Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2010 - II ZR 154/09

bei uns veröffentlicht am19.07.2010
vorgehend
Amtsgericht Schöneberg, 12 C 126/07, 24.09.2008
Landgericht Berlin, 53 S 367/08, 04.06.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 154/09 Verkündet am:
19. Juli 2010
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Dr. Reichart, Dr. Drescher, Dr. Löffler und Born

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 53 des Landgerichts Berlin vom 4. Juni 2009 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte war Gesellschafter der Klägerin, eines geschlossenen Immobilienfonds in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, und kündigte den Gesellschaftsvertrag zum 31. Dezember 2000. Nach dem Gesellschaftsvertrag wird bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgeführt. Zur Auseinandersetzung bestimmt § 17 des Gesellschaftsvertrages u.a.: "1. Der Geschäftsbesorger hat bei Ausscheiden eines Gesellschafters eine Auseinandersetzungsbilanz aufzustellen, in der sämtliche Wirtschaftsgüter unter Auflösung stiller Reserven mit ihrem Verkehrswert einzustellen sind. Etwaige immaterielle Werte bleiben außer Betracht.
… 4. Die Auseinandersetzungsbilanz der Gesellschaft wird mit Ablauf von zwei Monaten seit Absendung an den ausscheidenden Gesellschafter verbindlich, es sei denn, der Gesellschafter verlangt binnen der Zweimonatsfrist die Einleitung des unter Abs. 3 vorgeschriebenen Verfahrens mittels eines an den Geschäftsbesorger gerichteten Briefes. 5. Das Auseinandersetzungsguthaben ist in fünf gleichen Jahresraten auszuzahlen. Die erste Rate ist zwölf Monate nach dem Ausscheiden fällig. … 7. Bei negativem Abfindungsanspruch ist der ausscheidende Gesellschafter verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach seinem Ausscheiden den erforderlichen Betrag einzuzahlen. Erst mit erfolgter Zahlung wird der Gesellschafter von den Verbindlichkeiten freigestellt. …"
2
Unter dem 21. Juli 2003 erstellte die Klägerin eine überarbeitete Auseinandersetzungsbilanz , die einen negativen anteiligen Verlust zum Zeitpunkt des Ausscheidens in Höhe von 3.382,66 € ergab, und übersandte sie mit Schreiben vom 25. Juli 2003. Ein ebenfalls ausgeschiedener Gesellschafter legte gegen die Auseinandersetzungsbilanz Widerspruch ein, den er am 6. Januar 2004 begründete und zusätzlich vermerkte, dass sich auch der Beklagte dem Widerspruch anschließe.
3
Am 20. September 2004 beantragte die Klägerin, vertreten durch die Gesellschafterin J. B. , für einen Teilbetrag in Höhe von 845,79 € aus der Auseinandersetzungsbilanz den Erlass eines Mahnbescheids, der dem Beklagten am 23. Oktober 2004 zugestellt wurde. Nach § 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags obliegt die Führung der Geschäfte den Gesellschaftern gemeinschaftlich. Nach Eingang seines Widerspruchs forderte das Mahngericht die Klägerin am 1. November 2004 zur Einzahlung der weiteren Gerichtskosten auf. Die Klägerin zahlte diese am 4. Januar 2007 ein.
4
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Klage ist bereits als unzulässig abzuweisen, weil die Klägerin nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten ist (§ 547 Nr. 4 ZPO).
6
1. Die Klägerin muss organschaftlich von allen ihren Gesellschaftern vertreten werden. Gem. § 51 Abs. 1 ZPO i.V.m. 714 BGB wird eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die Gesellschafter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, denen die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen enthält (vgl. BGH, Urteil vom 14. Februar 2005 - II ZR 11/03, ZIP 2005, 524, 525). Nach § 8 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin obliegt die Führung der Geschäfte den Gesellschaftern gemeinschaftlich, so dass sie die Gesellschaft als Gesamtvertreter vertreten. Die Klägerin ist im Verfahren nicht von allen Gesellschaftern, sondern nur von der Gesellschafterin J. B. vertreten. Auf dem Mahnbescheidsantrag , dessen Vertreterbezeichnung alle folgenden gerichtlichen Entscheidungen übernommen haben, hat die Klägerin sie als einzige organschaftliche Vertreterin der Gesellschaft aufgeführt. Sie ist weder ausdrücklich noch konkludent mit der alleinigen Vertretung der Gesellschaft beauftragt worden.
7
2. Das Rubrum ist nicht, wie die Klägerin beantragt, dahin zu berichtigen, dass sie durch alle Gesellschafter vertreten wird. Die Angabe des Vertreters kann berichtigt werden, wenn er irrtümlich falsch bezeichnet ist (BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717 Rn. 10). Dafür, dass J. B. irrtümlich aufgeführt wurde und alle Gesellschafter als gesetzliche Vertreter bezeichnet werden sollten, bestehen keine Anhaltspunkte. Die Benennung von J. B. als gesetzlicher Vertreterin beruht auf den Angaben im Mahnbescheidsantrag. Die Klägerin hat ihren Berichtigungsantrag nicht begründet.
8
3. Der in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigende Vertretungsmangel wurde nicht geheilt. Eine Heilung ist dadurch möglich, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin als solche in den Prozess eintreten und die Prozessführung des vollmachtlosen Vertreters genehmigen (BGH, Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717 Rn. 10; vom 21. Juni 1999 - II ZR 27/98, ZIP 1999, 1669, 1670; vom 8. September 1997 - II ZR 55/96, WM 1998, 308, 309). Die Gesellschafter sind - trotz des Hinweises des Senats auf den Vertretungsmangel in der Terminsbestimmung - nicht in den Prozess eingetreten und haben die Prozessführung ihrer Gesellschafterin nicht genehmigt. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, er erkläre in Vollmacht der Gesellschafter, dass sämtliche Gesellschafter der Klägerin die Prozessführung genehmigen und als gesetzliche Vertreter in den Prozess eintreten, führt nicht zu ihrem Eintritt oder zur Genehmigung der Prozessführung. Er hat seine - bestrittene - Vollmacht , für die Gesellschafter Erklärungen abgeben zu können, nicht nachge- wiesen. Die Prozessvollmacht, die die Geschäftsbesorgerin, die keine geschäftsführungsberechtigte Gesellschafterin ist, erteilt hat, umfasst Erklärungen der Gesellschafter nicht.
Goette Reichart Drescher Löffler Born

Vorinstanzen:
AG Berlin-Schöneberg, Entscheidung vom 24.09.2008 - 12 C 126/07 -
LG Berlin, Entscheidung vom 04.06.2009 - 53 S 367/08 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

Zivilprozessordnung - ZPO | § 51 Prozessfähigkeit; gesetzliche Vertretung; Prozessführung


(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschrift

Referenzen

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Fähigkeit einer Partei, vor Gericht zu stehen, die Vertretung nicht prozessfähiger Parteien durch andere Personen (gesetzliche Vertreter) und die Notwendigkeit einer besonderen Ermächtigung zur Prozessführung bestimmt sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nicht die nachfolgenden Paragraphen abweichende Vorschriften enthalten.

(2) Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters steht dem Verschulden der Partei gleich.

(3) Hat eine nicht prozessfähige Partei, die eine volljährige natürliche Person ist, wirksam eine andere natürliche Person schriftlich mit ihrer gerichtlichen Vertretung bevollmächtigt, so steht diese Person einem gesetzlichen Vertreter gleich, wenn die Bevollmächtigung geeignet ist, gemäß § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Erforderlichkeit einer Betreuung entfallen zu lassen.