilen auszusetzen ist.

(4) Über die Erinnerung entscheidet das Gericht durch Beschluss.

(1) Die für die Partei bestellten Rechtsanwälte sind berechtigt, ihre Gebühren und Auslagen von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beizutreiben.

(2) Eine Einrede aus der Person der Partei ist nicht zulässig. Der Gegner kann mit Kosten aufrechnen, die nach der in demselben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind.

(1) Die den Beteiligten zu erstattenden Aufwendungen werden auf Antrag von dem Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt.

(2) Gegen die Festsetzung ist die Erinnerung an das Gericht gegeben. Die Frist für die Einlegung der Erinnerung beträgt zwei Wochen. Über die Zulässigkeit der Erinnerung sind die Beteiligten zu belehren.

(3) Der Vorsitzende des Gerichts oder das Gericht können anordnen, dass die Vollstreckung einstweilen auszusetzen ist.

(4) Über die Erinnerung entscheidet das Gericht durch Beschluss.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 28/05
vom
10. Juli 2006
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
RVG VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 278 Abs. 6

a) Ein Rechtsanwalt verdient die Terminsgebühr nach RVG Anlage 1 zu § 2
Abs. 2 Nr. 3104 VV immer dann, wenn ein schriftlicher Vergleich nach § 278
Abs. 6 ZPO geschlossen wird, unabhängig davon, ob dies im Verfahren
nach § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495 a ZPO geschieht oder die Parteien in einem
Verfahren, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen
war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf die mündliche Verhandlung
verzichten (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 3. Juli 2006
- II ZB 31/05).

b) Den Vergleich vorbereitende "Besprechungen" zwischen den Rechtsanwälten
finden in einem Rechtsstreit auch dann statt, wenn diese ihre unterschiedlichen
Vorstellungen über eine vergleichsweise Beilegung des
Rechtsstreits dem Gericht mitteilen und dieses die Vorschläge und die Antworten
hierauf an den jeweils anderen Anwalt weiterleitet.
BGH, Beschl. vom 10. Juli 2006 - II ZB 28/05 - OLG Koblenz
LG Bad Kreuznach
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 10. Juli 2006 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Prof. Dr. Gehrlein, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 12. Oktober 2005 aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 18. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.

Gründe:


1
I. Nachdem außergerichtliche Vergleichsverhandlungen der Parteien gescheitert waren, begehrte der Kläger mit seiner im September 2004 bei dem Landgericht Bad Kreuznach eingegangenen Klage im Urkundenprozess die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 10.225,84 € nebst Zinsen mit der Begründung, dieser Betrag stehe ihm als Abfindungsguthaben aus einem von ihm gekündigten Unterbeteiligungsvertrag zwischen den Parteien zu. Das Landgericht führte ein schriftliches Vorverfahren durch, in dessen Verlauf die Prozessbevollmächtigten der Parteien ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs bekundeten, mit dem Gericht, das die jeweiligen Vorschläge weiterleitete, über den Inhalt dieses möglichen Vergleichs korrespondierten und auch untereinander Verhandlungen führten. Durch Beschluss vom 21. Februar 2005 stellte das Landgericht das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO fest. Hiernach haben der Kläger 30 v.H. und der Beklagte 70 v.H. der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zu tragen.
2
In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Juli 2005 berücksichtigte das Landgericht neben den von den Parteien zum Ausgleich angemeldeten 1,3 Verfahrensgebühren gemäß Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses (im Folgenden: VV) in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG und den 1,0 Einigungsgebühren gemäß Nr. 1003 VV auch die vom Kläger angemeldete 1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV. Das Oberlandesgericht hat auf die sofortige Beschwerde des Beklagten den Kostenfestsetzungsbeschluss um die anteilige Terminsgebühr reduziert, den Erstattungsbetrag neu festgesetzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
3
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Landgerichts.
4
1. Verfehlt hat das Beschwerdegericht (NJW-RR 2006, 358 f.) die Festsetzung der Terminsgebühr abgelehnt. Nach dem unter I. geschilderten Verfahrensgang kann keine Rede davon sein, dass der Vergleich ohne Besprechungen der Prozessbevollmächtigten untereinander zustande gekommen ist.
5
2. Im Übrigen ist - auch wenn man dem Beschwerdegericht im Ausgangspunkt folgen wollte - dessen Ansicht, eine Terminsgebühr sei nicht angefallen , aus Rechtsgründen verfehlt.
6
Das Beschwerdegericht hat sich zu Unrecht bei seiner Entscheidung allein vom Wortlaut der Bestimmung leiten lassen und die Gründe außer Betracht gelassen, die den Gesetzgeber zum Erlass der Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV veranlasst haben. Danach verdient der Rechtsanwalt - wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung in Übereinstimmung mit dem III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Beschl. v. 27. Oktober 2005 - III ZB 42/05, NJW 2006, 157 ff.) mit Beschluss vom 3. Juli 2006 (II ZB 31/05) entschieden hat - die Terminsgebühr immer dann, wenn ein schriftlicher Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen wird, unabhängig davon, ob dies in einem Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495 a ZPO geschieht oder die Parteien in einem Verfahren, in dem zunächst die mündliche Verhandlung vorgesehen war, durch Abschluss eines schriftlichen Vergleichs auf die mündliche Verhandlung verzichten. Das ergibt sich aus der gebotenen teleologischen Interpretation, weil der Gesetzgeber mit der Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV hat erreichen wollen, dass der Prozessbevollmächtigte, der in einem Zivilprozess im Hinblick auf den Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 Abs. 1 ZPO) erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung seine Terminsgebühr zu verdienen , keinen Gebührennachteil erleiden soll, wenn durch eine andere Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (BGH, Beschl. v. 27. Oktober 2005 aaO S. 158). Eine solche "andere Verfahrensgestaltung" liegt neben den in Nr. 3104 VV ausdrücklich genannten Fällen auch dann vor, wenn - wie hier - die zunächst vorgesehene mündliche Verhandlung deshalb nicht stattfindet, weil das Gericht gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO durch Beschluss das Zustandekommen und den Inhalt eines Vergleichs feststellt.
7
Dem trägt die vordergründig am Wortlaut haftende Auslegung des Beschwerdegerichts nicht Rechnung. Sie hat im Gegenteil zur Folge, dass das eintreten würde, was der Gesetzgeber mit der Ausweitung der Terminsgebühr - auch im Interesse der Entlastung der Gerichte - vermeiden wollte, dass nämlich die früher geübte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um einer anwaltlichen Gebühr willen anzustreben, fortgesetzt wird (siehe hierzu Goebel BGH-Report 2006, 66).
8
Beschwerdewert: 512,53 € Goette Kraemer Gehrlein Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Bad Kreuznach, Entscheidung vom 18.07.2005 - 2 O 335/04 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 12.10.2005 - 14 W 620/05 -