Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2001 - LwZB 3/01

09.11.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
LwZB 3/01
vom
9. November 2001
in der Landwirtschaftssache
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 9. November
2001 durch die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier sowie die ehrenamtlichen
Richter Andreae und Kreye

beschlossen:
Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des 7. Zivilsenats - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 27. September 2001 wird abgelehnt.

Gründe:

I.


Durch Versäumnisurteil des Landwirtschaftsgerichts vom 23. Februar 2001 ist der Beklagte zur Zahlung von 10.959,10 DM nebst Zinsen und zur Herausgabe von Pachtflächen verurteilt worden. Sein hiergegen gerichteter Einspruch ist durch zweites Versäumnisurteil vom 25. Mai 2001 verworfen worden. Dieses Urteil ist ihm durch Niederlegung am 19. Juli 2001 (nicht am 12. Juni 2001, wie das Oberlandesgericht angenommen hat) zugestellt worden. Mit einem als Beschwerde bezeichneten und am 31. Juli 2001 bei dem Landwirtschaftsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er sich gegen die Verurteilung gewandt und geltend gemacht, er sei am 8. März 2001 wegen eines Schlaganfalls in eine Klinik eingeliefert worden. Auf den Hinweis der Vorsitzenden des Landwirtschaftsgerichts vom 7. August 2001, daß gegen das zweite Versäum-
nisurteil lediglich das beim Oberlandesgericht einzulegende Rechtsmittel der Berufung (unter den Einschränkungen des § 513 Abs. 2 ZPO) zu Gebote stehe , hat der Beklagte mit einem am 22. August 2001 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt und gerügt, daû ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen habe. Auf den Hinweis des Oberlandesgerichts vom 23. August 2001, daû die Berufung innerhalb der Berufungsfrist nur durch einen bei dem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden könne, hat der Beklagte zwar mit Schreiben vom 27. August 2001 reagiert, einen Wiedereinsetzungsantrag und ein Prozeûkostenhilfegesuch jedoch erst mit Schriftsatz vom 25. September 2001, eingegangen am 26. September 2001, gestellt.
Mit Beschluû vom 27. September 2001 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungsfrist und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Entscheidung ist zunächst formlos bekannt gemacht worden, am 8. Oktober 2001 aber auch förmlich zugestellt worden. Hiergegen richtet sich das als sofortige Beschwerde zu wertende, am 5. Oktober bei dem Oberlandesgericht eingegangene Rechtsmittel des Beklagten , für das er mit am 18. Oktober eingegangenem Schreiben Prozeûkostenhilfe beantragt.

II.


Der Antrag auf Bewilligung von Prozeûkostenhilfe für das Verfahren der sofortigen Beschwerde ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das zweite Versäumnisurteil des
Landwirtschaftsgerichts vom 25. Mai 2001 zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie weder frist- noch formgerecht eingelegt worden ist.
1. Die von dem Beklagten selbst eingelegte Berufung ist am 22. August 2001 bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Da das angefochtene Urteil dem Beklagten durch Niederlegung am 19. Juli 2001 zugestellt worden ist, ist die Berufungsfrist nicht gewahrt (§ 516 ZPO). Die Zustellung war auch wirksam und hat die Berufungsfrist in Lauf gesetzt. Zwar setzt eine - hier vorliegende - Ersatzzustellung nach § 182 ZPO voraus, daû die Benachrichtigung über die Niederlegung ordnungsgemäû erfolgt ist. Das ist hier indes der Fall. Die Benachrichtigung ist in den Hausbriefkasten am Wohnort des Beklagten eingelegt worden. Durch den am 8. März 2001 angetretenen Klinikaufenthalt hat dieser Ort die Eigenschaft als Wohnung nicht verloren. Unabhängig davon, daû auch ein längerer Klinikaufenthalt nicht ohne weiteres dazu führt, daû der Betroffene seinen Lebensmittelpunkt von seiner bisherigen Wohnung in die Klinik verlegt (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Juli 1984, IVb ZB 71/84, NJW 1985, 2197), ist hier schon deswegen davon auszugehen, daû die Zustellung an der dem Gericht allein bekannten Anschrift erfolgen durfte, weil jedenfalls am 19. Juli 2001 der Beklagte hier wieder seinen ständigen Aufenthaltsort hatte. Er hat selbst nur für einen früheren Zeitraum auf seine klinikbedingte Ortsabwesenheit verwiesen und u.a. geltend gemacht, am 6. Juni 2001 erst die Ladung zu dem Termin vom 25. Mai 2001 vorgefunden zu haben. Er hat auch auf die Zustellung des zweiten Versäumnisurteils in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang, mit Schreiben vom 29. Juli 2001, reagiert.
2. Im übrigen ist die Berufung auch nicht formgerecht eingelegt worden, da sie nicht durch einen bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden ist (§ 78 Abs. 1 ZPO).
3. Der Verwerfung der Berufung als unzulässig steht auch nicht das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten, verbunden mit einem Antrag auf Prozeûkostenhilfe, entgegen. Das Berufungsgericht hat nämlich dem Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungsfrist im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen.
Eine Wiedereinsetzung kam jedenfalls deswegen nicht in Betracht, weil kein Wiedereinsetzungsgrund ersichtlich ist. Der Beklagte hatte das am 19. Juli 2001 zugestellte zweite Versäumnisurteil, wie sein Schreiben vom 29. Juli 2001 belegt, jedenfalls zu diesem Zeitpunkt in Händen. Krankheitsbedingte Umstände , die ihn gehindert hätten, innerhalb der Berufungsfrist das zulässige Rechtsmittel einzulegen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das folgt auch daraus, daû der Beklagte in der fraglichen Zeit mit dem Berufungsgericht korrespondiert hat (Schreiben vom 15., 27. und 28. August 2001). Daû der Beklagte sich über das zulässige Rechtsmittel und die Formerfordernisse nicht im klaren war, stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Auch von einer nicht juristisch geschulten Partei muû erwartet werden, daû sie sich über Möglichkeiten , Fristen und Formerfordernisse von Rechtsmitteln rechtzeitig informiert (vgl. BGH, Beschl. v. 19. März 1997, XII ZB 139/96, NJW 1997, 1989). Das galt hier um so mehr, als der Beklagte zusätzlich von der Vorsitzenden des Landwirtschaftsgerichts mit Schreiben vom 7. August (abgegangen am 8. August) 2001 darüber informiert wurde, daû er nicht Beschwerde beim Landwirtschaftsgericht einlegen könne, sondern nur Berufung beim Oberlan-
desgericht und daû die Frist von einem Monat seit der Zustellung laufe und durch den Beschwerdeschriftsatz nicht gehemmt werde.
Selbst wenn man dem Beklagten aber zugute halten wollte, daû er - entschuldbar - davon ausgegangen ist, daû er die Berufung selbst einlegen könne, so ist ihm mit Schreiben vom 23. August 2001 von dem Vorsitzenden des Berufungsgerichts mitgeteilt worden, daû er die Berufung innerhalb der Berufungsfrist nur durch einen bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt einlegen könne. Auf dieses Schreiben hat er zwar unter dem 27. August 2001 reagiert, einen Wiedereinsetzungsantrag aber erst mit Schreiben vom 25. September 2001, eingegangen am 26. September 2001, und damit verspätet (§ 234 ZPO) gestellt. Auch ein Prozeûkostenhilfeantrag für das Berufungsverfahren ist erst in diesem Schreiben enthalten.
Krüger Klein Gaier

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 513 Berufungsgründe


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 78 Anwaltsprozess


(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so m

Zivilprozessordnung - ZPO | § 516 Zurücknahme der Berufung


(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen. (2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung

Zivilprozessordnung - ZPO | § 182 Zustellungsurkunde


(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418. (2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:1.die Bezeichnung der Person, der

Referenzen

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der Berufungskläger kann die Berufung bis zur Verkündung des Berufungsurteils zurücknehmen.

(2) Die Zurücknahme ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Sie erfolgt, wenn sie nicht bei der mündlichen Verhandlung erklärt wird, durch Einreichung eines Schriftsatzes.

(3) Die Zurücknahme hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels und die Verpflichtung zur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Kosten zu tragen. Diese Wirkungen sind durch Beschluss auszusprechen.

(1) Zum Nachweis der Zustellung nach den §§ 171, 177 bis 181 ist eine Urkunde auf dem hierfür vorgesehenen Formular anzufertigen. Für diese Zustellungsurkunde gilt § 418.

(2) Die Zustellungsurkunde muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Person, der zugestellt werden soll,
2.
die Bezeichnung der Person, an die der Brief oder das Schriftstück übergeben wurde,
3.
im Falle des § 171 die Angabe, dass die Vollmachtsurkunde vorgelegen hat,
4.
im Falle der §§ 178, 180 die Angabe des Grundes, der diese Zustellung rechtfertigt und wenn nach § 181 verfahren wurde, die Bemerkung, wie die schriftliche Mitteilung abgegeben wurde,
5.
im Falle des § 179 die Erwähnung, wer die Annahme verweigert hat und dass der Brief am Ort der Zustellung zurückgelassen oder an den Absender zurückgesandt wurde,
6.
die Bemerkung, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag, der das zuzustellende Schriftstück enthält, vermerkt ist,
7.
den Ort, das Datum und auf Anordnung der Geschäftsstelle auch die Uhrzeit der Zustellung,
8.
Name, Vorname und Unterschrift des Zustellers sowie die Angabe des beauftragten Unternehmens oder der ersuchten Behörde.

(3) Die Zustellungsurkunde ist der Geschäftsstelle in Urschrift oder als elektronisches Dokument unverzüglich zurückzuleiten.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.