Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 598/18

bei uns veröffentlicht am06.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 598/18
vom
6. Februar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:060219U5STR598.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Februar 2019, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Eschelbach, Köhler
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2018 im Strafausspruch aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer Schusswaffe und mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis unter Freisprechung im Übrigen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Daneben hat es eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die ausweislich der Begründung auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. In der Nacht zum 17. November 2017 fuhr der Angeklagte, der keine Fahrerlaubnis besitzt, mit seinem Pkw an einem „Straßenstrich“ in BerlinSchöneberg entlang. Als der Angeklagte an der später Geschädigten D. , die der Prostitution nachging, vorbeikam, winkte sie ihm vom Straßenrand aus zu. Kurzentschlossen drehte der Angeklagte um, hielt bei der Geschädigten an und fragte sie, was es koste. Als sie ihm die Preise genannt hatte , erklärte er sich einverstanden und ließ sie einsteigen, obgleich er nicht ausreichend Geld bei sich hatte, um eine Prostituierte zu bezahlen. Er fuhr mit ihr in eine in der Nacht unbelebte Straße und entschied sich auf ihre Frage, was er von ihr konkret wolle, für Oralverkehr. Beide setzten sich auf die Rückbank des Pkw. Auf ihre Lohnforderung hin fragte der Angeklagte, ob er nicht erst hinterher zahlen könne. Dies lehnte sie ab und bot ihm lediglich eine Ermäßigung an.
4
Daraufhin nahm der Angeklagte aus einer Türablage eine geladene Schreckschusspistole, für die er nicht den erforderlichen Waffenschein besaß. Er hielt sie ihr vor den Kopf und forderte sie auf, es umsonst zu machen. Unter dem Eindruck der vorgehaltenen Pistole erklärte sie sich schließlich bereit, auf eine Bezahlung zu verzichten, verlangte aber, er solle sie nach der Verrichtung zurückbringen. Der Angeklagte legte nunmehr die Pistole für ihn in Griffweite in die Ablage zurück. Die Geschädigte befriedigte ihn unter Einsatz eines Kondoms oral bis zum Samenerguss. Anschließend fuhr er mit ihr zurück in Richtung Berlin-Schöneberg. Als sie einen S-Bahnhof passierten, bat die Geschädigte , aussteigen zu dürfen, was der Angeklagte ihr ohne weiteres gestattete.
5
2. Das Landgericht hat die sexuelle Handlung als besonders schwere Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5, Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB bewertet. Es ist bei der Strafrahmenwahl von einem minder schweren Fall im Sinne des § 177 Abs. 9 StGB ausgegangen. In seine hierzu vorgenommene Gesamtwürdigung hat es unter anderem zu Lasten des Angeklagten eingestellt, dass er – wenngleich nicht einschlägig – vorbestraft sei und die Tat während laufender Bewährungszeit begangen habe. Strafmildernd hat es angeführt, dass der noch junge, unausgereifte Angeklagte sich – wenn auch erst gegen Ende der Beweisaufnahme – geständig eingelassen, Reue gezeigt, bei der Tat lediglich eine Schreckschusspistole eingesetzt sowie die Verwendung eines Kondoms durch die Geschädigte zugelassen habe, die weder körperliche Verletzungen noch psychische Folgen davongetragen habe. Ferner hat die Strafkammer – „allerdings nur mit geringem Gewicht“ – mildernd berücksichtigt, dass sich die Geschädigte bei Bezahlung grundsätzlich mit dem Oralverkehr einverstanden erklärt gehabt habe; insoweit sei die Hemmschwelle des Angeklagten herabgesetzt gewesen.

II.


6
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft zeigt in Bezug auf die von ihr in erster Linie angegriffene Strafrahmenwahl einen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
7
Das Landgericht hat sich bei seinen Ausführungen zur Strafrahmenwahl nicht mit einer möglichen „Sperrwirkung“ der Strafrahmenuntergrenze des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB befasst und nicht dargelegt, ob aufgrund der den minder schweren Fall des § 177 Abs. 9 StGB begründenden Gesichtspunkte auch die Regelbeispielswirkung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB entfallen ist (vgl. zu § 177 Abs. 2 StGB aF BGH, Urteil vom 5. Juni 2003 – 3 StR 60/03, NStZ 2004, 32, 33; zur Neuregelung minder schwerer Fälle der Qualifikation Fischer, StGB, 66. Aufl., § 177 Rn. 193).
8
Da die erkannte Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens liegt, kann der Senat nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO), dass das Landgericht sie höher festgesetzt hätte, wenn es statt von der Mindeststrafe des § 177 Abs. 9 StGB (ein Jahr Freiheitsstrafe) von der Strafrahmenuntergrenze der Strafzumessungsregel des § 177 Abs. 6 StGB (zwei Jahre Freiheitsstrafe) ausgegangen wäre.
9
Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen werden von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
Sander Schneider Berger
Eschelbach Köhler

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 06. Feb. 2019 - 5 StR 598/18 zitiert 3 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

Referenzen

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.