Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2003 - VII ZB 12/03

bei uns veröffentlicht am27.11.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 12/03
vom
27. November 2003
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. November 2003
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann,
Dr. Wiebel und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß des 11. Zivilsenats (Einzelrichter) des Oberlandesgerichts München vom 20. März 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter) zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Beschwerdewert: 683,80

Gründe:


I.

Die Kläger haben den Beklagten wegen Baumängeln auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Der Beklagte hat Berufung eingelegt und diese im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Die Kläger haben eine 13/10 Erörterungsgebühr zur Kostenfestsetzung angemeldet. Dies hat die Rechtspflegerin mit
dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluß abgelehnt. Die als Erinnerung bezeichnete sofortige Beschwerde der Kläger hat das Beschwerdegericht durch Beschluß des Einzelrichters zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde, die der Einzelrichter beim Beschwerdegericht zugelassen hat.

II.

Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) hat ausgeführt, die Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO falle für den an der Erörterung nicht beteiligten Prozeßbevollmächtigten an, wenn dieser die Erörterung zwischen dem Gericht und der Gegenpartei beobachtet und dabei erwogen habe, ob es im Interesse seiner Partei nötig sei, in das Gespräch einzugreifen.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter des Beschwerdegerichts. 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter entgegen § 568 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat. 2. Die angefochtene Einzelrichterentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist. Der Einzelrichter durfte nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem mit drei Richtern besetzten Se-
nat übertragen müssen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, NJW 2003, 1254 = MDR 2003, 588; vom 10. April 2003 - VII ZB 17/02, BB 2003, 1200). Allerdings hat der Einzelrichter die Zulassung der Rechtsbeschwerde unter Hinweis darauf, daß die entscheidungserhebliche Frage sehr umstritten sei, auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Fälle der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) gestützt, nicht hingegen auf § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache). Die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO ist aber im weitesten Sinne zu verstehen, so daß nicht der Einzelrichter, sondern das Kollegium entscheiden muß, wenn zur Fortbildung des Rechts oder zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts geboten ist (vgl. BGH, Beschluß vom 11. September 2003 - XII ZR 188/02; zur Veröffentlichung bestimmt). 3. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluß erlassen hat.
4. Gemäß § 8 GKG werden Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht erhoben.
Dressler Hausmann Wiebel Kniffka Bauner

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 568 Originärer Einzelrichter


Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 8 Strafsachen, Bußgeldsachen


In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2003 - VII ZB 17/02

bei uns veröffentlicht am 10.04.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VII ZB 17/02 vom 10. April 2003 in dem Prozeßkostenhilfeverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2, Satz 3; § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2; § 577 Abs. 4; GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Läßt der Einze

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 17/02
vom
10. April 2003
in dem Prozeßkostenhilfeverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2, Satz 3; § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2; § 577 Abs. 4;
Läßt der Einzelrichter in einer Sache, der er rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimißt,
die Rechtsbeschwerde zu, so führt die auf die Rechtsbeschwerde von Amts wegen
gebotene Aufhebung der Entscheidung zur Zurückverweisung der Sache an den
Einzelrichter (im Anschluß an BGH, Beschluß vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, zur
Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
BGH, Beschluß vom 10. April 2003 - VII ZB 17/02 - OLG Rostock
LG Neubrandenburg
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Kuffer, Prof.
Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 7. Zivilsenats (Einzelrichter) des Oberlandesgerichts Rostock vom 10. Mai 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht (Einzelrichter ) zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der P.-GmbH. Er begehrt für die beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegner Prozeßkostenhilfe wegen Restwerklohnforderungen in Höhe von 97.898,30 DM und Zinsen. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht ersichtlich, warum es den Gläubigern nicht zuzumuten sei, die Ver-
fahrenskosten aufzubringen (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht durch Beschluß des Einzelrichters zurückgewiesen. Der Einzelrichter hat mit weiterem Beschluß vom 10. Mai 2002 der Gegenvorstellung des Antragstellers nicht abgeholfen und die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Mit dieser begehrt der Antragsteller weiterhin Prozeßkostenhilfe.

II.

Das Beschwerdegericht (Einzelrichter) hat ausgeführt, das Gericht müsse in die Lage versetzt werden, sich eine Überzeugung bilden zu können, ob die Aufbringung der Kosten des Rechtsstreits den Gläubigern zuzumuten sei, auch wenn eine kleinliche Prüfung der Vermögensverhältnisse nicht angebracht sei und sich ein Gericht auf die Angaben eines Insolvenzverwalters in der Regel verlassen könne. Der Antragsteller habe jedoch auch mit seiner Gegenvorstellung zum Unvermögen der wirtschaftlich Beteiligten nicht ausreichend vorgetragen. Die an den Umfang dieser Darlegung zu stellenden Anforderungen hätten grundsätzliche Bedeutung.

III.

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (Einzelrichter). 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthaft. Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter ent-
gegen § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO an Stelle des Kollegiums entschieden und damit gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verstoßen hat. Dies hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluß vom 13. März 2003 - IX ZB 134/02, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt , entschieden und im einzelnen ausgeführt. Dem schließt sich der Senat an. 2. Die angefochtene Einzelrichterentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters ergangen ist. Der Einzelrichter durfte nicht selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm bejahten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO dem mit drei Richtern besetzten Senat übertragen müssen. Mit seiner Entscheidung hat er die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Kollegium als dem gesetzlich zuständigen Richter entzogen. Diesen Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters hat der Senat von Amts wegen zu beachten.

IV.

1. Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluß erlassen hat. Eine Zurückverweisung an den Senat kommt nicht in Betracht. Vielmehr wird der Einzelrichter die Entscheidung über die Gegenvorstellung des Antragstellers gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO erst dann dem Senat zu übertragen haben, wenn er nach erneuter Prüfung der Rechtssache weiterhin grundsätzliche Bedeutung beimißt.
2. Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG Gebrauch. Dressler Hausmann Kuffer Kniffka Bauner

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn

1.
die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder
2.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.