Bundesverfassungsgericht Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren, 06. Feb. 2018 - 2 BvR 1368/17

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2018:rk20180206.2bvr136817
bei uns veröffentlicht am06.02.2018

Tenor

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

Gründe

1

Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde hat die Anordnung und Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft zum Gegenstand.

I.

2

Der Beschwerdeführer befindet sich auf Grundlage des Haftbefehls des Amtsgerichts Lübeck vom 11. Mai 2016 seit dem 21. Oktober 2016 ununterbrochen in Untersuchungshaft.

3

Gegen die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft wandte sich der Beschwerdeführer zunächst im fachgerichtlichen Verfahren mit der Beschwerde. Nachdem das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht die Beschwerde mit hier angefochtener Entscheidung zurückgewiesen hatte, hat der Beschwerdeführer unter dem 19. Juni 2017 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

4

Mit Entscheidung vom 28. Juni 2017 hat das Landgericht Lübeck den Beschwerdeführer zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und Haftfortdauer angeordnet. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Beschwerdeführer mit der Revision.

5

Im Hinblick auf die prozessual überholende Haftfortdauerentscheidung vom 28. Juni 2017 hat der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde mit Schriftsatz vom 8. August 2017 für erledigt erklärt. Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2018 hat er um Hergabe einer Auslagenentscheidung gemäß § 34a BVerfGG ersucht.

II.

6

Dem Beschwerdeführer sind die durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen nicht zu erstatten.

7

1. Vor dem Hintergrund, dass das Verfahren über die Verfassungsbeschwerde kostenfrei ist (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), ist das Ersuchen des Beschwerdeführers auf Hergabe einer Auslagenentscheidung als Antrag auf Erstattung seiner notwendigen Auslagen auszulegen.

8

2. Über die Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen dar (vgl. BVerfGE 49, 70 <89>; 66, 152 <154>). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall - falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind - davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren der beschwerdeführenden Person selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung jedoch grundsätzlich nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>).

9

3. Nach diesen Maßstäben scheidet die Anordnung einer Auslagenerstattung aus. Die gegenwärtige Belastung des Antragstellers durch die hier angegriffenen Haftentscheidungen hat sich ausschließlich durch die prozessual überholende Haftfortdauerentscheidung des Landgerichts Lübeck vom 28. Juni 2017 erledigt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nicht geltend gemacht. Umstände, die eine Auslagenerstattung aus Billigkeitsgesichtspunkten rechtfertigten, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesverfassungsgericht Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren, 06. Feb. 2018 - 2 BvR 1368/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesverfassungsgericht Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren, 06. Feb. 2018 - 2 BvR 1368/17

Referenzen - Gesetze

Bundesverfassungsgericht Gegenstandswertfestsetzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren, 06. Feb. 2018 - 2 BvR 1368/17 zitiert 2 §§.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34a


(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen ein

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 34


(1) Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts ist kostenfrei. (2) Das Bundesverfassungsgericht kann eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes

Referenzen

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts ist kostenfrei.

(2) Das Bundesverfassungsgericht kann eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes einen Mißbrauch darstellt oder wenn ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 32) mißbräuchlich gestellt ist.

(3) Für die Einziehung der Gebühr gilt § 59 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung entsprechend.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.

(1) Das Verfahren des Bundesverfassungsgerichts ist kostenfrei.

(2) Das Bundesverfassungsgericht kann eine Gebühr bis zu 2.600 Euro auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde oder der Beschwerde nach Artikel 41 Abs. 2 des Grundgesetzes einen Mißbrauch darstellt oder wenn ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung (§ 32) mißbräuchlich gestellt ist.

(3) Für die Einziehung der Gebühr gilt § 59 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung entsprechend.