Bundesgerichtshof Beschluss, 05. März 2009 - IX ZR 48/08
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 600.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG greift nicht durch, weil die angefochtene Entscheidung jedenfalls nicht auf einem etwaigen Gehörverstoß beruht.
- 2
- Der geltend gemachte Anspruch findet seine Grundlage in § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der Schuldner war zum Zeitpunkt der Überweisung, was die Beklagte nicht in Abrede stellt, zahlungsunfähig. Der Beklagten war die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf der Grundlage des hier anzuwendenden § 130 Abs. 2 InsO bekannt. Die notwendige Kenntnis ist gegeben, wenn der Anfechtungsgegner den Schluss gezogen hat oder zwingend hätte ziehen müssen, dass der Schuldner wesentliche Teile, also 10 % und mehr, seiner fällig gestellten Verbindlichkeiten in einem Zeitraum von drei Wochen nicht tilgen kann (BGH, Urt. v. 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222, 2225 Rn. 30). Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht für gegeben erachtet, auch wenn es - wohl im Sinne einer Hilfserwägung - gemeint hat, letztlich komme es auf das Wissen der Beklagten nicht einmal an, weil ihre Kenntnis nach § 130 Abs. 3 InsO vermutet werde. Die Annahme der Kenntnis ist rechtlich bedenkenfrei und sogar nahe liegend, weil die Beklagte selbst am 8. Juni 2005 im Rahmen des erfolglosen Vollstreckungsversuchs der Finanzbehörde auf die zusätzlichen, nicht getilgten Verbindlichkeiten des Schuldners in Höhe von 7 Mio. Euro hingewiesen hat. Dass sie am 14. November 2005 davon ausgegangen sei, die Vermögensverhältnisse des Schuldners hätten sich inzwischen wesentlich gebessert und er habe möglicherweise seine Zahlungen allgemein wieder aufgenommen oder sei möglicherweise wenigstens dazu in der Lage (vgl. BGH, Urt. v. 27. März 2008 - IX ZR 98/07, NZI 2008, 366, 367 Rn. 15 ff), hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Bei dieser Sachlage ist ein Rückgriff sowohl auf § 130 Abs. 3, § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO als auch auf § 134 InsO ent- behrlich, so dass sich etwaige mit der Anwendung dieser Bestimmungen in Zusammenhang stehende Gehörsverletzungen auf die angefochtene Entscheidung nicht ausgewirkt haben können.
Lohmann Fischer
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 17.08.2007 - 4 O 2061/06 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 20.02.2008 - 5 U 37/07 -
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Referenzen - Gesetze
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- 1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(1) Ist der Schuldner eine natürliche Person, so sind nahestehende Personen:
- 1.
der Ehegatte des Schuldners, auch wenn die Ehe erst nach der Rechtshandlung geschlossen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist; - 1a.
der Lebenspartner des Schuldners, auch wenn die Lebenspartnerschaft erst nach der Rechtshandlung eingegangen oder im letzten Jahr vor der Handlung aufgelöst worden ist; - 2.
Verwandte des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners in auf- und absteigender Linie und voll- und halbbürtige Geschwister des Schuldners oder des in Nummer 1 bezeichneten Ehegatten oder des in Nummer 1a bezeichneten Lebenspartners sowie die Ehegatten oder Lebenspartner dieser Personen; - 3.
Personen, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner leben oder im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt haben sowie Personen, die sich auf Grund einer dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner über dessen wirtschaftliche Verhältnisse unterrichten können; - 4.
eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, wenn der Schuldner oder eine der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen Mitglied des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, persönlich haftender Gesellschafter oder zu mehr als einem Viertel an deren Kapital beteiligt ist oder auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hat, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu unterrichten.
(2) Ist der Schuldner eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind nahestehende Personen:
- 1.
die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind; - 2.
eine Person oder eine Gesellschaft, die auf Grund einer vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten; - 3.
eine Person, die zu einer der in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen in einer in Absatz 1 bezeichneten persönlichen Verbindung steht; dies gilt nicht, soweit die in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.