Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juli 2011 - 1 StR 86/11

bei uns veröffentlicht am14.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 86/11
vom
14. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14. Juli 2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Erster Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 29. Oktober 2010 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Von dem weiteren Vorwurf einer schweren räuberischen Erpressung (bewaffneter Überfall auf die Spielhalle "B. " in G. mit einer Beute von zumindest 938 Euro) hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es konnte sich nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen. Gegen den Freispruch richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie erhebt eine Aufklärungsrüge und greift mit der Sachrüge die Beweiswürdigung des Landgerichts an. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel ist unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

II.

2
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.
3
1. Die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der beanstandet wird, dass das Tatgericht kein anthropologisches Gutachten eingeholt habe, greift nicht durch.
4
a) In zulässiger Form ist die Aufklärungsrüge nur erhoben, wenn die Revision u.a. auch die Tatsachen bezeichnet, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 81). Dies ist hier nicht der Fall. Dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft ist zwar das Beweisziel zu entnehmen, es fehlt aber an einer bestimmten Behauptung der zu ermittelnden Tatsache.
5
b) Die Rüge ist auch aus den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 15. April 2011 unbegründet. Die Aufklärungspflicht drängte den Tatrichter, der den Sachverständigen Prof. Dr. R. in der Hauptverhandlung zum Beweiswert eines ausführlichen anthropologischen Gutachtens angehört hat, nicht dazu, ein solches einzuholen. Die Staatsanwaltschaft selbst hat in der Hauptverhandlung, nachdem das Gericht mitgeteilt hatte, es werde ein derartiges Gutachten nicht in Auftrag geben , keinen Anlass gesehen, einen dahingehenden Beweisantrag zu stellen.
6
2. Die aufgrund der Sachrüge vorzunehmende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben. Das Revisionsvorbringen erschöpft sich in einer - im Revisionsverfahren unzulässigen - eigenen Beweiswürdigung. Soweit Beanstandungen gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung erhoben werden, wird ein durchgreifender Rechtsfehler nicht aufgezeigt, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antrags- schrift im Einzelnen dargelegt hat. Insbesondere hat der Generalbundesanwalt zutreffend darauf hingewiesen, dass die von der Revisionsführerin vermisste Gesamtwürdigung den Ausführungen der Strafkammer auf UA S. 51 entnom- men werden kann, wonach "die Indizien … weder imEinzelnen, noch zusam- men genommen …"gewertet wurden. Eine umfassendere Würdigung war bei der geringen Anzahl belastender Indizien nicht geboten.
7
3. Die unnötige Kritik an der Arbeit der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren gefährdet den Bestand des Urteils nicht.
Nack Rothfuß Elf Graf Jäger

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Juli 2011 - 1 StR 86/11 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.