Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2011 - IV ZR 40/09

bei uns veröffentlicht am09.11.2011
vorgehend
Landgericht Hannover, 13 O 208/07, 11.04.2008
Oberlandesgericht Celle, 8 U 94/08, 29.01.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 40/09
vom
9. November 2011
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, die Richterinnen
Harsdorf-Gebhardt und Dr. Brockmöller
am 9. November 2011

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Januar 2009 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 800.000 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von Unternehmen der HEROS-Gruppe (im Folgenden: HEROS-Gruppe) mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "Valorenversicherung". Deren Versicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) lauten - nach der zuletzt ausgestellten Police Nr. 7509 - auszugsweise wie folgt: "13. OBLIEGENHEITEN … 13.4 Verstöße gegen Obliegenheiten, sonstige Rechtspflichten und Sicherheitsauflagen durch die Versicherungsnehmerin beeinträchtigen den Versicherungsschutz nicht. Diese Vereinbarung gilt ausschließlich zugunsten der jeweiligen Auftraggeber. … 15. SCHLUSSBESTIMMUNGEN … 15.3 Mitversicherung … Alle der Führenden gegenüber und von dieser abgegebenen Meldungen, Anzeigen und Erklärungen sowie mit der Versicherungsnehmerin getroffene Vereinba- rungen … sind in jeder Weise auch für die beteiligten Gesellschaften verbindlich. …"
2
Die Klägerin ist Versicherte dieses Vertrages. Sie behauptet Schäden , die aus Bargeldentsorgungen vom 17. und 18. Februar 2006, ferner aufgrund ausgebliebener Zählung oder Gutschrift des Inhalts einzelner Safebags sowie infolge nicht erfüllter Hartgeldanforderungen entstanden sein sollen. Hiermit war die HEROS Transport GmbH auf Grundlage eines am 19. April 2005 mit der Klägerin geschlossenen Dienstleistungsvertrages beauftragt.
3
Die Versicherer der Police Nr. 7509 übersandten eine "Versicherungsbestätigung" über den Abschluss einer Versicherung für die HEROS-Gruppe an Versicherte. Darin angegeben wurden unter anderem die versicherten Interessen, die Haftungshöchstsummen sowie Umfang und Gegenstand der Versicherung.

4
Im Februar 2006 kam es zum Zusammenbruch der HEROSGruppe. Zahlreichen Auftraggebern, darunter nach ihrer Behauptung auch der Klägerin, wurde den HEROS-Gesellschaften zur Bearbeitung überlassenes Bargeld nicht mehr (vollständig) zurückerstattet. Nachdem im April 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der HEROSGruppe eröffnet worden war, focht die Beklagte den Versicherungsvertrag im Januar 2007 wegen arglistiger Täuschung an.
5
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob diese Anfechtung wirksam und die Beklagte schon daher leistungsfrei ist, ferner darüber, ob die HEROS Transport GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
6
Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die zuletzt auf Zahlung von 775.310,00 € nebst Zinsen sowie Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in Höhe von 19.076,90 € gerichtete Klage abgewiesen, da der Versicherungsvertrag wirksam angefochten sei, und die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
7
II. Das Rechtsmittel führt zur Zulassung der Revision unter gleichzeitiger Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gemäß § 544 Abs. 7 ZPO. Dieses hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es deren Antrag auf Vernehmung zweier Zeugen übergangen hat.
8
1. Die Anfechtung einer Willenserklärung nach § 123 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Erklärende zu ihrer Abgabe durch eine arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn diese Täuschung einen Irrtum des Erklärenden hervorgerufen und dadurch dessen Entschluss zur Willenserklärung beeinflusst hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - X ZR 123/03, MMR 2005, 447 unter 1 a). Einen solchen vom Erklärenden, hier der Beklagten, darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden Irrtum (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 152/86, NJW-RR 1987, 1415 unter II 3) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft festgestellt.
9
a) Es geht davon aus, bei der HEROS-Gruppe hätten spätestens seit Mitte der 1990er Jahre erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bestanden. Unter anderem um Liquiditätsengpässe auszugleichen, seien laufend die im Zuge von Transportaufträgen entgegengenommenen Gelder nicht sogleich dem jeweiligen Auftraggeber wieder zugeleitet, sondern zu Teilen zur Befriedigung anderweitig offen stehender Forderungen verwendet worden. Der Ausgleich für die dadurch zunächst geschädigten Auftraggeber sei zeitverzögert durch einen entsprechenden Zugriff auf spätere Geldtransporte erfolgt. Daraus habe sich eine vielfach als "Schneeballsystem" bezeichnete Dynamik wachsender Finanzierungslücken entwickelt. Von all dem habe die Beklagte bei Abschluss der Police Nr. 7509 jedoch noch keine konkrete Kenntnis gehabt (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011,"HEROS II" - IV ZR 38/09, zur Veröffentlichung vorgesehen, Rn. 9-11).
10
b) Damit hat das Berufungsgericht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
11
Es durfte einen Irrtum der Beklagten nicht feststellen, ohne zuvor den von der Klägerin beantragten Beweis über die dieser Feststellung entgegenstehende Behauptung zu erheben, der Beklagten-Mitarbeiter S. , der zahlreiche Zuwendungen von Verantwortlichen der HEROSGruppe erhalten habe, sei über sämtliche Vorgänge bei HEROS unterrichtet gewesen und habe insbesondere gewusst, dass der Lebensstil des mit ihm befreundeten HEROS-Geschäftsführers W. aus Unterschlagungen und Veruntreuungen finanziert worden sei.
12
aa) Von der Vernehmung der dafür benannten Zeugen S. und W. durfte das Berufungsgericht nicht deshalb absehen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet gewesen wären, dass ihre Erheblichkeit nicht hätte beurteilt werden können. Das Vorbringen der Klägerin war vielmehr hinreichend substantiiert, zumal sie selbst keine unmittelbare Kenntnis von internen Vorgängen bei der Beklagten hat, was ihr die Darlegung und Beweisführung erschwert. In einem solchen Fall darf eine Partei auch Tatsachen, deren Vorliegen sie lediglich vermutet, als feststehend behaupten und unter Beweis stellen, wenn - wie hier - für die Richtigkeit ihres Vorbringens hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird eine solche Beweisführung erst bei offensichtlicher Willkür oder Rechtsmissbrauch der vortragenden Partei (vgl. BGH, Urteile vom 5. April 2001 - IX ZR 276/98, NJW 2001, 2327 unter III 1 a und vom 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147 unter II 5 d). Dafür ist hier angesichts zahlreicher - weitgehend unstreitiger und vom Berufungsgericht unterstellter - Anhaltspunkte, die für eine besondere Nähe zwischen den ZeugenS. und W. sprechen, nichts ersichtlich.
13
bb) Die Beweiserhebung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die benannten Zeugen S. und W. ungeeignete oder unerreichbare Beweismittel oder ihre Vernehmungen unzulässig gewesen wären. Ihre auf § 384 Nr. 2 ZPO gestützte, umfassende Aussageverweigerung in einem anderen Rechtsstreit aus dem HEROS-Komplex (vgl. dazu das Zwischenurteil des OLG Celle vom 14. Juni 2010 - 8 U 21/09, juris, betreffend den Zeugen W. ) führt nicht dazu, die beiden Zeugen im vorliegenden Rechtsstreit als völlig ungeeignete oder unerreichbare Beweismittel i.S. des § 244 Abs. 2 Satz 2 StPO anzusehen oder die beantragte Beweiserhebung für unzulässig zu erachten (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 15-18).
14
2. Der dargelegte Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich, denn die übrigen Einwände der Klägerin gegen die Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Arglistanfechtung greifen nicht durch.
15
a) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Police Nr. 7509 handele es sich um den Abschluss eines neuen, zum 1. Dezember 2001 in Kraft getretenen Versicherungsvertrages und nicht lediglich um eine Änderung der zuvor bestehenden Police Nr. 7265, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
16
aa) Ein neuer Vertrag liegt vor, wenn der aus den gesamten Fallumständen zu ermittelnde Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, die vertraglichen Beziehungen auf eine selbständige neue Grundlage zu stellen und sich nicht damit zu begnügen, einzelne Regelungen des bestehenden Vertrages zu modifizieren. Für einen neuen Vertrag spricht die Veränderung wesentlicher Vertragsinhalte, z.B. des versicherten Risikos, des versicherten Objekts, der Vertragsdauer, der Vertragsparteien und der Gesamtversicherungssumme (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1988 - IVa ZR 111/87, r+s 1989, 22, 23; OLG Saarbrücken VersR 2007, 1681, 1682; OLG Köln VersR 2002, 1225; BK/Riedler, VVG § 38 Rn. 9; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 37 Rn. 5; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 38 Rn. 6).
17
bb) Unter Beachtung dieser Maßstäbe und Heranziehung der den Einzelfall prägenden Umstände ist das Berufungsgericht ohne durchgreifenden Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, die Police Nr. 7509 sei als neuer, zum 1. Dezember 2001 in Kraft getretener Vertrag anzusehen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 20 ff.). Entscheidungserheblichen Vortrag oder relevante Beweisangebote der Klägerin hat es - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht übergangen. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich im Wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbehelflichen Versuch, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts unter abweichender Bewertung einzelner Indizien durch eine vermeintlich bessere eigene Würdigung zu ersetzen.
18
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen Gesamtschau zahlreicher Umstände, die sich insbesondere auch nicht als willkürlich i.S. von Art. 3 Abs. 1 GG erweist, schließt der Senat weiter aus, dass einzelne von der Revision herausgegriffene Aspekte das Berufungsgericht zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätten, mögen sie auch - für sich betrachtet - auf eine Verlängerung der früheren Police hindeuten. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde in diesem Zusammenhang darüber hinaus, es sei angebotener Zeugenbeweis übergangen worden.
Von einer näheren Begründung sieht der Senat insoweit nach § 564 Satz 1 ZPO ab.
19
b) Der Beklagten ist es in Ansehung einer von der Versicherungsnehmerin begangenen Täuschung auch nicht aufgrund Ziffer 13.4 VB verwehrt, sich gegenüber der Klägerin auf eine Anfechtung des Versicherungsvertrages zu berufen.
20
aa) Wie der Senat mit Beschluss vom 21. September 2011 (aaO Rn. 26-30) entschieden hat, ist ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen der Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es kann daher offenbleiben, ob Ziffer 13.4 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen ist.
21
bb) Auch aus den Versicherungsbestätigungen, die die Beklagte den Versicherten übersandt hat, erwachsen Letzteren in Bezug auf die Arglistanfechtung keine weitergehenden Rechte. Das Berufungsgericht hat diese Bestätigungen zu Recht als lediglich deklaratorische Informationsschreiben angesehen, die dazu dienten, die Versicherten über den Abschluss einer Versicherung zwischen der Beklagten und der HEROSGruppe zu unterrichten und den Inhalt dieses Vertrages zusammenzufassen. Eine gesonderte Begründung, Stärkung und Sicherung von Rechten der Versicherten folgt daraus nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 33).

22
cc) Die Frage, ob die Klägerin den Anfechtungsgrund kannte, ist für die Wirksamkeit der Anfechtung ohne Bedeutung, weil § 123 Abs. 2 BGB hier nicht anzuwenden ist. Sowohl § 123 Abs. 2 Satz 1 als auch Abs. 2 Satz 2 BGB setzen voraus, dass die Täuschung von einem Dritten ausgeht, und können mithin nicht eingreifen, wenn allein eine Täuschung durch den Erklärungsgegner - hier die HEROS-Gruppe als Versicherungsnehmerin - in Rede steht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1959 - VIII ZR 134/58, BGHZ 31, 321, 327 f.).
23
c) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, die HEROSGruppe habe der Beklagten bei Abschluss der Police Nr. 7509 ihr bis dahin praktiziertes Geschäftsverhalten offenbaren müssen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 38).
24
Die tatsächlichen Grundlagen (vgl. zum Schneeballsystem unter II 1 a), aus denen dies hergeleitet wird, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die strafrechtliche Verurteilung der Geschäftsführer von Unternehmen der HEROS-Gruppe durch das Landgericht Hildesheim und in Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Revisionsentscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt und dabei die für seine Überzeugungsbildung wesentlichen Gesichtspunkte nachvollziehbar darlegt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 16. März 2005 - IV ZR 140/04, NJW-RR 2005, 1024 unter 1 und 2; BGH, Urteil vom 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894 unter II 1). Die dagegen gerichteten Angriffe der Beschwerde sind nicht erfolgreich, insbesondere bedarf es keiner differen- zierten Betrachtung für jede einzelne Gesellschaft der HEROS-Gruppe (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 37).
25
d) Die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 8. Januar 2007 leidet an keinem ihre Wirksamkeit ausschließenden Mangel.
26
Sie ist an den Insolvenzverwalter der HEROS-Gruppe gerichtet, auf die Police Nr. 7509 bezogen, wurde ausdrücklich im Namen aller Mitversicherer abgegeben und war geeignet, nicht nur den mit der Beklagten im Rahmen einer offenen Mitversicherung geschlossenen Vertrag, sondern - aufgrund der in Ziffer 15.3 VB vereinbarten Anschlussklausel - den Versicherungsvertrag als Ganzes zu erfassen. Einer zusätzlichen Anfechtungserklärung gegenüber den Versicherten bedurfte es nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 41 - 44).
27
e) Ob die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB eingehalten wurde , kann abschließend erst entschieden werden, wenn geklärt ist, in welchem Umfang und ab welchem Zeitpunkt die Beklagte oder ein ihr möglicherweise gleichstehender Wissensvertreter Kenntnis von den Tatsachen hatte, über die sie nach ihrer Behauptung getäuscht worden ist.
28
Die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB beginnt mit der Entdeckung der Täuschung durch den Anfechtungsberechtigten zu laufen, also mit der Entdeckung des Irrtums und des Umstandes, dass dieser durch eine Täuschung veranlasst worden ist. Nicht ausreichend ist ein bloßes Kennenmüssen ; auch ein bloßer Verdacht, getäuscht worden zu sein, genügt nicht (vgl. MünchKomm-BGB/Kramer, 5. Aufl. § 124 Rn. 2; Staudinger/ Singer/von Finckenstein, BGB [2004] § 124 Rn. 4).
29
Das hat das Berufungsgericht seinen Überlegungen zutreffend zugrunde gelegt. Seine weiteren, im Übrigen rechtsfehlerfreien Ausführungen zur Wahrung der Anfechtungsfrist gehen allerdings von der fehlerhaft getroffenen Feststellung aus, die Beklagte habe sich bei Abgabe ihrer Vertragserklärung in einem Irrtum über die Geschäftspraktiken der HEROS-Gruppe befunden. Da dieser Punkt weiterer Aufklärung bedarf, kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob und gegebenenfalls wann die Anfechtungsfrist zu laufen begann.
30
III. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:
31
Greift die Anfechtung bezüglich der Police Nr. 7509 nach § 123 Abs. 1 BGB durch, wird neu zu prüfen sein, ob sie auch die einvernehmliche Aufhebung der Vorgänger-Police Nr. 7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt.
32
Soweit das Berufungsgericht dies bisher verneint hat, begegnet die Begründung des Berufungsurteils rechtlichen Bedenken.
33
1. Ist der Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, wird davon gemäß § 139 BGB das gesamte Rechtsgeschäft erfasst, es sei denn die Fallumstände rechtfertigen die Annahme, der nicht unmittelbar von der Nichtigkeit betroffene Teil des Rechtsgeschäftes wäre auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden. § 139 BGB erfordert damit zunächst eine Klärung der Frage, ob ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, welches lediglich teilweise der Anfechtung unterliegt, oder ob zwei selbständige Rechtsgeschäfte abgeschlossen worden sind, auf die § 139 BGB keine Anwendung findet.

34
2. Ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. von § 139 BGB ist nur anzunehmen , wenn der Wille der Parteien dahin geht, dass die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollten, mithin das eine nicht ohne das andere von den Parteien gewollt war (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2006 - XI ZR 216/05, NJW-RR 2007, 395 Rn. 17 m.w.N.; OLG Saarbrücken aaO 1682 f.).
35
Dies hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 55 ff.). Es hat ferner nicht geprüft, ob die Aufhebung des bestehenden Versicherungsvertrages (Police Nr. 7265) bei den Verhandlungen über die Police Nr. 7509 zumindest von der Versicherungsnehmerin nicht ohne den gleichzeitigen Neuabschluss gewollt war und ob dies für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts deshalb ausreichte, weil die Beklagte bei Ab- schluss der Police Nr. 7509 erkannt und akzeptiert hat, dass beide Rechtsgeschäfte jedenfalls für die Versicherungsnehmerin miteinander stehen und fallen sollten (vgl. Senatsbeschluss vom 21. September 2011 aaO Rn. 58, 59).
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 11.04.2008- 13 O 208/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.01.2009- 8 U 94/08 -

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 123 Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder Drohung


(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten. (2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 139 Teilnichtigkeit


Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 124 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im F

Zivilprozessordnung - ZPO | § 384 Zeugnisverweigerung aus sachlichen Gründen


Das Zeugnis kann verweigert werden:1.über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;2.über

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 38 Zahlungsverzug bei Folgeprämie


(1) Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rücks

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 123/03 Verkündet am:
22. Februar 2005
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Anfechtung wegen Arglist, wenn das zugesandte Angebotsschreiben zur
Irreführung geeignete Angaben hinsichtlich der Entgeltlichkeit und der Laufzeit
des abzuschließenden Vertrags enthält.
BGH, Urt. v. 22. Februar 2005 - X ZR 123/03 - LG Düsseldorf
AG Ratingen
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Februar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Scharen und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 16. Juli 2003 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Veranstaltungen der Unterhaltungsbranche organisiert und mit Technik ausstattet. Die Beklagte unterhält im Internet ein Firmenverzeichnis, in das sich interessierte Unternehmen eintragen lassen können.
Unter dem 7. März 2001 übersandte die Beklagte unter anderem der Klägerin ein mit "Online Verlag" und "Offerte" überschriebenes und als "Eintragungsantrag und Korrekturabzug" bezeichnetes Angebot "zur Aufnahme in unser bundesdeutsches Online-Firmenverzeichnis im Internet". In dem Schreiben hieß es dann weiter: "Bitte wählen Sie aus unserem Angebot die von Ihnen gewünschte Eintragungsform und senden Sie uns den Eintragungsauftrag bis spätestens 30.04.2001 zurück." Als Eintragungsformen konnten ein Grundeintrag , ein hervorgehobener Eintrag, ein hervorgehobener Eintrag mit Firmenlogo und ein zusätzlicher Verweis auf die Internet-Homepage angekreuzt werden. Während bei den anderen ankreuzbaren Einträgen ein Betrag als Aufpreis angegeben war, war der Preis für den Grundeintrag nur anschließenden, kleiner gedruckten Hinweisen zu entnehmen, wo es u.a. hieß: "Die Richtigkeit der oben aufgeführten Firmendaten sowie die Aufnahme in das Firmenverzeichnis zum Preis von jährlich 845,-- € netto für den Grundeintrag wird durch Unterschrift bestätigt." Auf der Rückseite des Schreibens waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten abgedruckt. Unter der mit "Eintragungszeitraum" überschriebenen Nr. 2 hieß es: "Die Laufzeit des Vertrages beträgt zwei Jahre."
Die Klägerin sandte das Schreiben mit Unterschriften vom 30. April 2001 und ihrem Firmenstempel versehen an die Beklagte zurück, nachdem sie den Grundeintrag an der dafür vorgesehenen Stelle angekreuzt und ihr Unternehmen betreffende Angaben ergänzt hatte, die bisher gefehlt hatten oder falsch angegeben waren. Die Beklagte berechnete das Entgelt für einen einjährigen Grundeintrag und mahnte die sich ergebende Summe von 1.917,11 DM später bei der Klägerin an. Hierauf zahlte die Klägerin.
Mit Schreiben vom 18. September 2001 focht die Klägerin den Vertrag mit der Beklagten wegen arglistiger Täuschung an. Hierzu behauptet sie, sie sei aufgrund der Gestaltung des Anschreibens davon ausgegangen, daß es sich um ein Formular eines Telefonbuchverlags handele, der sich nach Mitteilung der Telekom mit ihr in Verbindung setzen würde, weil sie ihre Telefonnummer bei der Telekom gewechselt habe. Bei Ankreuzen des "Grundeintrags" und Unterzeichnung des Schreibens habe sie gemeint, eine kostenlose Leistung zu erhalten. Außerdem sei sie über die Laufzeit des Vertrags getäuscht worden. Erst nach Erhalt der Rechnung und der darauf folgenden Mahnung habe sie erkannt, daß sie einen entgeltlichen Vertrag über zwei Jahre geschlossen habe. Den angemahnten Betrag habe sie bezahlt, um einer gerichtlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen. Erst danach habe sie Rechtsrat eingeholt.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags vom 30. April 2001 sowie Rückzahlung des berechneten Betrags nebst Zinsen begehrt.
Das angerufene Amtsgericht hat diese Klage abgewiesen. Die von der Klägerin hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben.
Die Klägerin verfolgt nunmehr mit der Revision ihr Klagebegehren weiter.
Die Beklagte tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zugelassene und auch sonst zulässige Revision der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat eine arglistige Täuschung der Klägerin durch die Beklagte verneint, weil das von der Beklagten verwendete Angebotsschreiben alle für die Entschließung des Angebotsempfängers maßgeblichen Angaben enthalte und diese bei einem Studium des Schriftstücks mit der gebotenen Aufmerksamkeit hätten erkannt werden können. Das bekämpft die Revision vergeblich.

a) § 123 Abs. 1 BGB erlaubt die Anfechtung einer Willenserklärung, wenn der Betreffende zu deren Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Das setzt voraus, daß er sich bei Abgabe seiner Willenserklärung über einen Umstand geirrt hat, weil ein anderer eine Täuschungshandlung begangen hat, sowie daß der Irrtum den Entschluß zur Abgabe der Willenserklärung veranlaßt hat, wobei es ausreicht, wenn die Täuschungshandlung eine von mehreren Ursachen ist und die Entschließung lediglich beeinflußt hat (BGHZ 83, 283, 291 - Hartmetallkopfbohrer; RGZ 77, 309, 314). Die Täuschungshandlung kann in Angaben bestehen, die Tatsachen vorspiegeln, entstellen oder - bei Bestehen einer Aufklärungspflicht - verschweigen (vgl. Sen.Urt. v. 18.03.2003 - X ZR 19/01, GRUR 2003, 702, 703 - Gehäusekonstruktion ). Sofern sie nur geeignet ist, den entstandenen Irrtum hervorzurufen und hierdurch den Entschluß zur Abgabe der Willenserklärung zu beeinflussen , kommt als Täuschungshandlung aber auch jede andere Handlung in Be-
tracht, wenn der Handelnde sich der Eignung bewußt ist (BGH, Urt. v. 28.11.1984 - IV ZR 81/83, VersR 1985, 156) oder jedenfalls mit der Möglichkeit rechnet, der Gegner werde bei Kenntnis die Willenserklärung nicht oder nicht mit dem gewünschten Inhalt abgeben (BGHZ 83, 283, 291 - Hartmetallkopfbohrer , m.w.N.), und er gleichwohl die Handlung mit dem Willen vornimmt, den Irrtum hervorzurufen und den Gegner zur Abgabe der Willenserklärung zu veranlassen. Denn dann ist der - bereits bei bedingtem Vorsatz gegebene - Täuschungswille vorhanden, der die Arglist im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB kennzeichnet (vgl. Sen.Urt. v. 03.02.1998 - X ZR 18/96, GRUR 1998, 650, 651 - Krankenhausmüllentsorgungsanlage).

b) Was die hiernach erforderlichen Voraussetzungen anbelangt, ist im Streitfall der revisionsrechtlichen Überprüfung zunächst zugunsten der Klägerin zugrunde zu legen, daß sie dem Irrtum erlegen ist, kein Angebot zu einem entgeltlichen Vertrag über eine Laufzeit von zwei Jahren erhalten zu haben und mit der Unterzeichnung der "Offerte" keine Zahlungsverpflichtung und keine Bindung über zwei Jahre einzugehen. Denn das Berufungsgericht hat weder das Gegenteil festgestellt, noch die entsprechende Behauptung der Klägerin als nicht bewiesen angesehen.

c) Ferner hat der Senat davon auszugehen, daß das Anschreiben der Beklagten geeignet war, diesen Irrtum bei der Klägerin hervorzurufen und hierdurch deren Entschließung zur Unterzeichnung des Angebots zu beeinflussen. Denn das Berufungsgericht hat nicht nur darauf hingewiesen, nicht zu verkennen , daß die "Offerte" durch ihre Gestaltung erhebliches Irreführungspotential enthalte; es hat auch seinen weiteren Überlegungen zugrunde gelegt, daß ein unaufmerksamer Leser, wie es die Klägerin gewesen sei, Gefahr laufe, im Hin-
blick auf die Entgeltlichkeit des Grundeintrags und die Laufzeit des Vertragsverhältnisses einem Irrtum zu unterliegen. Die hiermit vom Berufungsgericht angenommene Eignung, jedenfalls bestimmte Adressaten, zu denen auch die Klägerin gehört, zu täuschen und auf diese Weise zu beeinflussen, reicht aus, weil das Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB nicht ausgeschlossen ist, wenn der dem Irrtum Unterlegene die wahre Sachlage aus Fahrlässigkeit nicht kannte (st. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 28.04.1971 - VIII ZR 258/69, NJW 1971, 1795, 1798 m.w.N.; Urt. v. 28.09.1988 - VIII ZR 160/87, NJW 1989, 287, 288). Bedenken, die erforderliche Eignung der weiteren revisionsrechtlichen Überprüfung des angefochtenen Urteils zugrunde zu legen, bestehen auch nicht deshalb, weil das Berufungsgericht seine Annahme einer zur Irreführung und zur Beeinflussung geeigneten Handlung nicht weiter als soeben angegeben begründet hat. Denn Gegenrügen sind insoweit seitens der Beklagten nicht erhoben. In der Revisionserwiderung spricht diese vielmehr selbst davon, daß ihr Anschreiben Darstellungsmängel enthalte.

d) Schließlich ist ohne weiteres davon auszugehen, daß der Irrtum der Klägerin auf dem Anschreiben der Beklagten und dessen Irreführungseignung beruht und hierin eine Ursache für den Entschluß der Klägerin liegt, das Schreiben zu unterzeichnen und zurückzuschicken. Der Hinweis des Berufungsgerichts , der Irrtum der Klägerin beruhe nicht auf der "Offerte", sondern auf einer Unaufmerksamkeit der Klägerin, die der in eigener Angelegenheit anzuwendenden Sorgfalt zuwiderlaufe, kann das nicht in Frage stellen. Er besagt lediglich, daß auch die Klägerin ihrerseits eine Ursache für ihren Irrtum gesetzt hat. Das schließt - wie die Revision zu Recht ausführt - eine arglistige Täuschung jedoch nicht aus. Da es Ziel des § 123 Abs. 1 BGB ist, daß einem auf Täuschungswillen beruhenden Verhalten begegnet werden kann, muß
vielmehr auch der anfechten können, der dem Täuschenden die Irreführung leicht gemacht hat (vgl. BGH, aaO).

e) Die Beantwortung der Frage, ob die Klägerin ein Anfechtungsrecht nach § 123 Abs. 1 BGB hat, hängt mithin davon ab, ob die Beklagte die "Offerte" in dem Bewußtsein, daß sie sich in der geschehenen Weise zur Irreführung und Beeinflussung eignet, und mit dem Willen, den Adressaten zu täuschen, der Klägerin zugesandt hat. Da es hierbei ausschließlich um Gegebenheiten geht, die zum subjektiven Bereich menschlichen Handelns gehören, sind diese Voraussetzungen regelmäßig dem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich. Auf das Wissen und Wollen des Anfechtungsgegners muß vielmehr in aller Regel aus den objektiv feststellbaren Umständen des jeweiligen Falls geschlossen werden (vgl. Sen.Urt. v. 15.01.1985 - X ZR 16/83, WM 1985, 673).
(1) In Fällen, in denen - wie hier - eine Täuschung durch ein Anschreiben in Frage steht, bietet vor allem dessen Inhalt und Aufmachung Anhaltspunkte. Enthält das Schreiben objektiv unrichtige Angaben, wird insoweit regelmäßig bereits hieraus auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden können (Sen.Urt. v. 03.02.1998 - X ZR 18/96, GRUR 1998, 650, 651 - Krankenhausmüllentsorgungsanlage). Bei Aufmachung eines Angebotsschreibens in Art einer Rechnung (typische Rechnungsmerkmale; Angabe einer Zahlungsfrist), bei dem kleingedruckte Hinweise auf den Angebotscharakter völlig in den Hintergrund treten, hat die Rechtsprechung das ebenfalls angenommen (BGHSt 47, 1; OLG Frankfurt/Main NStZ-RR 2002, 47; AG Bückeburg Mitt. 2004, 326; vgl. aber auch LG Frankfurt/Main NStZ-RR 2000, 7). Der Schluß auf den erforderlichen Täuschungswillen wird ferner dann häufig
möglich sein, wenn erkennbar für den Adressaten wichtige Umstände verschwiegen sind, obwohl eine Offenbarungspflicht besteht.
Keiner dieser Sachverhalte ist hier jedoch zu beurteilen. Das Berufungsgericht hat hinsichtlich des Anschreibens der Beklagten, das angesichts seiner einleitenden Bezeichnung "Offerte" und der weiteren Angabe, man möge aus einem Angebot auswählen, den Angebotscharakter nicht verbirgt, festgestellt, daß es alle für die Entschließung des Angebotsempfängers maßgeblichen Angaben enthält. Auch die Revision zieht nicht in Zweifel, daß sämtliche Umstände , über welche die Klägerin sich nach ihrer Behauptung geirrt hat, vollständig und richtig angegeben sind.
(2) Damit rückt vor allem in den Blickpunkt die Frage, ob aus der Art und Weise, wie diese Umstände in dem Anschreiben dargestellt sind, auf den erforderlichen Täuschungswillen der Beklagten geschlossen werden kann. Deren Beantwortung ist jedoch entgegen der der Revision zugrundeliegenden Meinung in keiner Hinsicht vorgegeben. Insbesondere kann ein Täuschungswille nicht schon deshalb ohne weiteres angenommen werden, weil die Darstellung zur Irreführung geeignet ist. So kann eine irreführende Darstellung beispielsweise auch auf einem bloß ungeschickten Vorgehen bei der Formulierung beruhen , das allein nicht Ausdruck einer arglistigen Täuschung ist (Sen.Urt. v. 03.02.1998 - X ZR 18/96, GRUR 1998, 650, 651 - Krankenhausmüllentsorgungsanlage ). Bei lediglich irreführender Darstellung wird es deshalb vor allem darauf ankommen, wie stark die maßgeblichen Punkte verzerrt oder entstellt wiedergegeben sind und ob vom Absender wegen des Grades der Verzerrung oder Entstellung hätte erwartet werden können, daß Adressaten die wahren Umstände nicht richtig oder nicht vollständig erkennen können. Bejahenden-
falls wird eher darauf geschlossen werden können, daß das Schreiben tatsächlich in der Erwartung, daß die Adressaten sich irren, und in dem Bewußtsein und mit dem Willen zu täuschen, abgesandt wurde, als wenn das Schreiben nur eine geringe Irreführungsgefahr in sich birgt.
(3) Die hiernach erforderliche Abwägung im Einzelfall ist Sache des Tatrichters. Das Berufungsgericht hat sie im Streitfall ersichtlich dahin getroffen, daß die von ihm angenommene Irreführungsgefahr nicht von solchem Gewicht sei, daß auf eine arglistige Täuschung geschlossen werden könne oder gar müsse. Denn das Berufungsgericht hat, und zwar entgegen der auf § 547 Nr. 6 ZPO gestützten Rüge der Revision sowohl hinsichtlich der Entgeltlichkeit als auch hinsichtlich der Laufzeit des angebotenen Vertrags, schon eine Entstellung von Tatsachen verneint angesichts des Umstands, daß das Anschreiben der Beklagten den kaufmännischen Verkehr betreffe, der beinhalte, sich vor rechtsverbindlicher Unterzeichnung eines Schriftstücks erschöpfend - auch was das sogenannte Kleingedruckte anbelange - vergewissert zu haben, welche Wirkungen hierdurch hervorgerufen werden.
(4) Als tatrichterliche Würdigung ist die solchermaßen begründete Verneinung des erforderlichen Täuschungswillens bei der Beklagten nur daraufhin zu überprüfen, ob sie vollständig und rechtlich möglich sowie nicht gegen Denk-, Natur- oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., z.B. BGH, Urt. v. 11.02.1987 - IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558), wenn der Revisionsführer insoweit Mängel rügt (§§ 551 Abs. 3 Nr. 2 b, 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision jedoch nicht auf. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichts liegt vielmehr im Rahmen der dem Tatrichter nach § 286 ZPO übertragenen Bewertung und Tatsachenfeststellung. Denn daß für den
Grundeintrag der in den nachfolgenden Hinweisen genannte Preis von jährlich 845,-- € netto zu zahlen ist, ist durch ein Sternchen sowohl beim Grundeintrag als auch bei den Hinweisen in einer gebräuchlichen Form der Verweisung auf der Vorderseite des Anschreibens der Beklagten dokumentiert und über die zweijährige Laufzeit verhalten sich die - wie ebenfalls durchaus üblich - auf der Rückseite wiedergegebenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten , die auch nicht etwa in besonders kleinem Druck gehalten oder wegen ihres Umfangs besonders unübersichtlich sind. Soweit die Revision sich auf ein Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15. März 2001 bezieht, welches ein gegenüber der Beklagten vom Landgericht München I am 23. August 2000 ausgesprochenes Verbot zum Gegenstand hat, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für die Eintragung in ein Firmenverzeichnis mit dem auch der Klägerin zugesandten Formular zu werben, kann dem Berufungsgericht nicht vorgeworfen werden, die im Rahmen des § 3 UWG a.F. getroffene Einschätzung einer in hohem Maße bestehenden Irreführung nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Das Berufungsgericht hat diese Einschätzung eines anderen Gerichts lediglich nicht für im Streitfall entscheidungserheblich gehalten, wie seinem Hinweis entnommen werden kann, es brauche nicht entschieden zu werden, ob die "Offerte" den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unterfalle, weil das im Hinblick auf § 123 Abs. 1 BGB ohne Belang sei. Auch diese Wertung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, weil ein wettbewerbsrechtliches Verbot bereits ergehen kann, wenn eine zu Wettbewerbszwecken begangene Handlung zur Irreführung geeignet ist (vgl. z.B. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 3 UWG Rdn. 25 m.w.N.) und § 3 UWG a.F. anders als § 123 Abs. 1 BGB einen Täuschungswillen auf seiten des Werbenden nicht voraussetzt.
Auch aus dem Umstand, daß die Beklagte trotz des vom Landgericht München I ausgesprochenen gerichtlichen Verbots die Versendung ihres Vertragsangebots an die Klägerin vorgenommen hat, mußte das Berufungsgericht im Streitfall nicht auf eine Arglist der Beklagten schließen. Ein auf § 3 UWG a.F. gestütztes gerichtliches Verbot - auch wenn es wie hier (nur) im Wege einstweiliger Verfügung ergangen und noch anfechtbar ist - kann allerdings durchaus als Anzeichen genommen werden, daß der gleichwohl weiterhin in der untersagten Weise im Wettbewerb Auftretende den im konkreten Fall eingetretenen Irrtum jedenfalls billigend in Kauf genommen und daher insoweit mit Täuschungswillen gehandelt hat. Denn durch ein auf § 3 UWG a.F. gestütztes gerichtliches Verbot wird dem Unterlassungsschuldner normalerweise die Eignung seiner Handlung, Irrtum zu erregen, vor Augen geführt, so daß im Wiederholungsfall angenommen werden kann, er nehme jedenfalls in Kauf, daß sich hier die vom Gericht festgestellte Gefahr realisiert und der Irrtum tatsächlich eintritt. Ein solcher auf Arglist hinweisender Normalfall ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil das Anschreiben der Beklagten auch Gegenstand einer wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzung in Düsseldorf war und das Landgericht Düsseldorf - anders als das Landgericht München I - durch am 11. Oktober 2000 verkündetes Urteil den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte. Bei Absendung der Offerte vom 7. März 2001 lagen der Beklagten also zwei widerstreitende Urteile vor, was die Irreführungseignung des Anschreibens anbelangt. Unter diesen Umständen ist es im Ergebnis aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht das Verhalten der Beklagten nicht als Ausdruck einer arglistigen Täuschung der Klägerin gewertet hat.
2. Die Abweisung der Klage begegnet auch nicht etwa deshalb rechtlichen Bedenken, weil die Rechtsprechung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluß eine Verantwortlichkeit bereits dann anerkennt, wenn eine Partei auch nur fahrlässig einen zum Vertragsschluß führenden Irrtum der anderen Partei veranlaßt hat (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 07.02.1968 - VIII ZR 139/66, NJW 1968, 985, 987; Urt. v. 26.09.1997 - V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303 ff.) und die Vertragserfüllung dann unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs verweigert werden kann (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 11.05.1979 - V ZR 75/78, NJW 1979, 1983 m.w.N.; Urt. v. 26.09.1997 aaO). Denn ein solcher Gegenanspruch kann gemäß § 254 BGB bei überwiegendem Mitverschulden des Geschädigten entfallen. Ein solches einer Schadensersatzpflicht der Beklagten entgegenstehendes eigenes Verschulden der Klägerin hat das Landgericht ersichtlich mit seinen Hinweisen bejahen wollen, daß es einerseits gerade im kaufmännischen Verkehr Sache jeder Partei sei, sich vor Leistung einer rechtsverbindlichen Unterschrift erschöpfend vergewissert zu haben, welche Wirkungen durch die Unterzeichnung hervorgerufen werden, und daß andererseits der Inhalt des Angebots der Beklagten unschwer erkennbar gewesen sei. Die Revision befaßt sich mit einem Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nicht und erinnert gegen diese Bewertung des beiderseitigen Verhaltens nichts.
3. Das angefochtene Urteil ist entgegen der insoweit erhobenen Rüge der Revision ferner nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil es Ausführungen zu einem Rücktrittsrecht der Klägerin nach § 13 a UWG a.F. nicht enthält. Dieses Rücktrittsrecht setzt nicht nur eine zur Irreführung geeignete Werbeangabe voraus; die Werbung muß - kumulativ - unwahr sein, also eine oder mehrere Tatsachen unrichtig angeben oder verschweigen. Das Berufungsgericht hat
das für den Streitfall verneint. Die Revision legt nicht dar, daß Gegenteiliges geltend gemacht gewesen sei. Besondere Ausführungen zu § 13 a UWG a.F. erübrigten sich deshalb.
4. Ein entscheidungserheblicher Rechtsfehler des angefochtenen Urteils ergibt sich schließlich auch nicht daraus, daß das Berufungsgericht weder auf die Regelung der Entgeltlichkeit des Grundeintrags noch auf die eine Laufzeit von zwei Jahren beinhaltende Klausel in dem Angebotsschreiben der Beklagten § 3 AGBG angewandt hat. Die Entgeltlichkeit hat das Berufungsgericht nicht als überraschend angesehen, weil der durchschnittliche Angebotsempfänger nicht damit rechne, auch nur den Grundeintrag in das OnlineFirmenverzeichnis der Beklagten kostenlos zu erhalten. Gegen diese im Rahmen des § 286 ZPO mögliche Bewertung bringt die Revision nichts vor. Was die Klausel über die Laufzeit des angebotenen Vertrags anbelangt, hat das Berufungsgericht weder diese selbst noch ihre Aufnahme in die auf der Rückseite abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten als ungewöhnlich angesehen. Mit dem Hinweis, daß hierdurch sogenannte essentialia negotii nicht an versteckter Stelle genannt seien, hat das Berufungsgericht insoweit auch eine Begründung gegeben, so daß die Berufung der Revision auf § 547 Nr. 6 ZPO hier ebenfalls von vornherein ins Leere geht. Soweit die Revision noch als übersehen rügt, daß derjenige, dem ein jährlicher Preis für eine Leistung genannt werde, grundsätzlich nicht damit rechne, daß die Mindestlaufzeit des Vertrags zwei Jahre betrage, argumentiert sie damit, daß das nach § 13 a UWG a.F. neben der Ungewöhnlichkeit der Klausel notwendige Überraschungsmoment im Streitfall nicht fehle. Hierauf kommt es jedoch nicht an, wenn der Tatrichter - wie hier das Berufungsgericht hinsichtlich der Laufzeit von zwei Jahren - in Anwendung des § 286 ZPO bereits die Ungewöhnlichkeit
der Klausel verneint. Abgesehen davon kann die Frage, ob die Laufzeitklausel Vertragsbestandteil geworden ist, sowohl hinsichtlich des auf § 123 Abs. 1 BGB bzw. § 13 a UWG a.F. gestützten Begehrens nach Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags als auch hinsichtlich des nur das Entgelt für das erste Vertragsjahr betreffenden Rückzahlungsbegehrens dahinstehen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 38/09
vom
21. September 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HEROS II
Ein im Voraus vertraglich vereinbarter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger
Täuschung ist mit dem von § 123 BGB bezweckten Schutz der freien
Selbstbestimmung unvereinbar und deshalb unwirksam, wenn die Täuschung
von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt wird, die nicht
Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gilt auch im Verhältnis des Erklärenden
zu durch die Vertragserklärung begünstigten Dritten (HEROS II, Fortführung
von BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - VIII ZR 37/06, VersR 2007,
1084).
BGH, Beschluss vom 21. September 2011 - IV ZR 38/09 - OLG Celle
LG Hannover
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richter Wendt, Felsch, die Richterinnen
Harsdorf-Gebhardt und Dr. Brockmöller
am 21. September 2011

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 29. Januar 2009 zugelassen.
Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis 500.000 €

Gründe:


1
I. Die Klägerin begehrt aus eigenem und von vier Schwestergesellschaften abgetretenem Recht von der Beklagten als führendem Versicherer anteilige Versicherungsleistungen aus einer von Unternehmen der HEROS-Gruppe (im Folgenden: HEROS-Gruppe) mit mehreren Versicherungsunternehmen abgeschlossenen "Valorenversicherung". Deren Ver- sicherungsbedingungen (im Folgenden: VB) lauten - nach der zuletzt ausgestellten Police Nr. 7509 - auszugsweise wie folgt: "11. BESTIMMUNGEN FÜR DEN SCHADENFALL … 11.3.1 Schadenzahlungen können mit befreiender Wirkung nur direkt an die Auftraggeber der Versicherungsnehmerin für die vom Schaden betroffenen Transporte erfolgen. Das Aufrechnungsrecht des Versicherers gemäß § 35b VVG ist insoweit ausgeschlossen. … … 13. OBLIEGENHEITEN … 13.4 Verstöße gegen Obliegenheiten, sonstige Rechtspflichten und Sicherheitsauflagen durch die Versicherungsnehmerin beeinträchtigen den Versicherungsschutz nicht. Diese Vereinbarung gilt ausschließlich zugunsten der jeweiligen Auftraggeber. … 15. SCHLUSSBESTIMMUNGEN … 15.3 Mitversicherung … Alle der Führenden gegenüber und von dieser abgegebenen Meldungen, Anzeigen und Erklärungen sowie mit der Versicherungsnehmerin getroffene Vereinba- rungen … sind in jeder Weise auchfür die beteiligten Gesellschaften verbindlich. …"
2
Die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften sind Versicherte dieses Vertrages. Sie behaupten Schäden aus Bargeldentsorgungen aus der Zeit vom 14. bis zum 17. Februar 2006. Hiermit war die HEROS Transport GmbH aufgrund von mit der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften geschlossenen Rahmenverträgen beauftragt.
3
Die Versicherer der Police Nr. 7509 übersandten den jeweiligen Versicherten eine "Versicherungsbestätigung", welcher der Abschluss der Versicherung für die HEROS-Gruppe, ferner unter anderem die versicherten Interessen, die Haftungshöchstsummen sowie Umfang und Gegenstand der Versicherung zu entnehmen waren.
4
Im Februar 2006 kam es zum Zusammenbruch der HEROSGruppe. Zahlreichen Auftraggebern, darunter nach ihrer Behauptung auch der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften, wurde den HEROS-Gesellschaften Mitte Februar zur Entsorgung überlassenes Bargeld nicht mehr (vollständig) auf ihren Konten gutgeschrieben. Nachdem im April 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der HEROSGruppe eröffnet worden war, focht die Beklagte den Versicherungsvertrag im Januar 2007 wegen arglistiger Täuschung an.
5
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob diese Anfechtung wirksam und die Beklagte schon daher leistungsfrei ist, ferner darüber, ob die HEROS Transport GmbH im Umgang mit dem ihr anvertrauten Bargeld gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen und dadurch einen Versicherungsfall ausgelöst hat.
6
Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die zuletzt auf Zahlung von 468.552,53 € nebst Zinsen sowie Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in Höhe von 32.745,46 € gerichtete Klage abgewiesen, da der Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten sei. Die Revision wurde nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
7
II. Das Rechtsmittel führt zur Zulassung der Revision unter gleichzeitiger Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht gemäß § 544 Abs. 7 ZPO. Dieses hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es deren Antrag auf Vernehmung zweier Zeugen übergangen hat.
8
1. Die Anfechtung einer Willenserklärung nach § 123 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Erklärende zu ihrer Abgabe durch eine arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Das ist dann der Fall, wenn diese Täuschung einen Irrtum des Erklärenden hervorgerufen und dadurch dessen Entschluss zur Willenserklärung beeinflusst hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - X ZR 123/03, MMR 2005, 447 unter 1 a). Einen solchen vom Erklärenden, hier der Beklagten, darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden Irrtum (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 152/86, NJW-RR 1987, 1415 unter II 3) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft festgestellt.
9
a) Es geht davon aus, bei der HEROS-Gruppe hätten spätestens seit Mitte der 1990er Jahre erhebliche finanzielle Schwierigkeiten bestanden. Unter anderem um Liquiditätsengpässe auszugleichen, seien laufend die im Zuge von Transportaufträgen entgegengenommenen Gelder nicht sogleich den Konten der jeweiligen Auftraggeber gutgebracht, sondern zu Teilen zur Befriedigung anderweitig offen stehender Forderungen verwendet worden. Der Ausgleich für die dadurch zunächst ge- schädigten Auftraggeber sei zeitverzögert durch einen entsprechenden Zugriff auf spätere Geldtransporte erfolgt. Daraus habe sich eine vielfach als "Schneeballsystem" bezeichnete Dynamik wachsender Finanzierungslücken entwickelt. Von all dem habe die Beklagte bei Abschluss der Police Nr. 7509 jedoch noch keine konkrete Kenntnis gehabt.
10
Das stützt sich unter anderem auf folgende Erwägungen: Die HEROS-Verantwortlichen hätten ihr Geschäftsgebaren bei Vertragsschluss nicht offengelegt. Selbst wenn der Beklagten einzelne Unregelmäßigkeiten aus den 1990er Jahren und seit dem Jahre 2000 bekannt gewesen wären, folge daraus nicht, dass sie in den Jahren 2000 und 2001 bereits aktuelles und positives Wissen über die erheblichen Fehlbeträge und die Insolvenzreife der HEROS-Gruppe gehabt habe. Bloße Verdachtsmomente genügten für eine solche Kenntnis nicht. Es komme hinzu, dass einzelne möglicherweise zunächst aufgetretene Probleme von HEROS stets "beseitigt" worden und deshalb weitgehend keine Versicherungsfälle abzuwickeln gewesen seien. Bis in die Spätphase habe das Schneeballsystem noch funktioniert. Auch die Klägerin habe vorgebracht , es sei bei ihr - abgesehen von wenigen, nicht regelmäßigen Verzögerungen - zu keinen Auffälligkeiten gekommen. Weiter hätten auch eine im Jahre 1993 ausgesprochene Kündigung, Schadenfälle aus den Jahren 1997 und 2001 und Prämienrückstände in der Zeit von 1998 bis 2000 noch keine ausreichenden Rückschlüsse auf den wirtschaftlichen Zustand der HEROS-Gruppe bei Abschluss der Police Nr. 7509 zugelassen.
11
Allein aus der Freundschaft zwischen dem HEROSGeschäftsführer W. und dem Mitarbeiter der Beklagten Harald S. könne ebenfalls nicht gefolgert werden, die Beklagte sei konkret in das Schneeballsystem eingeweiht gewesen und habe Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage der HEROS-Gruppe gehabt. Dagegen sprächen die Angaben des Zeugen W. anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung im März 2006, wonach die Versicherer bis ins Jahr 2004 nicht gewusst hätten, dass die von HEROS geschuldeten Einzahlungen nicht fristgerecht und taggleich erfolgt seien.
12
b) Damit hat das Berufungsgericht das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
13
Es durfte einen Irrtum der hier für darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht feststellen, ohne zuvor den von der Klägerin beantragten Beweis über die dieser Feststellung entgegenstehende Behauptung zu erheben, der Mitarbeiter der Beklagten S. , der zahlreiche Zuwendungen von Verantwortlichen der HEROS-Gruppe erhalten habe, sei über sämtliche Vorgänge bei HEROS unterrichtet gewesen und habe insbesondere gewusst, dass der Lebensstil des HEROSGeschäftsführers W. aus Unterschlagungen und Veruntreuungen finanziert worden sei.
14
aa) Von der Vernehmung der dafür benannten Zeugen S. und W. durfte das Berufungsgericht nicht deshalb absehen, weil die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet gewesen wären, dass ihre Erheblichkeit nicht hätte beurteilt werden können (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 1. Juni 2005 - XII ZR 275/02, NJW 2005, 2710 unter II 2 a). Das Vorbringen der Klägerin war vielmehr hinreichend substantiiert , zumal sie selbst keine unmittelbare Kenntnis von internen Vorgängen bei der Beklagten hat, was ihr die Darlegung und Beweisführung erschwert. In einem solchen Fall darf eine Partei auch Tatsachen, deren Vorliegen sie lediglich vermutet, als feststehend behaupten und unter Beweis stellen, wenn - wie hier - für die Richtigkeit ihres Vorbringens hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird eine solche Beweisführung erst bei offensichtlicher Willkür oder Rechtsmissbrauch der vortragenden Partei (vgl. BGH, Urteile vom 5. April 2001 - IX ZR 276/98, NJW 2001, 2327 unter III 1 a und vom 11. Juli 1996 - IX ZR 226/94, NJW 1996, 3147 unter II 5 d). Dafür ist hier angesichts zahlreicher - weitgehend unstreitiger und vom Berufungsgericht unterstellter - Anhaltspunkte, die für eine besondere Nähe zwischen den Zeugen S. und W. sprechen, nichts ersichtlich.
15
bb) Die Beweiserhebung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil die benannten Zeugen S. und W. ungeeignete oder unerreichbare Beweismittel oder ihre Vernehmungen unzulässig gewesen wären.
16
Ihre auf § 384 Nr. 2 ZPO gestützte, umfassende Aussageverweigerung in einem anderen Rechtsstreit aus dem HEROS-Komplex (vgl. dazu das Zwischenurteil des OLG Celle vom 14. Juni 2010 - 8 U 21/09, juris, betreffend den Zeugen W. ) führt nicht dazu, die beiden Zeugen im vorliegenden Rechtsstreit als völlig ungeeignete oder unerreichbare Beweismittel i.S. des § 244 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. zur Bedeutung dieser Vorschrift auch im Zivilprozess: BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 258; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. § 284 Rn. 8b; Laumen in Prütting/Gehrlein, ZPO § 284 Rn. 35) anzusehen oder die beantragte Beweiserhebung für unzulässig zu erachten. Vielmehr gelten für eine solche Annahme strenge Maßstäbe (vgl. etwa BGH, Urteil vom 3. Mai 2006 - XII ZR 195/03, NJW 2006, 3416 Rn. 25; BGH, Urteil vom 22. Dezember 1981 - 5 StR 662/81, NStZ 1982, 126 unter I 1).
17
Eine solche Prüfung hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen.
18
Es kommt hinzu, dass der Tatrichter im Falle einer Zeugnisverweigerung nach § 384 Nr. 2 ZPO - anders als in den Fällen des § 383 Abs. 1 Nr. 1 - 3 ZPO - nicht gehindert ist, diese im Rahmen seiner freien Überzeugungsbildung zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1993 - II ZR 255/92, NJW 1994, 197 unter I 2 a; OLG München NJW 2011, 80, 81; MünchKomm-ZPO/Damrau, 3. Aufl. § 384 Rn. 4). Sollten die beiden Zeugen berechtigterweise an ihrer Zeugnisverweigerung festhalten, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob und inwieweit diese Weigerung bei der Gesamtbewertung aller Fallumstände Hinweise darauf gibt, welche Kenntnisse der Zeuge S. vom Geschäftsgebaren der HEROS-Gruppe hatte.
19
2. Der dargelegte Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich, denn die übrigen Einwände der Klägerin gegen die Wirksamkeit der von der Beklagten erklärten Arglistanfechtung greifen nicht durch.
20
a) Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Police Nr. 7509 handele es sich um den Abschluss eines neuen, zum 1. Dezember 2001 in Kraft getretenen Versicherungsvertrages und nicht lediglich um eine Änderung der zuvor bestehenden Police Nr. 7265, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
21
aa) Ein neuer Vertrag liegt vor, wenn der aus den gesamten Fallumständen zu ermittelnde Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, die vertraglichen Beziehungen auf eine selbständige neue Grundlage zu stellen und sich nicht damit zu begnügen, einzelne Regelungen des bestehenden Vertrages zu modifizieren. Für einen neuen Vertrag spricht die Veränderung wesentlicher Vertragsinhalte, z.B. des versicherten Risikos, des versicherten Objekts, der Vertragsdauer, der Vertragsparteien und der Gesamtversicherungssumme (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 1988 - IVa ZR 111/87, r+s 1989, 22, 23; OLG Saarbrücken VersR 2007, 1681, 1682; OLG Köln VersR 2002, 1225; BK/Riedler, VVG § 38 Rn. 9; Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 37 Rn. 5; Römer in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 38 Rn. 6).
22
bb) Unter Beachtung dieser Maßstäbe und Heranziehung der den Einzelfall prägenden Umstände ist das Berufungsgericht ohne durchgreifenden Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, die Police Nr. 7509 sei als neuer, zum 1. Dezember 2001 in Kraft getretener Vertrag anzusehen. Entscheidungserheblichen Vortrag oder relevante Beweisangebote der Klägerin hat es - entgegen der Auffassung der Beschwerde - nicht übergangen. Die Angriffe der Revision erschöpfen sich im Wesentlichen in dem revisionsrechtlich unbehelflichen Versuch, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts unter abweichender Bewertung einzelner Indizien durch eine vermeintlich bessere eigene Würdigung zu ersetzen.
23
Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht vorgenommenen Gesamtschau zahlreicher Umstände, die sich insbesondere auch nicht als willkürlich i.S. von Art. 3 Abs. 1 GG erweist, schließt der Senat weiter aus, dass einzelne von der Revision herausgegriffene Aspekte das Berufungsgericht zu einer anderen Entscheidung veranlasst hätten, mögen sie auch - für sich betrachtet - auf eine Verlängerung der früheren Police hindeuten.
24
(1) Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht übersehen hat, dass Werttransporte von und zu einer Bank in Dänemark bereits seit 1996 auf der Grundlage einer Zusatzvereinbarung von der Police Nr. 7265 umfasst waren, weshalb seine Annahme, die in Ziffer 4.1.11 der Police Nr. 7509 getroffene "Sondervereinbarung Dänemark" enthalte eine Neuregelung, nicht zutrifft. Der Senat schließt aus, dass das Berufungsgericht , hätte es dies erkannt, zu einer anderen Bewertung der Police Nr. 7509 gelangt wäre.
25
(2) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde in diesem Zusammenhang, es sei angebotener Zeugenbeweis übergangen worden. Von einer näheren Begründung sieht der Senat insoweit nach § 564 Satz 1 ZPO ab.
26
b) Ziffer 13.4 VB enthält, selbst wenn man den Wortlaut der Klausel auch auf eine vorvertragliche arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers beziehen wollte, keinen wirksamen Ausschluss der Arglistanfechtung.
27
aa) Ein im Voraus vereinbarter Ausschluss des Anfechtungsrechts aus § 123 Abs. 1 BGB ist nach allgemeiner Auffassung unwirksam, wenn die Täuschung vom Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt wird, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - VIII ZR 37/06, VersR 2007, 1084 Rn. 18).
28
§ 123 BGB schützt die rechtsgeschäftliche Entschließungsfreiheit (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66, BGHZ 51, 141, 147; RGZ 134, 43, 55), indem die Vorschrift gewährleistet, dass eine Willenserklärung , die nicht als Ausdruck freier rechtsgeschäftlicher Selbstbestimmung angesehen werden kann, weil die Willensbildung des Erklärenden von Täuschung oder Drohung beeinflusst ist, der Anfechtung un- terliegt (vgl. dazu nur MünchKomm-BGB/Kramer, 5. Aufl. § 123 Rn. 1). Wird diese im Voraus ausgeschlossen, liefert sich der Erklärende der Willkür des Vertragspartners aus und gibt seine freie Selbstbestimmung vollständig auf. Dem Täuschenden wird ermöglicht, Vorteile aus seiner Täuschung zu ziehen, ohne eine Rückabwicklung des Vertrages befürchten zu müssen. Dafür verdient der arglistig Täuschende nicht den Schutz der Rechtsordnung (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 aaO).
29
Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Willenserklärung einer juristischen oder natürlichen Person in Rede steht. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf freie Willensbildung steht, da es korporativ betätigt werden kann (Art. 19 Abs. 3 GG; vgl. BVerfGE 106, 28, 42 ff.), juristischen und privaten Personen gleichermaßen zu (vgl. Erman/Palm, BGB 12. Aufl. § 123 Rn. 44).
30
bb) Für das Verhältnis zwischen der Beklagten als Versicherer und der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften als von Ziff. 13.4 VB begünstigte Versicherte gilt nichts anders.
31
Auch wenn den Versicherern die Berufung auf eine Arglistanfechtung lediglich gegenüber den Versicherten verwehrt bliebe, wären Erstere der Willkür der täuschenden Versicherungsnehmerin ausgeliefert und ihrer freien rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung beraubt. Da Versicherungsleistungen nach Ziffer 11.3.1 Abs. 1 Satz 1 VB an die Versicherten zu erbringen sind, liefe der Schutz des § 123 BGB gerade dann ins Leere, wenn die durch Täuschung geschaffene Verpflichtung gegenüber den Versicherten bestehen bliebe.
32
cc) § 334 BGB steht der Geltendmachung der Anfechtungsfolgen gegenüber der Klägerin und ihren Schwestergesellschaften ebenfalls nicht entgegen. Als Versicherte des zwischen der HEROS-Gruppe und den beteiligten Versicherern geschlossenen Vertrages können sie Rechte nur so erwerben, wie die Versicherungsnehmerin sie gestaltet hat (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 1967 - II ZR 37/64, VersR 1967, 343 unter IV; BK/Hübsch, VVG § 75 Rn. 4). Ihnen stehen nach § 334 BGB alle Einwendungen entgegen, die dem Versicherer aus dem Vertrag oder auch dessen Nichtigkeit erwachsen. Dazu zählt der Einwand der Anfechtung (vgl. nur BK/Hübsch, VVG § 74 Rn. 27).
33
dd) Auch aus den Versicherungsbestätigungen, die die Beklagte den Versicherten übersandt hat, erwachsen Letzteren in Bezug auf die Arglistanfechtung keine weitergehenden Rechte. Das Berufungsgericht hat diese Bestätigungen zu Recht als lediglich deklaratorische Informationsschreiben angesehen, die dazu dienten, die Versicherten über den Abschluss einer Versicherung zwischen der Beklagten und der HEROSGruppe zu unterrichten und den Inhalt dieses Vertrages zusammenzufassen. Eine gesonderte Begründung, Stärkung und Sicherung von Rechten der Versicherten folgt daraus nicht (vgl. Senatsurteil vom 6. Dezember 2000 - IV ZR 28/00, VersR 2001, 235 unter II 2 a). Die Beklagte hat mit den Bestätigungen keinen über die Regelungen des Versicherungsvertrages hinausgehenden Sicherungszweck verfolgt (anders bei in einem Kfz-Sicherungsschein: Senatsurteil vom 15. November 1978 - IV ZR 183/77, VersR 1979, 176 unter 1; BGH, Urteil vom 25. November 1963 - II ZR 54/61, BGHZ 40, 297, 302 f.; vgl. Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 30, 32). Sie war deshalb auch nicht gehalten, diese Bestätigungen gesondert anzufechten.
34
c) Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Frage , ob die Klägerin und ihre Schwestergesellschaften den Anfechtungsgrund kannten, für die Wirksamkeit der Anfechtung ohne Bedeutung ist, weil § 123 Abs. 2 BGB hier nicht anzuwenden ist. Sowohl § 123 Abs. 2 S. 1 als auch Abs. 2 S. 2 BGB setzen voraus, dass die Täuschung von einem Dritten ausgeht, und können mithin nicht eingreifen, wenn allein eine Täuschung durch den Erklärungsgegner - hier die HEROS-Gruppe als Versicherungsnehmerin - in Rede steht (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 1959 - VIII ZR 134/58, BGHZ 31, 321, 327 f.).
35
d) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, die HEROSGruppe habe der Beklagten bei Abschluss der Police Nr. 7509 ihr bis dahin praktiziertes Geschäftsverhalten (vgl. zum Schneeballsystem unter II 1 a) offenbaren müssen.
36
aa) Die tatsächlichen Grundlagen, aus denen dies hergeleitet wird, hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die strafrechtliche Verurteilung der Geschäftsführer von Unternehmen der HEROS-Gruppe durch das Landgericht Hildesheim und in Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Revisionsentscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427) in rechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt und dabei die für seine Überzeugungsbildung wesentlichen Gesichtspunkte nachvollziehbar darlegt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 16. März 2005 - IV ZR 140/04, NJW-RR 2005, 1024 unter 1 und 2; BGH, Urteil vom 22. Januar 1991 - VI ZR 97/90, NJW 1991, 1894 unter II 1).
37
bb) Das Berufungsgericht durfte die HEROS-Gruppe in diesem Zusammenhang auch als Verbund von Unternehmen ansehen, bei dem es entbehrlich war, das Maß der gebotenen Sachaufklärung nach den einzelnen HEROS-Unternehmen zu differenzieren. Vor allem gesteuert durch K. W. als ihr zumindest faktischer Geschäftsführer (vgl. schon BGH, Beschluss vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427 unter II 2 a bb) wirkten die Unternehmen der HEROS-Gruppe zur Aufrechterhaltung des Schneeballsystems arbeitsteilig zusammen.
38
(1) Zwar muss ein Vertragspartner im Allgemeinen nicht über alle Umstände aufgeklärt werden, die für seine Entscheidung von Bedeutung sein können. Anderes gilt aber dann, wenn eine solche Mitteilung aufgrund der konkreten Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung erwartet werden darf (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 - IX ZR 360/00, NJW 2001, 3331 unter II 1 b). So liegt der Fall hier. Angesichts der unlauteren Geschäftspraktiken der HEROS-Gruppe drohten bereits zur Zeit des Vertragsschlusses jederzeit die Entdeckung und der Zusammenbruch des Schneeballsystems mit der Folge, dass die Unternehmen der HEROS-Gruppe insolvent werden und zahlreiche Auftraggeber in diesem Fall die den HEROS-Unternehmen zum Transport übergebenen Gelder beziehungsweise deren Gegenwert verlieren konnten. Losgelöst von der Frage, ob die so entstehenden Ausfälle in jedem Fall einen Versicherungsfall dargestellt hätten, stand für die Verantwortlichen der HEROSGruppe jedenfalls zu erwarten, dass die Versicherer im Falle der Entdeckung des Schneeballsystems und dem dann unvermeidlichen Zusammenbruch der Geschäfte durch zahlreiche Versicherte in Anspruch genommen würden. Daher lag allein im Betreiben dieses Schneeballsystems bereits eine anzeigepflichtige unmittelbare Gefährdung des Vertragszwecks der Versicherung (vgl. Senatsurteil vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 197/87, VersR 1989, 465 unter II 3; BGH, Urteil vom 4. März 1998 - VIII ZR 378/96, NJW-RR 1998, 1406 unter II 1). Durch Ver- schweigen der geschilderten Gefahren verlagerte die HEROS-Gruppe ihr eigenes wirtschaftliches Wagnis zum Teil auf die Versicherer und belastete diese bewusst mit einem Risiko, das über die mit dem Abschluss einer Valoren-Transport-Versicherung normalerweise verbundenen Gefahren erheblich hinausging (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - IX ZR 352/97, NJW 1999, 2032 unter II 3 a).
39
(2) Dabei ist es hier unerheblich, dass sich die Verantwortlichen der HEROS-Gruppe bei Offenbarung ihrer Geschäftspraktiken gegenüber den Versicherern unerlaubter Handlungen hätten bezichtigen müssen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Dezember 1997 - II ZR 236/96, NJW 1998, 1315 unter II 1 b). Aus dem strafprozessualen Privileg, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, erwächst kein Anspruch darauf, ungeachtet des Verschweigens solcher Umstände dennoch private Rechte voll durchzusetzen (vgl. dazu BVerfG NStZ 1995, 599, 600) oder sich gar versicherungsvertragliche Vorteile zu erschleichen.
40
Dem steht das Senatsurteil vom 24. September 1986 (IVa ZR 229/84, VersR 1986, 1089 unter 2) nicht entgegen. In jenem Verfahren stand zur Entscheidung, ob der Versicherungsnehmer einer Feuerversicherung bei Vertragsschluss unaufgefordert mitteilen müsse, dass er sich in der Vergangenheit - erkannt oder unerkannt - einmal strafbar gemacht habe. In diesem Zusammenhang hat der Senat dem Versicherungsnehmer , der vom Versicherer nach einer solchen strafrechtlichen Vergangenheit nicht ausdrücklich gefragt worden war, ein "Recht auf (Ver-)Schweigen" zugestanden, da ein Teilnehmer am allgemeinen rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht erwarten könne, dass sich jemand bei zivilrechtlichen Vertragsverhandlungen unaufgefordert durch Selbstbezichtigung (auch) einer strafrechtlichen Verfolgung erst aussetzen werde.
Um eine solche, allein die allgemeine persönliche Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Versicherungsnehmers betreffende Offenbarung früheren strafbaren Verhaltens geht es hier aber nicht. Vielmehr betrafen die verschwiegenen Geschäftspraktiken unmittelbar das zu versichernde Risiko. Sie stellten, wie das Berufungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, auch keinen in der Vergangenheit abgeschlossenen Vorgang dar, sondern dauerten fort und setzten die Versicherungsnehmerin der Gefahr der Insolvenz und die Versicherer einem deutlich erhöhten Risiko der Inanspruchnahme aus.
41
e) Die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 8. Januar 2007 leidet an keinem ihre Wirksamkeit ausschließenden Mangel.
42
Sie ist an den Insolvenzverwalter der HEROS-Gruppe gerichtet, auf die Police Nr. 7509 bezogen, wurde ausdrücklich im Namen aller Mitversicherer abgegeben und war geeignet, nicht nur den mit der Beklagten im Rahmen einer offenen Mitversicherung geschlossenen Vertrag, sondern den Versicherungsvertrag als Ganzes zu erfassen.
43
aa) Die Anschlussklausel in Ziffer 15.3 VB verleiht - für einen durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer einer Transportversicherung ohne weiteres erkennbar (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2011 - IV ZR 117/09, VersR 2011, 918 Rn. 22) - der Beklagten als führendem Versicherer die Befugnis, Willenserklärungen im Namen der übrigen Mitversicherer abzugeben und diese aktiv zu vertreten (vgl. dazu MünchKomm-VVG/Halbach, § 77 Rn. 14; Römer in Römer /Langheid, VVG 2. Aufl. § 58 Rn. 6; Thume in Thume/de la Motte /Ehlers, Transportversicherungsrecht 2. Aufl. VVG § 77 Rn. 246; Kretschmer , VersR 2008, 33, 34; Lange/Dreher, VersR 2008, 289, 291; 2005, 717, 724). Sie wird dadurch auf der Seite der Versicherer mit der umfassenden Wahrnehmung aller aus dem Vertragsverhältnis erwachsenden Aufgaben betraut. Dies umfasst auch Erklärungen, die sich auf den Bestand des Vertrages auswirken können. Angesichts dieser bereits im Versicherungsvertrag erteilten Bevollmächtigung war für eine Zurückweisung der Anfechtung nach § 174 Satz 1 BGB durch den Insolvenzverwalter kein Raum.
44
bb) Einer zusätzlichen Anfechtungserklärung gegenüber den Versicherten bedurfte es nicht. Bei der hier genommenen Versicherung für fremde Rechnung sind grundsätzlich alle Erklärungen, die den Vertrag als solchen und nicht lediglich Pflichten der Versicherten oder deren Rechtsausübung betreffen (vgl. BK/Hübsch, VVG § 75 Rn. 3; Brand in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 44 Rn. 8), gegenüber dem Versicherungsnehmer abzugeben. Es verbleibt insofern bei der Regel des § 143 Abs. 2, 1. Halbsatz BGB (vgl. BK/Voit, VVG § 22 Rn. 37; Prölss/Klimke in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 45 Rn. 3). Auf die Wirksamkeit der von der Beklagten dennoch auch gegenüber Versicherten abgegebenen Anfechtungserklärungen kommt es deshalb nicht an.
45
f) Ob einerseits die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB eingehalten und andererseits der Versicherungsvertrag möglicherweise gemäß § 144 BGB bestätigt wurde, kann abschließend erst entschieden werden, wenn geklärt ist, in welchem Umfang und ab welchem Zeitpunkt die Beklagte oder ein ihr möglicherweise gleichstehender Wissensvertreter Kenntnis von denjenigen Tatsachen hatte, über die sie nach ihrer Behauptung getäuscht worden ist.
46
aa) Die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB beginnt mit der Entdeckung der Täuschung durch den Anfechtungsberechtigten zu laufen, also mit der Entdeckung des Irrtums und des Umstandes, dass dieser durch eine Täuschung veranlasst worden ist. Nicht ausreichend ist ein bloßes Kennenmüssen; auch ein bloßer Verdacht, getäuscht worden zu sein, genügt nicht (vgl. MünchKomm-BGB/Kramer, 5. Aufl. § 124 Rn. 2; Staudinger /Singer/von Finckenstein, BGB [2004] § 124 Rn. 4).
47
Das hat das Berufungsgericht seinen Überlegungen zutreffend zugrunde gelegt. Seine weiteren, im Übrigen rechtsfehlerfreien Ausführungen zur Wahrung der Anfechtungsfrist gehen allerdings von der fehlerhaft getroffenen Feststellung aus, die Beklagte habe sich bei Abgabe ihrer Vertragserklärung in einem Irrtum über die Geschäftspraktiken der HEROS-Gruppe befunden. Da dieser Punkt weiterer Aufklärung bedarf, kann noch nicht abschließend entschieden werden, ob und gegebenenfalls wann die Anfechtungsfrist zu laufen begonnen hat.
48
bb) Ähnliches gilt für die Frage einer Bestätigung des Versicherungsvertrages nach § 144 BGB. Sie setzt voraus, dass der ursprünglich Anfechtungsberechtigte eindeutig zum Ausdruck bringt, den Vertrag endgültig als wirksam gelten zu lassen (vgl. Staudinger/Roth, BGB [2010] § 144 Rn. 1), und dies zu einem Zeitpunkt äußert, zu dem er bereits weiß oder mindestens mit der Möglichkeit rechnet, dass der Gegner ihn bewusst getäuscht hat. Außerdem muss er wissen, dass sich daraus für ihn ein Anfechtungsrecht ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1990 - VIII ZR 18/89, NJW-RR 1990, 817 unter III 3; RGZ 128, 116, 119; Staudinger /Roth, BGB [2010] § 144 Rn. 7).
49
Zwar hat das Berufungsgericht diese Voraussetzungen auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen ohne Rechtsfehler verneint. Auch insoweit bedarf die Sache aber neuer Verhandlung und Entscheidung , weil neu geprüft werden muss, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt die Beklagte Kenntnis von dem von der HEROS-Gruppe praktizierten Schneeballsystem hatte.
50
Erst danach kann auch entschieden werden, inwieweit rechtsgeschäftlichen Äußerungen der Beklagten nach Vertragsschluss möglicherweise ein Bestätigungswille entnommen werden kann.
51
III. Der Senat weist für das weitere Verfahren auf Folgendes hin:
52
Greift die Anfechtung bezüglich der Police Nr. 7509 nach § 123 Abs. 1 BGB durch, wird neu zu prüfen sein, ob sie auch die einvernehmliche Aufhebung der Vorgänger-Police Nr. 7265 erfasst und im Ergebnis zu deren Wiederaufleben führt.
53
Soweit das Berufungsgericht dies bisher verneint hat, begegnet die Begründung des Berufungsurteils rechtlichen Bedenken.
54
1. Ist der Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, wird davon gemäß § 139 BGB das gesamte Rechtsgeschäft erfasst, es sei denn die Fallumstände rechtfertigen die Annahme, der nicht unmittelbar von der Nichtigkeit betroffene Teil des Rechtsgeschäftes wäre auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden. § 139 BGB erfordert damit zunächst eine Klärung der Frage, ob ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, welches lediglich teilweise der Anfechtung unterliegt, oder ob zwei selbständige Rechtsgeschäfte abgeschlossen worden sind, auf die § 139 BGB keine Anwendung findet.
55
2. Ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S. von § 139 BGB liegt vor, wenn der Wille der Parteien dahin geht, dass die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollten, mithin das eine nicht ohne das andere von den Parteien gewollt war (vgl. dazu BGH, Urteil vom 24. Oktober 2006 - XI ZR 216/05, NJW-RR 2007, 395 Rn. 17 m.w.N.; OLG Saarbrücken VersR 2007, 1681, 1682 f.).
56
Dafür spricht hier, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit dem Abschluss der zum 1. Dezember 2001 in Kraft tretenden Police Nr. 7509 zugleich die vorzeitige Aufhebung der anderenfalls noch bis einschließlich Dezember 2001 geltenden Police Nr. 7265 einhergehen sollte. Insoweit liegen nicht einmal äußerlich getrennte Vertragserklärungen vor, sondern die vorwiegend die neue Police betreffenden Erklärungen erfassten zugleich stillschweigend die Vorgänger-Police.
57
Dennoch hat das Berufungsgericht ein einheitliches Rechtsgeschäft mit der Erwägung verneint, es habe im Falle einer erfolgreichen Arglistanfechtung nicht dem Willen der Parteien entsprochen, auch den Aufhebungsvertrag betreffend die Police Nr. 7265 zu vernichten und letzterer auf diese Weise wieder Geltung zu verschaffen. Für die Versicherungsnehmerin sei vielmehr offensichtlich gewesen, dass die Beklagte bei Kenntnis der ihr verschwiegenen Gefahrumstände den alten Versicherungsvertrag jederzeit hätte kündigen können.
58
3. Das ist nicht frei von Rechtsfehlern, denn bei der Ermittlung des für die Einheitlichkeit maßgeblichen Parteiwillens ist auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts abzustellen (Palandt/Ellenberger, BGB 70. Aufl. § 139 Rn. 5) und nicht danach zu fragen, welche Parteiinteressen bei Erklärung der Arglistanfechtung bestanden. Für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts kann im Übrigen der diesbezügliche Wille einer der Vertragsparteien genügen, wenn er für die andere Partei erkennbar war und von ihr gebilligt oder jedenfalls hingenommen wurde (BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91, NJW 1992, 3238 unter I 1 b m.w.N.).
59
Das Berufungsgericht hat insoweit nicht geprüft, ob die Aufhebung des bestehenden Versicherungsvertrages (Police Nr. 7265) bei den Verhandlungen über die Police Nr. 7509 zumindest von der Versicherungsnehmerin nicht ohne den gleichzeitigen Neuabschluss gewollt war und ob dies für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts deshalb ausreichte, weil die Beklagte bei Abschluss der Police Nr. 7509 erkannt und akzeptiert hat, dass beide Rechtsgeschäfte jedenfalls für die Versicherungsnehmerin miteinander stehen und fallen sollten. Demgegenüber kommt es auf die Frage, ob die Beklagte bei Kenntnis der Geschäftspraktiken der HEROS-Gruppe berechtigt gewesen wäre, die Police Nr. 7265 jederzeit fristlos oder ordentlich zu kündigen, nicht an. Maßgeblich ist allein, ob der ursprüngliche Versicherungsvertrag nach der Vorstellung der Parteien auch ohne den Neuabschluss hätte aufgehoben werden sollen. Das ist ohne Berücksichtigung des später erkannten Anfechtungsgrundes und nicht allein anhand der Interessen der Beklagten zu beurteilen.
Dr. Kessal-Wulf Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 11.04.2008- 13 O 245/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 29.01.2009 - 8 U 93/08 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Das Zeugnis kann verweigert werden:

1.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;
2.
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden;
3.
über Fragen, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

(1) Wird eine Folgeprämie nicht rechtzeitig gezahlt, kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer auf dessen Kosten in Textform eine Zahlungsfrist bestimmen, die mindestens zwei Wochen betragen muss. Die Bestimmung ist nur wirksam, wenn sie die rückständigen Beträge der Prämie, Zinsen und Kosten im Einzelnen beziffert und die Rechtsfolgen angibt, die nach den Absätzen 2 und 3 mit dem Fristablauf verbunden sind; bei zusammengefassten Verträgen sind die Beträge jeweils getrennt anzugeben.

(2) Tritt der Versicherungsfall nach Fristablauf ein und ist der Versicherungsnehmer bei Eintritt mit der Zahlung der Prämie oder der Zinsen oder Kosten in Verzug, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.

(3) Der Versicherer kann nach Fristablauf den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, sofern der Versicherungsnehmer mit der Zahlung der geschuldeten Beträge in Verzug ist. Die Kündigung kann mit der Bestimmung der Zahlungsfrist so verbunden werden, dass sie mit Fristablauf wirksam wird, wenn der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt mit der Zahlung in Verzug ist; hierauf ist der Versicherungsnehmer bei der Kündigung ausdrücklich hinzuweisen. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder, wenn sie mit der Fristbestimmung verbunden worden ist, innerhalb eines Monats nach Fristablauf die Zahlung leistet; Absatz 2 bleibt unberührt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 493/07
vom
1. April 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Untreue u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. und 7. auf dessen Antrag - am
1. April 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Dem Angeklagten W. wird nach Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. Mai 2007 auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
Damit ist der Beschluss des Landgerichts Hildesheim vom 4. Oktober 2007, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
2. Die Revision des Angeklagten W. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Die Revision des Angeklagten We. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall A.III.2. der Urteilsgründe nicht der Beihilfe zur Untreue, sondern der Untreue schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall A.III.4. der Urteilsgründe nicht der Untreue in 118 Fällen , sondern der Untreue in 107 Fällen (Fälle 194-270 der Anklageschrift), der Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Unterschlagung (Fall 279 der Anklageschrift) und der Unterschlagung in zehn Fällen (Fälle 271-278, 280-281 der Anklageschrift) schuldig ist;
b) in den Einzelstrafaussprüchen zu Fall A.III.2. der Urteilsgründe und zu den Fällen 271-281 der Anklageschrift innerhalb des Falls A.III.4. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
5. Auf die Revision des Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall A.III.1. der Urteilsgründe nicht der Untreue in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen und der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen, sondern der Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen, und im Fall A.III.2. der Urteilsgründe nicht der Untreue, sondern der Beihilfe zur Untreue schuldig ist;
b) in den Einzelstrafaussprüchen zu den Fällen A.III.1. und A.III.2. der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
6. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
7. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten D. und K. werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten W. wegen Untreue in 156 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Verletzung der Insolvenzantragspflicht, wegen Untreue und vorsätzlichen Bankrotts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren, den Angeklagten We. wegen Untreue in 156 rechtlich zusammentreffenden Fällen, Untreue in 102 Fällen und Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren, den Angeklagten D. wegen Untreue in 186 Fällen und Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten K. wegen Untreue in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen, Untreue in zwei Fällen und Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wenden sich die Revisionen aller Angeklagten mit materiell-rechtlichen Bean- standungen; die Angeklagten We. , D. und K. rügen außerdem die Verletzung formellen Rechts.

I.


2
Die Verfahrensrügen der Angeklagten We. , D. und K. bleiben ohne Erfolg. Der Senat nimmt insoweit auf die jeweiligen Antragsschriften des Generalbundesanwalts Bezug. Zu der Rüge des Angeklagten We. , das Landgericht habe unzulässig Erkenntnisse verwertet, die aus Telefonüberwachungsmaßnahmen gegen die anderweitig Verfolgte M. gewonnen worden sind, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass das Urteil auf einem etwaigen Verstoß gegen ein Verwertungsverbot nicht beruhen könnte; denn das Landgericht hat die fraglichen Vorgänge schon aufgrund anderer Beweisergebnisse für erwiesen gehalten (s. UA S. 96).

II.


3
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der von den Angeklagten W. und We. erhobenen Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten erbracht; sie führt lediglich zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs gegen den Angeklagten We. . Die Schuldsprüche wegen mehrfacher Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue bedürfen indessen näherer Erörterung.
4
1. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
5
Der Angeklagte W. war zunächst Mit- und seit 1996 Alleingesellschafter aller Gesellschaften, die unter der Sammelbezeichnung H. - Unternehmensgruppe auftraten. Bis 1992 war er auch deren alleiniger Ge- schäftsführer. Bei der N. Geldbearbeitungs GmbH (im Folgenden: N. ) übernahm der Angeklagte We. zum 1. Dezember 1992 die Stellung des Alleingeschäftsführers. Der Angeklagte W. traf aber auch für diese Gesellschaft weiterhin die maßgeblichen geschäftlichen Grundentscheidungen. Die Betriebe der H. -Gruppe führten in erheblichem Umfang Geldtransporte für Banken und Handelsunternehmen durch. Für letztere übernahm die H. - Gruppe auch die "Geldbearbeitung", d. h. die Zählung und Aufarbeitung von Hart- und Notengeld sowie dessen Auskehrung durch Überweisung von Eigenkonten bei der Bundesbank, auf die das Bargeld nach Aufarbeitung und Zählung eingezahlt worden war; die Konten waren sämtlich für die N. eingerichtet , wenn auch der Kontoinhaber des bei der Bundesbankfiliale Mö. geführten Kontos die H. Transport GmbH Ha. war. Für die Banken erbrachte die H. -Gruppe neben den Geldtransporten sonstige Dienstleistungen bis hin zur Befüllung von Geldautomaten. Die Geldbearbeitung und die Automatenbefüllung führte die N. aus.
6
Da die Einkünfte der Gesellschaften "nicht auskömmlich waren", entwickelte der Angeklagte W. spätestens ab Mitte der 1990er Jahre als ständigen Finanzierungsmechanismus ein Schneeballsystem. Er veranlasste, dass Geld der Kunden zur Begleichung von Löhnen und Gehältern, Steuern und Sozialversicherungsabgaben sowie sonstiger Verbindlichkeiten seiner Unternehmen genutzt wurde. Die entnommenen Beträge wurden einen Tag oder auch erst mehrere Tage später durch das zwischenzeitlich abgeholte Geld anderer Kunden ersetzt, so dass die Auskehrung der Gelder der Vortage sich zwar verzögerte , die Fehlbeträge aber nicht auffielen. Der Angeklagte We. war darüber informiert und wirkte bei der Durchführung dieser Entnahmen mit. Im Anklagezeitraum wurden an 156 Tagen von den für die N. bei der Bun- desbank eingerichteten Konten insgesamt über 179 Mio. € an Gesellschaften der Unternehmensgruppe überwiesen.
7
Nachdem den Angeklagten wegen der Kündigung eines Großkunden Ende 2005 klar geworden war, dass sie das Schneeballsystem nicht länger aufrecht erhalten konnten, fassten die Angeklagten W. und K. Mitte Februar 2006 den Entschluss, in einer groß angelegten Umverteilungsaktion erhebliche Beträge, die von Banken zur Befüllung von Geldautomaten zur Verfügung gestellt worden waren, nicht zu diesem Zweck, sondern dazu zu verwenden, zumindest einen Teil der Verbindlichkeiten gegenüber kleineren Handelsunternehmen zu begleichen, um deren ansonsten zu befürchtende Insolvenz zu vermeiden. Sie informierten auch die Angeklagten D. und We. über diesen Plan. Der Angeklagte We. widersprach dem nicht, beteiligte sich aber auch nicht an der Umsetzung.
8
2. a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen im Ergebnis die Verurteilungen der Angeklagten W. und We. wegen Untreue hinsichtlich der geschilderten Überweisungen im Rahmen des Schneeballsystems.
9
aa) Rechtlich zutreffend ist die - wenn auch nicht ausdrücklich dargelegte , so doch dem Gesamtzusammenhang seiner Ausführungen zu entnehmende - Annahme des Landgerichts, dass die von den Angeklagten W. und We. veranlassten Überweisungen der Kundengelder auf Geschäftskonten der Gesellschaften der H. -Unternehmensgruppe jeweils eine vertraglich begründete Pflicht zur Betreuung fremder Vermögensinteressen im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB verletzten und es dadurch in jedem Einzelfall zumindest zu einem Vermögensgefährdungsschaden der Kunden gekommen ist, weil die Fehlbeträge im Fall der Aufdeckung des Schneeballsystems und der infolge- dessen zu erwartenden Kündigungen zahlreicher Kunden nicht mehr hätten ausgeglichen werden können.
10
Voraussetzung des Treubruchstatbestandes gemäß § 266 Abs. 1 StGB ist die tatsächliche Einwirkungsmacht auf fremdes Vermögen, der ein besonders schützenswertes Vertrauen in die Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zugrunde liegt. Wegen der Weite des Tatbestandes sind die durch § 266 Abs. 1 StGB strafrechtlich geschützten Treueverhältnisse auf die Fälle zu beschränken , in denen für den Betreuenden eine besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen begründet wird. Diese muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit (Fischer, StGB, 55. Aufl. § 266 Rdn. 28 m. w. N.). Nach ständiger Rechtsprechung ist erforderlich, dass sich die Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, also als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Beteiligten sie als solche bezeichnen. Es muss hinzukommen, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird (BGH NJW 1991, 2574 m. w. N.). Das Merkmal der Selbständigkeit bzw. des Handlungsspielraums dient dazu, die Vermögensfürsorgepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB von bloßen Diensten der Handreichung abzugrenzen, wie sie etwa von Lieferanten und Boten erbracht werden. Hierbei ist aber nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten , ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 85; Fischer aaO Rdn. 29).
11
Nach diesen Grundsätzen begründeten die vertraglich geschuldeten Dienstleistungen der Geldbearbeitung sowie die Bankdienstleistungen in ihrer konkreten Ausgestaltung eine Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB. Dadurch, dass die abgeholten Kundengelder in denNiederlassungen der N. nach ihrer Zählung und Erfassung des ausgezählten Betrages in der EDV mit dem Geld anderer Kunden vermischt, nach Noten gebündelt und sodann auf die eingerichteten Bundesbankkonten eingezahlt wurden, verloren die Kunden das Eigentum an dem abgeholten Geld und erwarben gegenüber ihrem Vertragspartner lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auskehrung eines entsprechenden Betrages. Soweit mit einigen Kunden abweichende Vereinbarungen bestanden, duldeten diese nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen die von der N. praktizierte Vorgehensweise. Da Inhaber der Konten die N. bzw. die H. Transport GmbH Ha. , Niederlassung V. waren, hatten nur diese Gesellschaften einen direkten Auszahlungsanspruch gegenüber der Bundesbank. Die N. , die für die Konten verantwortlich war, verwaltete damit zumindest für einen kurzen Zeitraum, der zwischen der Vermischung des Geldes und der Auskehrung der geschuldeten Beträge lag, das Vermögen der Kunden treuhänderisch. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Geldbeträge, die ihr zur Befüllung von Geldautomaten zur Verfügung gestellt wurden: Diese wurden von den Banken entweder direkt auf die von der N. verwalteten Bundesbankkonten oder auf Treuhandkonten überwiesen, für die einzelne Mitarbeiter der N. eingeschränkt zeichnungsberechtigt waren. Von diesen Konten wurde das Bargeld abgehoben, um die Geldkassetten in den Niederlassungen der N. befüllen zu können. Durch diese Praxis hatte die N. Verfügungsmacht über die abgeholten Bargeldbeträge, so dass wiederum ein Treuhandverhältnis entstand.
12
Zwar ist den - zu den einzelnen Regelungen der Kundenverträge nur kursorischen - Feststellungen zu entnehmen, dass die Kunden ihrem Vertragspartner über die Einzahlung auf das Bundesbankkonto hinaus nur einen sehr geringen Handlungsspielraum ließen, wie mit dem eingesammelten Geld zu verfahren war, was bei Verträgen über Geldtransporte und die anschließende Geldbearbeitung auch in der Natur der Sache liegt; dies steht der Annahme einer qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht jedoch nicht entgegen. Das Einkassieren, Verwalten und Abliefern von Geld für den Auftraggeber wird in der Rechtsprechung regelmäßig als herausgehobene Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen angesehen und die Veruntreuung so eingenommener Gelder als Untreue im Sinne des § 266 StGB bewertet (BGHSt 2, 324; 13, 315; 18, 312; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Treubruch 1; Missbrauch 2). So verfügen etwa Rechtsanwälte, die für ihren Mandanten Fremdgeld entgegennehmen, nur über einen geringen Handlungsspielraum zum Umgang mit dem empfangenen Geld; gleichwohl wird bei ihnen eine herausgehobene Treuepflicht bejaht (BGH NJW 1957, 596, 597; 1960, 1629; 2006, 3219, 3221). Denn der Grad der Selbständigkeit des Verpflichteten stellt neben anderen Kriterien wie Dauer und Umfang der Tätigkeit nur ein Indiz dafür dar, dass es sich - in Abgrenzung zu bloßen Boten- und Handlangerdiensten - um Vorgänge handelt, denen die Bedeutung der qualifizierten Wahrnehmung von Vermögensinteressen zukommt (BGHSt 13, 315, 317). Schon Dauer und Umfang der Betreuung der Vermögen der Kunden - allein die unberechtigten Entnahmen im Tatzeitraum beliefen sich auf fast 180 Mio. € - sprechen hier für eine über die bloße Verrichtung von Handreichungen hinausgehende Tätigkeit. Darüber hinaus wurde ein besonderes Vertrauen in die H. -Unternehmen durch das Vorhandensein von Eigenkonten bei der Bundesbank begründet, die üblicherweise überprüften und zertifizierten Finanzdienstleistern vorbehalten sind. Dieses gesteigerte Vertrauen erlaubte den von den Kunden nicht kontrollierten und in der Zeit zwischen Ab- holung des Geldes und Auskehrung der ihnen zustehenden Beträge auch nicht kontrollierbaren Zugriff auf deren Vermögen durch die abredewidrige Überweisung des Geldes auf eigene Geschäftskonten der Gesellschaften.
13
bb) Das angefochtene Urteil leidet allerdings unter dem Mangel, dass es die vertraglichen Beziehungen zwischen den Kunden und den Unternehmen der H. -Gruppe nicht näher darstellt, so dass ihm nicht einmal zu entnehmen ist, ob die Verträge über die Geldbearbeitung unmittelbar mit der N. geschlossen wurden oder ob Vertragspartner ein anderes Unternehmen der H. -Gruppe war, das die Erledigung der Geldbearbeitung auf die N. übertrug. Dies gefährdet die Verurteilung der Angeklagten W. und We. wegen Untreue jedoch nicht; denn nach beiden denkbaren Sachvarianten war die Vermögensbetreuungspflicht auch für diese beiden Angeklagten begründet.
14
War Vertragspartner der Kunden ein anderes Unternehmen der H. - Gruppe, war der Angeklagte W. schon als dessen Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB treuepflichtig. Durch die Übertragung der Geldbearbeitungsdienstleistungen auf die N. traf die qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht auch diese Gesellschaft (vgl. BGHSt 2, 324; BGH NJW 1983, 1807; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 31), die als juristische Person mit einer eigenen Betriebsorganisation auch die im Verhältnis zu dem beauftragenden anderen Unternehmen erforderliche Selbständigkeit zur Erfüllung dieser Aufgaben besaß (vgl. BGHSt 13, 330, 331 f.). Für den Angeklagten We. folgt die Treuepflicht als Geschäftsführer der N. ebenfalls aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
15
Wurden die die qualifizierte Treuepflicht begründenden Geldbearbeitungsdienstleistungen hingegen durch die Kunden unmittelbar bei der N.
in Auftrag gegeben, traf die Treuepflicht den Angeklagten We. als deren Geschäftsführer gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und den Angeklagten W. als deren faktischen Geschäftsführer (vgl. BGHSt 13, 330, 331). Dazu ist den Feststellungen hinreichend zu entnehmen, dass der Angeklagte W. nicht nur die geschäftlichen Grundentscheidungen für die N. traf, sondern auch im operativen Geschäft gegenüber dem Angeklagten We. Weisungen durchsetzen konnte und damit ihm gegenüber eine dominierende Stellung einnahm.
16
b) Bezüglich der "Umverteilung des Geldes" der Großbanken (Fall A.III.2. der Urteilsgründe) ist die Verurteilung des Angeklagten W. wegen Untreue aus den unter a) dargelegten Gründen im Ergebnis ebenfalls rechtsfehlerfrei; bei dem Angeklagten We. war der Schuldspruch dagegen von Beihilfe zur Untreue auf Untreue umzustellen. Die Angeklagten W. und We. verletzten die ihnen gegenüber den Kunden obliegende Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB auch dadurch, dass sie die zur Befüllung von Geldautomaten abgeholten Bargeldbeträge Kleinkunden zukommen ließen. Soweit die Kammer den Angeklagten We. wegen seiner fehlenden Mitwirkung an der Umsetzung dieses Tatentschlusses nur wegen psychischer Beihilfe zur Untreue verurteilt hat, ist dies allerdings rechtsfehlerhaft. Psychische Beihilfe leistet, wer durch aktives Tun oder garantenpflichtwidriges Unterlassen den Täter in seinem Tatentschluss bestärkt oder bei der Tatausführung unterstützt. In jedem Fall muss eine objektiv fördernde Funktion festgestellt werden (Fischer aaO § 27 Rdn. 13). Daran fehlt es hier.
17
Dies führt indes nicht zu einer Aufhebung seiner Verurteilung, vielmehr war der Schuldspruch auf Untreue zu ändern. Aus der Treuepflicht des Angeklagten We. gegenüber den Banken resultierte auch seine Pflicht, die drohende Schädigung, von der er Kenntnis erhielt, von diesen Kunden abzuwenden. Er hatte diese zumindest zu melden (BGHSt 5, 187, 190) und beging die Verletzung der Treuepflicht damit durch sein pflichtwidriges Unterlassen (vgl. BGHSt 36, 227). Die zugemessene Einzelstrafe wird durch die Schuldspruchänderung nicht berührt (vgl. § 13 Abs. 1 StGB einerseits, § 27 Abs. 2 StGB andererseits).
18
3. Die Verurteilung des Angeklagten We. wegen Untreue in 102 Fällen aufgrund der vom Angeklagten D. geforderten und von diesem durchgeführten Entnahme von Kundengeldern in den Jahren 2001 bis 2006, die der Angeklagte We. für sich selbst verbrauchte, begegnet aufgrund der getroffenen Feststellungen keinen Bedenken. Durch diese Entnahmen verletzte er seine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht gegenüber den Kunden; zudem wurde die N. gegenüber den Kunden gemäß §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i. V. m. §§ 266 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB schadensersatzpflichtig, so dass der Angeklagte We. auch gegenüber seiner Arbeitgeberin die ihm aus dem Anstellungsvertrag obliegende Treuepflicht verletzte.

III.


19
Die Revision des Angeklagten D. hat auf die Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
20
Der Angeklagte D. war seit dem Jahr 1995 Leiter der Niederlassung der N. in V. . Er war bereits nach kurzer Zeit bereit, an dem Schneeballsystem mitzuwirken, stellte ab dem Jahr 1996 auf Anforderung der Angeklagten W. und We. Kundenbargelder bereit und führte zur Verschleierung bzw. zum möglichst schnellen und unauffälligen Ausgleich der Geldentnahmen eine sog. Prioritätenliste, nach der entschieden wurde, in wel- chem Umfang und mit welcher zeitlichen Verzögerung bei welchem Kunden die Überweisung der abgeholten Gelder "gestreckt" werden konnte. Ab Juli 1996 erhielt er Gesamtprokura für die N. und war außerdem für das für sie bei der Bundesbankfiliale in Mö. eingerichtete Konto einzelzeichnungsberechtigt.
21
1. Er beteiligte sich an den unter I.1. dargestellten Überweisungen, indem er in 68 Fällen die Überweisungsträger selbst unterschrieb und in weiteren 43 Fällen seinen Mitarbeitern durch beanstandungsfreie Übernahme der Überweisungsbeträge in die Buchhaltung und in seine Prioritätenliste den Eindruck vermittelte, sie könnten die angeforderten Überweisungen auf Konten der Gesellschaften der Unternehmensgruppe vornehmen. Nach dem 7. Juni 2005 zog er sich aus dem Tagesgeschäft zurück und kündigte seinen Arbeitsvertrag, worauf eine neue Niederlassungsleiterin eingesetzt wurde. Seine Bestellung zum Prokuristen blieb indes im Handelsregister eingetragen; auch behielt er die Zeichnungsberechtigung für das Bundesbankkonto.
22
Die Verurteilung wegen Untreue in 68 Fällen sowie Beihilfe zur Untreue in 43 rechtlich zusammentreffenden Fällen hat im Ergebnis Bestand. Insoweit trägt zwar die Begründung, der Angeklagte D. habe als Prokurist eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt, die Verurteilung nicht, weil sich aus der Stellung als Prokurist allein die Übertragung einer Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB gegenüber den Kunden nicht ergibt. Ist die Treuepflicht einem Unternehmen übertragen worden, so kann ein Angestellter neben dem Unternehmensinhaber oder - bei juristischen Personen - deren gesetzlichen Vertreter jedoch dann Träger der qualifizierten Vermögensbetreuungspflicht sein, wenn ihm die diese Pflicht begründenden Tätigkeiten übertragen werden und er aufgrund der ihm eingeräumten Befugnisse bei der Erfüllung dieser Aufgaben hin- reichend selbständig agieren kann (BGH NJW 1983, 1807; BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 31). Dazu muss ihm auch die Möglichkeit eingeräumt sein, über das der Firma anvertraute Treugut selbständig zu verfügen (BGHSt 13, 330, 332). Dass der Angeklagte D. diese Voraussetzungen erfüllte, ist den Feststellungen des Urteils zu entnehmen: Er leitete die Niederlassung der N. mit dem höchsten Bargeldaufkommen und war für die Erfüllung der die Treuepflicht maßgeblich begründenden Vertragspflichten verantwortlich. Er war dabei gegenüber den Angeklagten W. und We. auch hinreichend eigenständig und konnte aufgrund seiner Einzelzeichnungsberechtigung von sich aus über die der N. anvertrauten Kundengelder verfügen.
23
2. Soweit die Strafkammer das Verhalten des Angeklagten D. bei der geschilderten "Umverteilung" als Beihilfe zur Untreue gewertet hat, begegnet der Schuldspruch keinen Bedenken. Der Strafausspruch war jedoch aufzuheben. Denn die Strafkammer hat nicht bedacht, dass der Angeklagte D. ,nachdem er seinen Arbeitsvertrag gekündigt hatte und nicht mehr als Niederlassungsleiter tätig war, die Vermögensinteressen der Kunden nicht mehr wahrzunehmen hatte und ihn deshalb eine durch Rechtsgeschäft begründete Treuepflicht nicht mehr traf. Damit fehlte dem Angeklagten ein die Strafbarkeit begründendes persönliches Merkmal, so dass die Strafe nicht nur nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB, sondern auch nach § 28 Abs. 1 StGB zu mildern war. Die Einzelstrafe für diesen Fall muss daher neu zugemessen werden.
24
3. Soweit die Kammer den Angeklagten D. wegen der von ihm nach dem 7. Juni 2005 in der Niederlassung in V. entnommenen Bargeldbeträge (Fälle 271-281 der Anklageschrift) wegen Untreue verurteilt hat, hat der Schuldspruch keinen Bestand. Aufgrund der Kündigung endete auch die durch den Arbeitsvertrag begründete Treuepflicht des Angeklagten D. gegenüber der N. . Der Umstand, dass die Bestellung zum Prokuristen im Handelsregister und seine Zeichnungsberechtigung für das Bundesbankkonto nicht gelöscht wurden, steht dem ebenso wenig entgegen, wie seine nach wie vor bestehende faktische Möglichkeit, von Mitarbeitern große Bargeldbeträge ausgehändigt zu bekommen. Denn über diese tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten hinaus hat die Kammer keine Feststellungen zu einer vertraglichen Verpflichtung des Angeklagten D. getroffen. Die rein tatsächliche Möglichkeit, auf fremdes Vermögen zuzugreifen, reicht zur Begründung einer Treuepflicht indes nicht aus (Fischer aaO § 266 Rdn. 28).
25
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung hierzu weitere Feststellungen getroffen werden können, und ändert den Schuldspruch in den Fällen, in denen der Angeklagte D. ohne Wissen des Angeklagten We. nur für sich Bargeld entnahm und sich so rechtswidrig zueignete (Fälle 271-278, 280-281 der Anklageschrift), dahin, dass der Angeklagte der Unterschlagung gemäß § 246 StGB schuldig ist. Im Fall 279 der Anklageschrift entnahm der Angeklagte D. auf die Aufforderung des Angeklagten We. ,ihm zur finanziellen Absicherung seiner Familie 500.000 € aus Kundengeldern auszuhändigen, insgesamt 750.000 €, gab davon 400.000 € an den Angeklagten We. weiter und behielt - womit der Angeklagte We. rechnete - 350.000 € für sich. Dieses Verhalten ist mangels einer vertraglichen Treuepflicht des Angeklagten D. lediglich als Beihilfe zur Untreue des Angeklagten We. und - hinsichtlich des Betrages, den der Angeklagte D. sich selbst zueignete - als Unterschlagung zu werten. Auch insoweit stellt der Senat den Schuldspruch entsprechend um.
26
Die Änderung des Schuldspruchs in diesen Fällen führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen. Der Wegfall mehrerer Einzelstrafen hat zur Folge, dass auch die gegen den Angeklagten D. verhängte Gesamtstrafe keinen Bestand haben kann. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch können jedoch insgesamt bestehen bleiben. Ergänzende weitere Feststellungen darf der neue Tatrichter nur treffen, soweit sie nicht in Widerspruch hierzu stehen.

IV.


27
Auch die Revision des Angeklagten K. hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
28
1. Der Angeklagte K. , der die Verantwortung für die Geldtransporte und die Logistik aller H. -Gesellschaften hatte und dazu eigenständig Fahrzeuge leasen oder kaufen, Standorte für Niederlassungen festlegen und diesbezügliche Mietverträge abschließen konnte, unterstützte das Schneeballsystem , indem er u. a. dafür Sorge trug, dass die bei Kunden abgeholten Beträge so schnell wie möglich auf die Bundesbankkonten eingezahlt werden konnten, weil es nur so möglich war, die vermehrt auftretenden Fehlbeträge zu kompensieren. Außerdem half er ab 2004/2005 dabei, Geldanforderungen aus der Ham. er Zentrale der N. gegenüber Mitarbeitern von anderen Niederlassungen durchzusetzen. In der Zeit vom 14. Juni bis Ende Juli 2001 war der Angeklagte K. nicht für H. -Gruppe tätig.
29
Diese Feststellungen belegen nicht die Pflicht des Angeklagten K. , die Vermögensinteressen der Kunden der H. -Gesellschaften zu wahren. Er war mit den die qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht begründenden Geschäftsbereichen der Geldbearbeitung und der Bankdienstleistungen nicht betraut und hatte keinerlei Möglichkeit, über die Kundengelder zu verfügen. Dass seine Tätigkeit - wie die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt hat - für die Aufrechterhaltung des Schneeballsystems von großer Bedeutung war, führt zu keiner anderen Bewertung. Auch durch die - rechtlich ohnehin nicht nachvollziehbare - Wendung, der Angeklagte K. sei der "faktische Prokurist fast aller H. - Gesellschaften" gewesen, wird eine Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nicht belegt.
30
Soweit die Kammer ihn ab Erlangung einer sicheren Kenntnis von den Fehlbeträgen der H. -Unternehmensgruppe als Täter einer Untreue in 21 rechtlich zusammentreffenden Fällen angesehen hat, konnte der Schuldspruch folglich nicht bestehen bleiben; vielmehr lag lediglich Beihilfe zur Untreue der Angeklagten W. und We. vor. Diese Beihilfehandlungen bilden mit der von der Kammer ausgeurteilten Beihilfe zur Untreue für die Zeit ab der Rückkehr des Angeklagten K. im August 2001 nur eine Tat, so dass im Tatkomplex A.III.1. der Urteilsgründe lediglich zwei Fälle der Beihilfe zur Untreue vorlagen. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Dies führt zur Aufhebung sämtlicher insoweit ausgesprochener Einzelstrafen. Zwar hat das Landgericht den Angeklagten K. im ersten Teil dieses Tatkomplexes zutreffend nur wegen Beihilfe zur Untreue verurteilt. Es hat jedoch dabei die zwingende Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB nicht berücksichtigt.
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2. Auch im Fall A.III.2. der Urteilsgründe war der Schuldspruch wegen der fehlenden Treuepflicht des Angeklagten K. auf Beihilfe zur Untreue zu ändern und die verhängte Einzelstrafe aufzuheben. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass aufgrund des rechtsfehlerfrei festgestellten Tatbeitrags des Angeklagten K. allein die fehlende Treuepflicht zur Verurteilung wegen Beihilfe zur Untreue führt, so dass ihm die Milderung nach 28 Abs. 1, § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB nur einmal zu Gute kommt (BGHSt 26, 53).
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3. Im Fall A.III.5. der Urteilsgründe hat die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Untreue hingegen Bestand. Die Strafkammer hat hierzu festgestellt , dass er Mitte 2005 Geld für ein Immobiliengeschäft benötigte und deshalb an den Ausstatter für die Geldtransporter der H. -Unternehmensgruppe herantrat , der wegen der für ihn lukrativen Geschäftsbeziehung bereits seit Jahren für seine jeweiligen Jahresumsätze eine Rückvergütungsprovision an die H. Transport GmbH Ha. zahlte. Der Angeklagte K. forderte ihn auf, die bereits angefallenen, aber erst zum Jahresende fälligen Provisionen unmittelbar an ihn zu zahlen, was dieser in Höhe von 36.000 € auch tat. Der Angeklagte K. verwendete den Betrag wie geplant für sich.
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Zwar vermag auch hier die Begründung der Strafkammer, der Angeklagte K. habe als "faktischer Prokurist" eine vertragliche Vermögensbetreuungspflicht gehabt, die Treuepflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB nicht zu belegen. Aus den Feststellungen ergibt sich indes, dass der Angeklagte bei der Beschaffung von Fahrzeugen selbständig schalten und walten, insbesondere eigenständig Verträge abschließen konnte, so dass für diesen Bereich seine Verpflichtung, die Vermögensinteressen der H. Transport GmbH zu wahren, zu bejahen ist. Diese verletzte er, indem er den seiner Arbeitgeberin zustehenden Anspruch in Höhe der 36.000 € einzog. Denn dadurch wurde der (zukünftige ) Provisionsanspruch der H. Transport GmbH in dieser Höhe zumindest gefährdet, weil der Ausstatter nach den Feststellungen des Urteils zum Fälligkeitszeitpunkt nur noch den verbleibenden Restbetrag abzüglich der an den Angeklagten K. geleisteten Zahlung an die H. Transport GmbH auskehren wollte.
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Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen A.III.1. und A.III.2. der Urteilsgründe und die Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen führt auch beim Angeklagten K. zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum Strafausspruch haben dagegen Bestand; weitere, dazu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann der neue Tatrichter auch hier treffen.

V.


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Soweit der Senat Schuldsprüche geändert hat, steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht anders hätten verteidigen können, bzw. dem Angeklagten We. im Fall A.III.2. der Urteilsgründe bereits mit der Anklageschrift der Vorwurf der täterschaftlich begangenen Untreue gemacht worden war. Die Verschärfung des Schuldspruchs in diesem Fall scheitert auch nicht an § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO (Kuckein in KK 5. Aufl. § 358 Rdn. 18 m. w. N.).
Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

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cc) Rechtlich nicht zu beanstanden sind ferner die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass die Nichtigkeit der notariell beurkundeten Vollmacht und des Treuhandvertrages die in dem Zeichnungsschein enthaltene Vollmacht nicht gemäß § 139 BGB erfasst. Der für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäftes im Sinne dieser Vorschrift erforderliche Einheitlichkeitswille liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, die möglicherweise äußerlich getrennten Rechts- geschäfte also miteinander stehen und fallen sollen (BGHZ 50, 8, 13; BGH, Urteil vom 9. Februar 1990 - V ZR 274/88, NJW 1990, 1473, 1474, insoweit in BGHZ 110, 230, 232 nicht abgedruckt; Palandt/Heinrichs, BGB 65. Aufl. § 139 Rdn. 5 m.w.Nachw.; PWW/Ahrens, BGB § 139 Rdn. 9 m.w.Nachw.). Dabei kommt es auf den rechtlichen Zusammenhang , nicht auf eine wirtschaftliche Verknüpfung an (BGHZ 76, 43, 49 sowie BGH, Urteil vom 9. Februar 1990 - V ZR 274/88, aaO). Ob es sich insoweit aufgrund eines Einheitlichkeitswillens der Vertragsparteien um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, ist Tatfrage und durch Ermittlung und Auslegung des Parteiwillens festzustellen (vgl. BGHZ 76, 43, 49; 78, 346, 349 sowie Urteil vom 8. Mai 2006 - II ZR 123/05, WM 2006, 1154, 1155 m.w.Nachw.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht eine rechtliche Einheit der im Zeichnungsschein enthaltenen und der später erteilten, notariell beglaubigten Vollmacht rechtsfehlerfrei verneint.