Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2004 - IXa ZB 264/03

bei uns veröffentlicht am19.03.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IXa ZB 264/03
vom
19. März 2004
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft die Richter Raebel, von Lienen, die Richterin Roggenbuck und den
Richter Zoll
am 19. März 2004

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 23. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 28. Juli 2003 wird auf Kosten der Schuldner zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 300

Gründe:


I.


Die Beteiligte zu 2. betreibt die Zwangsversteigerung des im Rubrum bezeichneten Grundstücks. Das Amtsgericht Darmstadt setzte den Verkehrswert rechtskräftig auf 710.000 DM (363.017,24 vom 9. Oktober 2002 beantragten die Schuldner, wegen zwischenzeitlich aufgetretener erheblicher Mängel den Verkehrswert herabzusetzen. Seit der Begutachtung durch den Sachverständigen seien Schäden aufgetreten, die den ! #" %$& ! ' ( )+*, Wert des Grundstücks um 30.000 bis 50.000 wies den Antrag auf Herabsetzung des Verkehrswertes zurück und führte die Versteigerung durch. In dem Termin blieb die Beteiligte zu 2. mit einem Barge- . / 0 1!" 32 .345 . 6 87# )+*, 9" :$;.+ bot von 200.000 - i- . * # & =<>)+* 34 ?4 / @ lung III Nr. 2 im Wert von 25.564,59 die Zurückweisung ihres Antrags im Termin sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht Darmstadt half der sofortigen Beschwerde nicht ab; das Landgericht Darmstadt verwarf die sofortige Beschwerde als unzulässig und ließ die Rechtsbeschwerde zu. Am 22. Oktober 2003 hat das Amtsgericht zugunsten der Beteiligten zu 2. den Zuschlagsbeschluß verkündet. Gegen den Zuschlagsbeschluß haben die Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Schuldner weiter ihren Antrag auf Herabsetzung des Verkehrswertes.

II.


Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht meint, für den Antrag der Schuldner auf Herabsetzung des Verkehrswertes fehle grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. Die Verkehrswertfestsetzung habe den Zweck, eine Verschleuderung des Grundstücks zu verhindern, solle aber nicht anderweitige rein wirtschaftliche Interessen des Schuldners, beispielsweise das Grundstück möglichst niedrig selbst zu ersteigern, schützen. Hier sei das Grundstück im ersten Versteigerungstermin ersteigert worden, so daß das Argument entfalle, es sei durch eine möglicherweise überhöhte Festsetzung des Verkehrswertes wahrscheinlicher, daß wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze ein Antrag auf Zuschlagsversagung gestellt werde. Bei Bietinteressenten, die durch einen zu hohen Ver-
kehrswert abgeschreckt würden, wäre mit einem niedrigeren, für den Schuldner nachteiligen Mindestgebot zu rechnen gewesen. Es könnte allenfalls theoretisch im zweiten Versteigerungstermin, in dem die Zuschlagsversagungsgrenze des § 85a ZVG keine Anwendung mehr finde, die Gefahr eines Zuschlags zu einem niedrigeren Preis bestehen. Da aber gerade in diesem Termin eine Grenze für das Mindestgebot nicht bestehe, sei es nicht einleuchtend, daß ein potenzieller Erwerber durch den möglicherweise zu hoch festgesetzten Verkehrswert abgeschreckt werden sollte, weil er das Grundstück im Laufe des Verfahrens zu einem wesentlich niedrigeren Wert ersteigern könne.
2. Demgegenüber vertritt die Rechtsbeschwerde die Auffassung, daß jeder Beteiligte (Schuldner und Gläubiger) und das Gericht daran interessiert sein müsse, daß der richtige Wert festgesetzt werde. Das berechtigte Interesse der Schuldner, den Verkehrswert nicht zu hoch anzusetzen, ergebe sich bereits aus ihrem Eigentum.
3. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zwar trifft es zu, daß der Vollstreckungsschuldner gegen den Beschluß über die Festsetzung des Grundstückswertes grundsätzlich auch mit dem Ziel einer Herabsetzung des Verkehrswertes sofortige Beschwerde einlegen kann, wenn daran im Einzelfall ein Rechtsschutzinteresse besteht (Beschluß des Senats vom 27. Februar 2004 - IXa ZB 185/03). Hier können die Schuldner ihren Antrag auf Neufestsetzung des Verkehrswertes jedoch nicht mehr weiterverfolgen, weil ihre sofortige Beschwerde gegen den Ablehnungsbeschluß mit Verkündung des Zuschlagsbeschlusses vom 22. Oktober 2003 wegen prozessualer Überholung unzulässig geworden ist (Senatsbeschluß vom 10. Oktober 2003 - IXa ZB 128/03, WM 2004, 98). Die Schuldner können nunmehr die Zuschlagserteilung auch mit der
Begründung anfechten, sie seien wegen der fehlerhaften Festsetzung des Grundstückswertes in ihrem Recht auf Versagung des Zuschlags verletzt.
Im übrigen wäre die Rechtsbeschwerde auch unbegründet, weil ein Rechtsschutzinteresse der Schuldner an einer Herabsetzung des Verkehrwertes nicht erkennbar ist. Der Zuschlag ist der Beteiligten zu 2. als betreibender Gläubigerin erteilt worden. Gemäß § 114a ZVG gilt sie in Höhe des Betrags als befriedigt, der 7/10 des festgesetzten Verkehrswertes von 363.017,24 A , +B C )+*+ D E )+*F G H 0 I* J *0 K LM * N PO! * F 0 )+*I (= 254.112,07 Schuldner somit in diesem konkreten Fall allemal günstiger.
Kreft Raebel von Lienen Roggenbuck Zoll

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 85a


(1) Der Zuschlag ist ferner zu versagen, wenn das abgegebene Meistgebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte die Hälfte des Grundstückswertes nicht erreicht. (2) § 74a Abs. 3, 5 ist ent

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung - ZVG | § 114a


Ist der Zuschlag einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten zu einem Gebot erteilt, das einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte hinter sieben Zehnteilen des Grundstückswertes zurüc

Referenzen

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Zuschlag ist ferner zu versagen, wenn das abgegebene Meistgebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte die Hälfte des Grundstückswertes nicht erreicht.

(2) § 74a Abs. 3, 5 ist entsprechend anzuwenden. In dem neuen Versteigerungstermin darf der Zuschlag weder aus den Gründen des Absatzes 1 noch aus denen des § 74a Abs. 1 versagt werden.

(3) Ist das Meistgebot von einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten abgegeben worden, so ist Absatz 1 nicht anzuwenden, wenn das Gebot einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte zusammen mit dem Betrag, mit dem der Meistbietende bei der Verteilung des Erlöses ausfallen würde, die Hälfte des Grundstückswertes erreicht.

Ist der Zuschlag einem zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigten zu einem Gebot erteilt, das einschließlich des Kapitalwertes der nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibenden Rechte hinter sieben Zehnteilen des Grundstückswertes zurückbleibt, so gilt der Ersteher auch insoweit als aus dem Grundstück befriedigt, als sein Anspruch durch das abgegebene Meistgebot nicht gedeckt ist, aber bei einem Gebot zum Betrage der Sieben-Zehnteile-Grenze gedeckt sein würde. Hierbei sind dem Anspruch des Erstehers vorgehende oder gleichstehende Rechte, die erlöschen, nicht zu berücksichtigen.