Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2008 - IV ZB 28/07

bei uns veröffentlicht am01.10.2008
vorgehend
Oberlandesgericht Karlsruhe, 12 Sch 1/07, 06.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 28/07
vom
1. Oktober 2008
in dem Verfahren
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
am 1. Oktober 2008

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 6. Dezember 2007 wird auf Kosten des Antragstellers verworfen.
Beschwerdewert: 6.448 €

Gründe:


1
Der I. Antragsteller begehrt die teilweise Aufhebung eines Schiedsspruchs des Oberschiedsgerichts der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL).
2
1930 Der geborene Antragsteller war bei der VBL, der Antragsgegnerin , vom 8. April 1953 bis zum 31. Dezember 1989 pflichtversichert. Er bezieht seit 1. Juli 1990 neben einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von der VBL eine Versorgungsrente. Diese wurde in der Folgezeit laufend angepasst, nach der Reform des Zusatzversorgungssystems ab dem Jahre 2002 gemäß § 75 Abs. 2 der Satzung der Antragsgegnerin (VBLS) als Besitzstandsrente weitergezahlt und vom 1. Juli 2002 an jeweils zum 1. Juli eines Jahres gemäß § 39 VBLS um 1 vom Hundert erhöht.
3
GegendieAnpassungsmitteilung vom 23. März 2001 sowie weitere Mitteilungen zur Rentenhöhe in den folgenden Jahren erhob der Antragsteller Klage zum Schiedsgericht der VBL. Er beanstandete die Berechnung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts in einigen Punkten und erstrebte die Feststellung, dass der Anteil der gesetzlichen Rente, der auf seine Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes im Zeitraum vom 1. Oktober 1945 bis 31. März 1953 entfällt, ab dem 1. Juli 2000 nicht auf die Gesamtversorgung anzurechnen sei (ab 1. Juli 2000 368,31 DM, ab 1. Juli 2001 375,36 DM monatlich).
4
Die Klage und die Berufung des Antragstellers hatten im Schiedsgerichtsverfahren keinen Erfolg.
5
Beim Oberlandesgericht hat der Antragsteller beantragt, den Schiedsspruch des Oberschiedsgerichts der VBL vom 2. April 2007 teilweise aufzuheben, soweit über die Berücksichtigung der Vordienstzeiten entschieden wurde. Die Entscheidung des Oberschiedsgerichts verstoße gegen die öffentliche Ordnung i.S. von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO. Aus der Halbanrechnungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341) ergebe sich, dass Vordienstzeiten spätestens seit der Umstellung der Zusatzversorgung von dem an der Beamtenversorgung ausgerichteten Gesamtversorgungssystem auf ein Betriebsrentensystem nicht mehr anzurechnen seien. Er sei deshalb so zu behandeln, als habe er nur im öffentlichen Dienst gearbeitet. Deshalb verstoße die weitere Anrechnung der auf die Vordienstzeiten entfallenden Rente gegen Artt. 3 Abs. 1, 14 GG. Dieser Eingriff sei besonders schwerwiegend, weil er - der Antragsteller - nach der bei Rentenbeginn maßgeblichen Fassung der Satzung den höchstmöglichen Versorgungssatz bereits nach 420 Umlagemonaten erreicht hatte und damit schon die weiteren 27 Umlagemonate und erst recht die Vordienstzeiten zu keiner Erhöhung der Gesamtversorgung geführt haben und auch in Zukunft nicht führen werden. Wegen fehlender Relevanz der Vordienstzeiten für die Höhe des Versorgungssatzes dürfe der darauf entfallende Teil der gesetzlichen Rente zu keiner Minderung der Versorgungsrente führen.
6
Oberlandesgericht Das hat den Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der Rechtsbeschwerde.
7
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 1065 Abs. 1 Satz 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4, 575 Abs. 1, 2 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind (1.) und sie im Übrigen nicht den Streitgegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens betrifft (2.).
8
1. Der Antragsteller macht mit der Beschwerde weiterhin geltend, die Anrechnung des auf die Vordienstzeiten entfallenden Teils der gesetzlichen Rente komme einer Enteignung gleich und benachteilige ihn gegenüber Versicherten, die ebenfalls 420 Umlagemonate erreicht, zuvor aber nicht durch eine Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes auf die Gesamtversorgung anzurechnende Rentenansprüche erworben haben.

9
Diese vom Antragsteller gerügte Anrechnung der vollen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf die mit der Zusatzversorgung der Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes bezweckte beamtenähnliche Gesamtversorgung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung schon seit langem als verfassungsgemäß gebilligt (Senatsurteile vom 29. September 1993 - IV ZR 275/92 - VersR 1993, 1505 und vom 16. Oktober 1985 - IVa ZR 154/83 - VersR 1986, 142, jeweils m.w.N.; BAG VersR 1999, 1520). Die beiden Senatsurteile betreffen ebenfalls Fälle, in denen sich die Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht auf die Höhe des Gesamtversorgungssatzes ausgewirkt hatte, weil sie als Nebentätigkeit während bei der Beklagten pflichtversicherter Tätigkeit im öffentlichen Dienst ausgeübt wurde. Die gesetzlichen Renten bleiben unangetastet. Die versprochene Zusatzversorgung deckte von vornherein nur die Versorgungslücken, die die gesetzliche Rente offen lässt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Halbanrechnungsentscheidung (aaO) die Anrechnung der vollen Sozialversicherungsrente als solche ebenfalls nicht beanstandet, sondern nur die demgegenüber bloß hälftige Anrechnung der Vordienstzeiten auf die gesamtversorgungsfähige Zeit. Zur beamtenähnlichen Soldatenversorgung hat das Bundesverfassungsgericht (NVwZ 1982, 553 f.) ausdrücklich entschieden , dass die Anrechnung gesetzlicher Renten auch dann mit Artt. 3 Abs. 1, 14 GG vereinbar ist, wenn der Höchstsatz des Ruhegehalts schon allein aufgrund der Dienstzeit als Berufssoldat erreicht ist und dies selbst dann gilt, wenn eine über das Ende der Ruhegehaltsskala hinausgehende ruhegehaltsfähige Dienstzeit nicht zu einer Erhöhung der Höchstgrenze der Gesamtversorgung führt. Mit der von der Beschwerde angesprochenen Halbanrechnungsproblematik, den Startgutschriften und der Zulässigkeit der Umstellung des Versorgungssystems hat dies nichts zu tun (vgl. zur Systemumstellung BGHZ 174, 127 und BVerfG, Beschluss vom 18. April 2008 - 1 BvR 759/05 - ZTR 2008, 374). Eine rechtlich erhebliche Benachteiligung gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der neuen Satzung berechnen wird, ist ersichtlich nicht gegeben (vgl. Senatsurteil vom 26. November 2003 - IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 unter 2 e).
10
2. Die Beschwerde macht weiter geltend, die Umstellung der Dynamisierung der Versorgungsrente vom Maßstab des § 56 VBLS a.F. auf die jährliche Erhöhung um 1% nach §§ 75 Abs. 2, 39 VBLS verstoße gegen Artt. 3 Abs. 1, 14 GG und Art. 20 Abs. 3 GG (Vertrauensschutz und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Insoweit ist die Beschwerde deshalb unzulässig, weil ein Anspruch des Antragstellers auf Anpassung der Versorgungsrente nach § 56 VBLS a.F. auch für die Zeit ab dem 1. Juli 2000 nicht Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens und damit auch nicht des Aufhebungsverfahrens war. Ob der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO vorliegt, ist zwar von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ 142, 204, 206; zur vergleichbaren früheren Regelung BGH, Urteil vom 31. Mai 1972 - KZR 43/71 - NJW 1972, 2180 unter II). Das ist je- doch nur im Umfang der Entscheidung des Schiedsgerichts zulässig. Ein Anspruch, der nicht Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens war, kann nicht Gegenstand eines Aufhebungsantrags sein.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanz:
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.12.2007 - 12 Sch 1/07 -

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1059 Aufhebungsantrag


(1) Gegen einen Schiedsspruch kann nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach den Absätzen 2 und 3 gestellt werden. (2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden,1.wenn der Antragsteller begründet geltend macht, dassa)eine der Parteien, di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1065 Rechtsmittel


(1) Gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 genannten Entscheidungen findet die Rechtsbeschwerde statt. Im Übrigen sind die Entscheidungen in den in § 1062 Abs. 1 bezeichneten Verfahren unanfechtbar. (2) Die Rechtsbeschwerde kann auch darauf gestü

Referenzen

(1) Gegen die in § 1062 Abs. 1 Nr. 2 und 4 genannten Entscheidungen findet die Rechtsbeschwerde statt. Im Übrigen sind die Entscheidungen in den in § 1062 Abs. 1 bezeichneten Verfahren unanfechtbar.

(2) Die Rechtsbeschwerde kann auch darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung eines Staatsvertrages beruht. Die §§ 707, 717 sind entsprechend anzuwenden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Gegen einen Schiedsspruch kann nur der Antrag auf gerichtliche Aufhebung nach den Absätzen 2 und 3 gestellt werden.

(2) Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden,

1.
wenn der Antragsteller begründet geltend macht, dass
a)
eine der Parteien, die eine Schiedsvereinbarung nach den §§ 1029, 1031 geschlossen haben, nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, hierzu nicht fähig war, oder dass die Schiedsvereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach deutschem Recht ungültig ist oder
b)
er von der Bestellung eines Schiedsrichters oder von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden ist oder dass er aus einem anderen Grund seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können oder
c)
der Schiedsspruch eine Streitigkeit betrifft, die in der Schiedsabrede nicht erwähnt ist oder nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel fällt, oder dass er Entscheidungen enthält, welche die Grenzen der Schiedsvereinbarung überschreiten; kann jedoch der Teil des Schiedsspruchs, der sich auf Streitpunkte bezieht, die dem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen waren, von dem Teil, der Streitpunkte betrifft, die ihm nicht unterworfen waren, getrennt werden, so kann nur der letztgenannte Teil des Schiedsspruchs aufgehoben werden; oder
d)
die Bildung des Schiedsgerichts oder das schiedsrichterliche Verfahren einer Bestimmung dieses Buches oder einer zulässigen Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat und anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat; oder
2.
wenn das Gericht feststellt, dass
a)
der Gegenstand des Streites nach deutschem Recht nicht schiedsfähig ist oder
b)
die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.

(3) Sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, muss der Aufhebungsantrag innerhalb einer Frist von drei Monaten bei Gericht eingereicht werden. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Antragsteller den Schiedsspruch empfangen hat. Ist ein Antrag nach § 1058 gestellt worden, verlängert sich die Frist um höchstens einen Monat nach Empfang der Entscheidung über diesen Antrag. Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs kann nicht mehr gestellt werden, wenn der Schiedsspruch von einem deutschen Gericht für vollstreckbar erklärt worden ist.

(4) Ist die Aufhebung beantragt worden, so kann das Gericht in geeigneten Fällen auf Antrag einer Partei unter Aufhebung des Schiedsspruchs die Sache an das Schiedsgericht zurückverweisen.

(5) Die Aufhebung des Schiedsspruchs hat im Zweifel zur Folge, dass wegen des Streitgegenstandes die Schiedsvereinbarung wiederauflebt.