Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2010 - II ZR 142/09

bei uns veröffentlicht am14.06.2010
vorgehend
Landgericht Aachen, 1 O 419/07, 27.03.2008
Oberlandesgericht Köln, 18 U 80/08, 14.05.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 142/09
vom
14. Juni 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Geht das Berufungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung auf einen Vortrag
einer Partei nicht ein, der für die Beurteilung einer nach seiner eigenen Rechtsauffassung
entscheidungserheblichen Frage von zentraler Bedeutung ist, rechtfertigt
dies den Schluss, dass es den Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hat.
BGH, Beschluss vom 14. Juni 2010 - II ZR 142/09 - OLG Köln
LG Aachen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Juni 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Caliebe, Dr. Reichart,
Dr. Drescher und Dr. Löffler

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. Mai 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Streitwert: 29.450,40 €

Gründe:

1
Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat mit der Abweisung des - in der Berufungsinstanz noch - auf Zahlung der Ausschüttungen aus der übernommenen Garantie gerichteten Klageantrags den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2
1. Das Berufungsgericht hat eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Vorzugsausschüttungen verneint, weil sie einen selbständigen Garantievertrag voraussetze, den Prospektangaben jedoch nicht entnommen werden könne, dass die Beklagte zusätzlich zu der übernommenen Platzierungsgarantie gegenüber den an der Kapitalerhöhung beteiligten Anlegern eine weitere Garantie für die Mindestvorzugsausschüttungen habe übernehmen wollen. Mit seiner Annahme, die Beklagte habe nicht für die Zahlung der versprochenen Ausschüttungen einstehen wollen, hat es unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zentralen Vortrag des Klägers übergangen.
3
a) Der Kläger hat sich für seine Behauptung, die Beklagte habe gegenüber den Anlegern für die Vorzugsausschüttungen eine Garantie übernommen, nicht nur auf die - vom Berufungsgericht isoliert gewürdigten - Prospektangaben bezogen. Er hat außerdem vorgetragen, dass die Beklagte in dem mit der F. -Baubetreuung Immobilien-Anlagen Nr. 27 KG (künftig: KG) vereinbarten "Nachtrag zu Vertriebsauftrag und Platzierungsverpflichtung zur Kapitalerhöhung" vom 4. Juli 1997 (Anlage K 8) die bevorrechtigten Ausschüttungen der Teilnehmer an der Kapitalerhöhung garantiert habe, indem sie sich verpflichtet habe, die (Differenz-)Beträge auf erstes Anfordern zu zahlen, wenn die Liquidität der KG zum Fälligkeitszeitpunkt eine Auszahlung nicht gestattete. Dies legt jedenfalls nahe, dass die Beklagte - anders als das Berufungsgericht den Prospekt verstanden hat - außer der Platzierung auch die Ausschüttungen garantieren wollte, da es andernfalls der Nachtragsvereinbarung nicht bedurft hätte.
4
b) Zur Begründung seines Anspruchs auf Zahlung der garantierten Ausschüttungen hat der Kläger ferner vorgebracht, die Beklagte habe in einem Schreiben vom 10. Juli 1997 (Anlage K 4), in dem sie für die Beteiligung an der Kapitalerhöhung geworben habe, erklärt, dass die Vorzugsausschüttung von 6 % p.a. im Rahmen der von ihr übernommenen Platzierungsgarantie sichergestellt sei; auch in dem auf Seite 2 dieses Schreibens dargestellten Rechenbeispiel werde von einer "garantierten Ausschüttung über 10 Jahre" ausgegangen.
Desgleichen habe die Beklagte in einem weiteren Schreiben vom Juli 1999 (Anlage K 7) eine "garantierte Ausschüttung von 6 % p.a. bis 2007" bestätigt.
5
c) Mit diesem - von der Nichtzulassungsbeschwerde als übergangen gerügten - Vortrag des Klägers und den hierzu vorgelegten Urkunden hat sich das Berufungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Beklagte außer der Platzierungsgarantie auch eine Garantie für die Vorzugsausschüttungen übernommen hat, in keiner Weise auseinandergesetzt und ihn nicht in seine Würdigung einbezogen , obwohl sich dies angesichts seiner zentralen Bedeutung für das Verfahren aufdrängen musste. Darin zeigt sich, dass es diesen Vortrag des Klägers unter Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zur Kenntnis genommen haben kann.
6
d) Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht, hätte es den übergangenen Vortrag berücksichtigt, zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass die Beklagte eine Garantie für die Vorzugsausschüttungen übernommen hat.
7
Abgesehen von dem vom Berufungsgericht - unter Außerachtlassung entscheidungserblichen Vortrags des Klägers - gewürdigten Prospekt kann sich ein eigener Anspruch des Klägers im Übrigen auch aus dem - als Anlage K 8 vorgelegten - "Nachtrag zu Vertriebsauftrag und Platzierungsverpflichtung zur Kapitalerhöhung" zwischen der KG und der Beklagten ergeben, wenn es sich hierbei - was durch Auslegung der konkreten Vereinbarung festzustellen sein wird - um einen Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB) handelt.
8
2. Für das wieder eröffnete Berufungsverfahren, in dem das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen und gegebenenfalls auch den weiteren Einwendungen der Beklagten gegen den geltend gemachten Anspruch nachzugehen haben wird, weist der Senat auf Folgendes hin:
9
Die Erwägung des Berufungsgerichts, bei unvoreingenommener Lektüre des Prospektes sei klar gewesen, dass die Beklagte nicht zusätzlich zu der Platzierungsgarantie von 30 Millionen DM auch noch eine Garantie für die Vorzugsausschüttungen mit einem (weiteren) Risiko von 18 Millionen DM habe übernehmen wollen, ist - wie Beschwerde zu Recht beanstandet - denkfehlerhaft. Denn eine Inanspruchnahme der Beklagten aus der Platzierungsgarantie kommt nur in Betracht, soweit das erforderliche Kapital nicht durch Anleger aufgebracht wird. In diesem Umfang ist jedoch die Garantie für die Ausschüttungen gegenstandslos, weil keine Vorzugsausschüttungen anfallen, für die die Beklagte möglicherweise zusätzlich einstehen müsste.
Goette Caliebe Reichart Drescher Löffler
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 27.03.2008 - 1 O 419/07 -
OLG Köln, Entscheidung vom 14.05.2009 - 18 U 80/08 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2010 - II ZR 142/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2010 - II ZR 142/09

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2010 - II ZR 142/09 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 328 Vertrag zugunsten Dritter


(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern. (2) In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere aus

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2010 - II ZR 142/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2010 - II ZR 142/09.

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Dez. 2014 - IV ZR 31/14

bei uns veröffentlicht am 10.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IVZR 31/14 vom 10. Dezember 2014 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller am 10.

Referenzen

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Durch Vertrag kann eine Leistung an einen Dritten mit der Wirkung bedungen werden, dass der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern.

(2) In Ermangelung einer besonderen Bestimmung ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrags, zu entnehmen, ob der Dritte das Recht erwerben, ob das Recht des Dritten sofort oder nur unter gewissen Voraussetzungen entstehen und ob den Vertragschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.