Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juni 2018 - X ZR 34/16

bei uns veröffentlicht am19.06.2018
vorgehend
Bundespatentgericht, 1 Ni 25/14, 27.10.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

Berichtigt durch Beschluss
vom 28. November 2018
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 34/16 Verkündet am:
19. Juni 2018
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2018:190618UXZR34.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Gröning und Hoffmann sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 25. Oktober 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 847 496 (Streitpatents), das am 29. August 1996 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 1. September 1995 angemeldet wurde und nach Erlass des angefochtenen Urteils durch Zeitablauf erloschen ist. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage und eine Windenergieanlage. Es umfasst vier Patentansprüche; die nebengeordneten Ansprüche 1 und 4 lauten in der Verfahrenssprache: "1. Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage mit Pitchregelung , wobei die Leistung der Windenergieanlage wie auch die Betriebsdrehzahl des Rotors ab Erreichen einer die Windenergieanla- ge überlastungsgefährdeten Windgeschwindigkeit abhängig vom Anstieg der Wind- oder Anströmgeschwindigkeit kontinuierlich reduziert wird. 4. Windenergieanlage mit Pitchregelung, gekennzeichnet durch eine Einrichtung zur automatischen Leistungs- und Rotorbetriebszahlminderung ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungsgefährdeten Windgeschwindigkeit abhängig vom Anstieg der Windoder Anströmgeschwindigkeit bzw. der wahren oder relativen Windgeschwindigkeit."
2
Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin hat geltend gemacht, dessen Gegenstand sei nicht patentfähig und gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen hinaus. Zudem offenbare das Streitpatent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent im Hauptantrag und elf Hilfsanträgen in gegenüber der erteilten Fassung abgeänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der Klage im Übrigen für nichtig erklärt, soweit der Gegenstand des Schutzrechts über die mit dem Hauptantrag verteidigte, aus dem Tenor des angefochtenen Urteils vom 27. Oktober 2015 ersichtliche Fassung hinausgeht. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent weiterhin mit ihren erstinstanzlichen Anträgen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage und eine Windenergieanlage.
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1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift sind die Rotorblätter einer Windenergieanlage einem Staudruck ausgesetzt, der diese abhängig von den herrschenden Windverhältnissen mehr oder weniger stark belastet. Der auf die Rotorblätter wirkende Staudruck hänge von der Anströmgeschwindigkeit ab, die sich vektoriell aus der tatsächlichen Windgeschwindigkeit und der örtlichen Umfangsgeschwindigkeit an einem Ort des Rotorblatts zusammensetze. Ab einer bestimmten maximalen Anströmgeschwindigkeit erreiche eine Windenergieanlage ihre Belastungsgrenze. Aus den Veröffentlichungen von Gasch ("Windkraftanlagen", B.G. Teubner Stuttgart, S. 303 ff., NI-23) und von Hau ("Windkraftanlagen", Springer-Verlag 1988, S. 323 f., 330 ff.) sei bekannt, dass Windenergieanlagen abgeschaltet würden, wenn eine maximale Windgeschwindigkeit erreicht werde, um die Belastung der Anlage zu begrenzen. Insbesondere bei Windparks habe das Abschalten der Anlagen bei Erreichen der maximalen Windgeschwindigkeit und das Wiederanschalten bei nachlassendem Wind indessen starke Leistungsgradienten zur Folge, da die Anlagen nahezu gleichzeitig ab- und wiederanschalteten. Dies führe zu unvermittelten Spannungsänderungen im elektrischen Netz, an das die Windkraftanlagen angeschlossen seien. Aus der europäischen Patentanmeldung 266 715 (NI-8) sei eine Windenergieanlage mit einer passiven Pitchregelung bekannt, mit der bei steigender Windgeschwindigkeit unter Beibehaltung einer konstanten Drehzahl die Anlage nicht abgeschaltet, sondern lediglich in der Leistung reduziert werde.
7
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, einen Leistungsabfall einer Windenergieanlage zu vermeiden, wenn die maximale Windgeschwindigkeit erreicht wird, und so den Ertrag der Anlage zu erhöhen und dennoch die Belastung der Anlage bei höheren Windgeschwindigkeiten zu begrenzen.
8
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung in Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage und in Patentanspruch 4 eine Windenergieanlage mit einer Einrichtung vor, die eine automatische Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens gewährleisten soll.
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a) Die Merkmale des Verfahrens nach Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung lassen sich wie folgt gliedern (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen bzw. durchgestrichen; Gliederungspunkte des Patentgerichts sind in eckigen Klammern wiedergegeben): 1.1 Das Verfahren dient dem Betreiben einer Windenergieanlage mit Pitchregelung [1M0; 1M0.1; 1M1]. 1.2 Die Pitchregelung weist eine aktive Blattverstellung auf [1M1]. 1.3 Ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit werden abhängig vom Anstieg der Wind- oder Anströmgeschwindigkeit kontinuierlich reduziert [1M4; 1M5]: 1.3.1 die Leistung der Windenergieanlage [1M2] und 1.3.2 die Betriebsdrehzahl des Rotors [1M3].
10
b) Die Merkmale der Windenergieanlage nach Patentanspruch 4 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung lassen sich wie folgt gliedern (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen bzw. durchgestrichen ; Gliederungspunkte des Patentgerichts sind in eckigen Klammern wiedergegeben ): 4.1 Die Windenergieanlage [4M0] weist auf 4.1.1 eine Pitchregelung mit einer aktiven Blattverstellung [4M1] und 4.1.2 eine Einrichtung zur automatischen Minderung [4M2] 4.1.2.1 der Leistung [4M2] und 4.1.2.2 der Rotorbetriebsdrehzahl [4M2]. 4.2 Die automatische Minderung der Leistungs- und Rotorbetriebsdrehzahl erfolgt 4.2.1 ab Erreichen einer die Windenergieanlage überlastungsgefährdenden Windgeschwindigkeit [4M3] 4.2.2 abhängig vom Anstieg der Wind- oder Anströmgeschwindigkeit bzw. der wahren oder relativen Windgeschwindigkeit [4M4].
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3. Zum Verständnis der erfindungsgemäßen Lehre und einzelner Merkmale sind folgende Bemerkungen veranlasst:
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a) Der Gegenstand des Verfahrensanspruchs 1 und des nebengeordneten Sachanspruchs 4 bezieht sich auf eine pitchgeregelte Windenergieanlage.
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aa) Windenergieanlagen sollen einerseits einen optimalen Energieertrag erzielen und daher von der Windleistung so viel wie möglich in Energie umwandeln. Andererseits soll die Nennleistung, auf die eine Windenergieanlage ausgelegt ist, nicht überschritten werden, um Materialschäden und eine Überlastung der Anlage zu vermeiden. Die Leistung einer Windenergieanlage muss daher an die Windgeschwindigkeit angepasst werden. Bei einer pitchgeregelten Windenergieanlage geschieht dies durch Verdrehen der Rotorblätter (Blattwinkelverstellung ). Dadurch wird der Anstellwinkel der Rotorblätter (Winkel zwischen der Richtung des anströmenden Fluids und der Profilsehne) und damit der vom Wind an dem aerodynamischen Profil der Rotorblätter erzeugte Auftrieb verändert. Ist die Windgeschwindigkeit so hoch, dass die Nennleistung überschritten würde, wird die Leistungsabgabe begrenzt, indem die Rotorblätter so weit aus dem Wind gedreht werden, dass die Anlage konstant bei der Nennleistung bleibt. Umgekehrt werden die Rotorblätter in den Wind gedreht, wenn die Nennleistung - beispielsweise beim Anfahren der Anlage - noch nicht erreicht ist oder - bei Nachlassen des Windes - nicht mehr erreicht wird. In der optimalen Arbeitsposition, in der von der Windleistung so viel wie möglich in mechanische Energie umgewandelt wird, sind die Rotorblätter so im Wind positioniert , dass der Pitchwinkel (Winkel zwischen der Drehebene des Rotors und der Profilsehne) 0° beträgt. Mit zunehmendem Pitchwinkel wird der Anstellwinkel des Blattprofils des Rotors kleiner und der Auftrieb verringert sich. Bei Sturm werden die Rotorblätter bei den im Stand der Technik bekannten pitchgeregelten Windenergieanlagen zum Schutz vor Schäden in die Fahnenstellung gebracht , bei der die Rotorblätter so aus dem Wind gedreht sind, dass die Windenergieanlage nur noch langsam dreht oder stillsteht. Der Pitchwinkel beträgt in dieser Position 90°.
14
bb) Nach den Merkmalen 1.2 und 4.1.1 weist die Pitchregelung der erfindungsgemäßen Windenergieanlage eine aktive Blattverstellung auf.
15
Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift ist die aktive Blattverstellung eine Möglichkeit zur Reduzierung der Betriebsdrehzahl einer pitchgeregelten Windenergieanlage, bei der durch Änderung des Anstellwinkels des Rotorblatts der Auftrieb am Rotorblatt beeinflusst wird (Beschr. Abs. 15).
16
Das Patentgericht hat angenommen, dies verstehe der Fachmann bereits im herkömmlichen Sinn und insbesondere auch in Bezug auf das Streitpatent dahin, dass der Pitchwinkel (Blatteinstellwinkel) der Rotorblätter nicht wie bei der in der Streitpatentschrift im Rahmen der Darstellung des Standes der Technik angesprochenen passiven Pitchregelung unmittelbar durch die Windenergie selbst verstellt, sondern durch eine Fremdkraft, wie Hydraulikzylinder oder elektrische Stellmotoren, verändert werde.
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Dies hält den Angriffen der Berufung stand, die meint, eine aktive Blattverstellung , wie sie in der Streitpatentschrift definiert sei, liege auch dann vor, wenn die Änderung des Anstellwinkels der Rotorblätter ohne elektrische oder hydraulische Antriebe unmittelbar durch die Windkraft erfolge, so dass das Streitpatent auch Anlagen erfasse, bei denen der Anstellwinkel der Rotorblätter unmittelbar durch die Windenergie verstellt werde.
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Dem kann nicht beigetreten werden. Die Streitpatentschrift unterscheidet ausdrücklich zwischen passiver Pitchregelung, die aus der europäischen Patentanmeldung 266 715 (NI-8) bekannt sei, und aktiver Blattverstellung, mit der die erfindungsgemäße Windenergieanlage ausgestattet ist. Die NI-8 betrifft eine Windenergieanlage, deren Steuereinrichtung für die Blattverstellung (blade pitch controller) als eine passive mechanische Vorrichtung (passive mechanical device) beschrieben wird, die die Windkraft und die den Rotorblättern innewoh- nenden Trägheitskräfte ausnutzt, und es so ermöglicht, dass die Rotorblätter sich unter dem Eindruck dieser Kräfte verstellen und in dem für das Pitchen zur Verfügung stehenden Freiheitsgrad bei sich ändernden Windbedingungen die jeweils optimale Stellung einnehmen (NI-8 S. 4 Z. 42-52; S. 5 Z. 47-50). Die NI-8 schildert es als vorteilhaft, dass bei der Verwendung einer Nabe mit einer passiven Pitchregelung auf den Einsatz einer ansonsten erforderlichen komplizierten Steuerelektronik sowie auf interaktive Sensoren und Rückkopplungen verzichtet werden könne (NI-8 S. 6 Z. 2-4). Dies verdeutlicht, dass eine Pitchregelung , bei der die Blattverstellung durch einen durch die Windkraft selbst ausgelösten Mechanismus erfolgt, nicht im Sinne der Merkmale 1.2 und 4.1.1 aktiv ist. Unter diese Merkmale fallen lediglich Systeme, bei denen die Blattverstellung in der Weise - aktiv - gesteuert wird, dass Windgeschwindigkeit und Leistungsabgabe ständig gemessen und die Rotorblätter über einen Steuerungsbefehl bei steigender Windgeschwindigkeit und zunehmender Leistung aus dem Wind und bei nachlassendem Wind und abnehmender Leistung in den Wind gedreht werden.
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b) Wesentlich für die erfindungsgemäße Lehre ist die Bereitstellung eines Verfahrens, mit dem eine Windkraftanlage auch noch oberhalb einer Windgeschwindigkeit weiterbetrieben werden kann, bei der herkömmliche Anlagen bisher abgeschaltet werden müssen, um eine Überlastung und Schädigung aufgrund der großen Krafteinwirkung zu vermeiden. Ausgehend von der Erkenntnis , dass der das Rotorblatt belastende Staudruck (q; vgl. Beschr. Abs. 2: Gleichung (1)) und die auf das Blattprofil wirkende Kraft (FA = Auftriebskraft; vgl. Beschr. Abs. 5: Gleichung (5)) jeweils von der Umfangsgeschwindigkeit (vw) und damit von der Betriebsdrehzahl des Rotors abhängen, besteht der Kern der erfindungsgemäßen Lehre darin, dass einem Anwachsen der Belastung einer Windenergieanlage bei steigender Windgeschwindigkeit mit der Reduzierung der Drehzahl des Rotors begegnet werden kann (Beschr. Abs. 13) und damit die Windenergieanlage bei Erreichen einer bestimmten Grenzgeschwindigkeit zur Vermeidung von Belastungen nicht mehr abgeschaltet werden muss, son- dern weiterbetrieben werden kann, wenn die Leistung der Windenergieanlage bzw. die Betriebsdrehzahl des Rotors abhängig vom Anstieg der Windgeschwindigkeit gedrosselt werden. Da die Windenergieanlage danach auch noch oberhalb der üblichen Abschaltgeschwindigkeit weiter betrieben werden kann, verbessern sich der Energieertrag und die Netzverträglichkeit der Windenergieanlage (Beschr. Abs. 14). Die überlastungsgefährdende Windgeschwindigkeit im Sinne der Merkmale 1.3 und 4.2.1 entspricht der Abschaltgeschwindigkeit bei den Windenergieanlagen im Stand der Technik (Beschr. Abs. 19 und Figur

1).

20
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
21
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung sei gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht unzulässig erweitert.
22
Dass bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1 und der Windenergieanlage nach Patenanspruch 4 die Leistung der Windenergieanlage und die Betriebsdrehzahl des Rotors gleichzeitig reduziert werden sollen, gehe auch aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen hervor. Die Konjunktion "bzw." werde in den Anmeldeunterlagen im Sinne von "und" verwendet. Außerdem sei der Figur 1 in den Anmeldeunterlagen zu entnehmen, dass bei Erreichen der maximalen Windgeschwindigkeit Leistung und Drehzahl gleichzeitig abfielen.
23
Entgegen der Auffassung der Klägerin gehe der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 4 auch nicht deshalb über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus, weil anders als bei den entsprechenden Ansprüchen 1 und 5 in der Anmeldung in den Merkmalen 1.3 und 4.2.2 das Wort "weiteren" vor dem Wort "Anstieg" gestrichen und in Merkmal 1.3 vor dem Wort "reduziert" das Wort "kontinuierlich" aufgenommen worden sei. Die verteidigte Fassung der Patentansprüche 1 und 4 sei wie die Ansprüche 1 und 5 in der angemeldeten Fassung dahin zu verstehen, dass die Leistung und die Betriebsdrehzahl noch nicht reduziert würden, solange die überlastungsgefährdende Windgeschwindigkeit nur erreicht, aber nicht durch einen - weiteren - Anstieg der Windgeschwindigkeit überschritten werde. Ferner ergebe sich aus Figur 1, die in den Anmeldeunterlagen und in der Streitpatentschrift identisch enthalten sei, dass die Kennlinien für die Leistung und die Drehzahl ab Überschreiten der Grenzgeschwindigkeit kontinuierlich und ohne Sprünge stetig abfielen.
24
Die Aufnahme der Merkmale 1.2 und 4.1.1, die in den Anmeldunterlagen in einer mit Abs. 15 der Streitpatentschrift übereinstimmenden Passage offenbart seien, stelle eine Beschränkung des Gegenstands des Streitpatents dar.
25
Der Gegenstand der Patentansprüche 1 und 4 sei neu und werde dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
26
Die japanische Offenlegungsschrift Sho 56-150999 (NI-5) betreffe eine Windturbine, die bei Überschreiten der Betriebswindgeschwindigkeit nicht sofort abschalte, sondern zunächst die Rotorblätter in die Fahnenstellung drehe (feat- hering) und dabei erst dann vom Netz genommen werde, wenn die Rotordrehzahl auf 50% der Nenndrehzahl gefallen sei. Die Reduzierung der Leistung und der Drehzahl in der Phase, in der die Anlage noch an das Stromnetz angeschlossen sei, erfolge jedoch anders als beim Streitpatent nicht in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit. Werde die Betriebswindgeschwindigkeit überschritten , werde das Abschalten der Anlage eingeleitet, indem die Rotorblätter unmittelbar in die Fahnenstellung gedreht würden. Die Turbine werde dabei nur deshalb nicht sofort vom Netz genommen, um zu verhindern, dass während des Drehens der Rotorblätter in die Fahnenstellung die Drehgeschwindigkeit der Turbine aufgrund des dann zwar sinkenden, aber dennoch vorhandenen (aerodynamischen ) Antriebsdrehmoments unerwünscht ansteigt. Damit werde lediglich ein Drehen der Rotorblätter offenbart, das zwar durch das Überschreiten der Betriebswindgeschwindigkeit in Gang gesetzt werde, aber in dem Sinn ungeregelt sei, als es im weiteren Verlauf nicht mehr von der Windgeschwindigkeit beeinflusst, sondern unabhängig hiervon bis zum Erreichen der Fahnenstellung durchgeführt werde. Es fehle daher an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 1.3 und des Merkmals 4.2.2. Die NI-5 gebe dem Fachmann auch keine Anregung , eine Windenergieanlage entsprechend diesen Merkmalen so auszulegen, dass sie bei Erreichen der maximalen Windgeschwindigkeit nicht abgestellt werden muss, sondern die Leistung und die Rotorbetriebsdrehzahl in Abhängigkeit vom Anstieg der Windgeschwindigkeit reduziert werden kann.
27
Die Veröffentlichung von Bossanyi (NI-6) beziehe sich auf eine aktiv pitchgeregelte Windkraftanlage mit einem Synchrongenerator und schlage vor, bei Erreichen der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit die Anlage nicht unmittelbar abzuschalten, sondern lediglich die Leistung abhängig von der Windgeschwindigkeit zu reduzieren. Eine gleichzeitige Reduzierung der Drehzahl, wie sie das Streitpatent in den Merkmalsgruppen 1.3 und 4.1.2 vorsehe, sei in der NI-6 indessen nicht offenbart, aber auch technisch nicht möglich, da die in Bezug genommene Anlage mit dem Synchrongenerator als drehzahlstarre Anlage ausgebildet sei. Es fehle daher an einer Offenbarung der Merkmale 1.3.2 und 4.1.2.2. Zwar möge es für den Fachmann naheliegen, das Konzept der NI-6 auf eine ihm zum Prioritätszeitpunkt bekannte drehzahlvariable, pitchgeregelte Anlage zu übertragen, weil damit vor allem bei vorüberziehenden Schlechtwetterfronten mit starken Böen und hohen Windgeschwindigkeiten schlagartige Leistungseinbrüche vermieden werden könnten. Der Fachmann könne der NI-6 jedoch keine Anregung entnehmen, ab Überschreiten der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit neben der Leistung auch gleichzeitig die Betriebsdrehzahl zu re- duzieren. Denn bei der drehzahlstarren Anlage nach NI-6 könne die Leistungsreduzierung nur über das Pitchen erfolgen, während die Drehzahl aufgrund des eingesetzten Synchrongenerators unverändert bliebe. Bei Übertragung auf eine drehzahlvariable Anlage werde der Fachmann daher die Regelung so ausführen , dass bei Überschreiten der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit die Drehzahl entsprechend der NI-6 erst einmal beibehalten und die Leistung lediglich über das Pitchen der Rotorblätter reduziert werde. Für den Fachmann sei es zwar naheliegend, die Leistung über ein verringertes Rotorbetriebsdrehmoment (durch Pitchen) zu verringern. Er werde dabei jedoch zumindest im unmittelbaren Bereich oberhalb der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit für den Betrieb der Anlage eine konstante Drehzahl beibehalten, weil dies gegenüber einer sofortigen Reduzierung der Drehzahl den Vorteil habe, dass die Anlage bei später wieder nachlassendem Wind nicht erneut auf Nenndrehzahl hochbeschleunigt werden müsse.
28
Die US-amerikanische Patentschrift 13 247 (NI-7) betreffe eine passiv pitchgeregelte Anlage und enthalte keinerlei Hinweise auf eine mögliche Verwendung zur elektrischen Energieerzeugung. Eine Übertragung dieses Systems auf ausschließlich der Stromerzeugung dienenden aktiv pitchgeregelten Windkraftanlagen, wie sie Gegenstand der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen NI-10, NI-16, NI-23, NI-24 und NI-25 seien, liege daher nicht nahe. Da die NI-7 keinen Zusammenhang zwischen Rotordrehzahl und Leistung offenbare, gebe sie auch keine Anregung zu einem Verfahren mit dem Merkmal 1.3.2 oder einer Windkraftanlage mit der Merkmalsgruppe 4.1.2.
29
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
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1. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gegenstand der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassungen der Patentansprüche 1 und 4 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Patentgerichts Bezug genommen werden.
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2. Zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand der Patentansprüche 1 und 4 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung als patentfähig angesehen. Er wird durch die Entgegenhaltungen NI-5, NI-6 und NI-7 weder vorweggenommen noch wird er dem Fachmann, gegen dessen zutreffende Definition im angefochtenen Urteil die Parteien keine Einwände erhoben haben, durch diese Entgegenhaltungen nahegelegt.
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a) Der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand der Patentansprüche 1 und 4 ist entgegen der Auffassung der Klägerin neu.
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aa) Die Entgegenhaltung NI-5 betrifft eine Vorrichtung zur Stromerzeugung aus Windkraft, die insbesondere für den Anschluss an ein Stromversorgungsnetz geeignet sein soll. Die Vorrichtung weist einen Frequenzumrichter auf, der die Rotationsgeschwindigkeit von Windrad und Generator sowie der von der Anlage erzeugten Leistung in der Weise steuern soll, dass die insoweit durch wechselnde Windgeschwindigkeiten verursachten Schwankungen aufgefangen werden und sich nicht nachteilig auf das Stromversorgungsnetz auswirken , an das die Anlage angeschlossen ist (NI-5, dt. Übers. S. 3 Abs. 2; S. 10 Abs. 3). Die Funktionsweise der Anlage bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 dargestellt:
34
Danach wird die Vorrichtung mit dem Windrotor angefahren, wobeider Pitchwinkel der Rotorblätter so reguliert wird, dass die Rotationsgeschwindigkeit des Windrades 26 in Richtung Nenngeschwindigkeit ansteigt. Hat die Rotationsgeschwindigkeit etwa 80% des Nennwerts erreicht, wird der Generator erregt und Spannung erzeugt. Ist die Nennrotationsgeschwindigkeit erreicht, wird die Nennspannung konstant gehalten (NI-5, dt. Übers. S. 9 Abs. 3). Zu diesem Zeitpunkt hat die Anlage die Einschaltgeschwindigkeit 27 erreicht und erzeugt elektrische Energie entsprechend der Windgeschwindigkeit, so dass sie über einen Thyristor an das Stromnetz angeschlossen werden kann (NI-5, dt. Übers. S. 9 Abs. 4). Diese Startphase der Anlage ist in Figur 3 als Bereich 21 dargestellt. Der Bereich 22 zeigt die Arbeitsweise der Anlage nach Erreichen der Einschaltgeschwindigkeit 27 und bis zum Erreichen der Nenngeschwindigkeit 28. In dieser Phase erhöht oder reduziert der Frequenzumrichter die elektrische Energie so, dass die Rotationsgeschwindigkeit von Windrad und Generator auf der Nennrotationsgeschwindigkeit gehalten werden; die Anlage arbeitet mit konstanter Rotationsgeschwindigkeit. Die Rotorblätter sind in einem Pitchwinkel von 0° positioniert, in dem sie direkt im Wind stehen und die Windleistung optimal ausnutzen, so dass bei zunehmender Windgeschwindigkeit die Leistung der Anlage ansteigt (vgl. NI-5, dt. Übers. S. 10 Abs. 2 und Bereich 21 in Figur 3). Steigt die Windgeschwindigkeit weiter an, werden, wenn die Anlage die Nennleistung 25 erreicht hat, die Rotorblätter in entsprechendem Umfang aus dem Wind gedreht und in einen Einstellwinkel gebracht, der sicherstellt, dass die Nennleistung nicht überschritten wird. Diese Phase ist in Figur 3 als Bereich 23 dargestellt. Nimmt die Windgeschwindigkeit in dieser Phase wieder ab, kehrt die Anlage zu der in Bereich 22 dargestellten Arbeitsweise zurück, d.h. die Rotationsgeschwindigkeit wird wieder konstant auf der Nenngeschwindigkeit gehalten und die Rotorblätter werden wieder in einen Pitchwinkel von 0° gedreht , damit aus der nunmehr verminderten Windleistung möglichst viel Energie gewonnen werden kann, um wieder auf die Nennleistung zu kommen (vgl. NI-5, dt. Übers. S. 10 Abs. 2). Übersteigt die Windgeschwindigkeit die Nenngeschwindigkeit und erreicht die Abschaltgeschwindigkeit 29, wird die Abschaltung der Anlage eingeleitet, indem die Rotorblätter vollständig aus dem Wind gedreht werden. Die Anlage nach der NI-5 erzeugt dabei noch elektrische Energie, bis die Rotationsgeschwindigkeit auf etwa 50% der Nenngeschwindigkeit fällt, um zu verhindern, dass der Rotor durch die starke Windkraft, die auch während des Drehens der Rotorblätter in die Fahnenstellung auf die Rotorblätter wirkt, nicht wieder beschleunigt wird. Wenn die Rotationsgeschwindigkeit unter 50% der Nenngeschwindigkeit gefallen ist, wird die elektrische Energie als Null angesehen und die Anlage wird vom Netz genommen (NI-5, dt. Übers. S. 10 Abs. 4). Diese Operation ist in Figur 3 als Bereich 24 dargestellt.
35
(1) Damit sind zwar von Patentanspruch 1 die Merkmale 1.1 und 1.2 und von Patentanspruch 4 das Merkmal 4.1.1 offenbart.
36
(2) Nicht offenbart sind dagegen die Merkmalsgruppen 1.3, 4.1.2 und 4.2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Darstellung des Bereichs 24 in der Figur 3 der NI-5 nicht, dass dann, wenn die Windgeschwindigkeit an sich die Abschaltgeschwindigkeit erreicht hat (und weiter ansteigt), die Rotationsgeschwindigkeit und die Leistung abhängig vom Anstieg der Windgeschwindigkeit kontinuierlich reduziert werden und so die Anlage wie beim Streitpatent trotz Erreichens der Abschaltgeschwindigkeit nicht abgeschaltet , sondern, wenn auch mit verminderter Leistung und geringerem Ertrag, weiterbetrieben wird.
37
Gegen das Verständnis der Klägerin spricht bereits, dass ein wesentliches Merkmal der Anlage nach der NI-5 darin besteht, dass die Rotorgeschwindigkeit während des Betriebs der Anlage stets konstant auf der Nennleistung gehalten wird. Die Beschreibung der NI-5 enthält keine Hinweise auf eine Reduzierung der Rotationsgeschwindigkeit bei einem Anstieg der Windgeschwindigkeit. Nachdem für die in den Bereichen 22 und 23 dargestellten Phasen detailliert beschrieben wird, wie und durch welche Bauteile und Mechanismen (Frequenzumrichter und Veränderung des Pitchwinkels der Rotorblätter) die Rotationsgeschwindigkeit bei Veränderungen der Windgeschwindigkeit konstant auf der Nennleistung gehalten wird, erwartete man eine entsprechende Darstellung für den Bereich 24, wenn dieser Bereich tatsächlich nicht nur die Abschaltphase, sondern den weiteren Betrieb der Anlage nach Erreichen der Abschaltanlage beträfe. Hinzu kommt, dass nach der Beschreibung die Anlage bei Erreichen der Abschaltgeschwindigkeit abgeschaltet wird und in Figur 3 die Bezugsziffer 29 auf der x-Achse die Abschaltgeschwindigkeit und nicht wie beim Streitpatent eine überlastungsgefährdende Geschwindigkeit angibt, bei der die Anlage zwar nicht abgeschaltet, aber doch Maßnahmen zum Schutz vor Materialschäden und Überlastung ergriffen werden müssen. Daraus ergibt sich, dass der Bereich 24 trotz der Bezeichnung der x-Achse mit "Windgeschwindigkeit" nicht den weiteren Betrieb der Anlage nach Erreichen der Abschaltgeschwindigkeit mit einer vom Anstieg der Windgeschwindigkeit abhängigen kontinuierlichen Reduzierung von Leistung und Rotationsgeschwindigkeit darstellt, sondern lediglich den zeitlichen Ablauf des Auslaufens der Anlage nach dem Abschalten wiedergibt. Dafür spricht auch, dass auch dann, wenn die Anlage aus einem anderen Grund einen Abschaltbefehl erhält, die gleiche Prozedur ablaufen soll wie beim Überschreiten der Abschaltgeschwindigkeit (NI-5, dt. Übers. S. 10 Abs. 4).
38
bb) Die Veröffentlichung von Bossanyi (Probabilities of Sudden Drop in Power from a Wind Turbine Cluster, Fourth International Symposium on Wind Energy Systems, Volume 2, Stockholm, September 1982, NI-6) befasst sich mit der Frage, wie die bei Turbulenzen kleineren und größeren Ausmaßes plötzlich auftretende starke Schwankungen des Energieertrags von Windparkanlagen minimiert werden können, um einerseits schädliche Auswirkungen auf das Netz zu verringern und andererseits den Energieertrag im Ergebnis zu verbessern. Hierfür schlägt der Autor vor, eine Windenergieanlage bei Erreichen der Windgeschwindigkeit , die an sich der Abschaltgeschwindigkeit entspricht, nicht abrupt abzuschalten (sharp cut-off), sondern lediglich nach und nach herunterzufahren (gradual furling). Bei einer pitchgeregelten Windenergieanlage könne dies durch Verdrehen der Rotorblätter erfolgen, um den Anströmwinkel nach und nach in Richtung 0° zu verkleinern, wenn die Windgeschwindigkeit oberhalb der Abschaltgeschwindigkeit zunehme. Dadurch würden die Leistung und gleichzeitig die auf die Rotorblätter einwirkenden aerodynamischen Kräfte reduziert. Damit wird die Abschaltgeschwindigkeit erhöht, da die Anlage erst abgeschaltet wird, wenn die Leistung der Anlage nach und nach auf Null reduziert worden ist und die Windgeschwindigkeit weiter steigt. Dies führt dazu, dass die Windenergieanlage weniger häufig und auch nicht mehr bei voller Leistung abgeschaltet werden muss (NI-6 S. 266). Die Studie von Bossanyi bezieht sich auf eine drehzahlstarre Windenergieanlage (NI-6 S. 265 Z. 1: U.S. Mod-2) und befasst sich daher nicht mit einer Änderung der Betriebsdrehzahl, sondern lediglich mit der Frage, wie bei Erreichen der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit die Anlage - mit reduzierter Leistung - weiter betrieben werden kann.
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Die Reduzierung der Leistung in Abhängigkeit vom Anstieg der Windgeschwindigkeit oberhalb der eigentlichen Abschaltgeschwindigkeit ist in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 der NI-6 dargestellt. Die durchgezogene Linie zeigt, dass die Leistung übergangslos auf Null reduziert wird, wenn die Anlage unmittelbar bei Erreichen der herkömmlichen Abschaltgeschwindigkeit abgeschaltet wird (sharp cut-off), während die gestrichelten Linien (a) und (b) die erzielbare Leistung zeigen, wenn die Anlage nach Erreichen der bisherigen Abschaltgeschwindigkeit nach und nach heruntergefahren wird (gradual furling):
40
Damit offenbart die NI-6 zwar die Merkmale 1.1, 1.2, 1.3.1, 4.1.1 und 4.1.2.1 sowie Merkmal 4.2, soweit dieses die Minderung der Leistung betrifft.
Nicht offenbart werden jedoch die Merkmale 1.3.2, 4.1.2.2 und die Merkmalsgruppe 4.2, soweit diese auf die Änderung der Betriebsdrehzahl bezogen ist.
41
cc) Die US-amerikanische Patentschrift 13 247 (NI-7) betrifft eine Windmühle , bei der bei ansteigendem Wind durch den Wind selbst ein Hebel (wind- lever) niedergedrückt und so der Gleitkopf der Mühle mitgezogen wird (NI-7, li. Sp., Abs. 2). Dadurch werden die Flügel der Mühle proportional zur Windgeschwindigkeit in oder aus dem Wind gedreht. Damit offenbart die NI-7 zwar das auch bei Windenergieanlagen angewandte Prinzip, dass die Rotorblätter je nach Windgeschwindigkeit in oder aus dem Wind gedreht werden, um Schäden an der Anlage zu vermeiden ("The stronger she blows, the slower she goes", NI-7, re. Sp., Abs. 5). Abgesehen davon, dass die NI-7 schon keine Windenergieanlage im Sinne des Streitpatents betrifft, beschreibt sie lediglich den Betrieb einer Windmühle bei Windgeschwindigkeiten, die unterhalb der Abschaltgeschwindigkeit liegen, sowie den hierbei eingesetzten Mechanismus zur Anpassung an die aktuelle Windgeschwindigkeit. Sie befasst sich indessen nicht mit der den Kern der Lehre des Streitpatents bildenden Frage, ob und wie bei Überschreiten der maximalen Betriebswindgeschwindigkeit ein Abschalten der Anlage vermieden oder hinausgezögert und so auch in dieser Phase zumindest eine reduzierte Leistung erzielt werden kann. Die NI-7 offenbart damit keines der Merkmale der Patentansprüche 1 und 4.
42
b) Der mit dem Hauptantrag verteidigte Gegenstand der Patentansprüche 1 und 4 ist dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
43
aa) Nach der NI-5 werden die Rotorblätter mit Erreichen der Abschaltgeschwindigkeit direkt in die Fahnenstellung gebracht und der Abschaltvorgang unmittelbar und unumkehrbar eingeleitet. Das Abschalten wird nicht über die nach der NI-5 vorgesehene Abschaltgeschwindigkeit hinausgezögert, sondern es wird lediglich der mit Erreichen der Abschaltgeschwindigkeit unumkehrbar ausgelöste Abschaltvorgang in seinem Ablauf verlängert, indem die Anlage nicht schon zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rotorblätter in Fahnenstellung gebracht werden, vom Netz genommen wird. Die NI-5 befasst sich somit nicht mit dem Problem, ob bei Erreichen der Abschaltgeschwindigkeit das Abschalten der Windenergieanlage vermieden und wie und unter welchen Bedingungen die Anlage auch in dieser Phase noch weiter betrieben werden kann. Dementsprechend ergab sich für den Fachmann aus der NI-5 auch keine Anregung, die Windenergieanlage mit einer Einrichtung entsprechend der Merkmalsgruppe 4.1.2 auszustatten, die wie nach Merkmalsgruppe 4.2 vorgesehen agiert. Ebenso wenig hatte der Fachmann aufgrund der NI-5 Anlass, das Verfahren zum Betreiben einer Windenergieanlage dahingehend weiterzuentwickeln, dass diese auch bei Windgeschwindigkeiten oberhalb der eigentlichen Abschaltgeschwindigkeit betrieben werden kann. Erst recht hatte der Fachmann keinen Anlass, diesen Verfahrensabschnitt entsprechend der Merkmalsgruppe 1.3 auszugestalten.
44
bb) Die NI-6 lehrt, dass eine Windenergieanlage auch bei Windgeschwindigkeiten oberhalb der Abschaltgeschwindigkeit weiterbetrieben werden kann, und offenbart dem Fachmann insoweit die Möglichkeit, die Leistung der Anlage über das Pitchen der Rotorblätter zu reduzieren.
45
Der High Court für England und Wales (Birss J) hat in seinem vom Berufungsgericht bestätigten Urteil vom 20. Juli 2015 ([2015] EWHC 2114 (Pat)) angenommen , für den Fachmann habe es nahegelegen, die Lehre der NI-6 auch auf eine drehzahlvariable Anlage zu übertragen und bei Erreichen der maximalen Windgeschwindigkeit nicht nur die Leistung, sondern auch die Betriebsdrehzahl zu reduzieren (Rn. 131, 146-151).
46
Dieser Annahme tritt der Senat nicht bei. Nachdem der Autor der NI-6 seine Überlegungen an einer drehzahlstarren Windenergieanlage ausgerichtet hat, ergab sich für den Fachmann aus der NI-6 keine Anregung, beim Betrieb der Anlage oberhalb der Abschaltgeschwindigkeit nicht nur die Leistung, sondern auch die Drehzahl des Rotors in Abhängigkeit vom Anstieg der Windgeschwindigkeit zu reduzieren. Dazu könnte der Fachmann allenfalls durch sein Fachwissen über die Zusammenhänge zwischen Belastung der Anlage und Drehzahl angeregt worden sein. Das Patentgericht hat insoweit angenommen, der Fachmann übertrage die Lehre der NI-6 auf eine drehzahlvariable Anlage nur in der Weise, dass er bei Überschreiten der maximalen Windgeschwindigkeit die Leistung durch Pitchen der Rotorblätter reduziere, die Drehzahl aber wie bei der NI-6 beibehalte, weil dies den Vorteil habe, dass die Anlage bei später wieder nachlassendem Wind nicht erneut auf die Nenndrehzahl hochbeschleunigt werden müsse. Dabei hat das Patentgericht erkennbar zugrunde gelegt, dass der Fachmann, wie auch die NI-5 zeigt, grundsätzlich die einmal erreichte Nennrotationsgeschwindigkeit beibehalten hat. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, der Fachmann habe ohne weiteres Anlass gehabt, nicht nur die Leistung, sondern auch die Drehzahl zu reduzieren.
47
cc) Die Entgegenhaltung NI-7 betrifft eine Windmühle, so dass ein Fachmann, der eine pitchgeregelte Windenergieanlage dahingehend weiterentwickeln will, dass sie auch noch bei Windgeschwindigkeiten oberhalb der eigentlichen Abschaltgeschwindigkeit betrieben werden kann, keine Veranlassung hat, auf diese Schrift zurückzugreifen. Im Übrigen befasst sich die NI-7 in erster Linie mit dem - mechanischen - Mechanismus, der das Verdrehen (Pitchen ) der Flügel bei sich ändernden Windgeschwindigkeiten auslösen und so insbesondere eine bei hohen Windgeschwindigkeiten erhöhte Belastung der Mühle vermeiden soll. Wie bereits oben ausgeführt, ist die Frage, ob und wie bei Überschreiten der maximalen Betriebswindgeschwindigkeit ein Abschalten der Anlage und damit eine Reduzierung der Leistung auf Null vermieden werden kann, nicht Gegenstand der NI-7. Dementsprechend kann die NI-7 dem Fachmann auch keine Anregung geben, eine Windenergieanlage mit einer Einrichtung nach Merkmal 4.1.2 zu versehen und den Betrieb nach Erreichen der Abschaltgeschwindigkeit entsprechend der Merkmalsgruppe 1.3 zu gestalten.
48
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Hoffmann Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.10.2015 - 1 Ni 25/14 (EP) -
BESCHLUSS
X ZR 34/16
vom
28. November 2018
in der Patentnichtigkeitssache

hier: Urteilsberichtigung gemäß § 319 Abs. 1 ZPO


ECLI:DE:BGH:2018:281118BXZR34.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. November 2018 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Bacher und
Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:

Das Urteil des Senats vom 19. Juni 2018 wird im Tenor wegen eines
offensichtlichen Schreibfehlers dahin berichtigt, dass das Datum
des angefochtenen Urteils des 1. Senats (Nichtigkeitssenats)
des Bundespatentgerichts 27. Oktober 2015 lautet.

Meier-Beck Gröning Bacher

Deichfuß Kober-Dehm

Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.10.2015 - 1 Ni 25/14 (EP) -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juni 2018 - X ZR 34/16 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 319 Berichtigung des Urteils


(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil un

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.