Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Jan. 2007 - IX ZB 70/06

bei uns veröffentlicht am18.01.2007
vorgehend
Amtsgericht Bielefeld, 43 IN 147/05, 28.04.2005
Landgericht Bielefeld, 23 T 150/06, 19.04.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 70/06
vom
18. Januar 2007
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Cierniak
am 18. Januar 2007

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 19. April 2006 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 10.592,00 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte war in der Zeit vom 26. Januar bis 1. März 2005 vorläufiger, mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestatteter Verwalter in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, die an acht verschiedenen Standorten mit Farben, Tapeten, Teppichen , Gardinen und Werkzeugen handelte und Bodenbeläge verlegte. Während des Eröffnungsverfahrens wurde der Betrieb fortgeführt.
2
Der weitere Beteiligte hat beantragt, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 22.896,68 € zuzüglich Auslagenersatz und Umsatzsteuer festzusetzen. Als Berechnungsgrundlage hat er einen Wert des verwalteten Vermögens von 902.167,57 € angegeben. Darin enthalten waren 691.000,00 € für den Warenbestand. Das Insolvenzgericht hat dem Antrag entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 19. April 2006 die Vergütung auf 13.765,87 € herabgesetzt, weil der Warenbestand nicht zu berücksichtigen sei. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der weitere Beteiligte die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung.

II.


3
Das Rechtsmittel ist zwar statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO), jedoch unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. .
4
1. Zur Begründung seiner Auffassung, dass der Warenbestand nicht in die Berechnungsgrundlage einzustellen ist, hat das Beschwerdegericht darauf hingewiesen, der weitere Beteiligte habe entgegen § 8 Abs. 2 InsVV nicht hinreichend dargelegt, welchen Umfang der Warenbestand am Ende des Eröffnungsverfahrens gehabt habe. Er habe sich lediglich auf die letzte Inventur der Schuldnerin berufen, die zum 31. Dezember 2004 einen Warenbestand von ungefähr 691.000,00 € ausgewiesen habe, wovon ein Teil im Wert von ca. 390.000,00 € am Stammsitz in P. eingelagert gewesen sei. Weiter habe er auf Grund einer betriebswirtschaftlichen Auswertung behauptet, der gesamte Bestand sei auch noch am 1. März 2005 vorhanden gewesen. Tatsächlich seien Anfang April 2005 in P. nur noch Waren im Wert von rund 69.000,00 € eingelagert gewesen. Was mit den übrigen geschehen sei, habe der weitere Beteiligte nicht angeben können. Es komme hinzu, dass nicht ersichtlich sei, in welchem Umfang am Warenbestand Aus- oder Absonderungsrechte bestünden und welche nennenswerten Tätigkeiten der weitere Beteiligte insoweit entfaltet habe.
5
2. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde gibt der vorliegende Fall dem Senat keine Veranlassung, Leitlinien für die Auslegung von § 8 Abs. 2 InsVV aufzustellen. Insbesondere braucht nicht allgemein entschieden zu werden , ob der vorläufige Insolvenzverwalter den in die Berechnungsgrundlage seiner Vergütung aufzunehmenden Warenbestand in der Weise darlegen kann, dass er von dem Ergebnis der letzten Inventur ausgeht und aus der fortgeführten Buchhaltung die Warenzugänge und -abgänge rechnerisch ermittelt. Jedenfalls dann, wenn die bekannten Tatsachen sich mit dem rechnerischen Ergebnis auch nicht annähernd in Einklang bringen lassen, ist dieses Verfahren untauglich. So verhält es sich hier. Eine von dem weiteren Beteiligten selbst in Auftrag gegebene Untersuchung hat für Anfang April 2005 ergeben, dass in P. nur noch Waren im Wert von ca. 69.000,00 € vorhanden waren. Der weitere Beteiligte führt dies darauf zurück, dass entweder die vorangegangene Inventur nicht das in den Büchern ausgewiesene Ergebnis gehabt haben könne oder dass die Geschäftsführer der Schuldnerin später Waren heimlich weggeschafft hätten. Wenn es aber selbst nach Auffassung des weiteren Beteiligten möglich ist, dass der Warenbestand Ende des Jahres 2004 weit unterhalb des dafür angesetzten Wertes von 691.000,00 € gelegen hat, fehlt es an der Grundlage für seine darauf aufbauenden Berechnungen.
6
Da 3. die Nichtberücksichtigung des Warenbestandes durch das Beschwerdegericht somit vom Rechtsbeschwerdegericht nicht zu korrigieren ist, kommt es auf die Frage, in welchem Umfang hieran Aus- und Absonderungsrechte bestanden haben und ob der weitere Beteiligte sich in erheblichem Maße damit befasst hat, nicht an.
7
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Fischer Ganter Raebel
Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
AG Bielefeld, Entscheidung vom 28.04.2005 - 43 IN 147/05 -
LG Bielefeld, Entscheidung vom 19.04.2006 - 23 T 150/06 -

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 577 Prüfung und Entscheidung der Rechtsbeschwerde


(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde a

Insolvenzordnung - InsO | § 6 Sofortige Beschwerde


(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen. (2) Die Beschwerdefrist beginn

Insolvenzordnung - InsO | § 64 Festsetzung durch das Gericht


(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest. (2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt i

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung - InsVV | § 8 Festsetzung von Vergütung und Auslagen


(1) Die Vergütung und die Auslagen werden auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht festgesetzt. Die Festsetzung erfolgt für Vergütung und Auslagen gesondert. Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlußrechnung an das Gericht gesan

Referenzen

(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.

(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.

(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.

(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest.

(2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß der vollständige Beschluß in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.

(3) Gegen den Beschluß steht dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. § 567 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Vergütung und die Auslagen werden auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht festgesetzt. Die Festsetzung erfolgt für Vergütung und Auslagen gesondert. Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlußrechnung an das Gericht gesandt wird.

(2) In dem Antrag ist näher darzulegen, wie die nach § 1 Abs. 2 maßgebliche Insolvenzmasse berechnet worden ist und welche Dienst- oder Werkverträge für besondere Aufgaben im Rahmen der Insolvenzverwaltung abgeschlossen worden sind (§ 4 Abs. 1 Satz 3).

(3) Der Verwalter kann nach seiner Wahl anstelle der tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz fordern, der im ersten Jahr 15 vom Hundert, danach 10 vom Hundert der Regelvergütung, höchstens jedoch 350 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit des Verwalters beträgt. Der Pauschsatz darf 30 vom Hundert der Regelvergütung nicht übersteigen.

(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.

(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.

(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.