Bundessozialgericht Urteil, 28. Aug. 2018 - B 8 SO 9/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:280818UB8SO917R0
bei uns veröffentlicht am28.08.2018

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2017 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Übernahme von PKW-Reparaturkosten als Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

2

Der 1981 geborene Kläger ist körperlich und geistig behindert. Seit 2001 besucht er eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM); die Kosten werden vom Beklagten getragen. Wegen seiner körperlichen Behinderung ist er auf die Benutzung eines Rollstuhls mit Kopfstützen angewiesen. Die Pflegekasse hat die Pflegestufe III festgestellt. Vom örtlich zuständigen Sozialhilfeträger (Rhein-Sieg-Kreis) bezieht er laufende Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII sowie (Bescheid vom 23.1.2014) eine monatliche Mobilitätsbeihilfe von 1070 Euro (Betreuungskosten 570 Euro, Fahrtkosten 500 Euro). Seit 2015 erbringt der Beklagte neben den Kosten für den Besuch der WfbM zudem Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe nach dem SGB XII in Form von Assistenzleistungen im Rahmen eines (vorläufigen) persönlichen Budgets.

3

Im Dezember 2005 und Januar 2006 bewilligte der Beklagte die Übernahme von Kosten des behindertengerechten Umbaus eines PKW Ford Tourneo Connect (Bescheide vom 21.12.2005 und 18.1.2006) und in den Jahren 2008, 2009 sowie 2011 von Reparaturkosten an dem PKW-Umbau (Bescheide vom 28.8.2008, 13.7.2009 und 3.6.2011). Am 11.4.2014 beantragte der Kläger beim Rhein-Sieg-Kreis die Übernahme bereits beglichener Reparaturkosten für den PKW in Höhe von insgesamt 4181,61 Euro (Rechnungen vom 10.4.2014 über 2445,61 Euro, vom 22.11.2013 über 346,59 Euro, vom 29.5.2013 über 497,66 Euro und vom 13.12.2012 über 891,75 Euro); der Kreis leitete diesen Antrag an den Beklagten (Eingang 16.4.2014) als überörtlichen Sozialhilfeträger weiter. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil er Kenntnis vom Bedarf erst nach Auftragsvergabe und Begleichung der Rechnungen gehabt habe (Bescheid vom 23.4.2014, Widerspruchsbescheid unter beratender Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 15.4.2015).

4

Während das Sozialgericht (SG) Köln den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt hat, den Antrag des Klägers auf Übernahme der Reparaturkosten des von ihm genutzten PKW unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (Urteil vom 16.12.2015), hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der geltend gemachte Bedarf durch Begleichung der betreffenden Rechnungen bereits vor Kenntnis des Beklagten vom spezifischen Bedarfsfall als solchem weggefallen sei und damit Leistungen der Sozialhilfe (rückwirkend) nicht mehr zu erbringen seien (Urteil vom 11.5.2017).

5

Mit seiner Revision macht der Kläger eine Verletzung des § 18 SGB XII geltend. Für den Beklagten sei erkennbar gewesen, dass ein regelmäßiger Reparaturbedarf bestehe.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16. Dezember 2015 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz).

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zu den Umständen der Begleichung der Werkstattrechnungen sowie zu der Frage, ob der Kläger auf das Kfz angewiesen ist, nicht abschließend entscheiden, ob er vom Beklagten eine Neubescheidung seines Antrags auf Übernahme der Kfz-Reparaturkosten im Wege der Eingliederungshilfe verlangen kann.

11

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23.4.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.4.2015 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte die Übernahme der Reparaturkosten für das vom Kläger genutzte und behindertengerecht umgebaute Kfz abgelehnt hat. Hiergegen wendet sich der Kläger nur noch mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage (§ 54 Abs 1, § 131 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 3 SGG). An der zunächst erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 5, § 56 SGG) hat er nicht mehr festgehalten, nachdem das SG den Beklagten (nur) zur Neubescheidung verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen hat und der Kläger keine Berufung eingelegt hat.

12

Ob der beklagte Landschaftsverband als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die Erstattung der Kfz-Reparaturkosten als Leistung der Eingliederungshilfe nach Landesrecht sachlich und örtlich zuständig ist (§ 98 Abs 1, § 97 Abs 2 iVm § 3 Abs 3 SGB XII, §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land NRW vom 16.12.2004 - GVBl NRW 816 - iVm der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW vom 16.12.2004 - GVBl NRW 817), kann offenbleiben, weil er jedenfalls wegen der an ihn erfolgten Weiterleitung des Antrags durch den örtlichen Sozialhilfeträger nach § 14 Abs 1 und 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -(SGB IX, hier noch in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004, BGBl I 606 - aF) als sog zweitangegangener Rehabilitationsträger ("aufgedrängte Zuständigkeit" vgl nur BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 2 RdNr 9; BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 12) zuständig geworden ist bzw - ausgehend von einem durch den behindertengerechten Umbau des Kfz eingeleiteten (einheitlichen) Rehabilitationsgeschehen - als erstangegangener Rehabilitationsträger zuständig war.

13

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf (eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über) die Übernahme der Kosten für die Reparaturen des vom Kläger genutzten PKW ist § 19 Abs 3 Satz 1 SGB XII(in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) iVm §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII(ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 27.12.2003) und § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX aF iVm § 10 Abs 6 Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO).

14

Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Nach § 53 Abs 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Der Kläger ist neben seiner geistigen Behinderung auch körperlich behindert, deshalb auf einen Rollstuhl angewiesen und damit wesentlich in seiner Fähigkeit eingeschränkt, an der Gesellschaft teilzuhaben (s § 1 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO).

15

Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX aF und die auf Grundlage der Ermächtigung des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Nach § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO gilt dabei die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz (auch) als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft iS von § 54 Abs 1 SGB XII. Daneben sieht § 10 Abs 6 Eingliederungshilfe-VO vor, dass als Versorgung mit anderen Hilfsmitteln auch Hilfe in angemessenem Umfang zur Instandhaltung (sowie durch Übernahme der Betriebskosten) eines Kfz gewährt werden kann, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kfz angewiesen ist oder angewiesen sein wird.

16

Die in § 10 Eingliederungshilfe-VO geregelten Leistungen über den Umfang der Versorgung mit anderen Hilfsmitteln sind mit Ausnahme der in § 10 Abs 6 Eingliederungshilfe-VO genannten Hilfen akzessorisch zur Versorgung mit dem konkreten Hilfsmittel(Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 10 Eingliederungshilfe-VO RdNr 6). Dies bedeutet, dass die in § 8 Eingliederungshilfe-VO geregelte Beschaffung eines Kfz nicht Voraussetzung für die in § 10 Abs 6 Eingliederungshilfe-VO genannte Übernahme der Instandhaltungs- und Betriebskosten oder der Kosten der Erlangung einer Fahrerlaubnis ist. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass der behinderte Mensch das Kfz selbst bedienen kann (BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25; BVerwGE 55, 31, 33 f).

17

Ob dieses Fahrzeug im Eigentum des Klägers stand, ist ebenfalls unerheblich. Der Senat hat im Falle eines minderjährigen Kindes bereits entschieden (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R - Juris RdNr 18), dass eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse der Einstandsgemeinschaft vorzunehmen ist. Dies entspricht dem Regelungskonzept des SGB XII, das ua in § 16 SGB XII mit dem Gebot familiengerechter Leistungen und in § 19 Abs 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, wonach bei minderjährigen Kindern auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern abzustellen ist. Dies gilt mit Einschränkungen (etwa im Zusammenhang mit der Ermessensausübung) auch für erwachsene schwerbehinderte Kinder, die - wie hier - mit einem Elternteil zusammenleben, der gleichzeitig Betreuer ist. Das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht ist auch gegenüber volljährigen Kindern - wie schon § 1618a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu entnehmen ist - Grundlage der gesamten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses(dazu Götz in Palandt, BGB, 77. Aufl 2018, § 1618a RdNr 1). Im Sozialrecht zeigt sich dies etwa auch bei § 2 Abs 2 Nr 3 Bundeskindergeldgesetz (BKGG), der für den Anspruch auf Kindergeld keine Altersgrenze vorsieht, wenn das "Kind" wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

18

Einem Anspruch des Klägers steht auch § 18 SGB XII nicht entgegen. Nach § 18 SGB XII setzt die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen (sog Kenntnisgrundsatz). Die Bewilligung von Sozialhilfe ist nach dieser Regelung formal nicht von einem Antrag abhängig (vgl dazu näher Mrozynski, ZFSH/SGB 2007, 463 ff). Da § 18 SGB XII zum Schutz des Hilfebedürftigen einen niedrigschwelligen Zugang zum Sozialhilfesystem sicherstellen will(BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 15 RdNr 20; Armborst in LPK-SGB XII, 11. Aufl 2018, § 18 SGB XII RdNr 4; vgl auch Berlit, Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013; Teil I Kap 7 RdNr 28), ist es für das Einsetzen der Sozialhilfe vielmehr ausreichend, dass die Notwendigkeit der Hilfe dargetan oder sonst wie erkennbar ist, nicht aber in welchem Umfang die Hilfe geleistet werden muss (BSG SozR 4-3500 § 62 Nr 1 RdNr 18; BVerwG Beschluss vom 9.11.1976 - V B 80.76 -, FEVS 25, 133, 135; BVerwG Buchholz 436.0 § 5 Nr 15 BSHG). Deshalb wird die Kenntnis iS von § 18 SGB XII durch die positive Kenntnis vom spezifischen Bedarfsfall (Unterhalt eines behindertengerecht umgebauten Kfz dazu gleich; vgl BSGE 121, 139 = SozR 4-3500 § 18 Nr 3; BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 21; BSGE 121, 139 = SozR 4-3500 § 18 Nr 3; wohl aA Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 18 RdNr 22, der auf die "konkrete Leistung" abstellt) vermittelt, nicht erst durch den konkreten finanziellen Bedarf (zu zahlender Rechnungsbetrag, vgl zur Sozialhilfe für Deutsche im Ausland BSG SozR 4-3500 § 24 Nr 1 RdNr 24 auch für BSGE vorgesehen; weitergehend mit der Konsequenz, dass § 18 SGB XII keine Anwendung findet: Bestattung und Begleichung der Bestattungsrechnung ohne vorherige Unterrichtung der Sozialhilfebehörde BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1 RdNr 15). Die weitere Sachverhaltsaufklärung - insbesondere hinsichtlich des Bedarfsumfangs - obliegt dann dem Sozialhilfeträger (§ 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -; BSG SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 23).

19

Ausgehend von diesen Grundsätzen hatte der Beklagte die für die Erbringung der Leistung erforderliche Kenntnis. Er bewilligte dem körperlich und geistig behinderten Kläger selbst den behindertengerechten Umbau des Kfz und übernahm die insoweit anfallenden Reparaturkosten als Leistungen der Eingliederungshilfe, weil dem Kläger die Fortbewegung nur mit einem Rollstuhl möglich war (der Beklagte) ging also selbst davon aus, dass der Kläger auf ein Kfz angewiesen sei. Anderenfalls hätte er die Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau des eingesetzten Kfz ablehnen müssen (dazu unten). Folglich wusste er nicht nur, dass (überhaupt) ein Kfz existiert, sondern auch, dass das Kfz zur Fortbewegung und zum Transport des Klägers (ggf aber auch Dritter, insbesondere der Mutter) eingesetzt wurde und (aus seiner Sicht) erforderlich war. Die Bedarfslage ist dabei das Angewiesensein auf ein Kfz und in diesem Zusammenhang dessen Unterhalt, wozu nicht nur die erforderlichen Betriebskosten, sondern - was § 10 Abs 6 Eingliederungshilfe-VO ausdrücklich bestätigt ("Instandhaltung") - auch die unregelmäßig anfallenden Wartungs- und Reparaturkosten gehören, die dem Kläger Fahrten mit einem verkehrstüchtigen Kfz ermöglichen und dadurch die bestimmungsgemäße Nutzung des behindertengerechten Umbaus sichern. Vereinfacht gesagt: mit Reparaturen ist bei einem Kfz gewissermaßen immer zu rechnen (vgl BSGE 121, 139 = SozR 4-3500 § 18 Nr 3, RdNr 11, vgl auch BSG SozR 4-3500 § 62 Nr 1 RdNr 18). Der Akte des Beklagten ist sogar - ohne dass dies das LSG allerdings festgestellt hätte und ohne dass es für die Entscheidung des Senats erheblich wäre - zu entnehmen, dass der Kläger im Jahr 2008 einen vom Beklagten abgelehnten (Bescheid vom 8.2.2008; Widerspruchsbescheid vom 20.8.2008) Antrag auf Übernahme der Betriebs- und Instandhaltungskosten im Rahmen eines persönlichen Budgets gestellt hat. Die Kenntnis über die Bedarfslage setzt nicht voraus, dass der konkrete finanzielle Bedarf bereits besteht und deshalb entsprechende Ermittlungen nach sich zieht. Vielmehr genügt es, dass bei einer in dem aufgezeigten Sinn (durchgehend) bestehenden Kenntnis vom Bedarfsfall Reparaturen erst durchgeführt werden, wenn sie erforderlich sind, und der Sozialhilfeträger auch dann erst wegen der zu begleichenden Rechnung und des von ihm auszuübenden Ermessens (wobei eine Unterrichtung des Sozialhilfeträgers erst nach der Reparatur zu Lasten des Hilfebedürftigen in die Abwägung einbezogen werden kann, s unten) in die konkrete Sachverhaltsermittlung eintritt.

20

Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seiner Entscheidung vom 20.4.2016 - B 8 SO 5/15 R - (BSGE 121, 139 = SozR 4-3500 § 18 Nr 3), wonach der Sozialhilfeträger bei völlig neuen, einmaligen Bedarfssituationen keine für eine Leistung erforderliche Kenntnis besitzt. Denn die Bedarfssituation (Bedarfslage oder Bedarfsfall) ist nach oben Gesagtem gerade nicht neu. Ob der Senat an seiner Rechtsauffassung bei neuen, einmaligen Bedarfssituationen in dem in dieser Entscheidung aufgezeigten Umfang festhält, bedarf deshalb keiner Entscheidung.

21

Der Senat kann indes nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger wegen seiner Behinderung auf die regelmäßige Benutzung eines Kfz angewiesen ist oder angewiesen sein wird. Dies beurteilt sich in erster Linie nach dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (eingehend BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R - Juris RdNr 15 ff mwN). Hierzu gehört es insbesondere, den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 53 Abs 3 SGB XII). Die Formulierung verdeutlicht, dass es insgesamt ausreicht, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern. Maßgeblich sind im Ausgangspunkt die Wünsche des behinderten Menschen (§ 9 Abs 2 SGB XII); wie sich aus § 9 Abs 3 Eingliederungshilfe-VO ergibt ("im Einzelfall"), gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25, 26; SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22).

22

Das LSG hat - aus seiner Sicht zu Recht - keine tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) dazu getroffen, ob das Kfz im oben aufgezeigten Sinne unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele war oder ob andere Möglichkeiten als die Benutzung eines Kfz zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar hätten genutzt werden können. Das Angewiesensein auf ein Kfz wäre nämlich dann zu verneinen, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und/oder (ggf unter ergänzender) Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes, ggf auch durch Leistungen der zuständigen Krankenkasse (§ 60 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung) zumutbar hätten verwirklicht werden können (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R - Juris RdNr 17). An dem Angewiesensein bestehen schon deshalb gewisse Zweifel, weil der Kläger (jedenfalls seit Anfang Januar 2014) eine monatliche Mobilitätsbeihilfe von 1070 Euro erhält. Sollten die Ermittlungen allerdings ergeben, dass entsprechende Alternativen, die eine angemessene Lebensführung ermöglichten, nicht oder nicht ausreichend bestanden haben, war der Kläger auf ein Kfz angewiesen.

23

Ob schließlich einem Anspruch des Klägers entgegensteht, dass seine Mutter die angefallenen Kosten für die Reparaturen des Kfz beglichen hat und damit der finanzielle Bedarf bereits gedeckt ist, kann der Senat ebenfalls nicht abschließend beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Senats setzen Sozialhilfeleistungen zwar vom Grundgedanken her einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz ) nicht, wenn der Bedürftige seinen Bedarf mit Hilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung von Sozialhilfe vorleistenden Dritten gedeckt hat, weil der Sozialhilfeträger nach Kenntnis vom Bedarfsfall nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (BSGE 112, 67 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1, RdNr 25; BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 26 mwN; BSGE 116, 210 ff = SozR 4-3500 § 28 Nr 9, RdNr 12; BVerwGE 96, 18 ff; Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 18 SGB XII, RdNr 40). Jedenfalls bei den ersten drei Werkstattrechnungen muss bezweifelt werden, dass die Mutter des Klägers die Rechnungen in der Erwartung beglichen hat, der Sozialhilfeträger werde dem Kläger diese Kosten erstatten. Denn dann wäre der zeitliche Abstand zwischen der Bezahlung der Rechnungen und der an den Beklagten gestellten Forderung nicht nachvollziehbar. Insoweit spricht Vieles dafür, dass die Mutter damit nur eine eigene Schuld gegenüber der Kfz-Werkstatt begleichen wollte. Allerdings mag es auch schlüssige Gründe für ein Zuwarten der Mutter des Klägers geben. Bei der letzten Rechnung, die vom Tag der Antragstellung stammt, verhält es sich hingegen anders. Hier spricht Vieles dafür, dass die Mutter die Rechnung nur im Vorgriff auf die zu erwartenden Leistungen der Sozialhilfe beglichen hat. Das LSG wird zu den Umständen und Motiven, die zur Begleichung der Rechnungen führten, die erforderlichen Feststellungen ggf nachholen müssen.

24

Das LSG wird daneben auch Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen treffen müssen. Nach § 19 Abs 3 SGB XII ist Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist. Diese Feststellungen sind nicht entbehrlich, denn es handelt sich bei den Kosten für die Kfz-Hilfe nicht um eine privilegierte Hilfe nach § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII. Die Bedürftigkeit (im maßgebenden Zeitpunkt) kann auch nicht etwa deshalb unterstellt werden, weil der Kläger Grundsicherungsleistungen bezieht. War der Kläger bedürftig, wofür trotz fehlender Feststellungen des LSG alles spricht, kann der Beklagte im Hinblick darauf, dass der Sozialhilfeträger über Art und Maß der Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (§ 17 Abs 2 SGB XII), bei einer ggf erforderlichen Neubescheidung die Einkommensverhältnisse der Eltern bzw des Elternteils und den Umfang sowie den Schwerpunkt der Nutzung des Kfz durch diese berücksichtigen. Er kann auch berücksichtigen, dass die Betreuerin (Mutter des Klägers) die Rechnungen zu einem Zeitpunkt vorgelegt hat, der das Aufzeigen von Alternativen unmöglich gemacht hat, der Beklagte quasi vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Umgekehrt ist bei der Ausübung des Ermessens aber auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte bereits die Kosten für den behindertengerechten Umbau des Kfz getragen hat und es deshalb widersprüchlich sein könnte, die Übernahme von Leistungen nach § 10 Abs 6 Eingliederungshilfe-VO (ganz) abzulehnen, wenn der Einsatz des behindertengerechten Umbaus dadurch gefährdet würde.

25

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

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(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden. (2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen z

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(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 erfassen1.die Anzahl der gestellten Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe differenziert nach Leistungsgruppen im Sinne von § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5,2.die Anzahl der Weiterleitungen nach

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1618a Pflicht zu Beistand und Rücksicht


Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 16 Familiengerechte Leistungen


Bei Leistungen der Sozialhilfe sollen die besonderen Verhältnisse in der Familie der Leistungsberechtigten berücksichtigt werden. Die Sozialhilfe soll die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe anregen und den Zusammenhalt der Familie festigen.

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Bundessozialgericht Urteil, 28. Aug. 2018 - B 8 SO 9/17 R zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundessozialgericht Urteil, 28. Aug. 2018 - B 8 SO 9/17 R zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 12. Dez. 2013 - B 8 SO 18/12 R

bei uns veröffentlicht am 12.12.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2011, soweit es über die Berufung im Verfahren - S 12 SO 33/09 - entschieden hat, aufgeh

Referenzen

(1) Die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.

(2) Wird einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe oder einer nicht zuständigen Gemeinde im Einzelfall bekannt, dass Sozialhilfe beansprucht wird, so sind die darüber bekannten Umstände dem zuständigen Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle unverzüglich mitzuteilen und vorhandene Unterlagen zu übersenden. Ergeben sich daraus die Voraussetzungen für die Leistung, setzt die Sozialhilfe zu dem nach Satz 1 maßgebenden Zeitpunkt ein.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die Verwaltungsstelle rechtlich dazu in der Lage und diese Frage ohne weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.

(3) Hält das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsakts für rechtswidrig, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(4) Hält das Gericht eine Wahl im Sinne des § 57b oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig, so spricht es dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben.

(5) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.

(1a) Abweichend von Absatz 1 ist im Falle der Auszahlung der Leistungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und bei Anwendung von § 34a Absatz 7 der nach § 34c zuständige Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Schule liegt. Die Zuständigkeit nach Satz 1 umfasst auch Leistungen an Schülerinnen und Schüler, für die im Übrigen ein anderer Träger der Sozialhilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig ist oder wäre.

(2) Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.

(3) In den Fällen des § 74 ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt.

(4) Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 106 und 109 entsprechend.

(5) Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt.

(6) Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches zu erbringen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach diesem Buch nach § 98 des Neunten Buches, soweit das Landesrecht keine abweichende Regelung trifft.

(1) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist.

(2) Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass so weit wie möglich für Leistungen im Sinne von § 8 Nr. 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist.

(3) Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für

1.
(weggefallen)
2.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66,
3.
Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 bis 69,
4.
Leistungen der Blindenhilfe nach § 72
sachlich zuständig.

(4) Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74.

(5) (weggefallen)

(1) Die Sozialhilfe wird von örtlichen und überörtlichen Trägern geleistet.

(2) Örtliche Träger der Sozialhilfe sind die kreisfreien Städte und die Kreise, soweit nicht nach Landesrecht etwas anderes bestimmt wird. Bei der Bestimmung durch Landesrecht ist zu gewährleisten, dass die zukünftigen örtlichen Träger mit der Übertragung dieser Aufgaben einverstanden sind, nach ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch geeignet sind und dass die Erfüllung dieser Aufgaben in dem gesamten Kreisgebiet sichergestellt ist.

(3) Die Länder bestimmen die überörtlichen Träger der Sozialhilfe.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Eltern, Vormünder, Pfleger und Betreuer, die bei den ihnen anvertrauten Personen Beeinträchtigungen (§ 2 Absatz 1) wahrnehmen oder durch die in § 34 genannten Personen hierauf hingewiesen werden, sollen im Rahmen ihres Erziehungs- oder Betreuungsauftrags diese Personen einer Beratungsstelle nach § 32 oder einer sonstigen Beratungsstelle für Rehabilitation zur Beratung über die geeigneten Leistungen zur Teilhabe vorstellen.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 erfassen

1.
die Anzahl der gestellten Anträge auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe differenziert nach Leistungsgruppen im Sinne von § 5 Nummer 1, 2, 4 und 5,
2.
die Anzahl der Weiterleitungen nach § 14 Absatz 1 Satz 2,
3.
in wie vielen Fällen
a)
die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 1 Satz 1,
b)
die Dreiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 2 sowie
c)
die Zweiwochenfrist nach § 14 Absatz 2 Satz 3
nicht eingehalten wurde,
4.
die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Erteilung des Gutachtenauftrages in Fällen des § 14 Absatz 2 Satz 3 und der Vorlage des Gutachtens,
5.
die durchschnittliche Zeitdauer zwischen Antragseingang beim leistenden Rehabilitationsträger und der Entscheidung nach den Merkmalen der Erledigung und der Bewilligung,
6.
die Anzahl der Ablehnungen von Anträgen sowie der nicht vollständigen Bewilligung der beantragten Leistungen,
7.
die durchschnittliche Zeitdauer zwischen dem Datum des Bewilligungsbescheides und dem Beginn der Leistungen mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19, wobei in den Fällen, in denen die Leistung von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 erbracht wurde, das Merkmal „mit und ohne Teilhabeplanung nach § 19“ nicht zu erfassen ist,
8.
die Anzahl der trägerübergreifenden Teilhabeplanungen und Teilhabeplankonferenzen,
9.
die Anzahl der nachträglichen Änderungen und Fortschreibungen der Teilhabepläne einschließlich der durchschnittlichen Geltungsdauer des Teilhabeplanes,
10.
die Anzahl der Erstattungsverfahren nach § 16 Absatz 2 Satz 2,
11.
die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des Persönlichen Budgets,
12.
die Anzahl der beantragten und bewilligten Leistungen in Form des trägerübergreifenden Persönlichen Budgets,
13.
die Anzahl der Mitteilungen nach § 18 Absatz 1,
14.
die Anzahl der Anträge auf Erstattung nach § 18 nach den Merkmalen „Bewilligung“ oder „Ablehnung“,
15.
die Anzahl der Rechtsbehelfe sowie der erfolgreichen Rechtsbehelfe aus Sicht der Leistungsberechtigten jeweils nach den Merkmalen „Widerspruch“ und „Klage“,
16.
die Anzahl der Leistungsberechtigten, die sechs Monate nach dem Ende der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben, soweit die Maßnahme von einem Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 7 erbracht wurde.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 melden jährlich die im Berichtsjahr nach Absatz 1 erfassten Angaben an ihre Spitzenverbände, die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 6 und 7 jeweils über ihre obersten Landesjugend- und Sozialbehörden, zur Weiterleitung an die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation in einem mit ihr technisch abgestimmten Datenformat. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation wertet die Angaben unter Beteiligung der Rehabilitationsträger aus und erstellt jährlich eine gemeinsame Übersicht. Die Erfassung der Angaben soll mit dem 1. Januar 2018 beginnen und ein Kalenderjahr umfassen. Der erste Bericht ist 2019 zu veröffentlichen.

(3) Der Bund erstattet der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation die notwendigen Aufwendungen für folgende Tätigkeiten:

1.
die Bereitstellung von Daten,
2.
die Datenaufarbeitung und
3.
die Auswertungen über das Rehabilitationsgeschehen.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2011, soweit es über die Berufung im Verfahren - S 12 SO 33/09 - entschieden hat, aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind noch die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs (Kfz) Opel Vivaro (im April 2008).

2

Der 2003 geborene Kläger leidet an einer Lissenzephalie Typ I (durch eine Genmutation bewirkte, unvollständige Entwicklung des Gehirns). Er ist deshalb in seiner Entwicklung erheblich verzögert, auf den Rollstuhl angewiesen; er leidet zudem unter Epilepsie, verbunden mit Krampfanfällen. Ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "G", "B" und "H" sind festgestellt. Seit 1.12.2008 erhält er Pflegegeld von der Pflegekasse nach Pflegestufe III und wird zu Hause von seiner Mutter betreut, weil er wegen behinderungsbedingter Überforderung keinen Kindergarten besuchen kann. Der Vater des Klägers arbeitet an zwei bis drei Tagen pro Woche zu Hause, an den übrigen Wochentagen an seinem Dienstort. Für den Weg dorthin nutzte er ein - weiteres - Kfz.

3

Anfang Januar 2008 beantragte der Vater für den Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz, um im Rollstuhl sitzend transportiert werden zu können. Seit der Geburt der Schwester könne der Rollstuhl nicht mehr (zusammen mit deren Kinderwagen) im Kofferraum des der Mutter zur Verfügung stehenden Kfz transportiert werden, ohne zuvor auseinandergenommen zu werden. Man sei auf ein zweites Fahrzeug angewiesen. Dieses werde für den Weg zu Therapien (therapeutisches Reiten, Krankengymnastik), für Arztbesuche, Ausflüge, Urlaube, den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie des Gottesdienstes und für Einkäufe und sonstige Erledigungen bei einer Gesamtfahrleistung von 1520 km pro Monat benötigt.

4

Im April 2008 erwarb der Kläger, finanziert durch den Vater, einen gebrauchten Opel Vivaro (Opel) zum Preis von 13 350 Euro, nachdem er dem Beklagten im März 2008 mitgeteilt hatte, das bisher von seiner Frau für Fahrten mit dem Kläger genutzte Kfz sei kaputtgegangen. Der Arbeitgeber des Vaters gab hierfür einen Zuschuss von 2500 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für die Anschaffung des Opel ab (Bescheid vom 27.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 11.2.2009).

5

Während die Klage erstinstanzlich insoweit erfolgreich war, als der Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt worden ist, den Antrag des Klägers auf Übernahme von Leistungen der Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines Kfz neu zu bescheiden (Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 5.5.2010, - S 12 SO 33/09), wies das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz auf die Berufung des Beklagten die mit dem Verfahren S 12 SO 119/09 (Übernahme von Kosten für Inspektion und Instandhaltung des Opel) verbundene Klage ab (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ständig auf ein Fahrzeug angewiesen. Fahrten zu Ärzten seien ohne Bedeutung, weil entsprechende Aufwendungen von der Krankenkasse zu tragen seien. Dies gelte grundsätzlich auch für Fahrten zum therapeutischen Reiten, selbst wenn die Krankenkasse die Therapiekosten nicht, die Beihilfestelle des Vaters des Klägers die Kosten nur zu 80 % übernehme. Einkaufsfahrten könnten auch ohne den Kläger durchgeführt werden, weil der Vater regelmäßig zu Hause arbeite und seine Betreuung damit sichergestellt sei. Für die Teilhabe im Übrigen genüge das Angebot des Beklagten, den Behindertenfahrdienst in Anspruch nehmen zu können, weil damit soziale Kontakte im näheren Umfeld gepflegt werden könnten. Überörtliche Mobilität sicherzustellen sei nicht das Ziel der Eingliederungshilfe. Auch Personen, die nicht behindert seien, denen aber aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen kein Kfz zur Verfügung stehe, könnten am überörtlichen sozialen Leben nicht oder nur bedingt teilhaben. Weitere Aktivitäten über das örtliche Umfeld hinaus seien folglich ggf förderlich, nicht aber notwendig im sozialhilferechtlichen Sinn. Die Grundversorgung des Klägers sei nicht zuletzt durch die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen, die der Beklagte gefördert habe, gesichert.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) iVm § 8 Abs 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sowie der Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention. Das LSG habe verkannt, dass das Ziel der Eingliederungshilfe nicht die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Sozialhilfeempfänger, sondern behinderter und nicht behinderter Menschen ohne Rücksicht auf ihre Bedürftigkeit sei. An das "Angewiesensein zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Teilhabe am Arbeitsleben. Das "Angewiesensein" sei für jeden Einzelfall aufgrund Art und Ausmaß der bestehenden Behinderung in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Erst durch die mithilfe eines Kfz gesicherte Mobilität werde ihm eine menschenwürdige Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ermöglicht.

7

Der Kläger beantragt, nachdem er in der mündlichen Verhandlung seine Revision bezogen auf das ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 12 SO 119/09 geführte Verfahren zurückgenommen hat,

        

das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG - S 12 SO 33/09 - zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz), weil tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)für eine abschließende Entscheidung fehlen.

11

Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger die Revision hinsichtlich der im ursprünglichen Verfahren S 12 SO 119/09 noch streitbefangenen Ansprüche zurückgenommen hat, nur noch der Bescheid vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2009 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für die Anschaffung des Opel zu erstatten. Dagegen hat sich der Kläger bei zutreffender Auslegung seines Begehrens eigentlich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, § 56 SGG) gewandt, gerichtet auf Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hatte der Kläger allerdings lediglich den Antrag formuliert, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags zu verurteilen (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage, § 54 Abs 1, § 131 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 3 SGG), wozu das SG den Beklagten auch verurteilt hat. Da der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, ist eine weiter gehende Entscheidung nicht möglich.

12

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung des Opel gegen den gemäß § 98 Abs 1, § 97 Abs 1 SGB XII örtlich und sachlich zuständigen Landkreis Neuwied als örtlichen Träger der Sozialhilfe(§ 3 Abs 2 SGB XII, § 1 Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII vom 22.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt 571; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt - vgl nur BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1; ob der Kreis nach § 3 Abs 1 AGSGB XII durch Satzung eine Verbandsgemeinde oder verbandsfreie Gemeinde zur eigenständigen Erledigung der Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen hat, wird das LSG allerdings noch zu prüfen haben) ist § 19 Abs 3(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII(beide idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben), § 55 SGB IX und § 8 Eingliederungshilfe-VO(idF, die die Norm durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat; zur Unanwendbarkeit des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX in diesen Fällen vgl: BSGE 103, 171 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 20). Ob der Beklagte allgemein bestimmt hat, dass im Widerspruchsverfahren sozial erfahrene Dritte (§ 116 SGB XII) zu beteiligen sind (vgl § 12 AGSGB XII), mag das LSG hingegen noch verifizieren. Da sich der geltend gemachte Anspruch auf eine Geldleistung richtet, ist es rechtlich unerheblich, dass der Kläger den Opel schon vor Erlass des Ablehnungsbescheids gekauft hat; deshalb stehen §§ 2, 18 SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe; Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 21). Nur für die Frage, ob ein Leistungsanspruch besteht, ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung (Fälligkeit) der Kosten (April 2008) abzustellen (BSG, aaO, RdNr 19). Einem Kostenerstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Vater bzw die Eltern des Klägers die angefallenen Kosten bereits gezahlt hat bzw haben (dazu ausführlich BSGE 112, 67 ff RdNr 25 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).

13

Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25)- (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Denn der Kläger ist durch seine Gehbehinderung in seiner körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 4 Eingliederungshilfe-VO)und durch die unvollständige Entwicklung seines Gehirns auch in seiner geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSGE 112, 196 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 10) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-VO).

14

Ob er allerdings iS des § 8 Abs 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO auf den Opel zur Eingliederung in die Gemeinschaft tatsächlich angewiesen ist, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG(§ 163 SGG)nicht abschließend beurteilen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz wird nach § 8 Abs 1 Satz 1 Eingliederungshilfe-VO iVm Satz 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist.

15

In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs 1 SGB IX)ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl § 53 Abs 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs 2 SGB XII), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25 f).

16

Danach war vorliegend die Anschaffung des Kfz zum Erreichen der Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet. Denn der Kläger benötigte ein Kfz, um mehrmals die Woche an einem therapeutischen Reiten teilzunehmen, regelmäßig Ausflüge in den Park zu unternehmen und Verwandten- und Bekanntenbesuche durchzuführen, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie den Gottesdienst zu besuchen und seine Eltern bei Einkäufen und sonstigen Erledigungen zu begleiten. Ob Fahrten zum Einkaufen auch ohne den Kläger hätten durchgeführt werden können oder die Fahrten in ihrer Häufigkeit nicht denen mit nicht behinderten Kindern entsprachen, ist entgegen der Auffassung des LSG im Hinblick auf den anzulegenden individuellen Maßstab ohne Belang. Insbesondere ist hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte hier der Umstand wesentlich zu beachten, dass der Kläger wegen der Schwere seiner Behinderung keinen Kindergarten und keine Schule besuchen konnte, ihm also lediglich Aktivitäten außerhalb dieses gesellschaftlichen Bereichs verblieben, um überhaupt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Deshalb können Einkaufsfahrten oder regelmäßige Besuche von Verwandten und Freunden zur Teilhabe erforderlich gewesen sein, wenn auf andere Art und Weise ein Erleben von üblichen gesellschaftlichen Kontakten mit Menschen außerhalb der Familie und das Erlernen von entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen nicht hinreichend möglich waren und die Fahrten gerade deshalb mit dem Kläger unternommen wurden. Insoweit gingen seine zu berücksichtigenden Teilhabebedürfnisse über die eines nicht behinderten nicht sozialhilfebedürftigen Kindes gleichen Alters - das die maßgebliche Vergleichsgruppe darstellt - hinaus. Die Auffassung des LSG, der Kläger hätte sich mit einer Integration in das nähere häusliche Umfeld begnügen müssen, für die kein Kfz benötigt werde, steht mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht in Einklang. Ebenso wenig muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, ihm habe zu Hause ein Therapieraum zur Verfügung gestanden, der neben anderen Leistungen sog ambulanter Hilfe (zB Frühförderung, sonstiger Umbaumaßnahmen) eine Förderung seiner Entwicklung zugelassen habe. Ohnedies ist nicht erkennbar, inwieweit diese Hilfen überhaupt auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gerichtet waren. Wie ausgeführt, bestimmen zudem nicht die Vorstellungen des Beklagten die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen, sondern dessen angemessene Wünsche; für eine "Saldierung" von Leistungen existiert keine Rechtsgrundlage. Irrelevant ist außerdem, ob von dritter Seite, zB der Krankenkasse, eine bestimmte Zahl von Fahrten mit dem eigenen Kfz finanziert wurde, weil dies die Regelmäßigkeit der übrigen Fahrten nicht berührt und auf deren Notwendigkeit keinen Einfluss hat. Der Senat setzt sich damit auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Angewiesensein auf ein Kfz eine ständige, nicht nur vereinzelte oder nur gelegentliche Nutzung voraussetzen soll (BVerwGE 55, 31, 33; 111, 328, 330 f).

17

Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des LSG dazu (§ 163 SGG), ob die Anschaffung des Opel unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele war oder ob andere Möglichkeiten als die Benutzung eines Kfz zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar hätten genutzt werden können. Das Angewiesensein auf ein Kfz wäre nämlich dann zu verneinen, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggf unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar hätten verwirklicht werden können. Dabei wird neben regelmäßigen Verkehrszeiten zB auch die praktische Möglichkeit der Benutzung des Verkehrsmittels mit einem Rollstuhl zu berücksichtigen sein. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass entsprechende Alternativen nicht oder nicht ausreichend bestanden haben, war der Kläger auf ein Kfz angewiesen.

18

In diesem Fall könnte dem Anspruch auf Kostenerstattung allerdings noch entgegenstehen, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des Opel bereits ein (Familien-)Fahrzeug vorhanden war, mit dem der Vater zwar seinen Weg zur Arbeit zurücklegte, das aber nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unter der Woche an zwei bis drei Tagen sowie am Wochenende für Dienstfahrten nicht benötigt wurde. Dass dieses Fahrzeug nicht im Eigentum des Klägers stand, ist unerheblich. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse der Einstandsgemeinschaft geboten. Der Kläger war nämlich schon rein tatsächlich auch bei einem aus Sozialhilfemitteln angeschafften Kfz, immer auf die Unterstützung der Eltern zur Erreichung der Teilhabeziele angewiesen, weil er das Fahrzeug selbst gar nicht führen konnte. Dies entspricht dem Regelungskonzept des SGB XII, das ua in § 16 SGB XII mit dem Gebot familiengerechter Leistungen und in § 19 Abs 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, wonach bei minderjährigen Kindern auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern abzustellen ist(dazu gleich). Das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht ist auch Grundlage der gesamten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses im Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - (vgl § 1618a BGB; dazu Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 1618a RdNr 1).

19

Sollte das Fahrzeug seiner Größe und Beschaffenheit nach - ggf nach einem behindertengerechten Umbau (§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) - geeignet gewesen sein, damit auch den Kläger zu transportieren und durfte es - falls es sich um ein Dienstfahrzeug gehandelt hat - auch privat genutzt werden, wäre der Kläger weiterhin auf ein Kfz, nicht aber auf das Kfz (den Opel) angewiesen gewesen, für dessen Anschaffung er die Erstattung der Kosten begehrt. Denn er hätte wie Familien der maßgeblichen Vergleichsgruppe dann darauf verwiesen werden können, Termine so zu legen, dass das regelmäßig unter der Woche und an den Wochenenden zur Verfügung stehende Kfz für die Verwirklichung seiner Teilhabeziele eingesetzt wird, sollte dies auch behinderungsbedingt möglich gewesen sein und es zB keine Überforderung des Klägers mit sich gebracht haben, wenn verschiedene Termine auf einen Tag hätten gelegt werden müssen.

20

War das Kfz des Vaters hingegen nicht für Fahrten mit dem Kläger geeignet oder - wenn es sich um ein Dienstfahrzeug handelte - die private Nutzung nicht zugelassen, hätte der Beklagte ggf verlangen können, dass das vorhandene, nicht behindertengerechte Fahrzeug verkauft werde, um den Erlös zur Anschaffung eines angemessenen, behindertengerechten Fahrzeugs einzusetzen und damit das Teilhabeziel gleichermaßen zu erreichen. In diesem Fall hätte der Beklagte anstelle des Zuschusses nach § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO im Rahmen seines Ermessens gemäß § 8 Abs 2 Eingliederungshilfe-VO, der eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes(§ 2 SGB XII) ist, Leistungen (ggf nur teilweise) als Darlehen zu gewähren brauchen. Der Verkauf des Fahrzeugs hätte insoweit eine Art der zumutbaren Selbsthilfe dargestellt.

21

Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger bedürftig war. Nach § 19 Abs 3 SGB XII ist Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit den Leistungsberechtigten und, wenn sie - wie hier der Kläger - minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist, wozu bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen worden sind. Diese sind nicht entbehrlich, denn es handelt sich bei den Kosten für die Anschaffung des Opel nicht um eine privilegierte Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII(zum Verhältnis von § 92 Abs 1 und Abs 2 Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301 ff RdNr 28 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Hierfür wären spezifische, an der Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen notwendig, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssten; darüber hinaus müsste der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen liegen (ausführlich Senatsurteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R -, BSGE 112, 67 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1). An einem derartigen Personenbezug fehlt es aber bei der Hilfe zur Beschaffung eines Kfz.

22

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Bei Leistungen der Sozialhilfe sollen die besonderen Verhältnisse in der Familie der Leistungsberechtigten berücksichtigt werden. Die Sozialhilfe soll die Kräfte der Familie zur Selbsthilfe anregen und den Zusammenhalt der Familie festigen.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.

(1) Die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.

(2) Wird einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe oder einer nicht zuständigen Gemeinde im Einzelfall bekannt, dass Sozialhilfe beansprucht wird, so sind die darüber bekannten Umstände dem zuständigen Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle unverzüglich mitzuteilen und vorhandene Unterlagen zu übersenden. Ergeben sich daraus die Voraussetzungen für die Leistung, setzt die Sozialhilfe zu dem nach Satz 1 maßgebenden Zeitpunkt ein.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2011, soweit es über die Berufung im Verfahren - S 12 SO 33/09 - entschieden hat, aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind noch die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs (Kfz) Opel Vivaro (im April 2008).

2

Der 2003 geborene Kläger leidet an einer Lissenzephalie Typ I (durch eine Genmutation bewirkte, unvollständige Entwicklung des Gehirns). Er ist deshalb in seiner Entwicklung erheblich verzögert, auf den Rollstuhl angewiesen; er leidet zudem unter Epilepsie, verbunden mit Krampfanfällen. Ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "G", "B" und "H" sind festgestellt. Seit 1.12.2008 erhält er Pflegegeld von der Pflegekasse nach Pflegestufe III und wird zu Hause von seiner Mutter betreut, weil er wegen behinderungsbedingter Überforderung keinen Kindergarten besuchen kann. Der Vater des Klägers arbeitet an zwei bis drei Tagen pro Woche zu Hause, an den übrigen Wochentagen an seinem Dienstort. Für den Weg dorthin nutzte er ein - weiteres - Kfz.

3

Anfang Januar 2008 beantragte der Vater für den Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz, um im Rollstuhl sitzend transportiert werden zu können. Seit der Geburt der Schwester könne der Rollstuhl nicht mehr (zusammen mit deren Kinderwagen) im Kofferraum des der Mutter zur Verfügung stehenden Kfz transportiert werden, ohne zuvor auseinandergenommen zu werden. Man sei auf ein zweites Fahrzeug angewiesen. Dieses werde für den Weg zu Therapien (therapeutisches Reiten, Krankengymnastik), für Arztbesuche, Ausflüge, Urlaube, den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie des Gottesdienstes und für Einkäufe und sonstige Erledigungen bei einer Gesamtfahrleistung von 1520 km pro Monat benötigt.

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Im April 2008 erwarb der Kläger, finanziert durch den Vater, einen gebrauchten Opel Vivaro (Opel) zum Preis von 13 350 Euro, nachdem er dem Beklagten im März 2008 mitgeteilt hatte, das bisher von seiner Frau für Fahrten mit dem Kläger genutzte Kfz sei kaputtgegangen. Der Arbeitgeber des Vaters gab hierfür einen Zuschuss von 2500 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für die Anschaffung des Opel ab (Bescheid vom 27.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 11.2.2009).

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Während die Klage erstinstanzlich insoweit erfolgreich war, als der Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt worden ist, den Antrag des Klägers auf Übernahme von Leistungen der Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines Kfz neu zu bescheiden (Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 5.5.2010, - S 12 SO 33/09), wies das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz auf die Berufung des Beklagten die mit dem Verfahren S 12 SO 119/09 (Übernahme von Kosten für Inspektion und Instandhaltung des Opel) verbundene Klage ab (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ständig auf ein Fahrzeug angewiesen. Fahrten zu Ärzten seien ohne Bedeutung, weil entsprechende Aufwendungen von der Krankenkasse zu tragen seien. Dies gelte grundsätzlich auch für Fahrten zum therapeutischen Reiten, selbst wenn die Krankenkasse die Therapiekosten nicht, die Beihilfestelle des Vaters des Klägers die Kosten nur zu 80 % übernehme. Einkaufsfahrten könnten auch ohne den Kläger durchgeführt werden, weil der Vater regelmäßig zu Hause arbeite und seine Betreuung damit sichergestellt sei. Für die Teilhabe im Übrigen genüge das Angebot des Beklagten, den Behindertenfahrdienst in Anspruch nehmen zu können, weil damit soziale Kontakte im näheren Umfeld gepflegt werden könnten. Überörtliche Mobilität sicherzustellen sei nicht das Ziel der Eingliederungshilfe. Auch Personen, die nicht behindert seien, denen aber aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen kein Kfz zur Verfügung stehe, könnten am überörtlichen sozialen Leben nicht oder nur bedingt teilhaben. Weitere Aktivitäten über das örtliche Umfeld hinaus seien folglich ggf förderlich, nicht aber notwendig im sozialhilferechtlichen Sinn. Die Grundversorgung des Klägers sei nicht zuletzt durch die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen, die der Beklagte gefördert habe, gesichert.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) iVm § 8 Abs 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sowie der Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention. Das LSG habe verkannt, dass das Ziel der Eingliederungshilfe nicht die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Sozialhilfeempfänger, sondern behinderter und nicht behinderter Menschen ohne Rücksicht auf ihre Bedürftigkeit sei. An das "Angewiesensein zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Teilhabe am Arbeitsleben. Das "Angewiesensein" sei für jeden Einzelfall aufgrund Art und Ausmaß der bestehenden Behinderung in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Erst durch die mithilfe eines Kfz gesicherte Mobilität werde ihm eine menschenwürdige Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ermöglicht.

7

Der Kläger beantragt, nachdem er in der mündlichen Verhandlung seine Revision bezogen auf das ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 12 SO 119/09 geführte Verfahren zurückgenommen hat,

        

das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG - S 12 SO 33/09 - zurückzuweisen.

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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz), weil tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)für eine abschließende Entscheidung fehlen.

11

Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger die Revision hinsichtlich der im ursprünglichen Verfahren S 12 SO 119/09 noch streitbefangenen Ansprüche zurückgenommen hat, nur noch der Bescheid vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2009 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für die Anschaffung des Opel zu erstatten. Dagegen hat sich der Kläger bei zutreffender Auslegung seines Begehrens eigentlich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, § 56 SGG) gewandt, gerichtet auf Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hatte der Kläger allerdings lediglich den Antrag formuliert, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags zu verurteilen (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage, § 54 Abs 1, § 131 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 3 SGG), wozu das SG den Beklagten auch verurteilt hat. Da der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, ist eine weiter gehende Entscheidung nicht möglich.

12

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung des Opel gegen den gemäß § 98 Abs 1, § 97 Abs 1 SGB XII örtlich und sachlich zuständigen Landkreis Neuwied als örtlichen Träger der Sozialhilfe(§ 3 Abs 2 SGB XII, § 1 Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII vom 22.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt 571; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt - vgl nur BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1; ob der Kreis nach § 3 Abs 1 AGSGB XII durch Satzung eine Verbandsgemeinde oder verbandsfreie Gemeinde zur eigenständigen Erledigung der Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen hat, wird das LSG allerdings noch zu prüfen haben) ist § 19 Abs 3(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII(beide idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben), § 55 SGB IX und § 8 Eingliederungshilfe-VO(idF, die die Norm durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat; zur Unanwendbarkeit des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX in diesen Fällen vgl: BSGE 103, 171 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 20). Ob der Beklagte allgemein bestimmt hat, dass im Widerspruchsverfahren sozial erfahrene Dritte (§ 116 SGB XII) zu beteiligen sind (vgl § 12 AGSGB XII), mag das LSG hingegen noch verifizieren. Da sich der geltend gemachte Anspruch auf eine Geldleistung richtet, ist es rechtlich unerheblich, dass der Kläger den Opel schon vor Erlass des Ablehnungsbescheids gekauft hat; deshalb stehen §§ 2, 18 SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe; Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 21). Nur für die Frage, ob ein Leistungsanspruch besteht, ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung (Fälligkeit) der Kosten (April 2008) abzustellen (BSG, aaO, RdNr 19). Einem Kostenerstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Vater bzw die Eltern des Klägers die angefallenen Kosten bereits gezahlt hat bzw haben (dazu ausführlich BSGE 112, 67 ff RdNr 25 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).

13

Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25)- (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Denn der Kläger ist durch seine Gehbehinderung in seiner körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 4 Eingliederungshilfe-VO)und durch die unvollständige Entwicklung seines Gehirns auch in seiner geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSGE 112, 196 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 10) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-VO).

14

Ob er allerdings iS des § 8 Abs 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO auf den Opel zur Eingliederung in die Gemeinschaft tatsächlich angewiesen ist, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG(§ 163 SGG)nicht abschließend beurteilen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz wird nach § 8 Abs 1 Satz 1 Eingliederungshilfe-VO iVm Satz 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist.

15

In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs 1 SGB IX)ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl § 53 Abs 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs 2 SGB XII), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25 f).

16

Danach war vorliegend die Anschaffung des Kfz zum Erreichen der Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet. Denn der Kläger benötigte ein Kfz, um mehrmals die Woche an einem therapeutischen Reiten teilzunehmen, regelmäßig Ausflüge in den Park zu unternehmen und Verwandten- und Bekanntenbesuche durchzuführen, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie den Gottesdienst zu besuchen und seine Eltern bei Einkäufen und sonstigen Erledigungen zu begleiten. Ob Fahrten zum Einkaufen auch ohne den Kläger hätten durchgeführt werden können oder die Fahrten in ihrer Häufigkeit nicht denen mit nicht behinderten Kindern entsprachen, ist entgegen der Auffassung des LSG im Hinblick auf den anzulegenden individuellen Maßstab ohne Belang. Insbesondere ist hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte hier der Umstand wesentlich zu beachten, dass der Kläger wegen der Schwere seiner Behinderung keinen Kindergarten und keine Schule besuchen konnte, ihm also lediglich Aktivitäten außerhalb dieses gesellschaftlichen Bereichs verblieben, um überhaupt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Deshalb können Einkaufsfahrten oder regelmäßige Besuche von Verwandten und Freunden zur Teilhabe erforderlich gewesen sein, wenn auf andere Art und Weise ein Erleben von üblichen gesellschaftlichen Kontakten mit Menschen außerhalb der Familie und das Erlernen von entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen nicht hinreichend möglich waren und die Fahrten gerade deshalb mit dem Kläger unternommen wurden. Insoweit gingen seine zu berücksichtigenden Teilhabebedürfnisse über die eines nicht behinderten nicht sozialhilfebedürftigen Kindes gleichen Alters - das die maßgebliche Vergleichsgruppe darstellt - hinaus. Die Auffassung des LSG, der Kläger hätte sich mit einer Integration in das nähere häusliche Umfeld begnügen müssen, für die kein Kfz benötigt werde, steht mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht in Einklang. Ebenso wenig muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, ihm habe zu Hause ein Therapieraum zur Verfügung gestanden, der neben anderen Leistungen sog ambulanter Hilfe (zB Frühförderung, sonstiger Umbaumaßnahmen) eine Förderung seiner Entwicklung zugelassen habe. Ohnedies ist nicht erkennbar, inwieweit diese Hilfen überhaupt auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gerichtet waren. Wie ausgeführt, bestimmen zudem nicht die Vorstellungen des Beklagten die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen, sondern dessen angemessene Wünsche; für eine "Saldierung" von Leistungen existiert keine Rechtsgrundlage. Irrelevant ist außerdem, ob von dritter Seite, zB der Krankenkasse, eine bestimmte Zahl von Fahrten mit dem eigenen Kfz finanziert wurde, weil dies die Regelmäßigkeit der übrigen Fahrten nicht berührt und auf deren Notwendigkeit keinen Einfluss hat. Der Senat setzt sich damit auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Angewiesensein auf ein Kfz eine ständige, nicht nur vereinzelte oder nur gelegentliche Nutzung voraussetzen soll (BVerwGE 55, 31, 33; 111, 328, 330 f).

17

Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des LSG dazu (§ 163 SGG), ob die Anschaffung des Opel unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele war oder ob andere Möglichkeiten als die Benutzung eines Kfz zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar hätten genutzt werden können. Das Angewiesensein auf ein Kfz wäre nämlich dann zu verneinen, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggf unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar hätten verwirklicht werden können. Dabei wird neben regelmäßigen Verkehrszeiten zB auch die praktische Möglichkeit der Benutzung des Verkehrsmittels mit einem Rollstuhl zu berücksichtigen sein. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass entsprechende Alternativen nicht oder nicht ausreichend bestanden haben, war der Kläger auf ein Kfz angewiesen.

18

In diesem Fall könnte dem Anspruch auf Kostenerstattung allerdings noch entgegenstehen, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des Opel bereits ein (Familien-)Fahrzeug vorhanden war, mit dem der Vater zwar seinen Weg zur Arbeit zurücklegte, das aber nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unter der Woche an zwei bis drei Tagen sowie am Wochenende für Dienstfahrten nicht benötigt wurde. Dass dieses Fahrzeug nicht im Eigentum des Klägers stand, ist unerheblich. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse der Einstandsgemeinschaft geboten. Der Kläger war nämlich schon rein tatsächlich auch bei einem aus Sozialhilfemitteln angeschafften Kfz, immer auf die Unterstützung der Eltern zur Erreichung der Teilhabeziele angewiesen, weil er das Fahrzeug selbst gar nicht führen konnte. Dies entspricht dem Regelungskonzept des SGB XII, das ua in § 16 SGB XII mit dem Gebot familiengerechter Leistungen und in § 19 Abs 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, wonach bei minderjährigen Kindern auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern abzustellen ist(dazu gleich). Das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht ist auch Grundlage der gesamten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses im Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - (vgl § 1618a BGB; dazu Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 1618a RdNr 1).

19

Sollte das Fahrzeug seiner Größe und Beschaffenheit nach - ggf nach einem behindertengerechten Umbau (§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) - geeignet gewesen sein, damit auch den Kläger zu transportieren und durfte es - falls es sich um ein Dienstfahrzeug gehandelt hat - auch privat genutzt werden, wäre der Kläger weiterhin auf ein Kfz, nicht aber auf das Kfz (den Opel) angewiesen gewesen, für dessen Anschaffung er die Erstattung der Kosten begehrt. Denn er hätte wie Familien der maßgeblichen Vergleichsgruppe dann darauf verwiesen werden können, Termine so zu legen, dass das regelmäßig unter der Woche und an den Wochenenden zur Verfügung stehende Kfz für die Verwirklichung seiner Teilhabeziele eingesetzt wird, sollte dies auch behinderungsbedingt möglich gewesen sein und es zB keine Überforderung des Klägers mit sich gebracht haben, wenn verschiedene Termine auf einen Tag hätten gelegt werden müssen.

20

War das Kfz des Vaters hingegen nicht für Fahrten mit dem Kläger geeignet oder - wenn es sich um ein Dienstfahrzeug handelte - die private Nutzung nicht zugelassen, hätte der Beklagte ggf verlangen können, dass das vorhandene, nicht behindertengerechte Fahrzeug verkauft werde, um den Erlös zur Anschaffung eines angemessenen, behindertengerechten Fahrzeugs einzusetzen und damit das Teilhabeziel gleichermaßen zu erreichen. In diesem Fall hätte der Beklagte anstelle des Zuschusses nach § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO im Rahmen seines Ermessens gemäß § 8 Abs 2 Eingliederungshilfe-VO, der eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes(§ 2 SGB XII) ist, Leistungen (ggf nur teilweise) als Darlehen zu gewähren brauchen. Der Verkauf des Fahrzeugs hätte insoweit eine Art der zumutbaren Selbsthilfe dargestellt.

21

Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger bedürftig war. Nach § 19 Abs 3 SGB XII ist Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit den Leistungsberechtigten und, wenn sie - wie hier der Kläger - minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist, wozu bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen worden sind. Diese sind nicht entbehrlich, denn es handelt sich bei den Kosten für die Anschaffung des Opel nicht um eine privilegierte Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII(zum Verhältnis von § 92 Abs 1 und Abs 2 Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301 ff RdNr 28 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Hierfür wären spezifische, an der Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen notwendig, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssten; darüber hinaus müsste der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen liegen (ausführlich Senatsurteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R -, BSGE 112, 67 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1). An einem derartigen Personenbezug fehlt es aber bei der Hilfe zur Beschaffung eines Kfz.

22

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2011, soweit es über die Berufung im Verfahren - S 12 SO 33/09 - entschieden hat, aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind noch die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs (Kfz) Opel Vivaro (im April 2008).

2

Der 2003 geborene Kläger leidet an einer Lissenzephalie Typ I (durch eine Genmutation bewirkte, unvollständige Entwicklung des Gehirns). Er ist deshalb in seiner Entwicklung erheblich verzögert, auf den Rollstuhl angewiesen; er leidet zudem unter Epilepsie, verbunden mit Krampfanfällen. Ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "G", "B" und "H" sind festgestellt. Seit 1.12.2008 erhält er Pflegegeld von der Pflegekasse nach Pflegestufe III und wird zu Hause von seiner Mutter betreut, weil er wegen behinderungsbedingter Überforderung keinen Kindergarten besuchen kann. Der Vater des Klägers arbeitet an zwei bis drei Tagen pro Woche zu Hause, an den übrigen Wochentagen an seinem Dienstort. Für den Weg dorthin nutzte er ein - weiteres - Kfz.

3

Anfang Januar 2008 beantragte der Vater für den Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz, um im Rollstuhl sitzend transportiert werden zu können. Seit der Geburt der Schwester könne der Rollstuhl nicht mehr (zusammen mit deren Kinderwagen) im Kofferraum des der Mutter zur Verfügung stehenden Kfz transportiert werden, ohne zuvor auseinandergenommen zu werden. Man sei auf ein zweites Fahrzeug angewiesen. Dieses werde für den Weg zu Therapien (therapeutisches Reiten, Krankengymnastik), für Arztbesuche, Ausflüge, Urlaube, den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie des Gottesdienstes und für Einkäufe und sonstige Erledigungen bei einer Gesamtfahrleistung von 1520 km pro Monat benötigt.

4

Im April 2008 erwarb der Kläger, finanziert durch den Vater, einen gebrauchten Opel Vivaro (Opel) zum Preis von 13 350 Euro, nachdem er dem Beklagten im März 2008 mitgeteilt hatte, das bisher von seiner Frau für Fahrten mit dem Kläger genutzte Kfz sei kaputtgegangen. Der Arbeitgeber des Vaters gab hierfür einen Zuschuss von 2500 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für die Anschaffung des Opel ab (Bescheid vom 27.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 11.2.2009).

5

Während die Klage erstinstanzlich insoweit erfolgreich war, als der Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt worden ist, den Antrag des Klägers auf Übernahme von Leistungen der Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines Kfz neu zu bescheiden (Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 5.5.2010, - S 12 SO 33/09), wies das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz auf die Berufung des Beklagten die mit dem Verfahren S 12 SO 119/09 (Übernahme von Kosten für Inspektion und Instandhaltung des Opel) verbundene Klage ab (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ständig auf ein Fahrzeug angewiesen. Fahrten zu Ärzten seien ohne Bedeutung, weil entsprechende Aufwendungen von der Krankenkasse zu tragen seien. Dies gelte grundsätzlich auch für Fahrten zum therapeutischen Reiten, selbst wenn die Krankenkasse die Therapiekosten nicht, die Beihilfestelle des Vaters des Klägers die Kosten nur zu 80 % übernehme. Einkaufsfahrten könnten auch ohne den Kläger durchgeführt werden, weil der Vater regelmäßig zu Hause arbeite und seine Betreuung damit sichergestellt sei. Für die Teilhabe im Übrigen genüge das Angebot des Beklagten, den Behindertenfahrdienst in Anspruch nehmen zu können, weil damit soziale Kontakte im näheren Umfeld gepflegt werden könnten. Überörtliche Mobilität sicherzustellen sei nicht das Ziel der Eingliederungshilfe. Auch Personen, die nicht behindert seien, denen aber aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen kein Kfz zur Verfügung stehe, könnten am überörtlichen sozialen Leben nicht oder nur bedingt teilhaben. Weitere Aktivitäten über das örtliche Umfeld hinaus seien folglich ggf förderlich, nicht aber notwendig im sozialhilferechtlichen Sinn. Die Grundversorgung des Klägers sei nicht zuletzt durch die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen, die der Beklagte gefördert habe, gesichert.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) iVm § 8 Abs 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung) sowie der Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention. Das LSG habe verkannt, dass das Ziel der Eingliederungshilfe nicht die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Sozialhilfeempfänger, sondern behinderter und nicht behinderter Menschen ohne Rücksicht auf ihre Bedürftigkeit sei. An das "Angewiesensein zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Teilhabe am Arbeitsleben. Das "Angewiesensein" sei für jeden Einzelfall aufgrund Art und Ausmaß der bestehenden Behinderung in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Erst durch die mithilfe eines Kfz gesicherte Mobilität werde ihm eine menschenwürdige Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ermöglicht.

7

Der Kläger beantragt, nachdem er in der mündlichen Verhandlung seine Revision bezogen auf das ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 12 SO 119/09 geführte Verfahren zurückgenommen hat,

        

das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG - S 12 SO 33/09 - zurückzuweisen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz), weil tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)für eine abschließende Entscheidung fehlen.

11

Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger die Revision hinsichtlich der im ursprünglichen Verfahren S 12 SO 119/09 noch streitbefangenen Ansprüche zurückgenommen hat, nur noch der Bescheid vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2009 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für die Anschaffung des Opel zu erstatten. Dagegen hat sich der Kläger bei zutreffender Auslegung seines Begehrens eigentlich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, § 56 SGG) gewandt, gerichtet auf Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hatte der Kläger allerdings lediglich den Antrag formuliert, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags zu verurteilen (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage, § 54 Abs 1, § 131 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 3 SGG), wozu das SG den Beklagten auch verurteilt hat. Da der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, ist eine weiter gehende Entscheidung nicht möglich.

12

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung des Opel gegen den gemäß § 98 Abs 1, § 97 Abs 1 SGB XII örtlich und sachlich zuständigen Landkreis Neuwied als örtlichen Träger der Sozialhilfe(§ 3 Abs 2 SGB XII, § 1 Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII vom 22.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt 571; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt - vgl nur BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1; ob der Kreis nach § 3 Abs 1 AGSGB XII durch Satzung eine Verbandsgemeinde oder verbandsfreie Gemeinde zur eigenständigen Erledigung der Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen hat, wird das LSG allerdings noch zu prüfen haben) ist § 19 Abs 3(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII(beide idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben), § 55 SGB IX und § 8 Eingliederungshilfe-VO(idF, die die Norm durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat; zur Unanwendbarkeit des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX in diesen Fällen vgl: BSGE 103, 171 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 20). Ob der Beklagte allgemein bestimmt hat, dass im Widerspruchsverfahren sozial erfahrene Dritte (§ 116 SGB XII) zu beteiligen sind (vgl § 12 AGSGB XII), mag das LSG hingegen noch verifizieren. Da sich der geltend gemachte Anspruch auf eine Geldleistung richtet, ist es rechtlich unerheblich, dass der Kläger den Opel schon vor Erlass des Ablehnungsbescheids gekauft hat; deshalb stehen §§ 2, 18 SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe; Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 21). Nur für die Frage, ob ein Leistungsanspruch besteht, ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung (Fälligkeit) der Kosten (April 2008) abzustellen (BSG, aaO, RdNr 19). Einem Kostenerstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Vater bzw die Eltern des Klägers die angefallenen Kosten bereits gezahlt hat bzw haben (dazu ausführlich BSGE 112, 67 ff RdNr 25 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).

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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25)- (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Denn der Kläger ist durch seine Gehbehinderung in seiner körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 4 Eingliederungshilfe-VO)und durch die unvollständige Entwicklung seines Gehirns auch in seiner geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSGE 112, 196 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 10) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-VO).

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Ob er allerdings iS des § 8 Abs 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO auf den Opel zur Eingliederung in die Gemeinschaft tatsächlich angewiesen ist, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG(§ 163 SGG)nicht abschließend beurteilen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz wird nach § 8 Abs 1 Satz 1 Eingliederungshilfe-VO iVm Satz 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist.

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In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs 1 SGB IX)ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl § 53 Abs 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs 2 SGB XII), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25 f).

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Danach war vorliegend die Anschaffung des Kfz zum Erreichen der Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet. Denn der Kläger benötigte ein Kfz, um mehrmals die Woche an einem therapeutischen Reiten teilzunehmen, regelmäßig Ausflüge in den Park zu unternehmen und Verwandten- und Bekanntenbesuche durchzuführen, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie den Gottesdienst zu besuchen und seine Eltern bei Einkäufen und sonstigen Erledigungen zu begleiten. Ob Fahrten zum Einkaufen auch ohne den Kläger hätten durchgeführt werden können oder die Fahrten in ihrer Häufigkeit nicht denen mit nicht behinderten Kindern entsprachen, ist entgegen der Auffassung des LSG im Hinblick auf den anzulegenden individuellen Maßstab ohne Belang. Insbesondere ist hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte hier der Umstand wesentlich zu beachten, dass der Kläger wegen der Schwere seiner Behinderung keinen Kindergarten und keine Schule besuchen konnte, ihm also lediglich Aktivitäten außerhalb dieses gesellschaftlichen Bereichs verblieben, um überhaupt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Deshalb können Einkaufsfahrten oder regelmäßige Besuche von Verwandten und Freunden zur Teilhabe erforderlich gewesen sein, wenn auf andere Art und Weise ein Erleben von üblichen gesellschaftlichen Kontakten mit Menschen außerhalb der Familie und das Erlernen von entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen nicht hinreichend möglich waren und die Fahrten gerade deshalb mit dem Kläger unternommen wurden. Insoweit gingen seine zu berücksichtigenden Teilhabebedürfnisse über die eines nicht behinderten nicht sozialhilfebedürftigen Kindes gleichen Alters - das die maßgebliche Vergleichsgruppe darstellt - hinaus. Die Auffassung des LSG, der Kläger hätte sich mit einer Integration in das nähere häusliche Umfeld begnügen müssen, für die kein Kfz benötigt werde, steht mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht in Einklang. Ebenso wenig muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, ihm habe zu Hause ein Therapieraum zur Verfügung gestanden, der neben anderen Leistungen sog ambulanter Hilfe (zB Frühförderung, sonstiger Umbaumaßnahmen) eine Förderung seiner Entwicklung zugelassen habe. Ohnedies ist nicht erkennbar, inwieweit diese Hilfen überhaupt auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gerichtet waren. Wie ausgeführt, bestimmen zudem nicht die Vorstellungen des Beklagten die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen, sondern dessen angemessene Wünsche; für eine "Saldierung" von Leistungen existiert keine Rechtsgrundlage. Irrelevant ist außerdem, ob von dritter Seite, zB der Krankenkasse, eine bestimmte Zahl von Fahrten mit dem eigenen Kfz finanziert wurde, weil dies die Regelmäßigkeit der übrigen Fahrten nicht berührt und auf deren Notwendigkeit keinen Einfluss hat. Der Senat setzt sich damit auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Angewiesensein auf ein Kfz eine ständige, nicht nur vereinzelte oder nur gelegentliche Nutzung voraussetzen soll (BVerwGE 55, 31, 33; 111, 328, 330 f).

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Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des LSG dazu (§ 163 SGG), ob die Anschaffung des Opel unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele war oder ob andere Möglichkeiten als die Benutzung eines Kfz zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar hätten genutzt werden können. Das Angewiesensein auf ein Kfz wäre nämlich dann zu verneinen, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggf unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar hätten verwirklicht werden können. Dabei wird neben regelmäßigen Verkehrszeiten zB auch die praktische Möglichkeit der Benutzung des Verkehrsmittels mit einem Rollstuhl zu berücksichtigen sein. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass entsprechende Alternativen nicht oder nicht ausreichend bestanden haben, war der Kläger auf ein Kfz angewiesen.

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In diesem Fall könnte dem Anspruch auf Kostenerstattung allerdings noch entgegenstehen, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des Opel bereits ein (Familien-)Fahrzeug vorhanden war, mit dem der Vater zwar seinen Weg zur Arbeit zurücklegte, das aber nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unter der Woche an zwei bis drei Tagen sowie am Wochenende für Dienstfahrten nicht benötigt wurde. Dass dieses Fahrzeug nicht im Eigentum des Klägers stand, ist unerheblich. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse der Einstandsgemeinschaft geboten. Der Kläger war nämlich schon rein tatsächlich auch bei einem aus Sozialhilfemitteln angeschafften Kfz, immer auf die Unterstützung der Eltern zur Erreichung der Teilhabeziele angewiesen, weil er das Fahrzeug selbst gar nicht führen konnte. Dies entspricht dem Regelungskonzept des SGB XII, das ua in § 16 SGB XII mit dem Gebot familiengerechter Leistungen und in § 19 Abs 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, wonach bei minderjährigen Kindern auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern abzustellen ist(dazu gleich). Das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht ist auch Grundlage der gesamten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses im Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - (vgl § 1618a BGB; dazu Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 1618a RdNr 1).

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Sollte das Fahrzeug seiner Größe und Beschaffenheit nach - ggf nach einem behindertengerechten Umbau (§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) - geeignet gewesen sein, damit auch den Kläger zu transportieren und durfte es - falls es sich um ein Dienstfahrzeug gehandelt hat - auch privat genutzt werden, wäre der Kläger weiterhin auf ein Kfz, nicht aber auf das Kfz (den Opel) angewiesen gewesen, für dessen Anschaffung er die Erstattung der Kosten begehrt. Denn er hätte wie Familien der maßgeblichen Vergleichsgruppe dann darauf verwiesen werden können, Termine so zu legen, dass das regelmäßig unter der Woche und an den Wochenenden zur Verfügung stehende Kfz für die Verwirklichung seiner Teilhabeziele eingesetzt wird, sollte dies auch behinderungsbedingt möglich gewesen sein und es zB keine Überforderung des Klägers mit sich gebracht haben, wenn verschiedene Termine auf einen Tag hätten gelegt werden müssen.

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War das Kfz des Vaters hingegen nicht für Fahrten mit dem Kläger geeignet oder - wenn es sich um ein Dienstfahrzeug handelte - die private Nutzung nicht zugelassen, hätte der Beklagte ggf verlangen können, dass das vorhandene, nicht behindertengerechte Fahrzeug verkauft werde, um den Erlös zur Anschaffung eines angemessenen, behindertengerechten Fahrzeugs einzusetzen und damit das Teilhabeziel gleichermaßen zu erreichen. In diesem Fall hätte der Beklagte anstelle des Zuschusses nach § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO im Rahmen seines Ermessens gemäß § 8 Abs 2 Eingliederungshilfe-VO, der eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes(§ 2 SGB XII) ist, Leistungen (ggf nur teilweise) als Darlehen zu gewähren brauchen. Der Verkauf des Fahrzeugs hätte insoweit eine Art der zumutbaren Selbsthilfe dargestellt.

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Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger bedürftig war. Nach § 19 Abs 3 SGB XII ist Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit den Leistungsberechtigten und, wenn sie - wie hier der Kläger - minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist, wozu bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen worden sind. Diese sind nicht entbehrlich, denn es handelt sich bei den Kosten für die Anschaffung des Opel nicht um eine privilegierte Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII(zum Verhältnis von § 92 Abs 1 und Abs 2 Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301 ff RdNr 28 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Hierfür wären spezifische, an der Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen notwendig, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssten; darüber hinaus müsste der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen liegen (ausführlich Senatsurteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R -, BSGE 112, 67 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1). An einem derartigen Personenbezug fehlt es aber bei der Hilfe zur Beschaffung eines Kfz.

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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Die Sozialhilfe, mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, setzt ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen.

(2) Wird einem nicht zuständigen Träger der Sozialhilfe oder einer nicht zuständigen Gemeinde im Einzelfall bekannt, dass Sozialhilfe beansprucht wird, so sind die darüber bekannten Umstände dem zuständigen Träger der Sozialhilfe oder der von ihm beauftragten Stelle unverzüglich mitzuteilen und vorhandene Unterlagen zu übersenden. Ergeben sich daraus die Voraussetzungen für die Leistung, setzt die Sozialhilfe zu dem nach Satz 1 maßgebenden Zeitpunkt ein.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Erhält eine Person, die nicht in einer Wohnung nach § 42a Absatz 2 Satz 2 lebt, Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Fünften, Siebten, Achten oder Neunten Kapitel oder Leistungen für ärztliche oder ärztlich verordnete Maßnahmen, so kann die Aufbringung der Mittel für die Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel von ihr und den übrigen in § 19 Absatz 3 genannten Personen verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Für Leistungsberechtigte nach § 27c Absatz 1 und die übrigen in § 19 Absatz 3 genannten Personen sind Leistungen nach § 27c ohne die Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen zu erbringen; Absatz 2 findet keine Anwendung. Die Aufbringung der Mittel nach Satz 1 ist aus dem Einkommen nicht zumutbar, wenn Personen, bei denen nach § 138 Absatz 1 Nummer 3 und 6 des Neunten Buches ein Beitrag zu Leistungen der Eingliederungshilfe nicht verlangt wird, einer selbständigen und nicht selbständigen Tätigkeit nachgehen und das Einkommen aus dieser Tätigkeit einen Betrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 nicht übersteigt; Satz 2 gilt entsprechend.

(2) Darüber hinaus soll in angemessenem Umfang die Aufbringung der Mittel aus dem gemeinsamen Einkommen der leistungsberechtigten Person und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners verlangt werden, wenn die leistungsberechtigte Person auf voraussichtlich längere Zeit Leistungen in einer stationären Einrichtung bedarf. Bei der Prüfung, welcher Umfang angemessen ist, ist auch der bisherigen Lebenssituation des im Haushalt verbliebenen, nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie der im Haushalt lebenden minderjährigen unverheirateten Kinder Rechnung zu tragen.

(3) Hat ein anderer als ein nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtiger nach sonstigen Vorschriften Leistungen für denselben Zweck zu erbringen, wird seine Verpflichtung durch Absatz 2 nicht berührt. Soweit er solche Leistungen erbringt, kann abweichend von Absatz 2 von den in § 19 Absatz 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel verlangt werden.

(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.

(2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern.