Europäischer Gerichtshof Schlussantrag des Generalanwalts, 25. Juli 2018 - C-621/16 P

ECLI:ECLI:EU:C:2018:611
25.07.2018

Vorläufige Fassung

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 25. Juli 2018(1)

Rechtssache C621/16 P

Europäische Kommission

gegen

Italienische Republik

„Rechtsmittel – Sprachenregelung der Organe der Europäischen Union – Bekanntmachungen allgemeiner Auswahlverfahren – Beschränkung der zweiten Sprache des Auswahlverfahrens und der Sprache für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO auf Deutsch, Englisch und Französisch – Verordnung Nr. 1 – Statut der Beamten der Europäischen Union – Einstellung von Beamten – Diskriminierung aufgrund der Sprache – Rechtfertigungen“






I.      Einleitung

1.        Das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) veröffentlichte im Jahr 2014 zwei Bekanntmachungen allgemeiner Auswahlverfahren. Nach diesen Bekanntmachungen konnten die Bewerber lediglich Englisch, Französisch oder Deutsch als zweite Sprache für die Auswahlverfahren wählen. Außerdem sahen die Bekanntmachungen vor, dass für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO eine dieser drei Sprachen verwendet werden muss.

2.        Die Italienische Republik stellte mit einer beim Gericht erhobenen Klage die Rechtmäßigkeit dieser zweifachen Beschränkung auf die drei genannten Sprachen in Frage. Das Gericht erklärte die beiden Bekanntmachungen mit Urteil vom 15. September 2016, Italien/Kommission (T‑353/14 und T‑17/15, EU:T:2016:495), für nichtig.

3.        Mit dem vorliegenden Rechtsmittel wendet sich die Kommission gegen das Urteil des Gerichts und ersucht den Gerichtshof damit erneut(2) um Stellungnahme dazu, in welchen Grenzen das EPSO Bewerbern, die an allgemeinen Auswahlverfahren teilnehmen wollen, Beschränkungen der Sprachen auferlegen kann.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Primärrecht

1.      Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

4.        Art. 24 Abs. 4 AEUV bestimmt: „Jeder Unionsbürger kann sich schriftlich in einer der in Artikel 55 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union genannten Sprachen an jedes Organ oder an jede Einrichtung wenden, die in dem vorliegenden Artikel oder in Artikel 13 des genannten Vertrags genannt sind, und eine Antwort in derselben Sprache erhalten.“

5.        Art. 342 AEUV lautet: „Die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Union wird unbeschadet der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom Rat einstimmig durch Verordnungen getroffen.“

2.      Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta)

6.        In Art. 21 Abs. 1 der Charta heißt es: „Diskriminierungen … wegen … der Sprache … sind verboten.“

7.        Art. 41 Abs. 4 der Charta bestimmt: „Jede Person kann sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe der Union wenden und muss eine Antwort in derselben Sprache erhalten.“

B.      Sekundärrecht

1.      Verordnung Nr. 1

8.        Die Art. 1, 2, 5 und 6 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft(3) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 geänderten Fassung(4) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1) lauten:

„Artikel 1

Die Amtssprachen und die Arbeitssprachen der Organe der Union sind Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.

Artikel 2

Schriftstücke, die ein Mitgliedstaat oder eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende Person an Organe der [Union] richtet, können nach Wahl des Absenders in einer der Amtssprachen abgefasst werden. Die Antwort ist in derselben Sprache zu erteilen.

Artikel 5

Das Amtsblatt der Europäischen Union erscheint in den Amtssprachen.

Artikel 6

Die Organe der [Union] können in ihren Geschäftsordnungen festlegen, wie diese Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist.“

2.      Beamtenstatut

9.        In Art. 1d des Statuts der Beamten der Europäischen [Union](5) in der durch die Verordnung (EU, Euratom) Nr. 1023/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013(6) geänderten Fassung (im Folgenden: Statut) heißt es:

„(1)      Bei der Anwendung dieses Statuts ist jede Diskriminierung aufgrund … der Sprache … verboten.

(6)      Jede Einschränkung des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist unter Angabe von objektiven und vertretbaren Gründen zu rechtfertigen; dabei sind die legitimen Ziele von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik zu berücksichtigen. …“

10.      Titel III des Statuts trägt die Überschrift „Laufbahn des Beamten“. Sein Kapitel I („Einstellung“) umfasst die Art. 27 bis 34.

11.      Art. 27 Abs. 1 des Statuts bestimmt: „Bei der Einstellung ist anzustreben, dem Organ die Mitarbeit von Beamten zu sichern, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügen; sie sind unter den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Union auf möglichst breiter geografischer Grundlage auszuwählen. Kein Dienstposten darf den Angehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats vorbehalten werden.“

12.      Art. 28 des Statuts lautet:

„Zum Beamten darf nur ernannt werden, wer

a)      Staatsangehöriger eines der Mitgliedstaaten der Union ist und die bürgerlichen Ehrenrechte besitzt; von dem Erfordernis der Staatsangehörigkeit kann die Anstellungsbehörde absehen;

b)      sich seinen Verpflichtungen aus den für ihn geltenden Wehrgesetzen nicht entzogen hat;

c)      den für die Ausübung des Amtes zu stellenden sittlichen Anforderungen genügt;

d)      die Bedingungen des in Anhang III geregelten Auswahlverfahrens aufgrund von Befähigungsnachweisen oder Prüfungen oder aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen erfüllt hat; Artikel 29 Absatz 2 bleibt unberührt;

e)      die für die Ausübung seines Amtes erforderliche körperliche Eignung besitzt;

f)      nachweist, dass er gründliche Kenntnisse in einer Sprache der Union und ausreichende Kenntnisse in einer weiteren Sprache der Union in dem Umfang besitzt, in dem dies für die Ausübung seines Amtes erforderlich ist.“

13.      In Art. 30 des Statuts heißt es:

„Für jedes Auswahlverfahren bestellt die Anstellungsbehörde einen Prüfungsausschuss. Dieser stellt ein Verzeichnis der geeigneten Bewerber auf.

Die Anstellungsbehörde wählt aus diesem Verzeichnis die Bewerber aus, mit denen sie die freien Stellen besetzt.“

14.      In Art. 1 Abs. 1 von Anhang III („Auswahlverfahren“) des Statuts heißt es:

„Die Stellenausschreibung wird von der Anstellungsbehörde nach Anhörung des Paritätischen Ausschusses angeordnet.

In der Stellenausschreibung sind anzugeben:

f)      gegebenenfalls die wegen der besonderen Art der zu besetzenden Dienstposten erforderlichen Sprachkenntnisse;

…“

15.      In Art. 7 Abs. 1 und 2 von Anhang III des Statuts heißt es:

„(1)      Die Organe beauftragen nach Stellungnahme des Statutsbeirats das Europäische Amt für Personalauswahl (im Folgenden ‚Amt‘), die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass in den Ausleseverfahren für Beamte der Union sowie bei der Beurteilung und in den Prüfungsverfahren gemäß den Artikeln 45 und 45a des Statuts einheitliche Kriterien angewandt werden.

(2)      Das Amt hat folgende Aufgaben:

a)      Es führt auf Antrag einzelner Organe allgemeine Auswahlverfahren durch.

…“

3.      Beschluss 2002/620

16.      Art. 2 Abs. 1 des Beschlusses 2002/620/EG über die Errichtung des EPSO(7) lautet:

„Das Amt übt die Befugnisse der Personalauswahl aus, die gemäß Artikel 30 Absatz 1 des Statuts sowie Anhang III des Statuts den Anstellungsbehörden der Organe, die den vorliegenden Beschluss unterzeichnet haben, übertragen worden sind. Nur in Ausnahmefällen können die Organe mit Zustimmung des Amtes ihre eigenen allgemeinen Auswahlverfahren für spezifische Anforderungen in hochspezialisierten Fachbereichen durchführen.“

17.      Art. 4 des Beschlusses 2002/620 sieht vor:

„Anträge und Beschwerden im Zusammenhang mit der Ausübung der gemäß Artikel 2 Absätze 1 und 2 übertragenen Befugnisse sind gemäß Artikel 91a des Statuts an das Amt zu richten. Jede Klage aus diesem Bereich ist gegen die Kommission zu richten.“

III. Sachverhalt und Verfahren

18.      Am 13. März 2014 veröffentlichte das EPSO die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/276/14 zur Bildung einer Einstellungsreserve für Beamte der Funktionsgruppe Administration (AD 5)(8) (im Folgenden: Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 5).

19.      Am 6. November 2014 veröffentlichte das EPSO die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/294/14 zur Bildung einer Einstellungsreserve für Beamte der Funktionsgruppe Administration (AD 6) im Bereich Datenschutz für den Europäischen Datenschutzbeauftragten(9) (im Folgenden: Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 6).

20.      Sowohl in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 5 als auch in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 6 (im Folgenden zusammen: angefochtene Bekanntmachungen) heißt es in der Einleitung, dass die Allgemeinen Vorschriften für Allgemeine Auswahlverfahren (im Folgenden: Allgemeine Vorschriften)(10) „fester Bestandteil“ der Bekanntmachung jedes Auswahlverfahrens sind.

21.      Die Allgemeinen Vorschriften wurden vom EPSO im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie werden eingeleitet mit den Worten: „Die Allgemeinen Vorschriften sind fester Bestandteil der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens. Zusammen mit der Bekanntmachung bilden sie den rechtsverbindlichen Rahmen des Auswahlverfahrens.“

22.      Der Abschnitt „Sprachkenntnisse“ der Allgemeinen Vorschriften enthält zunächst folgenden Hinweis: „Sofern in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nichts anderes angegeben ist, beschränkt sich die Wahl der Zweitsprache im Normalfall auf Deutsch, Englisch oder Französisch.“ Anschließend werden Gründe für die Beschränkung der zweiten Sprache genannt. Außerdem wird in diesem Abschnitt der Allgemeinen Vorschriften auf die vom Kollegium der Verwaltungschefs am 15. Mai 2013 erlassenen „Allgemeinen Leitlinien für die … bei EPSO-Auswahlverfahren zu verwendenden Sprachen“ (im Folgenden: Allgemeine Leitlinien) verwiesen. Die Allgemeinen Leitlinien finden sich im Anhang der Allgemeinen Vorschriften und enthalten eine eingehendere Begründung für die Beschränkung der Auswahl der zweiten Sprache auf Deutsch, Englisch oder Französisch.

23.      Abschnitt III („Zulassungsbedingungen“) der angefochtenen Bekanntmachungen enthält allgemeine und besondere Zulassungsbedingungen. Zu den besonderen Zulassungsbedingungen gehört das Erfordernis von Kenntnissen in zwei Sprachen: gründliche Kenntnis einer der Amtssprachen der Europäischen Union, die als „Hauptsprache“ oder „Sprache 1“ bezeichnet wird, und ausreichende Kenntnis der englischen, der französischen oder der deutschen Sprache, die als „zweite Sprache“ oder „Sprache 2“ bezeichnet wird. Diese Sprache darf nicht mit Sprache 1 identisch sein.

24.      Hinsichtlich der Beschränkung der Wahl einer zweiten Sprache heißt es in Nr. 2.3 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 5:

„Im Lichte des Urteils [vom 27. November 2012, Italien/Kommission (C‑566/10 P, EU:C:2012:752)] begründen die EU-Organe nachstehend, weshalb sie im vorliegenden Auswahlverfahren die Wahl der zweiten Sprache auf eine begrenzte Anzahl von EU-Amtssprachen beschränken.

Die Sprachen, die als zweite Sprache in diesem Auswahlverfahren zugelassen wurden, wurden im Interesse des Dienstes gewählt, da neue Mitarbeiter schon bei ihrer Einstellung in der Lage sein müssen, ihre dienstlichen Aufgaben wahrzunehmen und bei ihrer täglichen Arbeit effizient zu kommunizieren. Andernfalls wäre die Arbeitsfähigkeit der EU-Organe erheblich beeinträchtigt.

In der langjährigen Praxis der EU-Organe haben sich Englisch, Französisch und Deutsch als die am häufigsten intern verwendeten Sprachen erwiesen; sie werden auch aufgrund der dienstlichen Erfordernisse der externen Kommunikation und der Aktenbearbeitung nach wie vor am häufigsten benötigt. Darüber hinaus sind Englisch, Französisch und Deutsch die in der Europäischen Union am weitesten verbreiteten und gelernten Zweitsprachen. Dies bestätigt die gängigen Standards in Ausbildung und Beruf. Bei den Bewerbern um eine Stelle bei den EU-Organen kann somit davon ausgegangen werden, dass sie mindestens eine dieser Sprachen beherrschen. Wägt man das Interesse des Dienstes gegen die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Bewerber ab und trägt man gleichzeitig der fachlichen Ausrichtung dieses Auswahlverfahrens Rechnung, so ist es gerechtfertigt, die Prüfungen in diesen drei Sprachen abzuhalten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Bewerber – unabhängig davon, welche Amtssprache sie als erste Sprache gewählt haben – mindestens eine dieser drei Amtssprachen so gut beherrschen, dass sie in dieser arbeiten können. Auf diese Weise erlaubt die Bewertung der Fachkompetenzen es den EU-Organen festzustellen, inwieweit die Bewerber unmittelbar in der Lage sind, unter Bedingungen zu arbeiten, die ihrem Berufsalltag sehr nahe kommen.

Aus den gleichen Gründen empfiehlt sich eine Beschränkung der Sprachen, in denen der Schriftwechsel zwischen den Bewerbern und dem betreffenden Organ erfolgt und die Bewerbungsbögen erstellt werden. Dadurch wird ferner sichergestellt, dass die Angaben der Bewerber in ihren Bewerbungsbögen auf der Grundlage einheitlicher Kriterien verglichen und überprüft werden können.

Aus Gründen der Gleichbehandlung müssen alle Bewerber – also auch diejenigen, die als erste Sprache Englisch, Deutsch oder Französisch gewählt haben – bestimmte Prüfungen in ihrer zweiten Sprache, die eine dieser drei Sprachen sein muss, ablegen.

Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit späterer Sprachkurse, mit denen sich die künftigen Bediensteten die Fähigkeit aneignen können, in einer dritten Sprache zu arbeiten (Artikel 45 Absatz 2 des Beamtenstatuts).“

25.      Nr. 2.3 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 6 ist im Wesentlichen ebenso formuliert.

26.      Die beiden angefochtenen Bekanntmachungen beschränken daher die Sprache für den Schriftwechsel zwischen den Bewerbern und dem EPSO und für die Erstellung der Bewerbungen auf die vom jeweiligen Bewerber gewählte zweite Sprache: Deutsch, Englisch oder Französisch.

27.      Die angefochtenen Bekanntmachungen enthalten auch Vorschriften für die bei den Tests und Prüfungen der Auswahlverfahren zu verwendende Sprache, d. h. für die Hauptsprache und die zweite Sprache. Beide Auswahlverfahren bestanden aus einer Reihe von computergestützten Tests und einer Reihe von Prüfungen im Rahmen eines Assessment-Centers. Die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 5 sah vor, dass die Bewerber einen der computergestützten Tests (den Test des situationsbezogenen Urteilsvermögens) und sämtliche Prüfungen des Assessment-Centers in der von ihnen gewählten zweiten Sprache absolvieren mussten. Die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 6 sah vor, dass die Bewerber alle nicht computergestützten Übungen in der von ihnen gewählten zweiten Sprache durchführen mussten.

IV.    Angefochtenes Urteil und Verfahren vor dem Gerichtshof

28.      Am 23. Mai 2014 erhob die Italienische Republik vor dem Gericht Klage auf Nichtigerklärung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 5 (Rechtssache T‑353/14).

29.      Am 15. Januar 2015 erhob die Italienische Republik vor dem Gericht eine weitere Klage auf Nichtigerklärung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 6 (Rechtssache T‑17/15). Die Republik Litauen wurde als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Italienischen Republik zugelassen.

30.      Die Rechtssachen T‑353/14 und T‑17/15 wurden vom Gericht zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamem Endurteil verbunden.

31.      Mit den von der Italienischen Republik erhobenen Klagen wurde im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit zweier Aspekte der in den angefochtenen Bekanntmachungen festgelegten Sprachenregelung in Frage gestellt. Der erste Aspekt betraf die Tatsache, dass die Bewerber bei den Auswahlverfahren nur zwischen Deutsch, Englisch oder Französisch als zweiter Sprache wählen konnten. Der zweite Aspekt bezog sich auf die Beschränkung der Sprache für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und EPSO auf diese drei Sprachen.

32.      Mit Urteil vom 15. September 2016, Italien/Kommission (im Folgenden: angefochtenes Urteil)(11), erklärte das Gericht die angefochtenen Bekanntmachungen für nichtig.

33.      Mit dem vorliegenden Rechtsmittel begehrt die Kommission die Aufhebung des Urteils des Gerichts durch den Gerichtshof. Wenn der Rechtsstreit zur Entscheidung reif sei, solle der Gerichtshof die Klagen als unbegründet abweisen, die Italienische Republik zur Tragung der im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten verurteilen und der Republik Litauen ihre eigenen Kosten auferlegen.

34.      Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel auf vier Rechtsmittelgründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund bestreitet sie die Zulässigkeit der vor dem Gericht erhobenen Klagen. Der zweite und der dritte Rechtsmittelgrund betreffen die Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache auf Deutsch, Englisch und Französisch in den angefochtenen Bekanntmachungen. Der vierte Rechtsmittelgrund bezieht sich auf die Beschränkung der Wahl der Sprache für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO auf diese drei Sprachen.

35.      Die Italienische Republik beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

36.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 30. März 2017 ist das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Italienischen Republik zugelassen worden.

37.      Das Königreich Spanien, die Italienische Republik und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Alle diese Beteiligten haben in der Sitzung vom 25. April 2018 mündlich verhandelt.

V.      Rechtliche Würdigung

38.      Ich werde im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge (in den Abschnitten A, B, C und D) die von der Kommission geltend gemachten Rechtsmittelgründe nacheinander prüfen. Im Ergebnis werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, das vorliegende Rechtsmittel zurückzuweisen. Den rechtlichen Erwägungen des Gerichts stimme ich nicht unbedingt in allen Punkten zu, insbesondere was den vierten Rechtsmittelgrund angeht. Ich halte jedoch die Nichtigerklärung der angefochtenen Bekanntmachungen durch das Gericht und somit die Gesamtbeurteilung der Rechtssache für zutreffend.

39.      Gerichtlicher Minimalismus ist eine Tugend. Ich frage mich jedoch, inwieweit dies auch dann noch gilt, wenn die Große Kammer binnen weniger Jahre erneut aufgefordert wird, sich mit der Frage der Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache in Bekanntmachungen von Auswahlverfahren zu befassen. Es gibt auch mindestens ein Dutzend ähnlicher, entweder anhängiger oder unlängst vom Gericht entschiedener Rechtssachen(12), in denen es um das Thema der Sprachenregelung der Organe im weiteren Sinne geht(13). Unter solchen Umständen wäre es vielleicht – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es um den Werdegang, die Erwartungen und die Karriere der Betroffenen geht –, ratsam, den Organen zumindest eine gewisse Orientierungshilfe für ihren Spielraum bei der Festlegung von Beschränkungen in Bezug auf die Verwendung von Arbeitssprachen im dienstlichen Interesse zu geben (E).

A.      Erster Rechtsmittelgrund: Zulässigkeit der vor dem Gericht erhobenen Klagen

40.      Der erste Rechtsmittelgrund der Kommission gliedert sich in vier Teile. Mit dem ersten Teil macht die Kommission geltend, dem Gericht sei in den Rn. 45 bis 52 des angefochtenen Urteils ein Rechtsfehler unterlaufen, da es bei der Auslegung der Rechtsnatur der Allgemeinen Vorschriften deren Bindungswirkung nicht anerkannt habe.

41.      Desgleichen macht die Kommission mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes geltend, das Gericht habe in Rn. 58 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, indem es zu dem Schluss gekommen sei, dass „die Allgemeinen Vorschriften und die Allgemeinen Leitlinien allenfalls als Mitteilungen im Sinne von Rn. 91 des Urteils vom 27. November 2012, Italien/Kommission (C‑566/10 P, EU:C:2012:752), anzusehen [sind], die Kriterien ankündigen, nach denen das EPSO die Sprachenregelung für die Auswahlverfahren, mit deren Durchführung es beauftragt ist, zu wählen beabsichtigt“.

42.      Mit dem vierten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht habe in den Rn. 65 bis 71 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der Rechtsnatur der angefochtenen Bekanntmachungen einen Rechtsfehler begangen. Das Gericht habe gegen seine Begründungspflicht verstoßen, weil es nicht geprüft habe, ob die angefochtenen Bekanntmachungen Bestätigungshandlungen darstellten.

43.      Schließlich rügt die Kommission mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes einen Rechtsfehler bei der Auslegung von Art. 7 Abs. 1 von Anhang III des Statuts. Sie wendet sich gegen die vom Gericht in den Rn. 53 bis 57 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellungen, wonach dieser Artikel es „ermöglicht, das EPSO mit dem Ergreifen von Maßnahmen zur Anwendung einheitlicher Kriterien, nicht aber mit dem Erlass verbindlicher allgemeiner und abstrakter Normen zu beauftragen“.

44.      Meiner Ansicht nach werfen die verschiedenen Teile des ersten Rechtsmittelgrundes im Wesentlichen zwei Fragen auf. Die erste betrifft die Rechtsnatur der Allgemeinen Vorschriften (erster und dritter Teil) und der angefochtenen Bekanntmachungen (vierter Teil). Die zweite Frage lautet, ob das EPSO zum Erlass der Allgemeinen Vorschriften befugt war (zweiter Teil).

45.      Um über den ersten Rechtsmittelgrund zu entscheiden, muss sich der Gerichtshof meines Erachtens jedoch nicht mit allen diesen Teilen befassen. Entscheidend ist sein vierter Teil, der die Rechtsnatur der angefochtenen Bekanntmachungen betrifft. Diese sind meines Erachtens an und für sich eindeutig verbindlich, unabhängig von der Rechtsnatur der Allgemeinen Vorschriften (1). Sofern der Gerichtshof hinsichtlich der Rechtsnatur dieser Bekanntmachungen zu demselben Ergebnis kommt, gehen die übrigen von der Kommission im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes vorgebrachten Argumente schlicht ins Leere (2 und 3).

1.      Vierter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Rechtsnatur der angefochtenen Bekanntmachungen

46.      Die Kommission macht mit ihrem Rechtsmittel geltend, das Gericht habe gegen seine Begründungspflicht verstoßen, weil es nicht geprüft habe, ob die angefochtenen Bekanntmachungen als Bestätigungshandlungen anzusehen seien. Das Gericht habe den Inhalt der angefochtenen Bekanntmachungen nicht mit dem Inhalt der Allgemeinen Vorschriften verglichen, die in Bezug auf die Sprachenregelung identisch seien. Sonst hätte es nämlich festgestellt, dass die angefochtenen Bekanntmachungen eine Maßnahme seien, durch die Maßnahmen mit verbindlicher Wirkung – die Allgemeinen Vorschriften – lediglich bestätigt würden.

47.      Meines Erachtens sind die angefochtenen Bekanntmachungen an und für sich eindeutig verbindlich.

48.      Erstens scheint, was den Wortlaut angeht, das Argument der Kommission, wonach die angefochtenen Bekanntmachungen keine verbindlichen Wirkungen hätten, im Widerspruch zu den Allgemeinen Vorschriften selbst zu stehen, die mit folgenden Worten eingeleitet werden: „Die Allgemeinen Vorschriften sind fester Bestandteil der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens. Zusammen mit der Bekanntmachung bilden sie den rechtsverbindlichen Rahmen des Auswahlverfahrens“ (Hervorhebung nur hier).

49.      Zweitens bestand die Sprachenregelung für jedes Auswahlverfahren, aus dem Blickwinkel der Funktionsweise des Systems, aus zwei Stufen: einer allgemeinen Stufe in Form der Allgemeinen Vorschriften und einer individuellen Stufe in Form jeder Bekanntmachung. Maßgebend für die Sprachenregelung war daher in jedem Einzelfall entweder i) die jeweilige Bekanntmachung oder ii) die jeweilige Bekanntmachung zusammen mit den Allgemeinen Vorschriften.

50.      Die Bekanntmachungen waren also, nach jeder Lesart und jedem Verständnis des Systems, stets einbezogen in die Festlegung der Sprachenregelung für ein einzelnes Auswahlverfahren. Ein potenzieller Beschwerdeführer oder Kläger(14), der die Rechtmäßigkeit der in einer Bekanntmachung festgelegten Sprachenregelung in Frage stellen wollte, musste als verbindliche Maßnahme entweder die Bekanntmachung oder die Bekanntmachung zusammen mit den Allgemeinen Vorschriften anfechten. Mit anderen Worten, wenn er die Kriterien eines konkreten Auswahlverfahrens anfechten wollte, konnte er nicht allein die Allgemeinen Vorschriften anfechten. Die Allgemeinen Vorschriften sehen nämlich ausdrücklich vor, dass sich die Wahl der zweiten Sprache im Normalfall auf Deutsch, Englisch oder Französisch beschränkt, sofern in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nichts anderes angegeben ist (Hervorhebung nur hier).

51.      Da jede Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens von den in den Allgemeinen Vorschriften als Normalfall festgelegten zweiten Sprachen abweichen konnte(15), scheint mir klar zu sein, dass die Sprachenregelung für jedes einzelne Auswahlverfahren bis zur Veröffentlichung der Bekanntmachung nicht als umfassend festgelegt angesehen werden kann. Dies wird auch durch Art. 1 Abs. 1 von Anhang III des Statuts bestätigt, der bestimmt, was in den Bekanntmachungen der Auswahlverfahren anzugeben ist. Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. f sind in der Stellenausschreibung „gegebenenfalls die wegen der besonderen Art der zu besetzenden Dienstposten erforderlichen Sprachkenntnisse“ anzugeben.

52.      Abschließend möchte ich hinzufügen, dass die Auffassung der Kommission, wonach es sich bei den angefochtenen Bekanntmachungen um Maßnahmen handele, die lediglich die Allgemeinen Vorschriften bestätigten, bei Berücksichtigung aller logischen Konsequenzen zu einer Reihe absurder Ergebnisse führen würde.

53.      Erstens wären in praktischer Hinsicht individuelle (nicht privilegierte) Kläger nicht befugt, bei einem Auswahlverfahren irgendetwas anzufechten. Zum einen wäre es für sie recht schwierig oder nahezu unmöglich, zu beweisen, dass die Allgemeinen Vorschriften sie im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV „unmittelbar und individuell betreffen“. Zum anderen könnten sie auch nicht die jeweilige Bekanntmachung anfechten, da es sich um eine bloße „Bestätigung“ handeln würde. Der Schutz des Einzelnen würde daher de facto zwischen zwei Stühle fallen, da er keine Möglichkeit hätte, irgendetwas anzufechten.

54.      Zweitens wäre es in den meisten Fällen unmöglich, die in Art. 263 Abs. 6 AEUV vorgesehene Frist von zwei Monaten für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage einzuhalten, da davon auszugehen ist, dass die meisten Bekanntmachungen von Auswahlverfahren nach Ablauf dieser Frist veröffentlicht werden. Die Probleme in Bezug auf die Klagebefugnis und die Fristen werden noch dadurch verschärft, dass ein Einzelner wohl kaum bereits bei der Veröffentlichung der Allgemeinen Vorschriften wissen wird, ob er an der Teilnahme an einem Monate oder gar Jahre später stattfindenden Auswahlverfahren interessiert sein könnte.

55.      Drittens wäre der von der Kommission vorgeschlagene Ansatz auch völlig unberechenbar. Die Möglichkeit, die Allgemeinen Vorschriften anzufechten, hinge davon ab, welche Sprachen das EPSO in jeder späteren Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens anbietet. Er würde nämlich der Sache nach bedeuten, dass eine Bekanntmachung, in der die zweite Sprache auf Deutsch, Englisch oder Französisch beschränkt wird, nicht angefochten werden kann, da sie lediglich eine die in den Allgemeinen Vorschriften vorgesehene Standardregel bestätigende Maßnahme wäre. Stünden in einer Bekanntmachung jedoch andere zweite Sprachen zur Wahl, könnte sie angefochten werden, da sie nicht als Bestätigungshandlung angesehen würde(16).

56.      Meiner Ansicht nach zeigen diese Argumente recht eindeutig, dass jede einzelne Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens eine Handlung ist, die selbst angefochten werden kann, unabhängig davon, ob die darin festgelegten Anforderungen an die zweite Sprache von dem in den Allgemeinen Vorschriften vorgesehenen Normalfall abweichen. Das Gericht hat daher keinen Rechtsfehler begangen, als es in Rn. 70 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass „die angefochtenen Bekanntmachungen Handlungen sind, die verbindliche Rechtswirkungen hinsichtlich der Sprachenregelung für die in Rede stehenden Auswahlverfahren zeitigen und daher anfechtbare Handlungen darstellen“.

57.      Folglich ist der vierte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes unbegründet.

58.      Wie ich bereits in Nr. 45 dieser Schlussanträge vorausgeschickt habe, wird das Vorbringen der Kommission in den übrigen Teilen des ersten Rechtsmittelgrundes dadurch gegenstandslos: Da die einzelnen Bekanntmachungen ohnehin unabhängig hätten angefochten werden können, sind die Rechtsnatur der Allgemeinen Vorschriften und die Frage, ob sie getrennt hätten angefochten werden können, für das vorliegende Rechtsmittel irrelevant.

59.      Ich meine daher, dass sich der Gerichtshof mit keinem der übrigen Teile des ersten Rechtsmittelgrundes befassen muss. Der Vollständigkeit halber und um den Gerichtshof in dieser Rechtssache umfassend zu unterstützen, sofern er in Bezug auf die Rechtsnatur der Bekanntmachungen zu einem anderen Ergebnis kommen sollte, werde ich jedoch nunmehr kurz auf die verbleibenden drei Teile des ersten Rechtsmittelgrundes eingehen.

2.      Erster und dritter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Rechtsnatur der Allgemeinen Vorschriften

60.      Die Kommission macht mit dem ersten und dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes geltend, dass das Gericht die Rechtsnatur der Allgemeinen Vorschriften fehlerhaft ausgelegt habe. Diese seien insoweit verbindlich, als sie den für Auswahlverfahren geltenden rechtlichen Rahmen der Sprachenregelung festlegten, der in den Bekanntmachungen der Auswahlverfahren lediglich bestätigt werde.

61.      Ich muss dem ersten Teil des Vorbringens der Kommission zustimmen: Die Allgemeinen Vorschriften sind ein eigener, anfechtbarer Rechtsakt. Entgegen dem zweiten Teil des Vorbringens der Kommission schließt diese Feststellung jedoch aus den oben im vorangegangenen Abschnitt dieser Schlussanträge dargelegten Gründen meines Erachtens keineswegs aus, dass auch die Bekanntmachungen eines einzelnen Auswahlverfahrens angefochten werden können.

62.      In Anbetracht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs könnten den Allgemeinen Vorschriften in der Tat verbindliche Rechtswirkungen beigemessen werden. Der Gerichtshof hat immer wieder entschieden, dass alle von den Organen erlassenen Bestimmungen – unabhängig von ihrer Form –, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen, „anfechtbare Handlungen“ im Sinne von Art. 263 AEUV sind(17). Um festzustellen, ob die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen, und ihre Wirkungen sind anhand objektiver Kriterien wie dem Inhalt der Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Kontext ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind(18).

63.      Erstens werden die Allgemeinen Vorschriften als „Vorschriften“ und nicht als „Grundsätze“ oder „Rahmen“ bezeichnet, und sie tragen auch keine sonstige Bezeichnung, die auf eine bloße Empfehlung hindeutet. Sie sind auch recht verbindlich formuliert(19) und gehen damit über eine bloße Aufforderung oder Anregung hinaus. Zweitens heißt es zu Beginn der Allgemeinen Vorschriften ausdrücklich, dass sie (zusammen mit der Bekanntmachung) „den rechtsverbindlichen Rahmen des Auswahlverfahrens“ bilden.

64.      Drittens lässt sich auf der Systemebene der verbindliche Charakter der Allgemeinen Vorschriften auch daraus ableiten, dass sie in der Praxis zumindest für das EPSO selbst Verpflichtungen begründen. Die Allgemeinen Vorschriften verpflichten das EPSO – oder gegebenenfalls ein Organ, das ein allgemeines Auswahlverfahren durchführt – nämlich dazu, eine Abweichung von der Standardregelung für die Wahl der zweiten Sprache zu begründen. Diese Pflicht, in einer konkreten Ausschreibung von den Allgemeinen Vorschriften ausdrücklich abzuweichen oder sie „abzuwählen“, um eine andere Sprachenauswahl festzulegen, setzt zwangsläufig voraus, dass sie verbindlich sind. Wären sie nicht verbindlich, könnte bei einer Abweichung von ihnen keine Begründungspflicht bestehen.

65.      Darüber hinaus lässt sich nicht leugnen, dass diese institutionelle Dimension, bei der der verbindliche Charakter der Allgemeinen Vorschriften die Verpflichtung beinhaltet, jede Abweichung von ihnen zu begründen, weitreichende Auswirkungen hat. Durch die Aufnahme dieser Standardregelung in die Allgemeinen Vorschriften hat das EPSO bei den Bewerbern berechtigte Erwartungen geweckt, dass die Regeln nicht nur von ihnen, sondern auch vom EPSO selbst einzuhalten sind. Ein solches von den Organen oder Einrichtungen der Union geschaffenes Instrument kann daher bei vernünftiger Betrachtung als eine (Selbst‑)Beschränkung hinsichtlich der künftigen Ausübung ihres Ermessens aufgefasst werden(20), was die normative Bedeutung eines solchen Dokuments eindeutig erhöht.

66.      Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Wortlaut und der Inhalt der Allgemeinen Vorschriften sowie ihr Kontext und die vom EPSO mit ihrer Ausarbeitung verfolgte Absicht darauf hindeuten, ihre verbindlichen Rechtswirkungen als die bei allen Auswahlverfahren anzuwendende Standardregelung anzuerkennen, es sei denn, das EPSO weicht klar und eindeutig davon ab, was in jedem Einzelfall begründet werden müsste.

67.      Dieser Schlussfolgerung steht keineswegs entgegen, dass es, wie ich bereits in den Nrn. 53 und 54 dieser Schlussanträge ausgeführt habe, in Bezug auf die Klagebefugnis und die Fristen wahrscheinlich problematisch wäre, unmittelbar und ausschließlich die Allgemeinen Vorschriften im Wege einer Nichtigkeitsklage anzufechten. Für einen künftigen Bewerber in einem geplanten Auswahlverfahren wäre es nämlich im Einzelfall recht schwierig, die nach Art. 263 Abs. 4 AEUV für die Erhebung einer solchen Klage erforderliche unmittelbare und individuelle Betroffenheit von den Allgemeinen Vorschriften zu beweisen. Ein Mitgliedstaat – wie der Kläger in der vorliegenden Rechtssache – oder ein anderer privilegierter Kläger muss dagegen kein solches Interesse nachweisen(21).

68.      Auch wenn das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es die verbindliche Rechtswirkung der Allgemeinen Vorschriften nicht anerkannt hat, greifen der erste und der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes jedoch nicht durch. Da das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die angefochtenen Bekanntmachungen verbindliche Wirkungen hatten und gerichtlich überprüfbar waren, hatte die Tatsache, dass es den Allgemeinen Vorschriften nicht ebenfalls rechtliche Bindungswirkung zuerkannt hat, nämlich keinen Einfluss auf den Tenor seines Urteils.

3.      Zweiter Teil des ersten Rechtsmittelgrundes: Befugnisse des EPSO

69.      Schließlich rügt die Kommission mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes eine rechtsfehlerhafte Auslegung von Art. 7 Abs. 1 von Anhang III des Statuts, in dem die Befugnisse des EPSO festgelegt sind, durch das Gericht, soweit es dem EPSO die Befugnis abgesprochen hat, „verbindliche allgemeine und abstrakte Normen“ zu erlassen.

70.      Auch mit diesem Teil des ersten Rechtsmittelgrundes muss sich der Gerichtshof meines Erachtens nicht befassen. Da die Hauptargumente des Gerichts für die Nichtigerklärung der angefochtenen Bekanntmachungen anderer Art waren, ist für mich nicht ersichtlich, wie die Anfechtung einer beiläufigen Bemerkung des Gerichts zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könnte. Dieser Teil des ersten Rechtsmittelgrundes geht deshalb ins Leere.

71.      Gleichwohl möchte ich hervorheben, dass im Fall der Prüfung eines solchen Arguments eine sehr viel eingehendere Erörterung erforderlich wäre, um Art. 7 Abs. 1 von Anhang III des Statuts zutreffend auszulegen und die Rolle der Allgemeinen Vorschriften im Licht der Befugnisse zu bewerten, die dem EPSO durch diese Bestimmung eingeräumt wurden.

72.      Durch Art. 7 Abs. 1 von Anhang III des Statuts wird das EPSO beauftragt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass in den Ausleseverfahren für Beamte der Unioneinheitliche Kriterien angewandt werden.

73.      Angesichts von Wortlaut, Kontext und Sinn halte ich die etwas pauschale und kategorische Feststellung des Gerichts in Rn. 56 des angefochtenen Urteils nicht für richtig, dass das EPSO nach Art. 7 Abs. 1 nie „verbindliche allgemeine und abstrakte Normen“ erlassen dürfe. Wenn das EPSO sicherstellen muss, dass bei den Ausleseverfahren, also bei jedem von ihnen, einheitliche Kriterien angewandt werden, bedeutet dies zwangsläufig, dass es – wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zu Recht festgestellt hat – befugt sein muss, allgemeine Regeln zu erlassen, die auf künftige Auswahlverfahren angewandt werden können.

74.      Im Gegensatz zur Kommission bin ich jedoch der Meinung, dass der inhaltliche Umfang der dem EPSO durch diese Bestimmung übertragenen Befugnisse viel weniger klar ist. Das EPSO kann sicherlich „verbindliche allgemeine und abstrakte Normen“ – oder, wie es in Art. 7 Abs. 1 heißt, „einheitliche Kriterien“ – für die technische Organisation von Auswahlverfahren festlegen, wie z. B. eine allgemeine Entscheidung über die Art der künftig durchzuführenden Prüfungen oder der zu verwendenden Fragen, den (Nicht‑)Einsatz von Computern, die Zeitvorgaben für die Prüfungen usw.

75.      Könnte das EPSO jedoch in gleicher Weise faktisch über die Zukunft der Sprachenregelung innerhalb der Organe entscheiden? Lässt sich wirklich vertreten, dass die Auswahl der Sprachen in Auswahlverfahren, die sich unbestreitbar auf die später in den Organen verwendeten Sprachen auswirken wird, lediglich eine technische oder organisatorische Vorschrift für ein Auswahlverfahren für Beamte ist, die unter den Begriff „einheitliche Kriterien“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 von Anhang III des Statuts fällt?

76.      Ich will nicht behaupten, dass dies beabsichtigt wäre, doch wenn eine solche Möglichkeit bestünde, käme dies einer Umgehung der Verordnung Nr. 1 und von Art. 342 AEUV, der bestimmt, dass die Regelung der Sprachenfrage für die Organe der Union unbeschadet der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union(22) vom Rat einstimmig durch Verordnungen getroffen wird, gefährlich nahe. Dieses Thema hat auch eine sehr starke zeitliche Dimension. Selbst eine vorübergehende Abweichung von der Sprachenregelung, die bei Auswahlverfahren (korrekt) angewandt werden sollte, hätte vermutlich nachhaltige Auswirkungen auf das künftige sprachliche Gleichgewicht innerhalb der Organe. Die Gegenwart formt die Zukunft, und die dadurch geformte Zukunft wird schon bald die objektiven gegenwärtigen Bedürfnisse der Organe in Bezug auf die Sprachen zu definieren beginnen.

77.      Auch wenn die Kommission diese beiläufige Bemerkung des Gerichts angefochten hat, wäre ich eher überrascht, wenn sie diese wichtige (verfassungsrechtliche) Frage im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels wirklich aufwerfen wollte. Ich würde dem Gerichtshof jedenfalls vorschlagen, zu diesem Teil des ersten Rechtsmittelgrundes lediglich festzustellen, dass er in Anbetracht des von der Kommission im vorliegenden Rechtsmittel gestellten Antrags ins Leere geht.

B.      Zweiter Rechtsmittelgrund

78.      Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, das Gericht habe in den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils bei der Auslegung von Art. 1d des Statuts einen Rechtsfehler begangen. Es habe zu Unrecht, gestützt auf Rn. 102 des Urteils vom 27. November 2012, Italien/Kommission (im Folgenden: Urteil Italien/Kommission I)(23), festgestellt, dass die Einschränkung der Wahl der zweiten Sprache als solche eine Diskriminierung aufgrund der Sprache darstelle. Diese Randnummer beziehe sich auf die Verpflichtung, Bekanntmachungen im Amtsblatt in allen Amtssprachen zu veröffentlichen. Das Gericht habe zudem in Rn. 92 des angefochtenen Urteils fälschlich festgestellt, dass Art. 1d des Statuts eine Diskriminierung aufgrund der Sprache verbiete. Unter gewissen Voraussetzungen lasse diese Bestimmung Ungleichbehandlungen zu.

79.      Dieser Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist meines Erachtens unbegründet.

80.      Erstens war die Bezugnahme des Gerichts in Rn. 91 des angefochtenen Urteils auf das Urteil Italien/Kommission I ein zusätzlicher Verweis am Ende eines Arguments, eingeleitet mit den Worten „vgl. in diesem Sinne“. Sie war eindeutig nicht die Grundlage der vom Gericht in dieser Randnummer getroffenen Feststellung, dass die Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache eine Diskriminierung aufgrund der Sprache darstelle. Die Gründe für diese Schlussfolgerung finden sich in den der fraglichen Bezugnahme in Rn. 91 vorangehenden Randnummern. Mit diesem Vorbringen wendet sich die Kommission offenbar erneut gegen eine beiläufige Bemerkung, nicht aber gegen die tragenden Gründe einer Feststellung des Gerichts.

81.      Zweitens folgt aus der Feststellung in Rn. 92 des angefochtenen Urteils, dass Art. 1d des Statuts eine Diskriminierung aufgrund der Sprache verbiete, nicht, dass das Gericht ausschließen wollte, dass eine solche Diskriminierung unter gewissen Voraussetzungen gerechtfertigt sein kann. Das Gericht hat nämlich in Rn. 88 des angefochtenen Urteils ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 1d des Statuts Beschränkungen des Diskriminierungsverbots zulässt.

82.      Meines Erachtens hat das Gericht in Rn. 92 des angefochtenen Urteils lediglich darauf hingewiesen, dass Art. 1d den allgemeinen Grundsatz enthält, wonach eine Diskriminierung u. a. aufgrund der Sprache verboten ist. Liest man jedoch den gesamten Abschnitt der Begründung des Gerichts, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass das Gericht befunden hat, dass Art. 1d es nicht zulässt, eine solche Diskriminierung unter gewissen Voraussetzungen zu rechtfertigen.

83.      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, die Rn. 98 bis 104 des angefochtenen Urteils stellten eine fehlerhafte Begründung dar, weil das Gericht nicht geprüft habe, ob es sich bei den Allgemeinen Vorschriften um „Mitteilungen“ oder „Rechtsakte“ im Sinne von Rn. 91 des Urteils Italien/Kommission I handele. Die Begründung des angefochtenen Urteils sei auch deshalb unzureichend, weil das Gericht nur geprüft habe, ob die Wahl der in den angefochtenen Bekanntmachungen genannten zweiten Sprachen gerechtfertigt sei, nicht aber die Begründung dafür in den Allgemeinen Vorschriften.

84.      Ich halte diesen Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ebenfalls für unbegründet.

85.      Es trifft zu, dass der Gerichtshof in Rn. 91 des Urteils Italien/Kommission I zunächst festgestellt hat, dass die Organe, auf die sich die dort in Rede stehenden Stellenausschreibungen bezogen, nie interne Regeln gemäß Art. 6 der Verordnung Nr. 1 erlassen hatten. Er fügte hinzu, die Kommission habe „auch nicht dargetan, dass Rechtsakte wie Mitteilungen existierten, in denen die Kriterien für die Beschränkung der Wahl einer Sprache als zweite Sprache für die Teilnahme an den Auswahlverfahren festgelegt sind“ (Hervorhebung nur hier). Schließlich wies er darauf hin, dass die streitigen Stellenausschreibungen „keine Begründung für die Auswahl der drei in Rede stehenden Sprachen [enthielten]“. Der letzte Satz bildete den eigentlichen Kern der Begründung des Gerichtshofs, da er in Rn. 90 seines Urteils festgestellt hatte, dass „die Regeln, mit denen die Wahl der zweiten Sprache eingeschränkt wird, klare, objektive und vorhersehbare Kriterien vorsehen müssen, so dass die Bewerber rechtzeitig im Voraus wissen, welche Anforderungen an die Sprachkenntnisse gestellt werden, um sich optimal auf die Auswahlverfahren vorbereiten zu können“.

86.      Ich kann jedoch nicht nachvollziehen, wie diese spezielle Begründung des Gerichtshofs die Konsequenzen haben soll, die die Kommission ihr offenbar zuschreibt. Ich habe nicht den Eindruck, dass der Gerichtshof in Rn. 91 des Urteils Italien/Kommission I Kriterien festgelegt hat, auf deren Grundlage die Rechtsnatur dieser Mitteilungen zu beurteilen wäre, und er hat erst recht nicht ausgeführt, dass eine solche Beurteilung tatsächlich hätte durchgeführt werden müssen, um die in Rn. 91 getroffene Feststellung „auszulösen“. Die Bezugnahme auf „Rechtsakte wie Mitteilungen“ bedeutete nach meinem Verständnis lediglich, dass das Organ solche (allgemeinen) Rechtsakte (welcher Art auch immer) erlassen muss, damit die Bewerber im Voraus wissen, was von ihnen verlangt wird. Die Tatsache, dass das Gericht im angefochtenen Urteil nicht geprüft hat, ob es sich bei den Allgemeinen Vorschriften um solche Mitteilungen im Sinne der Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 91 handelt, macht die Begründung des Gerichts keineswegs hinfällig.

87.      Die Kommission trägt außerdem vor, das Gericht habe die in den Allgemeinen Vorschriften dargelegte Begründung für die Auswahl der zweiten Sprache nicht geprüft. Soweit sich dieses Argument nicht, wie die Kommission offenbar selbst anerkennt, mit den Fragen überschneidet, die ihren ersten Rechtsmittelgrund betreffen und dort behandelt wurden(24), genügt der Hinweis, dass das Gericht im angefochtenen Urteil nicht nur die in den angefochtenen Bekanntmachungen enthaltene Begründung geprüft hat, sondern auch die Begründung in den Allgemeinen Vorschriften (Rn. 115) und den Allgemeinen Leitlinien (Rn. 116).

88.      Folglich ist das gesamte Vorbringen der Kommission im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes unbegründet.

C.      Dritter Rechtsmittelgrund

89.      Der dritte Rechtsmittelgrund betrifft die Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Wahl der zweiten Sprache bei den Auswahlverfahren auf Deutsch, Englisch und Französisch. Der erste Teil dieses Rechtsmittelgrundes bezieht sich auf die Auslegung von Art. 27 des Statuts und sein genaues Verhältnis zu dessen Art. 28 Buchst. f (1). Der zweite und der dritte Teil betreffen die vom Gericht gewählten Kriterien für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bekanntmachungen der Auswahlverfahren und die Intensität der vom Gericht durchgeführten Prüfung (2).

1.      Erster Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Verhältnis zwischen Art. 27 und Art. 28 Buchst. f des Statuts – Sind Sprachkenntnisse eine Befähigung?

90.      Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht die Kommission geltend, in Rn. 106 des angefochtenen Urteils sei Art. 28 Buchst. f des Statuts falsch ausgelegt worden. Das Gericht hat in dieser Randnummer ausgeführt, eine Diskriminierung aufgrund der Sprache könne nur mit dem Ziel gerechtfertigt werden, dass die Bewerber unmittelbar einsatzfähig seien. Das Ziel, Beamte einzustellen, die in Bezug auf Befähigung, Leistung und Integrität höchsten Ansprüchen genügten, könne eine solche Diskriminierung hingegen nicht rechtfertigen, weil diese Eigenschaften von den Sprachkenntnissen offensichtlich unabhängig seien.

91.      Die Kommission vertritt die Auffassung, nach Art. 28 Buchst. f des Statuts seien Sprachkenntnisse eine der Voraussetzungen für die Einstellung bei den Organen. Deshalb seien solche Kenntnisse Teil des Erfordernisses der „Befähigung“ im Sinne von Art. 27 des Statuts.

92.      Nach seinem Wortlaut kann der in der englischen Sprachfassung von Art. 27 verwendete Begriff „ability“ als „possession of the means or skill to do something“(25) oder als „competence in doing something“(26) definiert werden. Dieser Gedanke, dass „ability“ im Zusammenhang mit „Kompetenz“ oder der Fähigkeit, etwas „zu tun“, steht, wird auch durch andere Sprachfassungen des Statuts bestätigt, in denen die Begriffe „compétence“(27) (Französisch), „Befähigung“(28) (Deutsch), „competenza“(29) (Italienisch), „competencia“(30) (Spanisch) und „způsobilost“(31) (Tschechisch) verwendet werden.

93.      Die genaue Bedeutung des in Art. 27 des Statuts verwendeten Begriffs „Befähigung“ lässt sich auch systematisch unter Heranziehung von Art. 28 des Statuts ermitteln. Er regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Person zum Beamten ernannt werden darf; dazu gehört nach Buchst. f, dass der Bewerber „nachweist, dass er gründliche Kenntnisse in einer Sprache der Union und ausreichende Kenntnisse in einer weiteren Sprache der Union in dem Umfang besitzt, in dem dies für die Ausübung seines Amtes erforderlich ist“.

94.      Art. 28 des Statuts enthält jedoch eine Mischung verschiedener Elemente. Einige von ihnen könnten als „Zulassungsvoraussetzungen“ eingestuft werden, z. B. das Erfordernis, Staatsangehöriger eines der Mitgliedstaaten der Union zu sein und die bürgerlichen Ehrenrechte zu besitzen (Buchst. a), die Wehrdienstverpflichtungen erfüllt zu haben (Buchst. b) und die für die Ausübung des Amtes erforderliche körperliche Eignung zu besitzen (Buchst. e). Andere Elemente betreffen offenbar die „Befähigung“ zum Beamten, z. B. das Erfordernis, den für die Ausübung des Amtes zu stellenden sittlichen Anforderungen zu genügen (Buchst. c), oder die Erfüllung der Bedingungen eines Auswahlverfahrens aufgrund von Befähigungsnachweisen oder Prüfungen oder aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen (Buchst. d).

95.      Angesichts dieser Mischung verschiedener Elemente können meines Erachtens aus der Systematik sowie dem Verhältnis zwischen den Art. 27 und 28 des Statuts, wenn überhaupt, nur sehr wenige Schlüsse in Bezug darauf gezogen werden, ob die Beherrschung einer Sprache als „Kenntnis“ oder als „Befähigung“ im Sinne von Art. 27 des Statuts eingestuft werden sollte.

96.      Aus Rn. 94 des Urteils Italien/Kommission I – wo der Gerichtshof ausgeführt hat, dass die Organe „das legitime Ziel, das die Beschränkung der Zahl der Sprachen der Auswahlverfahren rechtfertigt, und das Ziel, die Bewerber zu ermitteln, die in Bezug auf ihre Befähigung höchsten Ansprüchen genügen, zum Ausgleich bringen [müssen]“ – lassen sich ebenfalls keine klaren Leitlinien hierfür ableiten(32).

97.      Schließlich ist auch klar, dass das Verständnis des Begriffs „Befähigung“ in Bezug auf Sprachkenntnisse in gewissem Maße kontextabhängig sein kann, insbesondere aus dem Blickwinkel der ausgeschriebenen Stelle. Beispielsweise könnten Sprachkenntnisse bei einer Stelle als Übersetzer, Dolmetscher oder Rechts- und Sprachsachverständiger eher unter den Begriff „Befähigung“ oder „Kompetenz“ fallen als bei anderen Stellen, bei denen es weniger auf die Beherrschung von Sprachen ankommt(33).

98.      Ich persönlich hätte kein großes Problem damit, Sprachkenntnisse aufgrund der natürlichen Bedeutung der verwendeten Worte unter den Begriff „Befähigung“ im Sinne von Art. 27 des Statuts zu subsumieren(34). Es fällt mir jedoch etwas schwerer, zu verstehen, warum eine ergänzende Erwägung des Gerichts wie die in Rn. 106 des angefochtenen Urteils im Kontext des vorliegenden Rechtsmittels von großer Bedeutung sein sollten. Selbst wenn der Gerichtshof feststellen sollte, dass die in Art. 28 Buchst. f des Statuts geforderten Sprachkenntnisse als „Befähigung“ im Sinne von dessen Art. 27 eingestuft werden können, würde dies meines Erachtens keineswegs zur Nichtigerklärung des angefochtenen Urteils führen(35).

99.      Die angefochtenen Bekanntmachungen wurden nämlich im Wesentlichen mangels ausreichender Begründung für die Einschränkung der Wahl der zweiten Sprache für nichtig erklärt. Rn. 106 des angefochtenen Urteils betrifft diese Frage jedoch nicht. Der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes dürfte daher ins Leere gehen.

2.      Zweiter und dritter Teil des dritten Rechtsmittelgrundes: Umfang und Intensität der Prüfung, ob die Bekanntmachungen der Auswahlverfahren rechtmäßig sind

100. Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes wendet sich die Kommission gegen die Parameter oder Kriterien, die das Gericht in den Rn. 107 bis 117 des angefochtenen Urteils seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bekanntmachungen der Auswahlverfahren zugrunde gelegt hat. Sie macht geltend, das Urteil beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung des Umfangs des Ermessens, über das das EPSO bei der Festlegung der die Befähigung betreffenden Kriterien verfüge, die die Bewerber erfüllen müssten. Der Gerichtshof habe in Rn. 90 des Urteils Italien/Kommission I lediglich verlangt, dass „die Regeln, mit denen die Wahl der zweiten Sprache eingeschränkt wird, klare, objektive und vorhersehbare Kriterien vorsehen müssen, so dass die Bewerber rechtzeitig im Voraus wissen, welche Anforderungen an die Sprachkenntnisse gestellt werden, um sich optimal auf die Auswahlverfahren vorbereiten zu können“ (Hervorhebung nur hier). Dies rechtfertige jedoch nicht die vom Gericht in Rn. 152 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung, dass das EPSO „spezifische und überprüfbare“ Vorgaben hätte machen müssen.

101. Mit dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes beanstandet die Kommission auch die Intensität der vom Gericht in den Rn. 120 bis 144 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Prüfung. Das Gericht habe die Grenzen seiner Nachprüfungsbefugnis überschritten und bei der Beurteilung der von der Kommission vorgelegten Daten die Auffassung der Verwaltung durch seine eigene ersetzt. Dabei sei es zu dem Schluss gelangt, dass diese Daten das Vorbringen zur Rechtfertigung der Beschränkung der zweiten Sprache nicht stützen könnten.

102. Die Kommission macht sowohl mit dem zweiten als auch mit dem dritten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes im Wesentlichen geltend, dass das Gericht die Grenzen seiner Nachprüfungsbefugnis überschritten und damit das weite Ermessen außer Acht gelassen habe, das dem EPSO zustehe, wenn es für die Organe die Kriterien festlege, die die Bewerber im Hinblick auf die (sprachliche) Befähigung erfüllen müssten.

103. Ich bin anderer Meinung.

104. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Überprüfung vor den Unionsgerichten im ersten Rechtszug eine umfassende gerichtliche Überprüfung darstellt. Nach ständiger Rechtsprechung umfasst die Kontrolle der Rechtmäßigkeit nach Art. 263 AEUV die Überprüfung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht, was bedeutet, dass das zuständige Unionsgericht befugt ist, u. a. die Beweise zu würdigen(36). Daher können alle von einem Organ zur Stützung seiner Entscheidung angeführten Tatsachen vom Gericht beurteilt werden.

105. Ferner ist hervorzuheben, dass die meisten in den angefochtenen Bekanntmachungen und in den Allgemeinen Vorschriften enthaltenen Gründe für die Beschränkung der zweiten Sprache – namentlich die vom EPSO zur Stützung seiner Entscheidung ausgewählten und angebotenen Rechtfertigungsgründe – Tatsachenbehauptungen sind.

106. In den angefochtenen Bekanntmachungen heißt es u. a.(37), dass sich „[i]n der langjährigen Praxis der EU-Organe … Englisch, Französisch und Deutsch als die am häufigsten intern verwendeten Sprachen erwiesen [haben]“ und dass „sie … auch aufgrund der dienstlichen Erfordernisse der externen Kommunikation und der Aktenbearbeitung nach wie vor am häufigsten benötigt [werden]“. Darüber hinaus seien diese Sprachen „die in der Europäischen Union am weitesten verbreiteten und gelernten Zweitsprachen“. Die Beschränkung der in den Assessment-Centern zu verwendenden Sprachen bei der Bewertung von Fachkompetenzen erlaube es den Organen, „festzustellen, inwieweit die Bewerber unmittelbar in der Lage sind, unter Bedingungen zu arbeiten, die ihrem Berufsalltag sehr nahe kommen“.

107. Die Allgemeinen Vorschriften sowie die ihnen beigefügten Allgemeinen Leitlinien enthalten im Wesentlichen sehr ähnliche Begründungen, die ebenfalls tatsächlicher Natur sind. Darüber hinaus enthalten die Allgemeinen Leitlinien weitere Gesichtspunkte; z. B. heißt es darin, dass Englisch, Französisch und Deutsch seit jeher von den „Bediensteten der Organe und Einrichtungen … in ihren Sitzungen“ verwendet worden seien. Ferner erfolge „die interne und externe Kommunikation … am häufigsten in diesen drei Sprachen. Dies bestätigen statistische Angaben zu den Ausgangssprachen der Texte, die in den Übersetzungsdiensten der Organe übersetzt werden.“ Die Wahl dieser Sprachen sei auch „aufgrund der Art der abzulegenden Tests gerechtfertigt“, bei denen es sich um „Methoden zur Bewertung von Kompetenzen“ handele. Überdies würden diese drei Sprachen am häufigsten als Fremdsprachen erlernt, und ihr Erlernen werde „als am nützlichsten angesehen“. Schließlich wird in den Allgemeinen Leitlinien auf Statistiken verwiesen, wonach diese Sprachen bei Auswahlverfahren in den Jahren 2005 und 2010 von den Bewerbern am häufigsten als zweite Sprache gewählt worden seien.

108. Alle diese Feststellungen sind ihrem Wesen nach Tatsachenbehauptungen, die natürlich gerichtlich überprüfbar sein können, wenn sie vor den Unionsgerichten bestritten werden, und, sofern sie als Gründe für eine bestimmte Entscheidung der Verwaltung angeführt werden, überprüft werden sollten. Ich bin daher der Ansicht, dass das Gericht sicher keinen Rechtsirrtum begangen hat, als es diese Tatsachenbehauptungen in den angefochtenen Bekanntmachungen, den Allgemeinen Vorschriften und den Allgemeinen Leitlinien einer Bewertung unterzog.

109. Ebenso hat das Gericht nicht rechtsfehlerhaft gehandelt, als es weitere, von der Kommission ebenfalls in Form von Tatsachenbehauptungen im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegte Beweise geprüft hat. Mit diesen zusätzlichen Ausführungen machte die Kommission geltend, Deutsch, Englisch und Französisch seien i) die drei Hauptberatungssprachen der Unionsorgane, ii) die Sprachen, in die von ihrer Generaldirektion Übersetzung nahezu alle Dokumente übersetzt würden, iii) die Sprachen, die von ihren Beamten und Bediensteten am häufigsten gesprochen würden, und iv) die Sprachen, die in den Mitgliedstaaten am häufigsten als Fremdsprachen erlernt und gesprochen würden. Die Beurteilung solcher Tatsachenbehauptungen im Licht der von den Parteien vorgelegten Beweise ist wiederum genau das, was die Unionsgerichte in erster Instanz tun sollen(38).

110. Ich habe den Eindruck, dass die Kommission mit ihrem Verständnis des Begriffs „Ermessen“ zwei verschiedene Punkte miteinander vermengt: Die Tatsache, dass es einem Organ freisteht, im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu entscheiden, was es tun will, wie es das erreichen will und welche Gründe es dann öffentlich geltend machen und für diese Entscheidung angeben will, bedeutet sicher nicht, dass die angegebenen Gründe, sobald diese Entscheidungen getroffen wurden, der Überprüfung entzogen wären.

111. Ein (weites) Ermessen umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs einen gewissen Spielraum bei der Beurteilung des Sachverhalts und der Schlussfolgerungen daraus, insbesondere wenn es sich um in hohem Maße technische oder politische Sachverhalte handelt(39). Wie der Gerichtshof jedoch in Bezug auf eine Reihe wichtiger Rechtsgebiete wie das Wettbewerbsrecht(40), staatliche Beihilfen(41) oder die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik(42) bestätigt hat, schließt der Umstand, dass die Verwaltung über ein Ermessen verfügt, eine potenzielle gerichtliche Überprüfung der bei einer Entscheidung in diesen Bereichen aufgestellten Tatsachenbehauptungen und abgegebenen Erklärungen nicht aus; dies gilt insbesondere für die Beurteilung, ob der Sachverhalt, auf den sich die angefochtene Entscheidung stützt, zutreffend dargelegt wird und eine solche Schlussfolgerung erlaubt. Schließlich gibt es noch andere Bereiche wie den Verkehr(43) oder die Landwirtschaft(44), in denen das anerkannte weite Ermessen tatsächlich bedeuten könnte, dass die Überprüfung weniger intensiv ausfällt. In diesen Bereichen prüft der Unionsrichter lediglich, ob bei der Ausübung des Ermessens ein offensichtlicher Fehler oder ein Ermessensmissbrauch unterlaufen ist oder ob das Organ die Grenzen seines Ermessens eindeutig überschritten hat. Aber auch in diesen Fällen ist eine Überprüfung wiederum keineswegs ausgeschlossen.

112. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das Ermessen der Verwaltung im vorliegenden Fall zweifellos die Entscheidung darüber einschloss, ob und wie bei Auswahlverfahren die Verwendung der zweiten Sprache gegebenenfalls eingeschränkt werden sollte. Dazu gehörte auch die Entscheidung darüber, welche Argumente für derartige potenzielle Einschränkungen angeführt werden sollten(45). Sobald das EPSO jedoch beschlossen hat, eine bestimmte Auswahl von zweiten Sprachen mit einer Reihe von Tatsachenbehauptungen zu der Frage zu begründen, wie diese Sprachen in Europa sowohl innerhalb als auch außerhalb der Organe verwendet wurden und werden, sind die dahin gehenden Ausführungen in den Bekanntmachungen, den Allgemeinen Vorschriften und den Allgemeinen Leitlinien von den Unionsgerichten in vollem Umfang überprüfbar. Das Gericht hat bei dieser Überprüfung keineswegs die Beurteilung der Verwaltung durch seine eigene ersetzt, sondern lediglich die von der Verwaltung für diese Beurteilung vorgebrachten Argumente geprüft.

113. Ich möchte betonen, dass dies nicht zwangsläufig bedeutet, dass ich mit allen Feststellungen einverstanden bin, die das Gericht im Zuge seiner gewissenhaften und gründlichen Bewertung der von der Kommission vorgebrachten Argumente getroffen hat. Das ist aber auch nicht erforderlich, da die Tatsachenwürdigung Aufgabe des Gerichts des ersten Rechtszugs ist(46). Dem Gesamtergebnis, dass die angefochtenen Bekanntmachungen für nichtig zu erklären sind, stimme ich aber voll und ganz zu.

114. Ergänzend könnte hinzugefügt werden, dass auch die von der Kommission vorgeschlagene weniger gründliche Überprüfung (die nicht angebracht ist) zum gleichen Ergebnis führen würde. Es ist nun einmal so, dass die einzelnen Ausführungen des EPSO zusammen genommen in verschiedene Richtungen weisen. Sie sind daher hinsichtlich der Beschränkung der zweiten Sprache für das Auswahlverfahren gerade auf Englisch, Französisch und Deutsch widersprüchlich, und zwar wiederum auf der Ebene der Tatsachenbehauptungen, die sich immer nur auf diese drei Sprachen beziehen. Mit einigen dieser Argumente lässt sich die Wahl einer dieser Sprachen (Englisch) rechtfertigen und mit anderen die Wahl von mehr als einer Sprache, aber nicht immer derselben.

115. Daher bin ich der Ansicht, dass das Gericht bei der Beurteilung der Tatsachenbehauptungen anhand der zu ihrer Stützung vorgelegten Beweise die Grenzen seiner gerichtlichen Kontrolle nicht überschritten hat. Deshalb sind der zweite und der dritte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes unbegründet.

D.      Vierter Rechtsmittelgrund: Beschränkung der Sprachen für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO – Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 1 und dem Statut

116. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, das Gericht habe bei der Auslegung von Art. 2 der Verordnung Nr. 1 hinsichtlich der Frage, ob die Beschränkung der Sprachen für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO eine Diskriminierung darstelle, einen Rechtsfehler begangen. Die Kommission wendet sich gegen die in den Rn. 183 bis 185 des angefochtenen Urteils vorgenommene Auslegung des Urteils Italien/Kommission I. Sie ist insbesondere der Auffassung, das Gericht hätte aus den Rn. 68 und 69 des Urteils Italien/Kommission I nicht schließen dürfen, dass die Verordnung Nr. 1 auf Bewerber anwendbar sei. Diese Randnummern beträfen die Verpflichtung, Bekanntmachungen von Auswahlverfahren im Amtsblatt in allen Amtssprachen zu veröffentlichen. Im vorliegenden Fall sei Art. 1d des Statuts anwendbar und bilde die Rechtsgrundlage für die Beschränkung der Sprachen für die Kommunikation zwischen den Bewerbern und dem EPSO.

117. Dieser Rechtsmittelgrund wirft somit im Wesentlichen die Frage auf, ob und, wenn ja, ab wann das Statut für Bewerber eines Auswahlverfahrens gilt. Um diese Frage beantworten zu können, ist jedoch zunächst eine allgemeinere Frage zu klären: Welches Verhältnis besteht zwischen der Verordnung Nr. 1 und dem Statut?

118. In diesem Abschnitt werde ich zunächst die Argumente der Parteien hinsichtlich der Anwendbarkeit jeder dieser Regelungen auf Bewerber eines Auswahlverfahrens prüfen (1), bevor ich klarstelle, wie die Rn. 68 und 69 des Urteils Italien/Kommission I meines Erachtens auszulegen sind (2). Anschließend werde mich dem Anwendungsbereich des Statuts zuwenden (3), das meines Erachtens auf Bewerber Anwendung finden sollte, sobald sie ihre Bewerbung für ein bestimmtes Auswahlverfahren eingereicht haben (4). Gleichwohl spielt die Verordnung Nr. 1 als allgemeiner Rechtsrahmen für Sprachen weiterhin im Rahmen von Auswahlverfahren und auch später eine gewisse Rolle (5). Diese Feststellungen führen zu der Schlussfolgerung, dass der vierte Rechtsmittelgrund der Kommission begründet ist. Da dieser Umstand jedoch nichts am Ergebnis des Rechtsstreits vor dem Gericht ändert, schlage ich vor, dass der Gerichtshof die Begründung des Gerichts (begrenzt auf die Tragweite des vierten Rechtsmittelgrundes) ersetzt (6).

1.      Vorbringen der Parteien zu den für Bewerber geltenden Regeln

119. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, zum Zeitpunkt der Bekanntmachung von Auswahlverfahren im Amtsblatt seien die Verordnung Nr. 1 und das Statut nebeneinander anwendbar. Dies sei deshalb gerechtfertigt, weil zum einen nach dem Statut die Bekanntmachungen allgemeiner Auswahlverfahren im Amtsblatt veröffentlicht werden müssten, und zum anderen die Verordnung Nr. 1 vorsehe, dass das Amtsblatt in (all) den Amtssprachen veröffentlicht werden müsse. Ferner hat die Kommission jedoch geltend gemacht, dass die Verordnung Nr. 1, sobald ein Bewerber eine Bewerbung eingereicht habe, für ihn nicht mehr gelte und er dann nur noch dem Statut unterliege.

120. Die Italienische Republik und das Königreich Spanien vertreten demgegenüber die Auffassung, dass für Auswahlverfahren allein die Verordnung Nr. 1 gelte. Das Statut sei erst zu einem späteren, von ihnen nicht genannten Zeitpunkt anwendbar, gelte aber jedenfalls nicht für Bewerber, die ausschließlich der Verordnung Nr. 1 unterlägen. Dies impliziert logischerweise, dass nach dieser Auffassung das gesamte Auswahlverfahren durch die Verordnung Nr. 1 geregelt würde und das Statut erst dann zur Anwendung käme, wenn ein Beamter seine Tätigkeit aufnimmt.

2.      Urteil Italien/Kommission I

121. Zunächst ist es hinsichtlich des Vorbringens der Kommission zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes wichtig, die Bedeutung und die Tragweite der Feststellungen des Gerichtshofs in den Rn. 68 und 69 des Urteils Italien/Kommission I klarzustellen. Er hat dort in Rn. 68 ausgeführt, dass mangels besonderer, insbesondere auf Art. 6 der Verordnung Nr. 1 gestützter Vorschriften „kein Rechtsakt den Schluss zu[lässt], dass das Verhältnis zwischen [den] Organen und ihren Beamten und Bediensteten völlig vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1 ausgeschlossen wäre“. In Rn. 69 hat er hinzugefügt: „Das gilt erst recht für die Beziehungen zwischen den Organen und den Bewerbern eines externen Auswahlverfahrens, die grundsätzlich weder Beamte noch Bedienstete sind.“

122. Um die Bedeutung und die Tragweite dieser Ausführungen, insbesondere von Rn. 69, zu erfassen, ist es wichtig, sie in den Kontext des Abschnitts der Begründung des Gerichtshofs zu stellen, zu dem sie gehören. Der Gerichtshof hat im Urteil Italien/Kommission I die Verpflichtung zur Veröffentlichung von Ausschreibungen im Kontext eines Falles geprüft, in dem die angefochtenen Bekanntmachungen von Auswahlverfahren nur in der englischen, der französischen und der deutschen Fassung des Amtsblatts vollständig veröffentlicht worden waren. Die Feststellung des Gerichtshofs zur Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1 auf Bewerber eines externen Auswahlverfahrens bezog sich daher auf die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Bekanntmachungen und nicht auf die Wahl der zweiten Sprache, auf die in einem anderen Abschnitt des Urteils eingegangen wurde (Rn. 79 ff.).

123. Meines Erachtens wurde zudem das Schlüsselargument in Bezug auf diese Rechtsfrage in der die Einbeziehung von Bewerbern externer Auswahlverfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1 betreffenden Rn. 69 des Urteils gar nicht genannt. Das ausschlaggebende Argument für die Entscheidung des Gerichtshofs in Bezug auf die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Bekanntmachungen von Auswahlverfahren im Amtsblatt (im Einklang mit Art. 1 Abs. 2 von Anhang III des Statuts) in allen Amtssprachen (wie in Art. 5 der Verordnung Nr. 1 vorgeschrieben) war vielmehr in den Rn. 70 und 71 des Urteils enthalten.

124. Aus dem Urteil Italien/Kommission I folgt demnach, dass Bekanntmachungen von Auswahlverfahren in allen Amtssprachen veröffentlicht werden müssen. Recht klar ist auch, dass die Verordnung Nr. 1 zu diesem Zeitpunkt und in Bezug auf die Veröffentlichung im Amtsblatt anwendbar ist. Dieses Urteil hat meines Erachtens jedoch keine Antwort auf die Frage gegeben, ob die Bewerber eines Auswahlverfahrens dem Statut unterliegen oder nicht.

3.      Gilt das Statut für Bewerber?

125. Um das Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 1 und dem Statut zu verstehen, ist zunächst der Anwendungsbereich beider Regelungen zu untersuchen.

126. Es ist ganz klar, dass die Verordnung Nr. 1 die allgemeine Regelung mit Standardvorschriften für die Sprachen der Unionsorgane ist. Diese Regelung bleibt anwendbar, sofern und solange nicht ausdrücklich von ihr abgewichen wird.

127. Der Anwendungsbereich des Statuts ist hingegen etwas weniger klar.

128. Auf der einen Seite gibt es Art. 1 des Statuts, der isoliert betrachtet eine recht klare Antwort geben könnte. Darin heißt es, dass das Statut „für die Beamten der Union“ gilt. In Art. 1a Abs. 1 wird der Begriff „Beamter der Union“ definiert als eine Person, die „bei einem der Organe der Union … unter Einweisung in eine Dauerplanstelle zum Beamten ernannt worden ist“.

129. Auf der anderen Seite scheinen andere Bestimmungen des Statuts sowie eine Reihe weiterer systematischer Überlegungen zu einer anderen, wohl nuancierteren Schlussfolgerung zu führen.

130. Erstens gibt es im Wortlaut und in der Systematik des Statuts zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass es ratione materiae auf das Einstellungsverfahren anwendbar ist. Das Statut enthält ein (ganzes) mit „Einstellung“ überschriebenes Kapitel, und zwar Kapitel 1 von Titel III, das aus den Art. 27 bis 34 besteht. Dieses Kapitel befasst sich nicht nur mit der letzten Phase des Einstellungsverfahrens – dem Verwaltungsverfahren für die Ernennung eines Beamten auf einen bestimmten Dienstposten bei einem Organ –, sondern es sieht in Art. 30 auch vor, dass die Anstellungsbehörde für jedes Auswahlverfahren einenPrüfungsausschuss bestellen muss. Außerdem trägt Anhang III des Statuts den Titel „Auswahlverfahren“ und enthält ein umfassendes Regelwerk für diesen Bereich. Dazu gehören die Benennung der Behörde, die mit der Erstellung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beauftragt ist, der Inhalt der Bekanntmachung und die Verpflichtung zu ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt (Art. 1), die Pflichten der Bewerber bei der Einreichung einer Bewerbung (Art. 2), die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse (Art. 3), das von den Prüfungsausschüssen bei der Erstellung einer Liste der geeigneten Bewerber einzuhaltende Verfahren (Art. 5) usw.

131. Zweitens scheint das Statut auch im Kontext von Rechtsbehelfen auf Bewerber anwendbar zu sein. Diese haben nach dem Statut das Recht, an den Direktor von EPSO als Anstellungsbehörde eine Verwaltungsbeschwerde zu richten(47) – was auch immer eine solche (Selbst‑)Einschätzung wert sein mag. Außerdem sind sie berechtigt, gemäß Art. 270 AEUV (wonach der Gerichtshof der Europäischen Union „für alle Streitsachen zwischen der Union und deren Bediensteten innerhalb der Grenzen und nach Maßgabe der Bedingungen zuständig [ist], die im Statut … festgelegt sind“) und Art. 91 des Statuts bei den Unionsgerichten Klage zu erheben(48). Da nach dem Statut „[j]ede Person, auf die [es] Anwendung findet“, solche Beschwerden einlegen und Klagen erheben kann, erscheint es sachgerecht, daraus zu schließen, dass Bewerber in den Anwendungsbereich des Statuts fallen.

132. Drittens, und das ist vielleicht noch wichtiger, bestätigt die Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das Statut weder ausschließlich für Beamte der Europäischen Union noch ausschließlich für das Personal der Organe und sonstigen Einrichtungen gilt. Beispielsweise hat der Gerichtshof hinsichtlich der Wendung „[j]ede Person, auf die [das] Statut Anwendung findet“ im Sinne von dessen Art. 90 und 91 festgestellt, dass diese Bestimmungen „es als solche nicht zulassen, danach zu unterscheiden, ob die Klage von einem Beamten oder einer anderen Person, auf die das Statut Anwendung findet, erhoben worden ist“, und ist deshalb zu dem Schluss gekommen, dass „das Gericht für den öffentlichen Dienst …ratione personae nicht nur für Klagen von Beamten zuständig [ist], sondern auch für Klagen, die von einer anderen Person, auf die das Statut Anwendung findet, erhoben werden“(49).

133. In ähnlicher Weise ist die – wenn auch mittlerweile in institutioneller Hinsicht überholte(50) – Rechtsprechung des Gerichtshofs über die Zuständigkeit ratione personae des Gerichts für den öffentlichen Dienst insofern nach wie vor relevant, als sie bestätigt, dass die Bewerber eines Auswahlverfahrens ihre Klagen vor dem Gericht auf Art. 270 AEUV in Verbindung mit den Art. 90 und 91 des Statuts(51) stützen können statt auf andere, allgemeinere Vorschriften wie Art. 263 oder Art. 268 AEUV.

134. Insgesamt gesehen gibt es einerseits die eher isolierte Aussage in Art. 1 des Statuts und andererseits die gewichtigen, auf anderen Bestimmungen des Statuts beruhenden systeminternen Argumente, die in eine andere Richtung gehen, verbunden mit umfassenderen systematischen Erwägungen.

135. Vor diesem Hintergrund kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass das Statut für Bewerber eines Auswahlverfahrens gilt, natürlich soweit es Bestimmungen enthält, die inhaltlich auf die Situation dieser Bewerber Anwendung finden können.

4.      Ab welchem Zeitpunkt?

136. Das wirft natürlich die Frage auf, wann genau das Statut auf Bewerber eines Auswahlverfahrens anwendbar wird. Zwei Zeitpunkte bilden dabei die logischen „Extreme“: Einerseits kann die Anwendbarkeit kaum vor der Veröffentlichung der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens liegen. Andererseits muss das Statut spätestens bei der darin vorgesehenen Ernennung des Beamten anwendbar sein.

137. Meiner Ansicht nach tritt der entscheidende Zeitpunkt für die potenzielle Anwendbarkeit der einschlägigen Bestimmungen des Statuts dann ein, wenn sich der einzelne Bewerber durch sein eigenes Handeln von der breiten Öffentlichkeit abhebt und das Bewerbungsverfahren einleitet. Dadurch gelangt er auch in den Anwendungsbereich des Statuts. Metaphorisch gesprochen wird eine Person zu einem Bewerber, weil sie aus der breiten Öffentlichkeit heraus- und in den „Tunnel“ des Auswahlverfahrens am einen Ende eintritt, in der Hoffnung, dass am anderen Ende die Ernennung zum Beamten stehen wird. Wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, heißt es im Statut und in anderen unionsrechtlichen Vorschriften eindeutig, dass sie auch für den und in dem „Tunnel“ namens Einstellungsverfahren gelten.

138. Der Zeitpunkt, in dem ein Mitglied der breiten Öffentlichkeit zu einem Bewerber wird, tritt dann ein, wenn es für ein bestimmtes Auswahlverfahren eine Bewerbung einreicht und damit klar und unmissverständlich seine Absicht erklärt, an diesem Auswahlverfahren teilzunehmen und als Bewerber behandelt zu werden. Grundsätzlich gilt eine Bewerbung als eingereicht, sobald der Bewerber sie validiert hat, da er sie dann nicht mehr ändern kann(52).

139. Abgesehen davon, dass dies der sachgerechteste Zeitpunkt ist, sprechen für diese Auffassung auch zwei Bestimmungen von Anhang III des Statuts. Erstens heißt es in Art. 2 von Anhang III des Statuts: „Die Bewerber haben ein von der Anstellungsbehörde vorgeschriebenes Formblatt auszufüllen. Von den Bewerbern können zusätzlich Unterlagen oder Auskünfte aller Art angefordert werden.“ Diese Bestimmung bezieht sich also auf das Formular, das potenzielle Bewerber ausfüllen müssen, um ihre Bewerbung einzureichen. Zweitens heißt es in Art. 4 von Anhang III des Statuts: „Die Anstellungsbehörde stellt das Verzeichnis der Bewerber auf, die die Voraussetzungen nach Artikel 28 Buchstaben a), b) und c) des Statuts erfüllen, und übermittelt es mit den Bewerbungsunterlagen dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses.“ Daher kann ein Bewerber eines Auswahlverfahrens, der bereits eine Bewerbung eingereicht und validiert hat (aber noch nicht von einem Prüfungsausschuss beurteilt wurde), ohne weiteres als „Person, auf die das Statut Anwendung findet“, im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs angesehen werden.

140. Die Schlussfolgerung, dass ein Bewerber in den Anwendungsbereich des Statuts fällt, sobald er seine Bewerbung für ein bestimmtes Auswahlverfahren eingereicht und validiert hat, erscheint auch unter Berücksichtigung der anschließenden Phasen des Auswahlverfahrens und, mehr noch, der nach der Einstellung des Bewerbers verwendeten Sprachen sachgerecht. Ich halte es nicht für sinnvoll, die Sprachen, die während des gesamten Auswahlverfahrens verwendet werden können, von den Sprachen zu trennen, die später verwendet werden, nachdem der Bewerber das Auswahlverfahren erfolgreich absolviert hat(53). Das wäre natürlich nur dann möglich, wenn nach Art. 1d Abs. 6 des Statuts (oder, falls die Verordnung Nr. 1 zur Anwendung kommen sollte, durch die Aufstellung von Ausnahmen auf der Grundlage ihres Art. 6) die Verwendung von Sprachen eingeschränkt werden könnte. Sollte das der Fall sein (wobei ich einer Entscheidung darüber in keiner Weise vorgreifen möchte), stellt sich die Frage, wie oder wann sonst die Sprachkenntnisse der Bewerber getestet werden sollten oder auch nur könnten.

5.      Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1 auf Bewerber (und Beamte)

141. Es ist vorgebracht worden, auf die Bewerber eines Auswahlverfahrens sei das Statut ab dem Zeitpunkt anzuwenden, in dem sie an einem bestimmten Auswahlverfahren teilnähmen. Die Verordnung Nr. 1 als allgemeine Standardregelung gilt für diese Bewerber jedoch ebenfalls(54).

142. Einerseits ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 1 den allgemeinen Rahmen für die Sprachen festlegt(55), der für die Organe und ihr Verhältnis zu den Mitgliedstaaten und den der Gerichtsbarkeit eines Mitgliedstaats unterliegenden Personen gilt. Ihr Art. 2 sieht vor, dass an ein Organ gerichtete Schriftstücke nach Wahl des Absenders in einer der Amtssprachen abgefasst werden können und dass die Antwort in derselben Sprache zu erteilen ist. Art. 6 der Verordnung Nr. 1, wonach die Organe in ihren Geschäftsordnungen festlegen können, welche Sprachen in besonderen Fällen zu verwenden sind, gestattet es in begrenztem Umfang, von diesem Grundsatz abzuweichen(56).

143. Andererseits verbietet Art. 1d Abs. 1 des Statuts jede Diskriminierung u. a. aufgrund der Sprache. Art. 1d Abs. 6 des Statuts lässt jedoch eine Einschränkung des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu, wenn dies „aus objektiven und vertretbaren Gründen“ gerechtfertigt ist und damit „die legitimen Ziele von allgemeinem Interesse im Rahmen der Personalpolitik“ verfolgt werden.

144. Im Einklang mit dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali gehen spezielle Vorschriften in Fällen, die sie spezifisch regeln sollen, allgemeinen Vorschriften vor(57). Wenn zwei sich widersprechende Vorschriften den gleichen Fall regeln sollen, kann nach diesem Grundsatz die Vorschrift herangezogen werden, an der auf der Grundlage des Anwendungsbereichs jeder Vorschrift festzuhalten ist. Die spezielle Bestimmung hat somit Vorrang vor der allgemeinen.

145. In Bezug auf die Sprachenregelung ist die Verordnung Nr. 1 zweifellos die allgemeine Bestimmung, während das Statut einen spezifischeren Anwendungsbereich hat. Das Statut würde somit ab dem Zeitpunkt, in dem es auf die Bewerber anwendbar wird, als lex specialis der Verordnung Nr. 1 vorgehen.

146. Weil im Statut klar gesagt wird, dass es die für das Einstellungsverfahren geltenden Regeln enthält, wird diese spezifische Sprachenregelung auf eine Person, die aufgrund einer Bewerbung in den Anwendungsbereich des Statuts fällt, für die Zwecke und im Rahmen des Einstellungsverfahrens anwendbar.

147. Ungeachtet der Anwendbarkeit des Statuts als lex specialis möchte ich zwei abschließende Klarstellungen zur fortbestehenden Relevanz der Verordnung Nr. 1 für Bewerber eines Auswahlverfahrens hinzufügen.

148. Erstens hat die Tatsache, dass das Statut in Bezug auf die Sprache der Kommunikation zwischen den Organen und den Bewerbern ab einem bestimmten Zeitpunkt zur lex specialis wird, zwei Seiten: Auf der einen Seite ist darin eine zulässige Abweichung von einer Regel zu sehen. Auf der anderen Seite bleibt die Verordnung Nr. 1 wie bei jeder Ausnahme oder Abweichung weiterhin einschlägig als allgemeine oder standardmäßige Rahmenregelung, von der abgewichen wurde. Sie dient somit als Maßstab dafür, ob die Abweichung und die Ausnahmeregelung auf das tatsächlich notwendige, verhältnismäßige und angemessene Maß beschränkt wurden.

149. Mit anderen Worten sollte der Umstand, dass das Statut als lex specialis eine Abweichung von der Verordnung Nr. 1 zulässt, nicht so verstanden werden, dass es eine Wahl zwischen zwei Möglichkeiten impliziert, wobei die Anwendung der speziellen Vorschrift die Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschrift völlig ausschließt. Die Abweichung sollte angemessen und verhältnismäßig sein. Um auf die oben erwähnte Metapher des „Einstellungstunnels“ zurückzukommen: Wenn man einen (sicherlich offenen) Tunnel betritt, ist die Lichtstärke auch nicht binär, d. h., sie ändert sich nicht abrupt von vollem Tageslicht zu völliger Dunkelheit. Die Dunkelheit tritt vielmehr schrittweise ein und intensiviert sich mit jedem weiteren Schritt in den Tunnel hinein. Ähnlich muss auch jede potenzielle Abweichung von der Verordnung Nr. 1 in angemessener und verhältnismäßiger Weise durchgeführt werden. Bei Bedarf könnte eine sinnvolle und schrittweise Verringerung der Zahl verfügbarer Sprachen angestrebt werden, statt abrupt von 24 Amtssprachen zu z. B. nur einer überzugehen.

150. Zweitens ist auch ziemlich klar, dass Art. 2 der Verordnung Nr. 1 weiterhin für alle Mitteilungen eines Bewerbers gelten würde, die nicht mit dem Auswahlverfahren zusammenhängen, und überdies für alle Mitteilungen, die ein Beamter oder sonstiger Bediensteter eines Organs außerhalb seines Unterordnungsverhältnisses macht. Das Bestehen eines solchen Verhältnisses und die bei der Kommunikation innerhalb dieses Rahmens oder, darüber hinaus, innerhalb des „Tunnels“, der zu diesem Status führt, zur Anwendung kommenden Regeln sind letzten Endes die bestimmenden Gesichtspunkte für die Art von Kommunikation, die die Anwendung der Lex-specialis-Regel ermöglicht (und damit auch deren Anwendungsbereich begrenzt).

151. Daher fallen alle Mitteilungen, die vor diesem Zeitpunkt liegen (z. B. bei einer Person, die nach der Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens erwägt, sich zu bewerben, jedoch noch keine Bewerbung eingereicht und/oder weitere Informationen angefordert hat), und auch alle später eintretenden Situationen, die aber nicht mit diesem Unterordnungsverhältnis zusammenhängen (z. B. ein für das Europäische Parlament tätiger Beamter, der in seiner Eigenschaft als Unionsbürger einen Brief an die Kommission schreibt), nach wie vor in vollem Umfang unter die Verordnung Nr. 1.

6.      Zwischenergebnis zum vierten Rechtsmittelgrund

152. Das Gericht hat meines Erachtens einen Rechtsfehler begangen, indem es sich ausschließlich auf die aus Art. 2 der Verordnung Nr. 1 abzuleitenden Verpflichtungen konzentriert hat, ohne das systematische Verhältnis zwischen dem Statut und der Verordnung Nr. 1 zu berücksichtigen. Gleichwohl wurden die angefochtenen Bekanntmachungen zu Recht für nichtig erklärt, weil das EPSO die Beschränkung der zweiten Sprache nicht ordnungsgemäß begründet hat. Da dieser Rechtsfehler des Gerichts keinerlei Einfluss auf den Tenor des angefochtenen Urteils hatte, schlage ich vor, dass der Gerichtshof in Bezug auf diesen Rechtsmittelgrund die Begründung des Gerichts teilweise durch seine eigene ersetzt.

E.      Schlussbemerkungen

153. Der vorliegende Fall gehört zu einer mittlerweile recht langen Liste anhängiger oder abgeschlossener Rechtssachen, die (zumindest teilweise) dieselben Fragen betreffen. Das Gericht hat kürzlich eine Reihe von Urteilen erlassen, mit denen Bekanntmachungen von Auswahlverfahren wegen der Sprachenregelung für nichtig erklärt wurden(58). Außerdem sind weitere ähnliche Fälle derzeit beim Gericht anhängig(59). Die Große Kammer des Gerichtshofs muss sich nun zum zweiten Mal seit dem Urteil in der nahezu homonymen Rechtssache Italien/Kommission I(60) mit im Wesentlichen gleichen Fragen befassen(61).

154. Leider scheint das Kernproblem trotz all dieser Rechtssachen und auch nach der Behandlung der durch das vorliegende Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen noch lange nicht gelöst zu sein. In der Rechtssache Italien/Kommission I bestand das Problem (kurz gesagt) darin, dass für die Beschränkung der Sprachen im Auswahlverfahren keine Gründe angegeben wurden. Das Problem in der vorliegenden Rechtssache besteht, wiederum vereinfacht ausgedrückt, darin, dass zu viele in sich widersprüchliche Gründe angeführt wurden.

155. Ein Optimist, der das Gerichtsverfahren als einen progressiven dialektischen Prozess von Versuch und Irrtum ansieht, könnte sich damit trösten, dass die nächste Rechtssache in Bezug auf die Zahl der angegebenen Gründe wahrscheinlich irgendwo in der Mitte liegen wird. Der etwas weniger optimistische Realist könnte ein wenig besorgt darüber sein, dass die eigentlichen Kernfragen, z. B. welche Art von Gründen angegeben werden muss und ob eine solche Beschränkung überhaupt zulässig ist, in keiner der Rechtssachen, einschließlich des vorliegenden Rechtsmittels, angesprochen worden sind. Ein schrecklicher Zyniker könnte zu unterstellen versuchen, dass die Tatsache, dass keine dieser Kernfragen in irgendeiner der Rechtssachen tatsächlich aufgeworfen wurde, kein Zufall war.

156. Meines Erachtens liegt, so faszinierend das Studium des Gerichtsverfahrens, seiner Psychologie und der interinstitutionellen Politik auch sein mag, das eigentliche Problem dieser Rechtssachen in dem damit verbundenen Preis für die Menschen: den Erwartungen, Träumen und Karrieren der Personen, die über die Jahre hinweg in sie involviert waren. Mangels einer klaren Antwort auf die Frage nach den sprachlichen Beschränkungen bei der Arbeit der Organe und angesichts der wiederholten Änderungen bei der Ausgestaltung der Auswahlverfahren mag es ziemlich schwierig sein, eine Karriere in einem europäischen Organ wunschgemäß zu planen und vorzubereiten.

157. Das menschliche Problem könnte sich schon bald weiter verschärfen, wenn die Politik der Gerichte in Bezug auf die Abhilfemaßnahmen von, überspitzt gesagt, „das war falsch, aber die Ergebnisse werden aufgrund berechtigter Erwartungen nicht annulliert“, zu „das war falsch, und alles wird für nichtig erklärt, einschließlich einzelner Listen, Ernennungen oder Arbeitsverträge“, übergehen sollte. Insoweit teile ich voll und ganz die Bedenken, die meine Kollegin, Generalanwältin Sharpston, in ihren Schlussanträgen in der (parallelen) Rechtssache Spanien/Parlament geäußert hat, in denen sie dem Gerichtshof vorschlägt, nicht nur die angefochtene Aufforderung zur Interessenbekundung für nichtig zu erklären, sondern auch die auf der Grundlage der Interessenbekundung erstellte Datenbank potenzieller Bewerber(62). Ich pflichte ihr bei: Wenn ein Organ die Entscheidungen des Gerichtshofs beharrlich missachtet, sind strengere Maßnahmen erforderlich. Man könnte hinzufügen, dass es einen noch größeren Handlungsbedarf gäbe, wenn ein Organ, rein hypothetisch, versuchen würde, eine Änderung des gegenwärtigen Systems herbeizuführen, indem es das geltende Recht bewusst missachtet, um eine Änderung der Sachlage für die Zukunft herbeizuführen, die dann als neue Norm akzeptiert werden müsste. Ex iniuria ius non oritur.

158. Alle diese Erwägungen veranlassen mich dazu, dem Gerichtshof vorzuschlagen, für die eigentliche diesem Rechtsmittel zugrunde liegende Frage zumindest einige Hinweise zu geben: Ist es möglich, die internen Arbeitssprachen der Organe einzuschränken, und, wenn ja, wie? Hierzu will ich am Ende dieser Schlussanträge einige Anregungen geben.

159. Als Ausgangspunkt halte ich es für wichtig, zwischen der oder den externen und internen (Arbeits‑)Sprache(n) eines Organs zu unterscheiden.

160. Mit „internen“ Arbeitssprachen meine ich die sowohl für die mündliche als auch für die schriftliche Kommunikation, die den internen Bereich eines Organs (oder gegebenenfalls von zwei oder mehr Organen, z. B. im Rahmen interinstitutioneller Sitzungen oder schriftlicher Erörterungen) nicht verlassen soll, verwendeten Sprachen. Ferner verstehe ich unter internen oder interinstitutionellen Sitzungen oder ähnlichen Veranstaltungen nur solche, bei denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Dies schließt Veranstaltungen wie Anhörungen oder Sitzungen im Europäischen Parlament sowie öffentliche Anhörungen vor dem Gericht oder dem Gerichtshof aus, die naturgemäß „extern“ sind.

161. Mit „externen“ Arbeitssprachen meine ich die Sprachen, die für jede Art von mündlicher oder schriftlicher Kommunikation mit Personen verwendet werden, die mit den Organen nicht verbunden sind, einschließlich Beamte und sonstige Bedienstete der Organe, soweit sie mit einem Organ als Privatpersonen mündlich oder schriftlich kommunizieren(63).

162. Für die externe Kommunikation müssen die geltenden Vorschriften zur Mehrsprachigkeit in vollem Umfang ohne Kompromisse oder Ausnahmen anwendbar bleiben. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ist die Europäische Union der Erhaltung der Mehrsprachigkeit verbunden, deren Bedeutung in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 EUV und in Art. 22 der Charta hervorgehoben wird(64). Die Verpflichtung der Europäischen Union, ihre sich aus diesen Vorschriften ergebende sprachliche Vielfalt zu achten, beweist den hohen Wert der Mehrsprachigkeit als einen der Grundwerte der Europäischen Union. Zwar ist die Verpflichtung zur Mehrsprachigkeit nicht absolut und uneingeschränkt, da es keinen Grundsatz des Unionsrechts gibt, „der jedem Bürger einen Anspruch darauf gewährte, dass alles, was seine Interessen berühren könnte, unter allen Umständen in seiner Sprache verfasst sein müsste“(65). Diese Verpflichtung darf jedoch meiner Ansicht nach nicht in ihrem Kern angetastet werden. Zu diesem Kern gehören insbesondere alle verbindlichen Rechtsakte, die gegenüber natürlichen und juristischen Personen in einem Mitgliedstaat durchgesetzt werden sollen(66), sowie andere nicht verbindliche Dokumente, soweit sie dem Einzelnen unmittelbar oder mittelbar Verpflichtungen auferlegen(67).

163. Die Verpflichtung zur strikten Achtung der Mehrsprachigkeit gilt gemäß Art. 41 Abs. 4 der Charta, Art. 20 Abs. 2 Buchst. d und Art. 24 AEUV sowie Art. 2 der Verordnung Nr. 1 auch dann, wenn sich eine Person schriftlich oder in anderer Weise an die Organe wendet, was wiederum das Recht begründet, eine Antwort in der von ihr verwendeten Sprache zu erhalten.

164. Dagegen sollte bei der internen Kommunikation die Auswahl der verfügbaren Sprachen und ganz allgemein die innerhalb oder zwischen den Organen geltende Sprachenregelung flexibler sein. Diese Flexibilität und das Potenzial für Beschränkungen ergeben sich nicht unbedingt aus haushaltspolitischen Erwägungen(68), sondern aus dem Gebot einer sachgerechten internen Funktionsfähigkeit der Organe. Das ist ein stichhaltiger Grund, der meines Erachtens im Rahmen von Art. 1d Abs. 6 des Statuts geltend gemacht und als objektiv gerechtfertigt angesehen werden könnte, sofern er in sachgerechter und verhältnismäßiger Weise angewandt wird, wie es der Gerichtshof in Rn. 88 des Urteils Italien/Kommission I verlangt.

165. Jede solche Auswahl wäre allerdings in zweierlei Hinsicht ihrem Wesen nach ermessensabhängig und politisch: sicher auf der Ebene, ob und wie diese Auswahl getroffen werden sollte, aber auch, sobald die Auswahl getroffen wurde, auf der Ebene der genauen Gründe für ihre Rechtfertigung. Deshalb hätten die Organe bei beiden Fragen ein weites Ermessen. In diesem speziellen Zusammenhang möchte ich jedoch zwei Dinge klarstellen.

166. Erstens, sollte die Rechtfertigung einer Sprachenregelung allgemein und übergreifend oder individuell und von Fall zu Fall erfolgen? Die Italienische Republik und das Königreich Spanien haben hervorgehoben, dass jede Diskriminierung aufgrund der Sprache nicht nur im Rahmen jedes Auswahlverfahrens, sondern, wenn nötig, auch in Bezug auf jede zu besetzende Stelle individuell gerechtfertigt werden müsse.

167. Meiner Ansicht nach sprechen jedoch die Vorhersehbarkeit und die Möglichkeit für die Bewerber, sich auf Auswahlverfahren vorzubereiten, eher für eine allgemeinere Politik. Es sei nochmals an die Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 90 des Urteils Italien/Kommission I erinnert, wonach „die Regeln, mit denen die Wahl der zweiten Sprache eingeschränkt wird, klare, objektive und vorhersehbare Kriterien vorsehen müssen, so dass die Bewerber rechtzeitig im Voraus wissen, welche Anforderungen an die Sprachkenntnisse gestellt werden, um sich optimal auf die Auswahlverfahren vorbereiten zu können“.

168. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie diesem Erfordernis Genüge getan würde, wenn das EPSO – oder gegebenenfalls eine Anstellungsbehörde – verpflichtet wäre, jeden einzelnen Fall neu und von Grund auf zu begründen. Das genannte Urteil verlangt stattdessen eine strukturierte Antwort, die es den Bewerbern ermöglicht, vorauszusehen, welche Sprachenregelung in der Zukunft – und zwar nicht nur in der nahen Zukunft, sondern auch mittelfristig – wahrscheinlich gelten wird. Schließlich würde das Beharren auf einer erneuten Begründung jedes einzelnen Falles (ohne dass es tatsächlich Unterscheidungsmerkmale gäbe) in praktischer Hinsicht nur zu einer formalistischen Wiederholung derselben Begründung führen, was aller Wahrscheinlichkeit nach bedeuten würde, dass die Allgemeinen Vorschriften lediglich in jede einzelne Bekanntmachung hineinkopiert würden, ohne eine wirkliche individuelle Begründung.

169. Aus diesem Blickwinkel halte ich einen kombinierten Ansatz mit einer Reihe allgemeiner Leitlinien, von denen in Einzelfällen, in denen dies gerechtfertigt ist, abgewichen werden kann, für einen recht sinnvollen Weg, die Sprachenregelung für Auswahlverfahren festzulegen(69).

170. Zweitens, sollte die Begründung der Sprachenregelung auf die Vergangenheit bezogen und sachlich oder eher vorausschauend und normativ sein? Die im vorliegenden Fall wichtigste Frage scheint mir genau diese zu sein: Welche Art von Begründung muss für eine Beschränkung der den Bewerbern in einem Auswahlverfahren zur Verfügung stehenden (zweiten) Sprachen gegeben werden? Diese Schlüsselfrage wird nur sehr indirekt im Rahmen des zweiten und des dritten Teils des dritten Rechtsmittelgrundes angesprochen, versteckt in der Frage nach den Grenzen und der Intensität der Überprüfung durch das Gericht: Was hätte das Gericht überprüfen sollen, und wie hätte es diese Überprüfung vornehmen sollen?

171. Gerade indem man diese relevante Frage stellt, wird aber die Diskrepanz zwischen den Vorstellungen und Erwartungen davon, was es bedeutet, ein Ermessen zu haben, recht deutlich. Was nach den Wünschen des EPSO – bzw. wohl der im Leitungsausschuss des EPSO vertretenen Organe – anscheinend umgesetzt werden sollte, war eine bestimmte (politische) Auswahl von Sprachen, die innerhalb der Organe verwendet werden sollten. Dabei wählten sie eine Reihe von Sprachen, von denen sie glaubten, dass mit ihnen der interne Betrieb angemessen funktionieren würde. Das ist eine normative, vorausschauende oder zukunftsorientierte Auswahl. Da eine solche Auswahl anscheinend jedoch nicht offen getroffen werden konnte (oder die Organe sie jedenfalls, aus welchen Gründen auch immer, nicht offenlegen wollten), waren die tatsächlich für sie vorgebrachten Argumente vergangenheitsbezogene Behauptungen über Tatsachen (statistischer und anderer Art) sowie bestimmte Usancen und Praktiken innerhalb der Organe.

172. Das Ergebnis ist natürlich ein Missverhältnis zwischen den (sachlichen, auf die Vergangenheit bezogenen) Gründen, auf die sich das EPSO beruft, um die Auswahl der Sprachen zu rechtfertigen, und den (normativen, zukunftsorientierten) Gründen, die hinter dieser Auswahl stehen. Dieses Missverhältnis ist bei der mündlichen Verhandlung deutlich zutage getreten, denn einige der von der Kommission vorgetragenen Argumente beruhten auf einem ausgeprägten „Zurück in die Zukunft IV“-Zirkelschluss: Eine bestimmte Wahrnehmung aus der Vergangenheit muss für immer die Zukunft bestimmen, diese Vergangenheit und die Gegenwart müssen so sein, weil dies die gewünschte Zukunft ist, und da die Vergangenheit nicht verändert werden kann, gilt dies auch für die Zukunft.

173. Um zu vermeiden, dass ein solches Phänomen in der Rechtssache Italien/Kommission III erneut auftaucht, sollte vom EPSO – und implizit von den in seinem Leitungsausschuss vertretenen Organen – klar entschieden werden, wie es in Bezug auf die Auswahl der Sprachen vorzugehen gedenkt und wie es eine etwaige Einschränkung begründen will: entweder mit sachlichen, auf die Vergangenheit bezogenen Gründen oder mit normativen, zukunftsorientierten Gründen. Es ist damit zu rechnen, dass auf die Vergangenheit und die Gegenwart abstellende Tatsachenbehauptungen erneut einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden. Für normative, zukunftsorientierte Entscheidungen über die Sprachenregelung der Organe gilt dies hingegen vielleicht weniger, soweit sie mit dem geltenden rechtlichen Rahmen vereinbar bleiben, denn ihnen dürften Erwägungen politischer Natur innewohnen. Vor allem aber sollten die betreffenden Organe, sobald diese Entscheidung getroffen wurde, offen und konsequent mit den zugrunde liegenden Rechtfertigungen umgehen.

174. Wie auch immer die Sprachenauswahl am Ende ausfallen mag, gibt es schließlich in meinen Augen zwei weitere Einschränkungen dafür, wie eine solche Auswahl bei der praktischen Überführung in einen Verfahrensrahmen verwirklicht werden sollte.

175. Erstens sollte, wie vom Gerichtshof in Rn. 90 des Urteils Italien/Kommission I verlangt, die Auswahl der den Bewerbern zur Verfügung stehenden Sprachen klar, objektiv und vorhersehbar sein. Wer erwägt, bei den europäischen Organen eine berufliche Laufbahn einzuschlagen, muss sich auf künftige Auswahlverfahren vorbereiten können. Das bedingt zwangsläufig ein gewisses Maß an Stabilität: Die Sprachen, zwischen denen der Bewerber wählen darf, sollten sich nicht jedes Jahr ändern. Ein flexibler Ansatz, bei dem die verlangten Sprachen relativ häufig den Wünschen der Bewerber angepasst werden könnten, würde also kaum dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit gerecht werden, das es – mit den Worten des Gerichtshofs – den Bewerbern ermöglicht, „rechtzeitig im Voraus [zu] wissen, welche Anforderungen an die Sprachkenntnisse gestellt werden, um sich optimal auf die Auswahlverfahren vorbereiten zu können“.

176. Zweitens muss bei der Durchführung der Auswahlverfahren, unabhängig davon, welche Auswahl getroffen wird, größtmögliche Gleichbehandlung und Neutralität gewährleistet sein. Um es klar auszusprechen: Wenn nicht alle gleich gut behandelt werden können (d. h., dass jeder Bewerber in den Sprachen seiner Wahl geprüft werden kann), dann sollten alle gleich schlecht behandelt werden (so dass jeder mit dem gleichen Handicap konfrontiert ist). In der Praxis kann ich mir zumindest zwei Beispiele für die Anwendung dieser Regel vorstellen.

177. Auf der einen Seite sollte, wenn mehr als eine Sprache als zweite Sprache angeboten wird, in der offenbar in der Praxis der entscheidende Teil der Auswahlverfahren abläuft, (so weit wie möglich) gewährleistet sein, dass alle Bewerber verpflichtet sind, als zweite Sprache eine andere als ihre Muttersprache zu wählen. Bewerber dürfen nicht dadurch, dass sie ihre Muttersprache strategisch zu ihrer zweiten Sprache erklären, einen Vorteil gegenüber denen erhalten, deren Muttersprache nicht zur Auswahl steht.

178. Auf der anderen Seite sollten in Umsetzung des gleichen Gedankens alle Bewerber ferner bei der Kommunikation mit dem EPSO, einschließlich des Ausfüllens des Bewerbungsbogens und der Einreichung einschlägiger Unterlagen, gleichberechtigt sein. Auch jeder indirekte Vorteil ist in diesem Zusammenhang zu vermeiden. Wenn beispielsweise nicht alle Amtssprachen für die Kommunikation mit dem EPSO und die Einreichung von Bewerbungen oder anderen Unterlagen bei ihm sowie für weitere Mitteilungen im anschließenden Auswahlverfahren verfügbar sind, sollten Bewerber, deren Muttersprache eine der zur Auswahl stehenden Sprachen ist, diese nicht verwenden dürfen. Auf diese Weise würden sie wiederum keinen indirekten Vorteil in Form der Möglichkeit erlangen, die für das Auswahlverfahren relevanten und maßgeblichen Unterlagen in ihrer Muttersprache einzureichen.

179. Zusammengefasst muss das System, welche Auswahl auch immer getroffen werden mag, so konzipiert sein, dass die Tatsache, dass eine bestimmte Sprache angeboten wird, denen, die sie als Muttersprache haben (und damit in den allermeisten Fällen den Staatsangehörigen eines bestimmten Mitgliedstaats), keinen direkten oder indirekten Vorteil im Auswahlverfahren verschaffen kann.

VI.    Ergebnis

180. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        der Europäischen Kommission ihre eigenen Kosten und die Kosten der Italienischen Republik aufzuerlegen;

–        dem Königreich Spanien und der Republik Litauen ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Vgl. Urteil vom 27. November 2012, Italien/Kommission (C‑566/10 P, EU:C:2012:752).


3      ABl. 1958, Nr. 17, S. 385.


4      Verordnung zur Anpassung einiger Verordnungen und Beschlüsse in den Bereichen freier Warenverkehr, Freizügigkeit, Gesellschaftsrecht, Wettbewerbspolitik, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit, Verkehrspolitik, Energie, Steuern, Statistik, transeuropäische Netze, Justiz und Grundrechte, Recht, Freiheit und Sicherheit, Umwelt, Zollunion, Außenbeziehungen, Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Organe aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien (ABl. 2013, L 158, S. 1).


5      Verordnung Nr. 31/EWG, Nr. 11/EAG über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. 1962, Nr. 45, S. 1385).


6      ABl. 2013, L 287, S. 15.


7      Beschluss des Europäischen Parlaments, des Rates, der Kommission, des Gerichtshofs, des Rechnungshofs, des Wirtschafts- und Sozialausschusses, des Ausschusses der Regionen und des Europäischen Bürgerbeauftragten vom 25. Juli 2002 über die Errichtung des Amtes für Personalauswahl der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 197, S. 53).


8      ABl. 2014, C 74A, S. 4.


9      ABl. 2014, C 391A, S. 1.


10      ABl. 2014, C 60A, S. 1.


11      T‑353/14 und T‑17/15, EU:T:2016:495.


12      Nachstehend angeführt in den Fn. 58 und 59.


13      Abgesehen von den in den nachfolgenden Teilen dieser Schlussanträge angeführten Rechtssachen verweise ich auf das ebenfalls bei der Großen Kammer anhängige Parallelverfahren, bei dem es um ganz ähnliche Fragen geht (Rechtssache Spanien/Parlament, C‑377/16). In dieser Rechtssache wird meine Kollegin, Generalanwältin Sharpston, ihre aufschlussreichen Schlussanträge, die ich im Entwurf gelesen habe, am selben Tag wie meine vorliegenden Schlussanträge vortragen.


14      Ich möchte betonen, dass ich damit jeden Beschwerdeführer oder Kläger meine, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Einzelnen oder einen Mitgliedstaat handelt. Die Kommission geht mit ihrem Vorbringen offenbar stillschweigend davon aus, dass die Italienische Republik als ein Mitgliedstaat, der gemäß Art. 263 Abs. 2 AEUV ein privilegierter Kläger wäre und die Allgemeinen Vorschriften wahrscheinlich unmittelbar anfechten könnte, dies hätte tun sollen, statt darauf „zu warten“, dass sie durch eine individuelle Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens „in die Praxis umgesetzt“ werden. Auch hier genügt allerdings der Hinweis darauf, dass die Italienische Republik nicht die Allgemeinen Vorschriften angefochten hat, sondern die individuellen Auswahlverfahren, die Gegenstand der Bekanntmachungen waren.


15      Dies gilt nicht nur für Auswahlverfahren mit besonderen sprachlichen Anforderungen, wie Auswahlverfahren für Rechts- und Sprachsachverständige, sondern beispielsweise auch für Auswahlverfahren für bestimmte EU-Agenturen mit einer begrenzten Zahl von Arbeitssprachen. Das Gleiche könnte der Fall sein bei Auswahlverfahren für Agenturen oder andere Einrichtungen in einem Mitgliedstaat mit einer anderen Amtssprache als den drei Standardsprachen, wenn die Kenntnis dieser Sprache für die Wahrnehmung der Aufgaben der Agentur oder Einrichtung erforderlich ist.


16      In diesem Zusammenhang ist – ohne daraus irgendwelche Schlussfolgerungen für den vorliegenden Fall zu ziehen – darauf hinzuweisen, dass das EPSO offenbar die Praxis aufgegeben hat, die Allgemeinen Vorschriften separat zu veröffentlichen und auf sie in jeder Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens zu verweisen. Die Allgemeinen Vorschriften sind jetzt offenbar systematisch jeder Bekanntmachung eines Auswahlverfahrens als Anhang beigefügt. Vgl. z. B. die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/338/17 zur Erstellung einer Reserveliste für Beamte der Funktionsgruppe Administration (AD 5) (ABl. 2017, C 99A, S. 1), die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/354/17 zur Erstellung einer Reserveliste von Rechts- und Sprachsachverständigen (AD 7) für die lettische Sprache und EPSO/AD/355/17 zur Erstellung einer Reserveliste von Rechts- und Sprachsachverständigen (AD 7) für die maltesische Sprache (ABl. 2017, C 418A, S. 1) oder die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AD/356/18 zur Erstellung einer Reserveliste für Beamte der Funktionsgruppe Administration (AD 5) (ABl. 2018, C 88A, S. 1, im Folgenden: Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens von 2018).


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17      Vgl. zuletzt Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).


18      Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission (C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19      In den Allgemeinen Vorschriften heißt es: „Sofern in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nichts anderes angegeben ist, beschränkt sich die Wahl der Zweitsprache im Normalfall auf Deutsch, Englisch oder Französisch.“ Weiter heißt es darin, dass alle Bewerber „einige Prüfungen in ihrer zweiten Sprache, die eine der drei Sprachen sein muss, ablegen [müssen]“ (Hervorhebung nur hier). In den Allgemeinen Leitlinien wird zunächst darauf hingewiesen, dass „die Sprachenregelung bei EPSO-Auswahlverfahren generell folgendermaßen aussieht“, und danach heißt es: „Assessment-Center werden ausschließlich in der zweiten Sprache des Bewerbers durchgeführt. Dabei kann der Bewerber zwischen Deutsch, Englisch oder Französisch wählen“ (Hervorhebung nur hier).


20      Vgl. insbesondere Urteil vom 13. Dezember 2012, Expedia (C‑226/11, EU:C:2012:795, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).


21      Vgl. z. B. Urteil vom 5. September 2012,Parlament/Rat (C‑355/10, EU:C:2012:516, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies lässt sich jedoch, wie bereits oben in Fn. 14 angegeben, nicht dahin auslegen, dass sich die Bekanntmachungen dadurch, dass ein Mitgliedstaat die Allgemeinen Vorschriften möglicherweise bereits angefochten hat, zu reinen „Bestätigungshandlungen“ (wohl aber nur im Verhältnis zu diesem Mitgliedstaat?) geworden sind.


22      Art. 64 des Protokolls (Nr. 3) über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union.


23      C‑566/10 P, EU:C:2012:752.


24      Siehe oben, Nrn. 46 bis 68 dieser Schlussanträge.


25      Concise Oxford English Dictionary, 11. Aufl., Hrsg. Soanes, C., und Stevenson, A., Oxford University Press, Oxford, 2004.


26      Online Merriam-Webster Dictionary (https://www.merriam-webster.com).


27      „Capacité reconnue en telle ou telle matière en raison de connaissances possédées et qui donne le droit d’en juger“: Le petit Larousse illustré, Larousse, Paris, 2011.


28      „Das Befähigtsein; Eignung, Tauglichkeit; Begabung“: Duden. Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl., Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, 2006.


29      „L’essere competente“, wobei „competente“ definiert wird als „che ha la capacità, le qualità, le conoscenze, l’esperienza necessarie a fare bene qualcosa, a ben valutare, giudicare e sim.; esperto“: Dizionario italiano Garzanti, Garzanti Linguistica, Mailand, 2005.


30      „Pericia, aptitud o idoneidad para hacer algo o intervenir en un asunto determinado“: Diccionario de la lengua española, 23. Aufl., Real Academia Española, Espasa Libros, Barcelona, 2014.


31      Slovník spisovné češtiny, 4. Aufl., Akademia, Prag, 2009, definiert „způsobilý“ als „mající k něčemu potřebné schopnosti, předpoklady“.


32      Mir scheint, dass mit der in der englischen Sprachfassung von Rn. 94 verwendeten Formulierung „the most competent candidates“ der Sache nach eher gemeint war „die Bewerber, die in Bezug auf ihre Befähigung höchsten Ansprüchen genügen“, denn der Gerichtshof hat in anderen Sprachfassungen des Urteils den Wortlaut der jeweiligen Sprachfassung von Art. 27 des Statuts übernommen (z. B. „ayant les plus hautes qualités de compétence“ in der französischen Fassung oder „dotati delle più alte qualità di competenza“ in der italienischen Fassung, d. h. in der Verfahrenssprache).


33      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, Italien/Kommission (T‑510/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:1001, Rn. 102).


34      Auch wenn Sprachkenntnisse als eine zum Zeitpunkt der Ernennung des Beamten zu beurteilende Befähigung angesehen werden können, ist dies aber natürlich keine Befähigung, die ausschließlich zu diesem Zeitpunkt zu beurteilen ist. Das belegt Art. 45 Abs. 2 des Statuts, wonach ein Beamter vor seiner ersten Beförderung nachweisen muss, dass er in einer dritten Sprache arbeiten kann. Sprachkenntnisse sind somit eine Befähigung, die erworben werden kann. Dies schließt jedoch an und für sich die Möglichkeit nicht aus, sie im Rahmen eines Auswahlverfahrens zu beurteilen. Der Gerichtshof hat nämlich in Rn. 97 des Urteils Italien/Kommission I ausgeführt, dass „die Organe … das legitime Ziel, das die Begrenzung der Sprachen des Auswahlverfahrens rechtfertigt, und die Möglichkeiten für die eingestellten Beamten, die für das dienstliche Interesse erforderlichen Sprachen in den Organen zu erlernen, zum Ausgleich zu bringen [haben]“ (Hervorhebung nur hier).


35      Die entscheidende Frage im Zusammenhang mit Rn. 106 des Urteils des Gerichts scheint mir eher dahin zu gehen, welche (Art objektiver und angemessener) Gründe für Beschränkungen der Sprachen im Einstellungsverfahren tatsächlich geltend gemacht werden können, und welcher systematische Zusammenhang zwischen Art. 27 und Art. 1d Abs. 6 des Statuts besteht. Diese Fragen werden durch das vorliegende Rechtsmittelverfahren jedoch nicht aufgeworfen.


36      Vgl. z. B. Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung); vgl. auch Urteile vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission (C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 67), und vom 6. November 2012, Otis u. a. (C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 63).


37      Zum vollständigen Wortlaut der Begründung in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 5 siehe Nr. 24 dieser Schlussanträge. Der entsprechende Abschnitt in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens AD 6 hat im Wesentlichen den gleichen Wortlaut.


38      Der Gerichtshof hat im Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung), ausgeführt: „Der Unionsrichter muss die Rechtmäßigkeitskontrolle auf der Grundlage der vom Kläger zur Stützung seiner Klagegründe vorgelegten Beweise vornehmen und kann nicht hinsichtlich ihrer Bewertung auf den Ermessensspielraum der Kommission verweisen, um auf eine gründliche rechtliche wie tatsächliche Kontrolle zu verzichten …“


39      Vgl. z. B. die Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Rica Foods/Kommission (C‑40/03 P, EU:C:2005:93, Nrn. 45 bis 49).


40      Vgl. Urteil vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval (C‑12/03 P, EU:C:2005:87, Rn. 39); vgl. auch Urteile vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission (C‑386/10 P, EU:C:2011:815, Rn. 54), und vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 54).


41      Beispielsweise Urteil vom 8. Mai 2003, Italien und SIM 2 Multimedia/Kommission (C‑328/99 und C‑399/00, EU:C:2003:252, Rn. 39).


42      Beispielsweise Urteil vom 21. April 2015, Anbouba/Rat (C‑605/13 P, EU:C:2015:248, Rn. 41 und 45).


43      Beispielsweise Urteil vom 16. April 1991, Schiocchet/Kommission (C‑354/89, EU:C:1991:149, Rn. 14).


44      Vgl. z. B. Urteil vom 22. November 2001, Niederlande/Rat (C‑301/97, EU:C:2001:621, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).


45      Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Italien/Kommission I (siehe oben, Nr. 85) das Erfordernis aufgestellt hat, dass es klare, objektive und vorhersehbare Kriterien geben muss, die die Bewerber im Voraus kennen. Zur Art der Argumente, die bei der Aufstellung solcher Kriterien angeführt werden können, hat er sich nicht geäußert.


46      Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig ist, da das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweise, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt; vgl. z. B. Urteile vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 177), und vom 28. Februar 2018, mobile.de/EUIPO (C‑418/16 P, EU:C:2018:128, Rn. 65).


47      Vgl. Abschnitt 3.4.4.1 der Allgemeinen Vorschriften, wo auf Art. 90 Abs. 2 des Statuts Bezug genommen wird, obwohl sie offenbar in Verbindung mit Art. 90c gesehen werden sollte, da das EPSO eine interinstitutionelle Einrichtung, der mehrere Organe einige der der Anstellungsbehörde übertragenen Befugnisse übertragen haben, im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Statuts ist. Vgl. auch Art. 4 des Beschlusses 2002/620, wonach Anträge und Beschwerden im Zusammenhang mit der Ausübung der dem EPSO übertragenen Befugnisse gemäß Art. 91a des Statuts an das EPSO zu richten sind. Meines Erachtens sollte eher auf Art. 90c statt auf Art. 91a verwiesen werden, da sich die erstgenannte Vorschrift auf „Anträge und Beschwerden“ bezieht und die letztgenannte auf „Klagen“ (vor den Unionsgerichten).


48      Vgl. Abschnitt 3.4.4.2 der Allgemeinen Vorschriften. Zu einem Auswahlverfahren aus jüngerer Zeit vgl. Abschnitt 4.3.2 von Anhang II der Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens von 2018.


49      Urteil vom 10. September 2015, Überprüfung Missir Mamachi di Lusignano/Kommission (C‑417/14 RX‑II, EU:C:2015:588, Rn. 33). In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof auf Art. 73 Abs. 2 Buchst. a des Statuts verwiesen – in dem ausdrücklich von den „Abkömmlingen“ und den „Verwandten aufsteigender gerader Linie“ des Beamten die Rede ist –, um die Zuständigkeit ratione personae des Gerichts für den öffentlichen Dienst für eine Klage zu begründen, bei der es darum ging, ob der Vater und die Kinder eines verstorbenen Beamten Anspruch auf die durch Art. 73 des Statuts garantierten Leistungen haben. Vgl. auch Urteil vom 16. Mai 2013, de Pretis Cagnodo und Trampuz de Pretis Cagnodo/Kommission (F‑104/10, EU:F:2013:64, Rn. 51).


50      Verordnung (EU, Euratom) 2016/1192 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über die Übertragung der Zuständigkeit für die Entscheidung im ersten Rechtszug über die Rechtsstreitigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Bediensteten auf das Gericht (ABl. 2016, L 200, S. 137).


51      Im Urteil vom 10. September 2015, Überprüfung Missir Mamachi di Lusignano/Kommission (C‑417/14 RX‑II, EU:C:2015:588, Rn. 30), hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass mit den Art. 90 und 91 des Statuts Art. 270 AEUV umgesetzt wird.


52      Vgl. Abschnitt 2.1.6 der Allgemeinen Vorschriften. Zu einem Auswahlverfahren aus jüngerer Zeit vgl. den Abschnitt „Wie läuft das Auswahlverfahren ab?“ in der Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens von 2018.


53      Auf eher abstrakter und normativer Ebene könnte man sicher sagen, dass die Sprachenregelung eines Auswahlverfahrens von den sprachlichen Anforderungen bei der späteren Ausübung der Tätigkeit getrennt ist und sein sollte. Die Auswahl der Sprachen im Auswahlverfahren und deren potenzielle Begründung wären dann auch von den Bedingungen getrennt, die später für die Ausübung der fraglichen Tätigkeit gelten.


54      Wie der Gerichtshof in Rn. 68 des Urteils Italien/Kommission I festgestellt hat, ist das Verhältnis zwischen den Organen und den Bewerbern eines externen Auswahlverfahrens nicht „völlig vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1 ausgeschlossen“.


55      Siehe oben, Nr. 126.


56      Der Gerichtshof hat in Rn. 67 des Urteils Italien/Kommission I festgestellt, dass die Organe von diesem Artikel keinen Gebrauch gemacht haben. Dies ist in der vorliegenden Rechtssache auch von der Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Im Allgemeinen scheint dies zuzutreffen, vielleicht mit Ausnahme von Art. 14 der Geschäftsordnung des Rates (ABl. 2009, L 325, S. 36), der offenbar auf Art. 6 der Verordnung Nr. 1 gestützt wurde, in den vom Generalsekretariat des Rates veröffentlichtenErläuterungen zur Geschäftsordnung des Rates, S. 52 (abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/media/29806/qc0415692den.pdf), zu entnehmen ist. Der Gerichtshof hat sich mit dieser Bestimmung der Geschäftsordnung des Rates in seinem Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat (C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 200 bis 204), befasst, ohne auf die Frage einzugehen, ob sie gemäß Art. 6 der Verordnung Nr. 1 erlassen wurde.


57      Vgl. z. B. Urteile vom 19. Juni 2003, Mayer Parry Recycling (C‑444/00, EU:C:2003:356, Rn. 57), vom 30. April 2014, Barclays Bank (C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 44), und vom 12. Februar 2015, Parlament/Rat (C‑48/14, EU:C:2015:91, Rn. 49).


58      Urteile vom 24. September 2015, Italien und Spanien/Kommission (T‑124/13 und T‑191/13, EU:T:2015:690), vom 17. Dezember 2015, Italien/Kommission (T‑275/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:1000), vom 17. Dezember 2015, Italien/Kommission (T‑295/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:997), und vom 17. Dezember 2015, Italien/Kommission (T‑510/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:1001).


59      Dabei handelt es sich um die Rechtssachen Italien/Kommission (T‑313/15), Italien/Kommission (T‑317/15), Spanien/Kommission (T‑401/16), Italien/Kommission (T‑437/16), Italien/Kommission (T‑443/16), Calhau Correia de Paiva/Kommission (T‑202/17) und Spanien/Kommission (T‑704/17).


60      Auch wenn die vorliegende Rechtssache den Namen Kommission/Italien trägt, ist das angefochtene Urteil vor dem Gericht in der Rechtssache Italien/Kommission ergangen. Insofern könnte die vorliegende Rechtssache durchaus als „Italien/Kommission II“ bezeichnet werden.


61      Neben der oben in Fn. 13 erwähnten Parallelsache Spanien/Parlament (C‑377/16).


62      Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache C‑377/16, Spanien/Parlament, Nrn. 156 bis 161, 163 und 164.


63      Siehe die Erörterung oben in Nr. 151.


64      Urteil vom 5. Mai 2015, Spanien/Rat (C‑147/13, EU:C:2015:299, Rn. 42).


65      Urteil vom 9. September 2003, Kik/HABM (C‑361/01 P, EU:C:2003:434, Rn. 82).


66      Vgl. Urteil vom 11. Dezember 2007, Skoma-Lux (C‑161/06, EU:C:2007:773, Rn. 37 und 38); vgl. auch Urteil vom 12. Juli 2012, Pimix (C‑146/11, EU:C:2012:450, Rn. 33).


67      Vgl. Urteil vom 12. Mai 2011, Polska Telefonia Cyfrowa (C‑410/09, EU:C:2011:294, Rn. 34).


68      Wie die Italienische Republik in der mündlichen Verhandlung zu Recht festgestellt hat, können haushaltspolitische Erwägungen nämlich keine Diskriminierung rechtfertigen; vgl. z. B. Urteil vom 1. März 2012, O’Brien (C‑393/10, EU:C:2012:110, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).


69      Wobei, wie schon gesagt, einer Entscheidung über die in den Nrn. 69 bis 77 dieser Schlussanträge ausdrücklich offengelassene Frage, ob das EPSO zum Erlass solcher Allgemeiner Vorschriften befugt wäre, in keiner Weise vorgegriffen werden soll.

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