Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Okt. 2018 - IX ZB 10/18
vorgehend
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Grupp als Vorsitzenden , die Richterin Lohmann, den Richter Prof. Dr. Pape, die Richterin Möhring und den Richter Meyberg
am 11. Oktober 2018
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Anhörungsrüge ist nach § 321a ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Senat entscheidet in der nach seinen Mitwirkungsgrundsätzen gemäß § 21g GVG berufenen Besetzung. Die Vorschrift des § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist nicht entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2005 - III ZR 443/04, MDR 2006, 168; Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 321a Rn. 15a).
- 2
- Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 19. Juli 2018 den Vortrag beider Parteien vollständig zur Kenntnis genommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Das gilt auch hinsichtlich des Schriftsatzes des Antragstellers vom 30. Juli 2018. Der Senat hat die Sache am 19. Juli 2018 beraten. Der Schriftsatz ist während der Niederlegung des Beratungsergebnisses eingegangen. Er enthielt keine neuen Gesichtspunkte, sondern verwies nur auf die dem Senat bekannte und im Senatsbeschluss verwertete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Mai 2018. Dass der Antragsteller die rechtlichen Schlussfolgerungen, zu denen der Senat gelangt ist, für unzutreffend hält, verhilft der Anhörungsrüge nicht zum Erfolg. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfGE 87, 1, 33; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 - IX ZR 62/07, DStRE 2009, 328 Rn. 5; vom 19. Mai 2011 - IX ZB 214/10, NZI 2011, 540 Rn. 13).
Möhring Meyberg
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 27.01.2017 - 3 O 35/17 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 11.01.2018 - 2 U 138/17 AVAG -
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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn
- 1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.
(1) Innerhalb des mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörpers werden die Geschäfte durch Beschluss aller dem Spruchkörper angehörenden Berufsrichter auf die Mitglieder verteilt. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Präsidium.
(2) Der Beschluss bestimmt vor Beginn des Geschäftsjahres für dessen Dauer, nach welchen Grundsätzen die Mitglieder an den Verfahren mitwirken; er kann nur geändert werden, wenn es wegen Überlastung, ungenügender Auslastung, Wechsels oder dauernder Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers nötig wird.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend, soweit nach den Vorschriften der Prozessordnungen die Verfahren durch den Spruchkörper einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen werden können.
(4) Ist ein Berufsrichter an der Beschlussfassung verhindert, tritt der durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmte Vertreter an seine Stelle.
(5) § 21i Abs. 2 findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Bestimmung durch den Vorsitzenden getroffen wird.
(6) Vor der Beschlussfassung ist den Berufsrichtern, die von dem Beschluss betroffen werden, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(7) § 21e Abs. 9 findet entsprechend Anwendung.
(1) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschriften des vorstehenden Paragraphen fallen, Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüche, so kann die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden.
(2) Die Frist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Der Antrag kann schon vor dem Beginn der Frist gestellt werden. Die Berichtigung des Tatbestandes ist ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird.
(3) Das Gericht entscheidet ohne Beweisaufnahme. Bei der Entscheidung wirken nur diejenigen Richter mit, die bei dem Urteil mitgewirkt haben. Ist ein Richter verhindert, so gibt bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung die Stimme des ältesten Richters den Ausschlag. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.
(4) Die Berichtigung des Tatbestandes hat eine Änderung des übrigen Teils des Urteils nicht zur Folge.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Kosten des Rügeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Gründe:
I.
Der Kläger ist im vorausgegangenen Rechtsstreit mit seine r auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 59.784,63 € nebst Zinsen gerichteten Klage abgewiesen worden. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Berufungsgerichts hat der Senat durch Beschluß vom 29. Juni 2005, der den Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 4. Juli 2005 zugestellt worden ist, zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Kläger mit seiner am 13. Juli 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO. Er trägt vor, der Senat habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG sein Vorbringen zum konkludenten Abschluß eines Beratungsvertrags nicht gewür-
digt und die rechtserhebliche Bedeutung, die das Stellen des Vorführmeisters und der technischen Geräte durch die Beklagte gehabt habe, nicht erkannt. Wegen seiner Beanstandungen im einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 13. Juli 2005 Bezug genommen.
II.
1. Über die statthafte (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 25. Aufl. § 321a Rn. 5) und auch im übrigen zulässige Anhörungsrüge entscheidet der Senat in der nach seinen Mitwirkungsgrundsätzen gemäß § 21g GVG berufenen regulären Spruchgruppe und nicht in derselben Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung , bei der ein Mitglied durch Urlaub an der Mitwirkung verhindert war. § 321a ZPO enthält keine - etwa dem § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO vergleichbare - Bestimmung darüber, wer an der Entscheidung über die Anhörungsrüge mitzuwirken hat. Der Senat hat den Fall der Anhörungsrüge auch nicht in seinen am 30. Dezember 2004 für das Jahr 2005 beschlossenen Mitwirkungsgrundsätzen speziell geregelt. Mangels einer solchen - grundsätzlich zulässigen - Regelung hat der Senat in seiner regulär berufenen Zusammensetzung über die Anhörungsrüge zu befinden. Insoweit gilt für die Mitwirkung an der Entscheidung über eine Anhörungsrüge, die im Erfolgsfall zu einer Fortsetzung des Verfahrens führt, nichts anderes als etwa für einen Berichtigungsbeschluß nach § 319 ZPO (vgl. BGHZ 78, 22 f; 106, 370, 373), für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO (vgl. RGZ 30, 342, 345) sowie für eine Entscheidung über eine Gegenvorstellung oder die Abhilfe einer Beschwerde nach § 572 Abs. 1 ZPO. Da die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO gegen alle instanzbeendenden Entscheidungen , auch von Einzelrichtern, in Betracht kommt, gegen die ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, würde ein an § 320 Abs. 4
oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, würde ein an § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO orientiertes Verständnis über die Mitwirkung des bisher entscheidenden Richters die Anwendung dieser Rüge in einem ihrem Zweck nach nicht gerechtfertigten Umfang einschränken.
2. Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG nur verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des Parteivortrags in den Gründen der Entscheidung auch ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 96, 205, 216 f). Der Senat hat in dem Beschluß vom 29. Juni 2005 die jetzt von der Anhörungsrüge des Klägers umfaßten Angriffe in der Nichtzulassungsbeschwerde in vollem Umfang darauf geprüft, ob sie einen Revisionszulassungsgrund ergeben. Er hat unter diesem Gesichtspunkt die Beanstandungen der Nichtzulassungsbeschwerde sämtlich für nicht durchgreifend erachtet und hat insoweit - ohne daß dies nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO rechtlich geboten gewesen wäre - seinem die Beschwerde zurückweisenden Beschluß eine kurze Begründung beigefügt. Von einer weiter reichenden Begründung sieht er auch in diesem Verfahrensabschnitt in entsprechender Anwendung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO ab. Weder aus § 321a Abs. 4 Satz 5 ZPO, nach dem der Beschluß kurz begründet werden soll, noch unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt sich eine Verpflichtung zu einer weitergehenden Begründung der Entscheidung. Ansonsten hätte es eine Partei in der Hand, mittels einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO die Bestimmung des § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren auszuhebeln. Auch nach der Gesetzesbegründung kann eine Gehörsrüge gegen die Entscheidung über
eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht dazu eingelegt werden, eine Begründungsergänzung herbeizuführen (BT-Drucks. 15/3706 S. 16; vgl. auch Senatsbeschluß vom 24. Februar 2005 - III ZR 263/04 - NJW 2005, 1432, 1433).
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Dörr Galke