Europäischer Gerichtshof Urteil, 13. Sept. 2016 - C-304/14

ECLI:ECLI:EU:C:2016:674
13.09.2016

Gericht

Europäischer Gerichtshof

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

13. September 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Unionsbürgerschaft — Art. 20 AEUV — Drittstaatsangehöriger, der einem Kleinkind Unterhalt gewährt, das Unionsbürger ist — Recht auf Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt — Strafrechtliche Verurteilungen des Elternteils des Kindes — Ausweisung des Elternteils, die dazu führt, dass mittelbar auch das Kind ausgewiesen wird“

In der Rechtssache C‑304/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 4. Juni 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni 2014, in dem Verfahren

Secretary of State for the Home Department

gegen

CS

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič und L. Bay Larsen, der Kammerpräsidentin C. Toader, der Kammerpräsidenten D. Šváby, F. Biltgen und C. Lycourgos, der Richter A. Rosas (Berichterstatter), E. Juhász, A. Borg Barthet und M. Safjan sowie der Richterinnen M. Berger, A. Prechal und K. Jürimäe,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2015,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von CS, vertreten durch R. Husain, QC, L. Dubinsky und P. Tridimas, Barristers, beauftragt durch D. Furner, Solicitor,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch M. Holt und J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von D. Blundell, Barrister,

der dänischen Regierung, vertreten durch C. Thorning und M. Wolff als Bevollmächtigte,

der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, K. Pawłowska und M. Pawlicka als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Martínez del Peral, C. Tufvesson und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. Februar 2016

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 20 AEUV.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Drittstaatsangehörigen CS, der Mutter eines Kleinkinds, das Unionsbürger ist und die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitzt, in dem es sich durchgehend aufgehalten hat, und dem Secretary of State for the Home Department (Innenminister, Vereinigtes Königreich) wegen einer Verfügung, mit der CS wegen ihrer Vorstrafen aus dem Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs in einen Drittstaat ausgewiesen wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 3 („Berechtigte“) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. 2004, L 158, S. 77, berichtigt im ABl. 2004, L 229, S. 35) bestimmt:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.

(2)   Unbeschadet eines etwaigen persönlichen Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt der Betroffenen erleichtert der Aufnahmemitgliedstaat nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Einreise und den Aufenthalt der folgenden Personen:

a)

jedes nicht unter die Definition in Artikel 2 Nummer 2 fallenden Familienangehörigen ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit, dem der primär aufenthaltsberechtigte Unionsbürger im Herkunftsland Unterhalt gewährt oder der mit ihm im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat …

Der Aufnahmemitgliedstaat führt eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durch und begründet eine etwaige Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen.“

Recht des Vereinigten Königreichs

Borders Act

4

Nach Section 32(5) des UK Borders Act 2007 (Gesetz über die Grenzen von 2007, im Folgenden: Borders Act) hat der Innenminister, wenn eine Person, die nicht die britische Staatsangehörigkeit besitzt, im Vereinigten Königreich wegen einer strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwölf Monaten verurteilt wurde, gegen sie eine Ausweisungsverfügung zu erlassen.

5

Nach Section 33 des Borders Act gilt dies nicht, wenn die Abschiebung der verurteilten Person gemäß der Ausweisungsverfügung

a)

die Rechte einer Person aufgrund der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten verletzen,

b)

gegen die Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs aus dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]) verstoßen oder

c)

Rechte des Straftäters aus den EU-Verträgen verletzen würde.

Immigration Regulations

6

Nach Regulation 15A(4A) der Immigration (European Economic Area) Regulations 2006 (Verordnung von 2006 über die Einwanderung [Europäischer Wirtschaftsraum]) in ihrer im Lauf des Jahres 2012 geänderten Fassung (im Folgenden: Immigration Regulations), mit der dem Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124), Rechnung getragen wurde, hat eine Person, die die Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt, „ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich“.

7

Nach Regulation 15A(9) der Immigration Regulations hat eine Person, die normalerweise ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht – etwa nach Regulation 15A(4A) – hätte, dieses Recht jedoch nicht, „wenn der [Innenminister] eine Verfügung gemäß Regulation 19(3b), 20(1) oder 20A(1) erlassen hat“.

8

Nach Regulation 20(1) der Immigration Regulations kann der Innenminister die Erteilung einer Anmeldebescheinigung, einer Aufenthaltskarte, eines Dokuments, in dem ein Daueraufenthalt bescheinigt wird, oder einer Daueraufenthaltskarte verweigern, diese Dokumente widerrufen oder ihre Verlängerung verweigern, „wenn die Verweigerung oder der Widerruf aus Gründen der öffentlichen Ordnung, öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt ist“.

9

Ein solcher Bescheid hat nach Regulation 20(6) der Immigration Regulations im Einklang mit Regulation 21 zu ergehen.

10

Mit Regulation 21A der Immigration Regulations wird eine geänderte Fassung von Teil 4 der Immigration Regulations u. a. auf Entscheidungen im Zusammenhang mit abgeleiteten Aufenthaltsrechten angewandt. Dabei ist nach Regulation 21A(3)(a) Teil 4 in der Weise anzuwenden, dass „Bezugnahmen auf einen Sachverhalt, der ‚aus Gründen der öffentlichen Ordnung, öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt im Sinne von Regulation 21‘ ist, stattdessen darauf Bezug nehmen, dass ein Sachverhalt ‚im allgemeinen Interesse liegt‘“.

11

Nach diesen Vorschriften kann einer Person das abgeleitete Aufenthaltsrecht, das ihr normalerweise nach Art. 20 AEUV in der Auslegung des Gerichtshofs in seinem Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124), zustünde, verweigert werden, wenn dies im allgemeinen Interesse liegt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12

Die Drittstaatsangehörige CS heiratete im Jahr 2002 einen britischen Staatsangehörigen. Im September 2003 erhielt sie aufgrund ihrer Eheschließung ein Visum und reiste rechtmäßig in das Vereinigte Königreich ein, mit der Erlaubnis, sich dort bis zum 20. August 2005 aufzuhalten. Am 31. Oktober 2005 wurde ihr eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für das Vereinigte Königreich erteilt.

13

Aus der Ehe ging ein Kind hervor. Es wurde 2011 im Vereinigten Königreich geboren. Dem Vorlagebeschluss zufolge sorgt CS alleine für das Kind. Es besitzt die britische Staatsangehörigkeit.

14

CS wurde am 21. März 2012 wegen einer Straftat verurteilt. Als Strafmaß wurde am 4. Mai 2012 eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten festgesetzt.

15

Am 2. August 2012 wurde CS darüber informiert, dass sie aufgrund ihrer Verurteilung aus dem Vereinigten Königreich ausgewiesen werden könne. Am 30. August 2012 stellte sie im Vereinigten Königreich einen Asylantrag, der von der zuständigen nationalen Behörde, dem Innenminister, geprüft wurde.

16

Am 2. November 2012 wurde CS nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen. Ihr Asylantrag wurde am 9. Januar 2013 vom Innenminister abgelehnt. Die Verfügung, mit der CS aus dem Vereinigten Königreich in einen Drittstaat ausgewiesen wurde, erging nach Section 32(5) des Borders Act. CS focht die Entscheidung des Innenministers an. Sie machte dabei von ihrem Recht auf Klage beim First-tier Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (Erstinstanzliches Gericht [Kammer für Einwanderung und Asyl], Vereinigtes Königreich) Gebrauch. Am 3. September 2013 wurde ihrer Klage mit der Begründung stattgegeben, dass eine Ausweisung gegen das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, die Art. 3 und 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und die Verträge verstoßen würde.

17

In seiner Entscheidung stellte das First-tier Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (Erstinstanzliches Gericht [Kammer für Einwanderung und Asyl]) fest, dass sich im Fall einer Ausweisungsmaßnahme gegen CS kein anderer Familienangehöriger im Vereinigten Königreich um ihr Kind kümmern könne, so dass das Kind CS in deren Herkunftsstaat folgen müsste. Das Gericht verwies auf die Rechte, die das Kind von CS als Unionsbürger nach Art. 20 AEUV in der Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124), habe, und entschied, dass es unter keinen Umständen zulässig sei, einen Unionsbürger einfach aus dem Unionsgebiet auszuweisen, dass es von dieser Verpflichtung keinerlei Ausnahme gebe, auch dann nicht, wenn die Eltern vorbestraft seien, und dass die im vorliegenden Fall ergangene Ausweisungsverfügung daher nicht im Einklang mit dem Gesetz stehe, weil sie die Rechte des Kindes aus Art. 20 AEUV verletze.

18

Dem Innenminister wurde erlaubt, Rechtsmittel beim Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl], Vereinigtes Königreich) einzulegen. Der Innenminister machte geltend, dass das erstinstanzliche Gericht der Klage von CS zu Unrecht stattgegeben habe. Dem erstinstanzlichen Gericht seien Rechtsfehler unterlaufen, insbesondere bei den Beurteilungen in Bezug auf die Rechte des Kindes aus Art. 20 AEUV, das Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124), und die abgeleiteten Rechte von CS. Das Unionsrecht stehe einer Ausweisung von CS in ihren Herkunftsstaat nicht entgegen, auch wenn dadurch ihrem Kind, das Unionsbürger sei, der tatsächliche Genuss des Kernbestands der mit diesem Status verbundenen Rechte genommen werde.

19

Unter diesen Umständen hat das Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl]) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Zu den Vorlagefragen

20

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 20 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein wegen einer Straftat von gewisser Schwere verurteilter Drittstaatsangehöriger auch dann in den Drittstaat auszuweisen ist, wenn er tatsächlich für ein Kleinkind sorgt, das die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt, in dem es sich seit seiner Geburt aufgehalten hat, ohne von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht zu haben, und das Kind wegen der beabsichtigten Ausweisung das Unionsgebiet verlassen müsste, so dass ihm der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde.

Zu den unionsrechtlichen Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft

21

Als Erstes ist festzustellen, dass die Richtlinie 2004/38 nach Abs. 1 ihres Art. 3 („Berechtigte“) für jeden Unionsbürger gilt, der „sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen“.

22

In einem Fall, wie er dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, gilt die Richtlinie 2004/38 also nicht. Der betreffende Unionsbürger hat nämlich zu keinem Zeitpunkt von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und sich durchgehend in dem Mitgliedstaat aufgehalten, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (vgl. Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano, C‑34/09, EU:C:2011:124, Rn. 39). Sofern ein Unionsbürger nicht unter den Begriff „Berechtigter“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 fällt, fallen auch seine Familienangehörigen nicht unter diesen Begriff, da die durch diese Richtlinie den Familienangehörigen eines nach ihr Berechtigten verliehenen Rechte keine eigenen Rechte dieser Angehörigen, sondern abgeleitete Rechte sind, die sie als Familienangehörige des Berechtigten erworben haben (vgl. Urteile vom 5. Mai 2011, McCarthy, C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 42, vom 15. November 2011, Dereci u. a., C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 55, und vom 8. Mai 2013, Ymeraga u. a., C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 31).

23

Was als Zweites Art. 20 AEUV angeht, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Situation eines Unionsbürgers, der – wie das die britische Staatsangehörigkeit besitzende Kind von CS – vom Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, nicht allein aus diesem Grund einer rein internen Situation gleichgestellt werden kann, d. h. einer Situation, die keine Anknüpfungspunkte an eine der vom Unionsrecht erfassten Situationen aufweist (vgl. Urteile vom 5. Mai 2011, McCarthy, C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 46, vom 15. November 2011, Dereci u. a., C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 61, und vom 6. Dezember 2012, O. u. a., C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776, Rn. 43).

24

Das Kind von CS genießt nämlich als Angehöriger eines Mitgliedstaats gemäß Art. 20 Abs. 1 AEUV den Status eines Unionsbürgers, der dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, und kann sich daher – auch gegenüber dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit es besitzt – auf die mit diesem Status verbundenen Rechte berufen (vgl. Urteile vom 5. Mai 2011, McCarthy, C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 48, vom 15. November 2011, Dereci u. a., C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 63, und vom 6. Dezember 2012, O. u. a., C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776, Rn. 44).

25

Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Unionsbürger das elementare, persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der im Vertrag vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen und der Maßnahmen zu ihrer Durchführung frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Oktober 2007, Lassal, C‑162/09, EU:C:2010:592, Rn. 29, und vom 16. Oktober 2012, Ungarn/Slowakei, C‑364/10, EU:C:2012:630, Rn. 43).

26

Wie der Gerichtshof in Rn. 42 des Urteils vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124), festgestellt hat, steht Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird.

27

Die Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft verleihen Drittstaatsangehörigen dagegen keine eigenständigen Rechte (Urteile vom 8. November 2012, Iida, C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 66, und vom 8. Mai 2013, Ymeraga u. a., C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 34).

28

Die etwaigen Rechte, die die Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft den Drittstaatsangehörigen verleihen, sind nämlich nicht deren eigene Rechte, sondern aus den Rechten des Unionsbürgers abgeleitete. Ihr Zweck und ihre Rechtfertigung beruhen auf der Feststellung, dass ihre Nichtanerkennung den Unionsbürger insbesondere in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen könnte (Urteile vom 8. November 2012, Iida, C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 67 und 68, und vom 8. Mai 2013, Ymeraga u. a., C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 35).

29

Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass es ganz besondere Sachverhalte gibt, in denen – obwohl das für das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen geltende Sekundärrecht nicht anwendbar ist und der betreffende Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat – einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger des Unionsbürgers ist, dennoch ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden muss, da sonst die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, wenn sich der Unionsbürger infolge der Verweigerung des Aufenthaltsrechts de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, verwehrt würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano, C‑34/09, EU:C:2011:124, Rn. 43 und 44, vom 15. November 2011, Dereci u. a., C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 66 und 67, vom 8. November 2012, Iida, C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 71, vom 8. Mai 2013, Ymeraga u. a., C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 36, und vom 10. Oktober 2013, Alokpa und Moudoulou, C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 32).

30

Kennzeichnend für die genannten Fälle ist, dass sie, auch wenn sie durch Rechtsvorschriften geregelt sind, die a priori in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, und zwar durch die Rechtsvorschriften über das Einreise- und Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen außerhalb des Anwendungsbereichs des Sekundärrechts, die unter bestimmten Voraussetzungen die Verleihung eines Einreise- und Aufenthaltsrechts vorsehen, in einem inneren Zusammenhang mit der Freizügigkeit und dem Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers stehen, die beeinträchtigt würden, wenn den Drittstaatsangehörigen das Recht verweigert würde, in den Mitgliedstaat, in dem der Unionsbürger wohnt, einzureisen und sich dort aufzuhalten, und die daher der Versagung dieses Rechts entgegenstehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2012, Iida, C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 72, und vom 8. Mai 2013, Ymeraga u. a., C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 37).

31

Im vorliegenden Fall hat das Kind von CS als Unionsbürger das Recht, sich im Unionsgebiet frei zu bewegen und aufzuhalten. Jede Einschränkung dieses Rechts fällt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts.

32

Eine Einschränkung der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, könnte aber aus der Ausweisung der Mutter des Kindes resultieren, die tatsächlich für das Kind sorgt. Das Kind könnte nämlich faktisch gezwungen sein, seine Mutter zu begleiten und somit das Unionsgebiet als Ganzes zu verlassen. Dem Kind könnte durch die Ausweisung seiner Mutter mithin der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt werden.

33

Somit ist festzustellen, dass dem Kind von CS durch die Situation, um die es im Ausgangsverfahren geht, der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm sein Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird, so dass diese Situation in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.

Zur Möglichkeit der Einschränkung eines aus Art. 20 AEUV abgeleiteten Aufenthaltsrechts

34

Die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt die Auffassung, die Begehung einer Straftat könne einen Fall dem Anwendungsbereich des vom Gerichtshof im Urteil vom 8. März 2011, Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124), aufgestellten Grundsatzes entziehen. Wenn der Gerichtshof jedoch zu dem Schluss gelangen sollte, dass dieser Grundsatz in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens anwendbar sei, könnten für ihn Einschränkungen gelten. Die Entscheidung, CS wegen ihres strafrechtlich relevanten Verhaltens von gewisser Schwere auszuweisen, sei aus Gründen der öffentlichen Ordnung getroffen worden. Denn dieses Verhalten stelle eindeutig eine Gefahr für ein legitimes Interesse des Vereinigten Königreichs dar, nämlich die Wahrung des sozialen Zusammenhalts und der Werte seiner Gesellschaft. Der Court of Appeal (England & Wales) (Criminal Division) (Berufungsgerichtshof [England & Wales] [Abteilung für Strafsachen], Vereinigtes Königreich) habe in der Entscheidung, mit der die Berufung von CS gegen ihre Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zurückgewiesen worden sei, festgestellt, dass CS eine schwere Straftat begangen habe.

35

Die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, einen Unionsbürger aus ihrem Hoheitsgebiet auszuweisen, insbesondere wenn er eine Straftat begangen habe, sei in den Art. 27 und 28 der Richtlinie 2004/38 geregelt. Bestünde nicht die Möglichkeit, ein unmittelbar auf Art. 20 AEUV beruhendes abgeleitetes Aufenthaltsrecht einzuschränken und eine Ausweisung zu verfügen, könnte ein Mitgliedstaat einen Drittstaatsangehörigen, der eine Straftat begangen habe, nicht ausweisen, sofern er ein Kind habe, das Unionsbürger sei und in dem Mitgliedstaat lebe, dessen Staatsangehörigkeit es besitze. Der Schutz vor Ausweisung aus dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wäre dann für einen Drittstaatsangehörigen mit abgeleitetem Aufenthaltsrecht höher als für einen Unionsbürger. Ein Mitgliedstaat müsse deshalb befugt sein, von dem auf Art. 20 AEUV beruhenden abgeleiteten Aufenthaltsrecht abzuweichen und einen solchen Drittstaatsangehörigen im Fall einer Straftat von gewisser Schwere aus seinem Hoheitsgebiet auszuweisen, selbst wenn dies bedeute, dass das betreffende Kind das Unionsgebiet verlassen müsse. Eine solche Ausweisung müsse allerdings verhältnismäßig sein und die Grundrechte beachten.

36

Dazu ist festzustellen, dass Art. 20 AEUV die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt lässt, sich u. a. auf eine Ausnahme wegen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu berufen. Da die Situation von CS aber dem Unionsrecht unterliegt, ist bei ihrer Beurteilung das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) zu berücksichtigen, wobei dieser Artikel im Zusammenhang mit der Verpflichtung zu sehen ist, das Wohl des Kindes, wie es in Art. 24 Abs. 2 der Charta anerkannt ist, zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Dezember 2009, Detiček, C‑403/09 PPU, EU:C:2009:810, Rn. 53 und 54).

37

Im Übrigen sind die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ als Rechtfertigung für eine Abweichung vom Aufenthaltsrecht der Unionsbürger oder ihrer Familienangehörigen eng auszulegen, so dass ihre Tragweite nicht ohne Kontrolle durch die Organe der Union einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Dezember 1974, van Duyn, 41/74, EU:C:1974:133, Rn. 18, vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, 30/77, EU:C:1977:172, Rn. 33, vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri, C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 64 und 65, vom 27. April 2006, Kommission/Deutschland, C‑441/02, EU:C:2006:253, Rn. 34, und vom 7. Juni 2007, Kommission/Niederlande, C‑50/06, EU:C:2007:325, Rn. 42).

38

Dabei hat der Gerichtshof entschieden, dass der Begriff „öffentliche Ordnung“ jedenfalls voraussetzt, dass außer der Störung der sozialen Ordnung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

39

Zum Begriff „öffentliche Sicherheit“ geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass er sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst, so dass die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen die öffentliche Sicherheit berühren können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. November 2010, Tsakouridis, C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 43 und 44, und vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 65 und 66). Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass der Begriff „öffentliche Sicherheit“ die Bekämpfung der mit bandenmäßigem Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 45 und 46) oder des Terrorismus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. November 2002, Oteiza Olazabal, C‑100/01, EU:C:2002:712, Rn. 12 und 35) umfasst.

40

In diesem Kontext ist davon auszugehen, dass eine Ausweisung wegen des Vorliegens einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aufgrund der Straftaten, die ein für Kinder, die Unionsbürger sind, allein sorgeberechtigter Drittstaatsangehöriger begangen hat, mit dem Unionsrecht vereinbar sein kann.

41

Ein solcher Schluss kann jedoch nicht automatisch allein auf der Grundlage der Vorstrafen des Betroffenen gezogen werden. Vorausgehen muss stets eine konkrete Beurteilung sämtlicher aktuellen, relevanten Umstände des Einzelfalls durch das nationale Gericht unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, des Wohls des Kindes und der Grundrechte, deren Beachtung der Gerichtshof sichert.

42

Bei dieser Beurteilung sind daher u. a. das persönliche Verhalten des Betroffenen, die Dauer und Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats, die Art und Schwere der begangenen Straftat, der Grad der gegenwärtigen Gefährlichkeit des Betroffenen für die Gesellschaft, das Alter des Kindes und sein Gesundheitszustand sowie seine familiäre und wirtschaftliche Situation zu berücksichtigen.

43

Im vorliegenden Fall sieht nach den Angaben des vorlegenden Gerichts die nationale Regelung, um die es im Ausgangsverfahren geht, bei einer Person, die nicht die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besitzt und wegen einer strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwölf Monaten verurteilt wurde, vor, dass der Erlass einer Ausweisungsverfügung durch den Innenminister obligatorisch ist, es sei denn, dass sie „Rechte des Straftäters aus den EU-Verträgen verletzen würde“.

44

Diese Regelung knüpft an die strafrechtliche Verurteilung der betreffenden Person also offenbar automatisch und systematisch die entsprechende Ausweisungsverfügung an. Jedenfalls besteht eine Vermutung dafür, dass die betreffende Person aus dem Vereinigten Königreich auszuweisen ist.

45

Wie oben in den Rn. 40 bis 42 ausgeführt, kann das bloße Vorliegen von Vorstrafen aber nicht eine Ausweisungsverfügung rechtfertigen, durch die dem Kind von CS der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm der Unionsbürgerstatus verleiht, genommen würde.

46

Angesichts der Erwägungen in Rn. 40 des vorliegenden Urteils wird das vorlegende Gericht zunächst zu ermitteln haben, inwieweit das Verhalten von CS oder die von ihr begangene Straftat eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft oder des Aufnahmemitgliedstaats berührt und eine Ausweisung aus dem Vereinigten Königreich zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zu rechtfertigen vermag.

47

Dabei wird das vorlegende Gericht zum einen einzuschätzen haben, wie gefährlich das strafrechtlich relevante Verhalten von CS für die Gesellschaft ist, und zum anderen, welche Folgen es für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats haben könnte.

48

Im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Abwägung muss das vorlegende Gericht auch die Grundrechte, deren Beachtung der Gerichtshof sichert, und insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 7 der Charta berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. November 2010, Tsakouridis, C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 52) und darauf achten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.

49

Im vorliegenden Fall ist bei der Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen das Wohl des Kindes zu berücksichtigen. In besonderem Maß sind seinem Alter, seiner Situation im betreffenden Mitgliedstaat und dem Grad seiner Abhängigkeit vom Elternteil Rechnung zu tragen (vgl. in diesem Sinne EGMR, 3. Oktober 2014, Jeunesse/Niederlande, CE:ECHR:2014:1003JUD001273810, § 118).

50

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 20 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein wegen einer Straftat verurteilter Drittstaatsangehöriger auch dann in den Drittstaat auszuweisen ist, wenn er tatsächlich für ein Kleinkind sorgt, das die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt, in dem es sich seit seiner Geburt aufgehalten hat, ohne von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht zu haben, und das wegen der Ausweisung des Drittstaatsangehörigen das Unionsgebiet verlassen müsste, so dass ihm der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde. Unter außergewöhnlichen Umständen darf ein Mitgliedstaat jedoch eine Ausweisungsverfügung erlassen, sofern sie auf dem persönlichen Verhalten des Drittstaatsangehörigen beruht, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaats berührt, und die verschiedenen einander gegenüberstehenden Interessen berücksichtigt werden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies zu überprüfen.

Kosten

51

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 20 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ein wegen einer Straftat verurteilter Drittstaatsangehöriger auch dann in den Drittstaat auszuweisen ist, wenn er tatsächlich für ein Kleinkind sorgt, das die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt, in dem es sich seit seiner Geburt aufgehalten hat, ohne von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht zu haben, und das wegen der Ausweisung des Drittstaatsangehörigen das Gebiet der Europäischen Union verlassen müsste, so dass ihm der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde. Unter außergewöhnlichen Umständen darf ein Mitgliedstaat jedoch eine Ausweisungsverfügung erlassen, sofern sie auf dem persönlichen Verhalten des Drittstaatsangehörigen beruht, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft des Mitgliedstaats berührt, und die verschiedenen einander gegenüberstehenden Interessen berücksichtigt werden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, dies zu überprüfen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Europäischer Gerichtshof Urteil, 13. Sept. 2016 - C-304/14

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