Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Jan. 2000 - IX ZB 34/99

bei uns veröffentlicht am20.01.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 34/99
vom
20. Januar 2000
in dem Entschädigungsrechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Paulusch und die Richter Dr. Kreft, Stodolkowitz, Dr. Zugehör und Dr. Ganter
am 20. Januar 2000

beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Gründe:


Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 219 Abs. 2 BEG).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich um einen Vergleich, der nur zustande gekommen ist, weil beide Parteien die Rechtslage falsch beurteilt haben. Einem solchen Vergleich fehlt die Geschäftsgrundlage (BGH, Urt. v. 20. Februar 1975 - IX ZR 112/73, RzW 1975, 151, 152; v. 20. Februar 1975 - IX ZR 142/73, RzW 1975, 153, 154; v. 20. Februar 1975 - IX ZR 68/74, RzW 1975, 149; auch v. 25. September 1980 - IX ZR 98/77, RzW 1981, 12, 13; v. 24. Juni 1982 - IX ZR 53/81, LM 7. Ä ndVO/
2.DVO/BEG 1956 Nr. 14). Der Entschädigungspflichtige verstößt regelmäßig gegen Treu und Glauben, wenn er nach Aufklärung des Irrtums an dem Vergleich festhält und dem Antragsteller über die vereinbarte Leistung hinausgehende Entschädigung verweigert, die ihm ohne den Vergleich zustünde (BGH IX ZR 112/73 aaO S. 152; IX ZR 142/73 aaO S. 154). Eine völlige oder auch nur teilweise Anpassung des Vergleichs an die Rechtslage ist jedoch nicht immer geboten. So kann bei erheblicher Anspruchsbeschränkung dem Verlangen nach Anpassung des Vergleichs entgegenstehen, daß der Antragsteller damit nicht alsbald hervorgetreten ist, nachdem er seinen Rechtsirrtum erkannt hatte oder hätte erkennen können (BGH IX ZR 142/73 aaO S. 154). Im Blick auf das Interesse der Allgemeinheit an einem baldigen Abschluß der Entschädigung kann nicht unberücksichtigt bleiben, wie lange der Antragsteller mit seinem Ä nderungsverlangen zugewartet hat, nachdem er die dem Vergleich zugrundeliegende falsche rechtliche Beurteilung erkannt hat oder hätte erkennen können und müssen (BGH IX ZR 112/73 aaO S. 152; Urt. v. 14. Januar 1982 - IX ZR 29/80, LM § 177 BEG 1956 Nr. 12). Auch ein krasses Mißverhältnis zwischen gesetzlicher und vereinbarter Leistung zwingt den Entschädigungspflichtigen nicht unter allen Umständen, die Bindung an den Vergleich aufzugeben und den Anspruch voll zu erfüllen (BGH IX ZR 142/73 aaO S. 154).
Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die wiedergegebene höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt. Es hat angenommen, die Klägerin hätte dem von 1963 bis 1971 zu ihrer Vertretung in Entschädigungssachen eingeschalteten Rechtsanwalt Dr. Sch. den Ä nderungsbescheid vom 6. Juli 1971 aushändigen müssen. Jedenfalls dann hätte dieser bei hinreichender Aufmerksamkeit den Rechtsirrtum, der dem Vergleich zugrunde lag, erkennen können und müssen. Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen,
die bis zum Verschlimmerungsantrag im Jahre 1990 v erstrichene lange Frist von fast 20 Jahren rechtfertige es nicht, den Vergleich auch für die Zeit vor Juni 1990 an die wahre Rechtslage anzupassen.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten sich im Rahmen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der vorliegende Einzelfall gibt zu weiterführenden grundsätzlichen Erwägungen keinen Anlaß. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Streitfall nicht geboten.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Zugehör Ganter

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bundesentschädigungsgesetz - BEG | § 219


(1) Gegen Endurteile des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn 1. eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu ent

Referenzen

(1) Gegen Endurteile des Oberlandesgerichts findet die Revision an den Bundesgerichtshof statt, wenn das Oberlandesgericht die Revision zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist;
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweicht und auf dieser Abweichung beruht;
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert;
4.
streitig ist, ob das Land, gegen das der Anspruch auf Entschädigung gerichtet ist (§ 188), zu Recht als zuständig in Anspruch genommen ist.

(3) Über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision ist im Urteil zu befinden. Die Nichtzulassung ist zu begründen.

(4) Für die Einlegung und Begründung der Revision gilt § 218 Abs. 2 entsprechend.