Bundessozialgericht Beschluss, 19. Okt. 2016 - B 14 AS 51/16 B

19.10.2016

Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. Januar 2016 werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Beschluss vom 27.1.2016 hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG Stade vom 4.5.2015 als unzulässig verworfen. Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 1.6.2015 zugestellte Urteil des SG haben die Kläger am 14.8.2015 Berufungen eingelegt und zugleich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung ist vorgetragen, die Kläger hätten das Urteil, das ihnen vom Prozessbevollmächtigten zeitnah nach Zustellung übersandt worden sei, erst am 16.7.2015 erhalten und sich am 17.7.2015 telefonisch bei dem Prozessbevollmächtigten gemeldet. Nachdem das LSG den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss vom 25.9.2015 abgelehnt hatte, weil durch den unbefristeten Streik der Deutschen Post AG im relevanten Zeitraum außergewöhnliche Ereignisse vorgelegen hätten, die den Prozessbevollmächtigten zu einer Überwachung des Zugangs wichtiger Schreiben hätten veranlassen müssen, ist mit dem vorliegenden angefochtenen Beschluss des LSG die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist verworfen worden.

2

Mit ihren Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG machen die Kläger einen Verfahrensfehler geltend, weil unter Verletzung von § 67 SGG der Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt worden sei. Außerdem rügen die Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art 103 Abs 1 GG, weil sie durch die Verwerfung der Berufung als unzulässig gehindert gewesen seien, neuen Vortrag zu bringen.

3

II. Die gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Beschluss des LSG gerichteten Beschwerden der Kläger sind zurückzuweisen, weil sie jedenfalls unbegründet sind. Die Voraussetzungen des von den Klägern allein geltend gemachten Zulassungsgrunds des Verfahrensmangels, auf dem die angefochtenen Entscheidungen des LSG beruhen können (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), sind nicht erfüllt.

4

Ein Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist ein Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug(siehe nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 Nr 16a mwN). Vor diesem Hintergrund greift die Rüge einer Verletzung des § 67 SGG vorliegend unmittelbar nicht durch, denn das LSG hat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit einem gesonderten Beschluss vom 25.9.2015 abgelehnt, der gemäß § 177 SGG unanfechtbar war. Unanfechtbare Vorentscheidungen sind aber gemäß § 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 und § 512 ZPO nicht im Rahmen eines Revisionsverfahrens zu überprüfen, was für den vorliegenden Fall bedeutet, dass die beanstandete Ablehnung der Wiedereinsetzung als solche ohnehin nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein könnte und die entsprechende Rüge daher auch nicht zur Zulassung der Revision führen kann.

5

Ein Verfahrensmangel kann aber auch das Urteil selbst betreffen, wenn zB statt eines Sachurteils ein Prozessurteil ergangen ist oder umgekehrt (siehe bereits BSG Urteil vom 27.7.1972 - 2 RU 2/69 - BSGE 34, 236, 237; BSG Urteil vom 20.3.1973 - 8/7 RU 11/70 - BSGE 35, 267, 271). In dem genannten Rahmen wäre auch die Entscheidung des LSG über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Maßgabe des § 67 SGG mittelbar zu überprüfen. Wenn man die Rüge "Prozess- statt Sachurteil" aufgrund des gesamten Vortrags in der Beschwerdebegründung als sinngemäß erhoben erachten würde, griffe sie vorliegend nicht durch, denn das LSG hat zu Recht die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist (§ 151 Abs 1 SGG) durch Beschluss gemäß § 158 SGG als unzulässig verworfen, weil gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am 1.6.2015 zugestellte Urteil erst am 14.8.2015 und damit nicht innerhalb der einmonatigen Frist Berufung eingelegt worden ist (§ 160a Abs 1, § 64 Abs 2 SGG). Zutreffend hat das LSG insoweit entschieden, dass der von den Klägern behauptete Zugang des anwaltlichen Schreibens bezüglich der Frage, ob Berufung eingelegt werden soll, erst am 16.7.2015 bei den Klägern im vorliegenden Fall eine unverschuldete Fristversäumung nicht begründen kann.

6

Zwar darf ein Absender grundsätzlich darauf vertrauen, dass die Post die normalen Postlaufzeiten einhält, dies gilt jedoch nicht bei voraussehbarer Verzögerung wegen außergewöhnlicher Ereignisse, insbesondere wenn die Verzögerungsgefahren bekannt gemacht worden sind oder offenkundig waren und wenn die Beteiligten Kenntnis davon haben mussten, dass eine konkrete Gefahr von Verzögerungen bestand, wie dies zB bei einem - hier gegebenen - längerfristigen Streik der Fall ist (siehe dazu nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 67 RdNr 6c). Insoweit ist bereits geklärt, dass für einen solchen Fall, in dem der Absender ausnahmsweise nicht auf die normale Postlaufzeit vertrauen darf, er entweder einen anderen Übermittlungsweg wählen oder sich (bei Gericht) erkundigen muss, ob die Sendung eingegangen ist (vgl BVerfG Beschluss vom 29.12.1994 - 2 BvR 106/93 - NJW 1995, 1210; BGH Beschluss vom 9.12.1992 - VIII ZB 30/92 - NJW 1993, 1333). Dasselbe gilt auch für einen Prozessbevollmächtigten, der seinen Mandanten über den Inhalt einer Entscheidung sowie über Rechtsmittelmöglichkeiten einschließlich der einzuhaltenden Fristen unterrichtet und diesen auffordert, rechtzeitig mitzuteilen, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden soll. In Ausnahmefällen - so zB bei Streik - muss der Rechtsanwalt bei Schweigen des Mandanten nachfragen oder ohne konkrete Beauftragung ein Rechtsmittel einlegen (BSG Urteil vom 29.1.2001 - B 7 AL 8/00 R - SozR 3-1500 § 67 Nr 20 S 56 wo eine Pflicht zur Nachfrage mit Bezug auf Rechtsprechung des BGH und des BFH bejaht wurde, wenn mit besonderen Schwierigkeiten bei der Postzustellung zu rechnen ist). So lag es hier, denn nach den Feststellungen des LSG in seinem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehnenden Beschluss war es im vorliegenden Fall offenkundig, dass die konkrete Gefahr von Verzögerungen bei der Postzustellung bestand (vgl BVerfG Beschluss vom 29.12.1994, aaO), nachdem nach mehreren, in Abständen ausgerufenen Streiks bei der Deutschen Post AG unter großem medialen Interesse ein unbefristeter Streik zwischen dem 8.6. und dem 5.7.2015 stattfand.

7

Auch die Rüge einer Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) greift nicht durch. Zur Begründung haben die Kläger allein vorgetragen, sie seien durch die Verwerfung der Berufung als unzulässig gehindert gewesen neuen Vortrag zu bringen. Es mangelt aber insofern an der Darstellung, was vorgetragen worden wäre und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann, also der Darstellung der Entscheidungserheblichkeit des verhinderten Vorbringens (siehe dazu Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kapitel, RdNr 204 mwN).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 67


(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stelle

Zivilprozessordnung - ZPO | § 557 Umfang der Revisionsprüfung


(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 64


(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung. (2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 158


Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entsc

Zivilprozessordnung - ZPO | § 512 Vorentscheidungen im ersten Rechtszug


Der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.

Der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.