Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2015 - KRB 39/14

27.01.2015
vorgehend
Oberlandesgericht Düsseldorf, 4 Kart 5/11, 10.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
KRB39/ 1 4
vom
27. Januar 2015
in dem Kartellbußgeldverfahren
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2015 durch die
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Raum sowie die Richter
Prof. Dr. Strohn, Dr. Bacher und Dr. Deichfuß

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des 4. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2014 wird gemäß § 79 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

1
Ergänzend bemerkt der Senat:
2
Das Oberlandesgericht hat ohne Rechtsverstoß eine Erstreckung der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit auf die Nebenbetroffene bejaht. Nach den Feststellungen befindet sich das Vermögen der Melitta Kaffee GmbH im Wesentlichen ungeschmälert im Vermögen der aufnehmenden Nebenbetroffenen und ist faktisch getrennt von deren übrigem Vermögen, weil das Kaffeegeschäft aus derselben Betriebsstätte unter Fortbestand der Leitung mit unveränderter Belegschaft und damit räumlich, organisatorisch und personell getrennt vom Geschäftsbereich Haushaltsprodukte der früheren Melitta Haushaltsprodukte GmbH & Co. KG weitergeführt wird. Mit dem unverändert fortgeführten Kaffeevertrieb erzielt die Nebenbetroffene mehr als die Hälfte ihrer Umsätze; im Gegensatz zu den herkömmlichen Geschäftsbereichen der Nebenbetroffenen trägt der Kaffeebereich erheblich zum Gewinn des Unternehmens bei.
3
Das haftende Vermögen macht - wie das Oberlandesgericht eingehend begründet hat - damit einen wesentlichen Teil des Vermögens der Nebenbetroffenen aus, was die Annahme einer wirtschaftlichen Nahezu-Identität der Melitta Kaffee GmbH mit der Nebenbetroffenen rechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend BGH, Beschluss vom 11. März 1986 - KRB 8/85, WuW/E BGH 2265 = wistra 1986, 221) erfordert das hierfür maßgebliche Kriterium, dass das in einer anderen Organisation weiterhin vom Vermögen des gemäß § 30 OWiG Verantwortlichen getrennte, in gleicher oder ähnlicher Weise wie bisher eingesetzte Vermögen in der neuen juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens ausmacht, nicht in jedem Fall, dass das übrige Vermögen der neuen juristischen Person demgegenüber vollständig oder nahezu vollständig in den Hintergrund tritt. Diese Voraussetzung war auch in dem der Entscheidung vom 11. März 1986 zugrunde liegenden Fall nicht gegeben, in dem der Bundesgerichtshof vielmehr hat genügen lassen, dass das Vermögen der durch Umwandlung in der T Bauaktiengesellschaft aufgegangenen B und K AG für die T und deren überregionale Betätigung auf den Gebieten des Bauwesens von wesentlicher Bedeutung war. Da die Bejahung der Nahezu-Identität das Ergebnis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist (BGH aaO), genügt es vielmehr, wenn das übernommene Vermögen eine wirtschaftlich selbständige, die neue juristische Person prägende Stellung behalten hat, demgegenüber der neue Rechtsträger - insofern einem Wechsel der Rechtsform ähnlich - lediglich einen neuen rechtlichen und wirtschaftlichen Mantel bildet.
4
Dem stehen auch nicht die beiden jüngeren Beschlüsse des Senats vom 10. August 2011 (KRB 55/10, BGHSt 57,193 - Versicherungsfusion; KRB 2/10, wistra 2012, 152) entgegen. Beide Entscheidungen, die an die vorhergehende Rechtsprechung anknüpfen und sie ausdrücklich inhaltlich bestätigen, haben anders gelagerte Sachverhaltsgestaltungen zum Gegenstand. Während die Entscheidung KRB 55/10 eine Fallgestaltung betraf, bei der die Vermögensmassen des aufnehmenden und des auf dieses verschmolzenen Unternehmens nicht weiterhin faktisch getrennt waren, sondern auch operativ zusammengeführt wurden, lag der Entscheidung KRB 2/10 eine Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft zu Grunde, die stattfand, nachdem die Tochtergesellschaft zuvor die Betriebsmittel und das verbliebene operative Geschäft auf eine Schwestergesellschaft übertragen hatte. In beiden Fällen machte das bisher eingesetzte Vermögen in der neuen juristischen Person keinen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens aus, in dem einen Fall, weil es weder seine wirtschaftlich selbständige Stellung behalten hatte noch das übrige Vermögen der neuen juristischen Person deutlich überwog, in dem anderen Fall, weil es gar nicht auf den Rechtsnachfolger übergegangen war. Meier-Beck Raum Strohn Bacher Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.02.2014 - V-4 Kart 5/11 OWi -

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 79 Rechtsbeschwerde


(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn 1. gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,2. eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 30 Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen


(1) Hat jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,2. als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes,3. als vertretungsberechtigter Gesellsch

Referenzen

(1) Gegen das Urteil und den Beschluß nach § 72 ist Rechtsbeschwerde zulässig, wenn

1.
gegen den Betroffenen eine Geldbuße von mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
2.
eine Nebenfolge angeordnet worden ist, es sei denn, daß es sich um eine Nebenfolge vermögensrechtlicher Art handelt, deren Wert im Urteil oder im Beschluß nach § 72 auf nicht mehr als zweihundertfünfzig Euro festgesetzt worden ist,
3.
der Betroffene wegen einer Ordnungswidrigkeit freigesprochen oder das Verfahren eingestellt oder von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen worden ist und wegen der Tat im Bußgeldbescheid oder Strafbefehl eine Geldbuße von mehr als sechshundert Euro festgesetzt, ein Fahrverbot verhängt oder eine solche Geldbuße oder ein Fahrverbot von der Staatsanwaltschaft beantragt worden war,
4.
der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen worden ist oder
5.
durch Beschluß nach § 72 entschieden worden ist, obwohl der Beschwerdeführer diesem Verfahren rechtzeitig widersprochen hatte oder ihm in sonstiger Weise das rechtliche Gehör versagt wurde.
Gegen das Urteil ist die Rechtsbeschwerde ferner zulässig, wenn sie zugelassen wird (§ 80).

(2) Hat das Urteil oder der Beschluß nach § 72 mehrere Taten zum Gegenstand und sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 oder Satz 2 nur hinsichtlich einzelner Taten gegeben, so ist die Rechtsbeschwerde nur insoweit zulässig.

(3) Für die Rechtsbeschwerde und das weitere Verfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend. § 342 der Strafprozeßordnung gilt auch entsprechend für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 72 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1.

(4) Die Frist für die Einlegung der Rechtsbeschwerde beginnt mit der Zustellung des Beschlusses nach § 72 oder des Urteils, wenn es in Abwesenheit des Beschwerdeführers verkündet und dieser dabei auch nicht nach § 73 Abs. 3 durch einen mit nachgewiesener Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten worden ist.

(5) Das Beschwerdegericht entscheidet durch Beschluß. Richtet sich die Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, so kann das Beschwerdegericht auf Grund einer Hauptverhandlung durch Urteil entscheiden.

(6) Hebt das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf, so kann es abweichend von § 354 der Strafprozeßordnung in der Sache selbst entscheiden oder sie an das Amtsgericht, dessen Entscheidung aufgehoben wird, oder an ein anderes Amtsgericht desselben Landes zurückverweisen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder als Mitglied eines solchen Vorstandes,
3.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft,
4.
als Generalbevollmächtigter oder in leitender Stellung als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung oder
5.
als sonstige Person, die für die Leitung des Betriebs oder Unternehmens einer juristischen Person oder einer in Nummer 2 oder 3 genannten Personenvereinigung verantwortlich handelt, wozu auch die Überwachung der Geschäftsführung oder die sonstige Ausübung von Kontrollbefugnissen in leitender Stellung gehört,
eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden.

(2) Die Geldbuße beträgt

1.
im Falle einer vorsätzlichen Straftat bis zu zehn Millionen Euro,
2.
im Falle einer fahrlässigen Straftat bis zu fünf Millionen Euro.
Im Falle einer Ordnungswidrigkeit bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße. Verweist das Gesetz auf diese Vorschrift, so verzehnfacht sich das Höchstmaß der Geldbuße nach Satz 2 für die im Gesetz bezeichneten Tatbestände. Satz 2 gilt auch im Falle einer Tat, die gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit ist, wenn das für die Ordnungswidrigkeit angedrohte Höchstmaß der Geldbuße das Höchstmaß nach Satz 1 übersteigt.

(2a) Im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge durch Aufspaltung (§ 123 Absatz 1 des Umwandlungsgesetzes) kann die Geldbuße nach Absatz 1 und 2 gegen den oder die Rechtsnachfolger festgesetzt werden. Die Geldbuße darf in diesen Fällen den Wert des übernommenen Vermögens sowie die Höhe der gegenüber dem Rechtsvorgänger angemessenen Geldbuße nicht übersteigen. Im Bußgeldverfahren tritt der Rechtsnachfolger oder treten die Rechtsnachfolger in die Verfahrensstellung ein, in der sich der Rechtsvorgänger zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Rechtsnachfolge befunden hat.

(3) § 17 Abs. 4 und § 18 gelten entsprechend.

(4) Wird wegen der Straftat oder Ordnungswidrigkeit ein Straf- oder Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder wird es eingestellt oder wird von Strafe abgesehen, so kann die Geldbuße selbständig festgesetzt werden. Durch Gesetz kann bestimmt werden, daß die Geldbuße auch in weiteren Fällen selbständig festgesetzt werden kann. Die selbständige Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Straftat oder Ordnungswidrigkeit aus rechtlichen Gründen nicht verfolgt werden kann; § 33 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(5) Die Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung schließt es aus, gegen sie wegen derselben Tat die Einziehung nach den §§ 73 oder 73c des Strafgesetzbuches oder nach § 29a anzuordnen.

(6) Bei Erlass eines Bußgeldbescheids ist zur Sicherung der Geldbuße § 111e Absatz 2 der Strafprozessordnung mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Urteils der Bußgeldbescheid tritt.