Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2013 - VII ZA 14/12

bei uns veröffentlicht am21.02.2013
vorgehend
Landgericht Münster, 25 O 204/00, 29.08.2002
Oberlandesgericht Hamm, 18 U 148/05, 31.05.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZA 14/12
vom
21. Februar 2013
in dem Rechtsstreit
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richter Dr. Eick, Kosziol, Dr. Kartzke
und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 31. Mai 2012 wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 Satz 1 ZPO.

Gründe:

1
Ungeachtet des Umstandes, dass es nach den Ausführungen des Berufungsgerichts im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist, ob § 89b HGB in seiner alten oder in seiner derzeit geltenden Fassung angewendet wird, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
2
Der Senat teilt die Auffassung (BGH, Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 Rn. 20-23), dass sich der Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters, der wie im Streitfall vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 89b HGB gemäß Art. 6a des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2512) am 5. August 2009 entstanden ist, nach § 89b HGB a.F. beurteilt. Nach dem in Art. 170 EGBGB zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken untersteht ein Schuldverhältnis nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seinen Wirkungen dem Recht, das zur Zeit der Verwirklichung des Entstehungstatbestandes galt (vgl. MünchKommBGB/Krüger, 6. Aufl., Art. 170 EGBGB Rn. 3 m.w.N.). Eine richtlinienkonforme Auslegung von § 89b HGB a.F. im Lichte von Art. 17 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. EG Nr. L 382 S. 17) ist, soweit es um den Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters geht, nicht veranlasst. Da Versicherungsvertreter von der genannten Richtlinie nicht erfasst werden, ergibt sich die Notwendigkeit einer europarechtskonformen Auslegung von § 89b HGB a.F. nicht aus dem Europarecht selbst (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 Rn. 25). Eine europarechtskonforme Auslegung ist vorliegend auch nicht wegen des Gebots der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts erforderlich. Der Senat teilt die Auffassung (BGH, Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 Rn. 26-28), dass ein Wille des nationalen Gesetzgebers zur Gleichbehandlung des Ausgleichsanspruchs von Handelsvertretern mit dem von Versicherungsvertretern im zeitlichen Anwendungsbereich von § 89b HGB a.F. nicht existiert. Angesichts der dezidierten Ausführungen der Bundesregierung in BT-Drucks. 11/3077, S. 9 f., dass mit der vorgeschlagenen Regelung des § 89b Abs. 5 HGB lediglich der für Versicherungsvertreter geltende, durch Besonderheiten im Vergleich zum Warenvertreter geprägte Rechtszustand kodifiziert werden sollte, kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber, der im Jahr 1989 der Auffassung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 11/4559, S. 9) gefolgt ist, § 89b Abs. 1 HGB entspreche bereits den Anforderungen der genannten Richtlinie, mit der Ablehnung des Vorschlags der Bundesregierung eine Gleichbehandlung von Han- delsvertretern und Versicherungsvertretern in Bezug auf den Ausgleichsanspruch vornehmen wollte.
3
Von einer weitergehenden Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen wäre.
Kniffka Eick Kosziol Kartzke Jurgeleit

Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 29.08.2002 - 25 O 204/00 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 31.05.2012 - 18 U 148/05 -

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2013 - VII ZA 14/12 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Handelsgesetzbuch - HGB | § 89b


(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit 1. der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der Handelsvertreter kann von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit

1.
der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und
2.
die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.
Der Werbung eines neuen Kunden steht es gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht.

(2) Der Ausgleich beträgt höchstens eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre der Tätigkeit des Handelsvertreters berechnete Jahresprovision oder sonstige Jahresvergütung; bei kürzerer Dauer des Vertragsverhältnisses ist der Durchschnitt während der Dauer der Tätigkeit maßgebend.

(3) Der Anspruch besteht nicht, wenn

1.
der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, daß ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlaß gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann, oder
2.
der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag oder
3.
auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter ein Dritter anstelle des Handelsvertreters in das Vertragsverhältnis eintritt; die Vereinbarung kann nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen werden.

(4) Der Anspruch kann im voraus nicht ausgeschlossen werden. Er ist innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertragsverhältnisses geltend zu machen.

(5) Die Absätze 1, 3 und 4 gelten für Versicherungsvertreter mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, die Vermittlung neuer Versicherungsverträge durch den Versicherungsvertreter tritt und der Vermittlung eines Versicherungsvertrages es gleichsteht, wenn der Versicherungsvertreter einen bestehenden Versicherungsvertrag so wesentlich erweitert hat, daß dies wirtschaftlich der Vermittlung eines neuen Versicherungsvertrages entspricht. Der Ausgleich des Versicherungsvertreters beträgt abweichend von Absatz 2 höchstens drei Jahresprovisionen oder Jahresvergütungen. Die Vorschriften der Sätze 1 und 2 gelten sinngemäß für Bausparkassenvertreter.