Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2001 - 3 StR 474/00

bei uns veröffentlicht am14.03.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 474/00
vom
14. März 2001
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. März
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Kutzer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
von Lienen
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin in der Verhandlung,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Mai 2000, soweit es den Angeklagten Sunday M. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) in den Fällen 1, 3, 4 und 6 der Urteilsgründe,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision (Fall 7 der Urteilsgründe) wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts beanstandet die Staatsanwaltschaft, daß die Strafkammer nicht geprüft hat, ob der Angeklagte als Mitglied einer Bande gehandelt hat, und er jedenfalls in einem Fall auch wegen Einfuhr und in drei weiteren Fällen wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hätte verurteilt werden müssen. Auch sei die Beweiswürdigung lückenhaft und
die Strafzumessung revisionsrechtlich nicht nachvollziehbar. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. 1. Die Strafkammer hat allerdings nicht erörtert, ob dem Angeklagten bandenmäßige Tatbegehung gemäß § 30 a Abs. 1 BtMG zur Last fällt. Doch ist dies nicht rechtsfehlerhaft, weil die Feststellungen dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte enthalten. Die Feststellungen belegen - wie die Vertreterin des Generalbundesanwalts in der Hauptverhandlung zutreffend ausgeführt hat - (nur) ein (mit)täterschaftliches Handeln des Angeklagten. 2. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt auch darauf hin, daß das Landgericht unterlassen hat zu prüfen, ob der Angeklagte in den Fällen 1, 3, 4 und 6 der Urteilsgründe sich tateinheitlich auch der Einfuhr oder der Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht hat. Nach den getroffenen Feststellungen gingen den Rauschgiftlieferungen zahlreiche telefonische Kontakte zwischen dem Angeklagten und seinem Mittäter einerseits und zwei holländischen Rauschgifthändlern andererseits voraus (Fälle 1, 3, 6). Sodann wurde der Kaufpreis ganz oder zum überwiegenden Teil von einer Mitangeklagten auf ein Konto der Holländer eingezahlt (Fälle 1, 3, 4), eine Kurierin mit dem Betäubungsmittel in einem bestimmten Zug aus den Niederlanden nach Hannover geschickt, und vom Angeklagten in Empfang genommen, der ihr dann bei der Aushändigung des Rauschgifts den Kurierlohn und zum Teil den noch offenen Kaufpreis bezahlte (Fälle 1, 3, 4, 6). Die Feststellungen sind zu den einzelnen Fällen unterschiedlich ausführlich , sie lassen eine eindeutige rechtliche Zuordnung als täterschaftliche
Einfuhr (vgl. dazu BGHR BtMG § 29 I 1 Einfuhr 17; vgl. auch Einfuhr 26) oder Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (vgl. dazu BGHR BtMG § 29 I 1 Einfuhr 3) nicht zu. Diese Prüfung wird der neue Tatrichter nachzuholen und den Schuldspruch ggf. entsprechend zu ändern haben. Die Aufhebung der Schuldsprüche hat die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche sowie des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge. Die Strafkammer hat zwar in diesen Fällen die Strafe dem Strafrahmen des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG entnommen und jeweils auf Einzelfreiheitsstrafen von zwei Jahren erkannt. Diese Strafen liegen auch - als Mindeststrafen - im Strafrahmen von § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG, § 26 StGB. Der Senat kann aber nicht ausschließen, daß das Landgericht jeweils auf höhere Strafen und eine höhere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, wenn es den Strafen die rechtlich zutreffenden Schuldsprüche zugrundegelegt hätte. Bei der erneuten Strafzumessung wird der neue Tatrichter Gelegenheit haben, in den Fällen 1, 3, 4 und 6 die unterschiedlichen Rauschgiftmengen und Wirkstoffgehalte (vgl. BGH StV 2000, 613) zu berücksichtigen.
3. Von der Aufhebung ausgenommen ist die Verurteilung im Fall 7 der Urteilsgründe, die zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler erkennen läßt. Kutzer Miebach Winkler Pfister von Lienen

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 14. März 2001 - 3 StR 474/00 zitiert 4 §§.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Strafgesetzbuch - StGB | § 26 Anstiftung


Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.