Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juni 2006 - 4 StR 75/06

01.06.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 75/06
vom
1. Juni 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 16. August 2005 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit Raub und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich allein dagegen, dass das Landgericht die Anordnung von Sicherungsverwahrung abgelehnt hat.
2
Der Revision des Angeklagten bleibt der Erfolg versagt. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat hingegen Erfolg.

I.

3
1. Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte nur sechs Monate nach seiner letzten Haftentlassung aufgrund eines mit seinem Mittäter spontan gefassten Tatentschlusses einen Drogenabhängigen mittels Drohung und Gewaltanwendung zur Herausgabe von etwa einem Gramm Heroin und seines Portemonnaies, dem der Angeklagte 50 € entnahm. Bei der Tat führte er, was das Tatopfer bemerkte, ein Messer mit sich (Fall II 1). Trotz eines wegen dieser Tat gegen ihn bestehenden, jedoch außer Vollzug gesetzten Haftbefehls überfiel der Angeklagte vier Monate später den 87 Jahre alten P., den er beim Verlassen eines Bankinstituts beobachtet hatte. Der Angeklagte vermutete, dass P. eine größere Geldmenge bei sich führte. Diese wollte er an sich bringen. Er verfolgte deshalb P. auf dem Nachhauseweg und verschaffte sich gewaltsam Zutritt zu dessen Wohnung. Dort stieß er das Tatopfer zu Boden und entnahm aus dessen Jacke eine Geldbörse mit 70 € Bargeld sowie weitere Gegenstände. Anschließend durchsuchte der Angeklagte die Wohnung des Geschädigten nach weiteren Wertgegenständen. Als er solche nicht finden konnte, warf er P., der im Begriff war, aus der Wohnung zu flüchten, erneut zu Boden und drückte ihm, um Hinweise auf weitere Wertgegenstände zu erhalten, die Spitze eines in der Wohnung aufgefundenen Brieföffners gegen das Gesicht, wodurch P. leichte Schnittverletzungen erlitt. Da der Angeklagte weitere mitnehmenswerte Gegenstände nicht finden konnte, ließ er von P. ab und verließ die Wohnung (Fall II 2).
4
2. Der Angeklagte war bei Begehung dieser Taten bereits vielfach vorbestraft. Er wurde u. a. im Jahr 1982 wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, 1985 wegen schwerer räuberischer Erpressung und Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren (Einzelfreiheitsstrafen fünf Jahre und zwei Jahre drei Monate), sowie 1993 wegen schweren Raubes und wegen zwei Waffendelikten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren (Einzelfreiheitsstrafen acht Jahre, sieben Monate und zwei Jahre). Diesen Verurteilungen lagen jeweils Überfälle auf Bankinstitute bzw. auf eine Postfiliale zugrunde. Zuletzt wurde der Angeklagte im Mai 2002 wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren drei Monaten (Einzelfreiheitsstrafen jeweils ein Jahr drei Monate) verurteilt. Mit Ausnahme der Strafe aus dem zuletzt genannten Urteil, von welcher ein geringer Strafrest im Dezember 2003 zur Bewährung ausgesetzt worden war, verbüßte der Angeklagte die vorgenannten Strafen vollständig.

II.


5
Revision des Angeklagten
6
1. Die auf die Verletzung des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO gestützten Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
7
Zwar ist die unter Nr. 2 der Revisionsbegründung erhobene Rüge nicht, wie der Generalbundesanwalt meint, bereits deshalb unzulässig, weil der den Beweisantrag ablehnende Beschluss der Strafkammer in seinem Wortlaut in Ergänzung der Revisionsbegründungsschrift erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Revision mitgeteilt worden ist. Der Beschwerdeführer hat in der Revisionsbegründung mit eigenen Worten den Inhalt dieser von ihm beanstan- deten Entscheidung der Strafkammer vollständig wiedergegeben. Einer darüber hinausgehenden wörtlichen Wiedergabe des Beschlu sses, der in seinem Kern auf die von der Revision mitgeteilte Entscheidung der Strafkammer vom 12. Juli 2005 verweist, bedurfte es nicht (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweisantragsrecht

4).


8
Die erhobenen Rügen sind aber deshalb unzulässig, weil weitere in Bezug genommene Aktenteile, nämlich das toxikologische Gutachten und das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. W. , in der Revisionsbegründung nicht mitgeteilt werden. Im Übrigen sind die Verfahrensrügen auch aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen unbegründet.
9
2. Die Überprüfung des Urteils auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

II.


10
Revision der Staatsanwaltschaft
11
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die Frage der Anordnung von Sicherungsverwahrung beschränkt. Zwar hat die Beschwerdeführerin in ihrer Revisionsbegründung die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs insgesamt beantragt. Die erhobene Sachrüge ist jedoch nur insoweit ausgeführt, als das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen hat. Nach dem Revisionsvorbringen ist deshalb davon auszugehen, dass das Urteil nur im Hinblick auf die Nichtanordnung der Maßregel angefochten ist. Diese Rechtsmittelbeschränkung ist im vorliegenden Fall wirksam, da nach den Urteilsgründen auszuschließen ist, dass die maßvollen Strafen von dem Unterbleiben der Maßregelanordnung beeinflusst worden sind (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 12 m.N.).
12
2. Die Ablehnung der Sicherungsverwahrung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
13
Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB gegeben sind. Es ist ferner, insoweit in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen , zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem Angeklagten um einen Hangtäter handelt. Gleichwohl hat es von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen, weil es - entgegen dem Gutachten des Sachverständigen - gemeint hat, die nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderliche Gefährlichkeitsprognose nicht stellen zu können. Bei den vorliegenden Taten habe es sich, anders als bei den früheren Taten des Angeklagten, um "reine Gelegenheitstaten" gehandelt, die der Angeklagte spontan und situativen Auslösereizen folgend begangen habe. Zudem lasse die bei den Taten jeweils erzielte geringe Beute, die geringen Tatfolgen und der Umstand, dass der Angeklagte die Tat zum Nachteil des P. bereue und sich dafür schäme, auf eine abnehmende Intensität künftiger Straftaten schließen.
14
a) Die Beschwerdeführerin beanstandet mit Recht die Annahme des Landgerichts, die Anlasstaten seien als Gelegenheitstaten nicht symptomatisch für den rechtsfehlerfrei festgestellten Hang des Angeklagten zum Verbrechen und für seine Gefährlichkeit. Die Strafkammer hat ersichtlich verkannt, dass auch Gelegenheits- und Augenblickstaten als Symptomtaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht kommen können und die Anwendung des § 66 StGB nur dann ausgeschlossen ist, wenn eine äußere Tatsituation oder eine Augenblickserregung die Tat allein verursacht hat (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 7). Auch bei einer Gelegenheitstat ist deshalb regelmäßig im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten zu prüfen, ob die Tat Symptomcharakter zeigt (vgl. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 6).
15
Eine solche Gesamtwürdigung hat das Landgericht nicht vorgenommen. Nach den getroffenen Feststellungen sprechen jedoch gewichtige Gründe, die die Strafkammer nicht bedacht hat, dafür, dass auch die verfahrensgegenständlichen Taten Symptomtaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind.
16
Der Angeklagte ist nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen , denen das Landgericht insoweit gefolgt ist, und den Feststellungen zu den früheren Straftaten vollständig in eine kriminelle Subkultur integriert und verfügt über eine fest verwurzelte Neigung, sich auf "kriminelle Weise" Geld oder andere Wertgegenstände zumeist mittels Gewaltanwendung oder Drohung zu verschaffen. Schon aus diesen Gründen liegt es nahe, dass zwischen der festgestellten Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten und den verfahrensgegenständlichen Taten eine innere Beziehung besteht und deshalb auch diese Taten trotz der ihnen zugrunde liegenden Spontaneität Konsequenz seines verbrecherischen Hanges sind. Hierfür spricht darüber hinaus die Art und Weise der Durchführung der Taten. Der Angeklagte ging jeweils zielgerichtet und, insbesondere im Fall II 2, im Rahmen eines zeitlich gestreckten, mehr- aktigen Geschehens gegen die Tatopfer vor.
17
b) Das Landgericht hat auch keine tragfähigen Umstände festgestellt, die den Schluss rechtfertigen, beim Angeklagten sei nunmehr die Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die Begehung erheblicher Straftaten entfallen. Soweit die Strafkammer meint, eine abnehmende Intensität und Gefährlichkeit (auch) künf- tiger Straftaten daraus herleiten zu können, dass bei den Anlasstaten die Tatbeute und die Verletzungsfolgen gering waren, beurteilt sie die Erheblichkeit dieser Taten rechtsfehlerhaft ebenfalls nur einseitig am eingetretenen Erfolg (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 38). Die Massivität des Vorgehens des Angeklagten in beiden Fällen, insbesondere aber bei der Tat zum Nachteil des 87jährigen Tatopfers im Fall II 2, das Mitsichführen bzw. Verwenden von gefährlichen Werkzeugen und die in beiden Fällen vorhandene höhere Beuteerwartung des Angeklagten lassen schwerlich eine andere Beurteilung zu, als dass es sich auch bei den Anlasstaten um den Rechtsfrieden empfindlich störende, die Allgemeinheit erheblich in Mitleidenschaft ziehende und damit "erhebliche" Straftaten handelt.
18
3. Über die Anordnung von Sicherungsverwahrung muss mithin neu befunden werden. Tepperwien Maatz Athing Solin-Stojanović Sost-Scheible

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Bundesgerichtshof Urteil, 01. Juni 2006 - 4 StR 75/06 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.