Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2008 - II ZB 30/07

bei uns veröffentlicht am12.03.2008
vorgehend
Landgericht München I, 34 O 14261/06, 19.06.2007
Oberlandesgericht München, W (KAP) 19/07, 24.08.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 30/07
vom
12. März 2008
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 12. März 2008 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer, Dr. Strohn,
Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München vom 24. August 2007 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 11. Oktober 2007 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen. 2. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.822,32 € festgesetzt.

Gründe:

1
I. Die Kläger machen gegen die Beklagte zu 1 - eine börsennotierte Aktiengesellschaft - und die Beklagten zu 2 und 3 - ehemalige Mitglieder des Vorstands der Beklagten zu 1 - Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Adhoc -Mitteilungen geltend. Im ersten Rechtszug haben sie mit Schriftsätzen vom 23. September 2006 und 18. Dezember 2006 zwei Musterfeststellungsanträge i.S. des § 1 KapMuG gestellt. Das Landgericht hat diese Anträge durch Beschluss zurückgewiesen. Die Klage hat es durch Urteil vom selben Tage abgewiesen. Die Kläger haben gegen den Beschluss sofortige Beschwerde und gegen das Urteil Berufung eingelegt. Mit der Beschwerde haben sie beantragt, den Beschluss des Landgerichts aufzuheben und festzustellen, dass die Musterfeststellungsanträge zulässig sind. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger.
2
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und rechtzeitig, nämlich innerhalb der einmonatigen Frist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO, eingelegt worden. Dass in der Rechtsbeschwerdeschrift vom 20. September 2007 als Rechtsbeschwerdeführerin eine Frau S. T. genannt ist und erst am 14. November 2007 eine Rechtsbeschwerde- und -begründungsschrift für M. und D. K. eingereicht worden ist, steht nicht entgegen. Denn auch in dem Beschluss des Beschwerdegerichts vom 24. August 2007 ist als Beschwerdeführerin Frau T. aufgeführt, und dieser Beschuss ist erst mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 hinsichtlich der Personen der Beschwerdeführer berichtigt worden. Danach kommt es nicht darauf an, dass durch die Zustellung eines Berichtigungsbeschlusses grundsätzlich keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt wird (BGHZ 89, 184; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 319 Rdn. 25, zur Ausnahme bei Parteiverwechslung aber BGHZ 17, 149). In entsprechender Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung (Zöller/Gummer/Heßler aaO Vor § 511 Rdn. 30) hat eine Rechtsmittelschrift, die den in dem angefochtenen Beschluss genannten Namen verwendet, jedenfalls dieselben Wirkungen wie eine unter der richtigen Parteibezeichnung erstellte Rechtsmittelschrift. Die Rechtsbeschwerde ist auch rechtzeitig begründet worden, da die Begründungsfrist mit Verfügung vom 25. September 2007 gemäß § 575 Abs. 2, § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO bis zum 3. Dezember 2007 verlängert worden ist.
3
III. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
4
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen , ein Musterfeststellungsverfahren könne nur im ersten Rechtszug in Gang gesetzt werden, dieser sei aber durch das Urteil des Landgerichts beendet. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
5
Wie der Senat zwischenzeitlich mit Beschluss vom 3. Dezember 2007 (II ZB 15/07, ZIP 2008, 137, Tz. 7 ff.) entschieden hat, ist ein Musterfeststellungsantrag u.a. dann zurückzuweisen, wenn der Rechtsstreit nach Einlegung der Berufung nicht mehr in der ersten Instanz anhängig ist.
6
Ein Musterfeststellungsantrag kann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur im ersten Rechtszug gestellt werden. Er soll in einem möglichst frühen Stadium des Prozesses dazu führen, dass eine verallgemeinerungsfähige Tatsachen - oder Rechtsfrage i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG mit Bindungswirkung auch für andere, gleichartige Verfahren geklärt wird. Der Antrag ist nach Wortlaut und Systematik der Norm unzulässig, wenn er erst in der Berufungsinstanz gestellt wird. Nach § 4 KapMuG muss nämlich auf einen zulässigen Musterfeststellungsantrag hin die Sache, sofern mindestens neun weitere Anträge fristgerecht gestellt worden sind, dem zuständigen Oberlandesgericht mit bindendem Beschluss vorgelegt werden. Das setzt ein noch anhängiges erstinstanzliches Verfahren voraus.
7
Hier haben die Kläger zwar die Musterfeststellungsanträge im ersten Rechtszug gestellt. Über diese Anträge kann aber nicht mehr in jenem Rechtszug entschieden werden, nachdem der Rechtsstreit mittlerweile durch Einlegung der Berufung in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden ist. Auch eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren kommt bei dieser Prozesslage nicht in Betracht. Denn auch dafür gilt der Grundsatz, dass nach dem Ende der Anhängigkeit des Rechtsstreits in erster Instanz ein Musterverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart

Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 19.06.2007 - 34 O 14261/06 -
OLG München, Entscheidung vom 24.08.2007 - W (KAP) 19/07 -

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(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen. (2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründun

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Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Dez. 2007 - II ZB 15/07

bei uns veröffentlicht am 03.12.2007

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(1) Dieses Gesetz ist anwendbar in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen

1.
ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation,
2.
ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, oder
3.
ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, einschließlich eines Anspruchs nach § 39 Absatz 3 Satz 3 und 4 des Börsengesetzes, beruht,
geltend gemacht wird.

(2) Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Dies sind insbesondere Angaben in

1.
Prospekten nach der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 168 vom 30.6.2017, S. 12), Wertpapier-Informationsblättern nach dem Wertpapierprospektgesetz und Informationsblättern nach dem Wertpapierhandelsgesetz,
2.
Verkaufsprospekten, Vermögensanlagen-Informationsblättern und wesentlichen Anlegerinformationen nach dem Verkaufsprospektgesetz, dem Vermögensanlagengesetz, dem Investmentgesetz in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung sowie dem Kapitalanlagegesetzbuch,
3.
Mitteilungen über Insiderinformationen im Sinne des Artikels 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung und des § 26 des Wertpapierhandelsgesetzes,
4.
Darstellungen, Übersichten, Vorträgen und Auskünften in der Hauptversammlung über die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Sinne des § 400 Absatz 1 Nummer 1 des Aktiengesetzes,
5.
Jahresabschlüssen, Lageberichten, Konzernabschlüssen, Konzernlageberichten sowie Halbjahresfinanzberichten des Emittenten und in
6.
Angebotsunterlagen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Der Revisionskläger muss die Revision begründen.

(2) Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Revisionsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt zwei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. § 544 Absatz 8 Satz 3 bleibt unberührt. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu zwei Monate verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Revisionskläger erhebliche Gründe darlegt; kann dem Revisionskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Revisionsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar:
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
Ist die Revision auf Grund einer Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen worden, kann zur Begründung der Revision auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen werden.

(4) § 549 Abs. 2 und § 550 Abs. 2 sind auf die Revisionsbegründung entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZB 15/07
vom
3. Dezember 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Ein Musterfeststellungsantrag ist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Satz 2
KapMuG wegen Entscheidungsreife des Hauptsacheverfahrens zurückzuweisen,
wenn der Tatsachenstoff hinreichend geklärt ist und die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens
nicht von einer Rechtsfrage abhängt, die in dem Musterfeststellungsantrag
als Feststellungsziel genannt ist.

b) Ein im ersten Rechtszug gestellter Musterfeststellungsantrag wird unzulässig,
wenn das Hauptsacheverfahren nicht mehr im ersten Rechtszug anhängig ist.
BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2007 - II ZB 15/07 - OLG München
LG München
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Kraemer,
Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

beschlossen:
1. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des Oberlandesgerichts München vom 25. April 2007 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
2. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 5.638,80 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Kläger machen gegen die Beklagte zu 1 - eine börsennotierte Aktiengesellschaft - und die Beklagten zu 2 und 3 - ehemalige Mitglieder des Vorstands der Beklagten zu 1 - Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter ad hoc-Mitteilungen geltend. Im ersten Rechtszug haben sie drei Musterfeststellungsanträge i.S. des § 1 Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) gestellt. Das Landgericht hat diese Anträge durch Beschluss als unzulässig zurückgewiesen und die Klage durch Urteil vom selben Tage mit der Begründung abgewiesen, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass sie von den beanstandeten ad hoc-Mitteilungen vor den Kaufentscheidungen Kenntnis gehabt hätten. Die Kläger haben gegen den Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Das Urteil haben sie mit der Berufung angegriffen. Im Übrigen haben sie bean- tragt, das Beschwerdeverfahren bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens auszusetzen. Das Beschwerdegericht hat die Aussetzung abgelehnt und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger.
2
II. Die allgemeine, nicht auf § 15 KapMuG gestützte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt : Die Beschwerde sei unzulässig, weil ein Musterfeststellungsverfahren nur im ersten Rechtszug in Gang gesetzt werden könne, dieser aber durch das Urteil des Landgerichts beendet sei. Sollte das landgerichtliche Urteil auf die Berufung der Kläger aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden, bestehe die Möglichkeit, einen neuen Musterfeststellungsantrag zu stellen. Der Antrag auf Aussetzung des Beschwerdeverfahrens sei zurückzuweisen , da eine Aussetzung nach Verwerfung der Beschwerde nicht mehr in Betracht komme.
4
2. Diese Ausführungen sind im Ergebnis zutreffend.
5
a) Das Landgericht hat zu Recht eine Entscheidungsreife des Klageverfahrens i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KapMuG angenommen und dementsprechend die Musterfeststellungsanträge gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KapMuG als unzulässig zurückgewiesen. Entscheidungsreife in diesem Sinne besteht dann, wenn - vom Rechtsstandpunkt des erstinstanzlichen Gerichts aus - der Tatsachenstoff des Klageverfahrens hinreichend geklärt ist und die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von einer Rechtsfrage abhängt, die in dem Muster- feststellungsantrag als Feststellungsziel genannt ist. Ob diese Rechtsfrage - im Musterverfahren - klärungsbedürftig ist, hat das Gericht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 KapMuG gesondert zu prüfen (Vollkommer, NJW 2007, 3094, 3096; Vorwerk in Vorwerk/Wolf, KapMuG § 1 Rdn. 74 ff.).
6
Diese Voraussetzungen der Entscheidungsreife sind hier erfüllt. Das Landgericht hat die Klage durch das an demselben Tage verkündete Urteil mangels Ursächlichkeit der beanstandeten ad hoc-Mitteilungen abgewiesen. Die Frage der Ursächlichkeit war nicht als Feststellungsziel der Musterfeststellungsanträge genannt worden. Sie betraf ein individuelles, nicht verallgemeinerungsfähiges Tatbestandsmerkmal der Anspruchsnorm und hätte damit auch nicht Gegenstand eines Musterverfahrens sein können.
7
b) Unabhängig davon hat die Zurückweisung der Musterfeststellungsanträge im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren aber auch schon deshalb Bestand, weil der Rechtsstreit nach Einlegung der Berufung nicht mehr in der ersten Instanz anhängig ist.
8
Ein Musterfeststellungsantrag kann gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur im ersten Rechtszug gestellt werden. Er soll in einem möglichst frühen Stadium des Prozesses dazu führen, dass eine verallgemeinerungsfähige Tatsachen - oder Rechtsfrage i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG mit Bindungswirkung auch für andere, gleichartige Verfahren geklärt wird. Der Antrag ist nach Wortlaut und Systematik der Norm unzulässig, wenn er erst in der Berufungsinstanz gestellt wird. Nach § 4 KapMuG muss nämlich auf einen zulässigen Musterfeststellungsantrag hin die Sache, sofern mindestens neun weitere Anträge fristgerecht gestellt worden sind, dem zuständigen Oberlandesgericht mit bindendem Beschluss vorgelegt werden. Das setzt ein noch anhängiges erstin- stanzliches Verfahren voraus. Etwas anderes kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass gemäß § 7 KapMuG alle Verfahren, deren Entscheidung von dem Ergebnis des Musterverfahrens abhängt, nach der öffentlichen Bekanntmachung des Musterverfahrens auszusetzen sind und davon auch Verfahren betroffen werden, die bereits in der Berufungsinstanz anhängig sind (MaierReimer /Wilsing, ZGR 2006, 79, 96; Vorwerk aaO § 7 Rdn. 12).
9
Hier hatten die Kläger zwar ihre Musterfeststellungsanträge im ersten Rechtszug gestellt. Über diese Anträge kann aber nicht mehr in jenem Rechtszug entschieden werden, nachdem der Rechtsstreit mittlerweile durch Einlegung der Berufung in der Rechtsmittelinstanz anhängig geworden ist. Auch eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren kommt bei dieser Prozesslage nicht in Betracht (KG ZIP 2007, 1679). Denn auch dafür gilt der Grundsatz, dass nach dem Ende der Anhängigkeit des Rechtsstreits in erster Instanz ein Musterverfahren nicht mehr eingeleitet werden kann.
10
Im Ergebnis zu Unrecht wendet die Rechtsbeschwerde ein, dass es zu einer Verkürzung des Rechtsschutzes komme, wenn der Beschwerde gegen die Zurückweisung des Musterfeststellungsantrags allein deshalb der Erfolg versagt bleibe, weil das Landgericht zugleich über die Hauptsache entschieden habe. Diese Konsequenz ist im Gesetz angelegt. Sie führt in aller Regel zu sachgerechten Ergebnissen. So entspricht es dem Gebot der Prozessökonomie , in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Klage aus anderen als den in dem Musterfeststellungsantrag angegebenen rechtlichen Gesichtspunkten abgewiesen worden ist, eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache herbeizuführen. Erweist sich das erstinstanzliche Urteil danach als zutreffend, so wird damit auch die Einschätzung des erstinstanzlichen Gerichts bestätigt, dass es auf die Vorlagefragen nicht ankommt. Sollte dagegen das erstinstanzliche Urteil nach § 538 Abs. 2 ZPO aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden, kann in dem wiedereröffneten erstinstanzlichen Verfahren erneut ein Antrag nach § 1 KapMuG gestellt werden. Danach bleibt als nachteilig für den Kläger allein der Fall, dass das Berufungsgericht den Standpunkt des Landgerichts nicht teilt, von einer Zurückverweisung aber absieht und in der Sache selbst - zu Ungunsten des Klägers - entscheidet. Auch in dieser Situation werden die Interessen des Klägers jedoch dadurch ausreichend gewahrt, dass das Klageverfahren nach § 7 KapMuG ausgesetzt werden muss, sofern nur aufgrund von Anträgen anderer Kläger ein Musterverfahren eingeleitet worden ist.
11
3. War somit die Beschwerde als unbegründet - nicht unzulässig - zurückzuweisen , bestand auch kein Anlass, das Beschwerdeverfahren bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens auszusetzen.
12
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Goette Kraemer Strohn
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 31.01.2007 - 3 O 8154/06 -
OLG München, Entscheidung vom 25.04.2007 - W (KAPMU) 6/07 -

(1) Dieses Gesetz ist anwendbar in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in denen

1.
ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation,
2.
ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, oder
3.
ein Erfüllungsanspruch aus Vertrag, der auf einem Angebot nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, einschließlich eines Anspruchs nach § 39 Absatz 3 Satz 3 und 4 des Börsengesetzes, beruht,
geltend gemacht wird.

(2) Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Dies sind insbesondere Angaben in

1.
Prospekten nach der Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 168 vom 30.6.2017, S. 12), Wertpapier-Informationsblättern nach dem Wertpapierprospektgesetz und Informationsblättern nach dem Wertpapierhandelsgesetz,
2.
Verkaufsprospekten, Vermögensanlagen-Informationsblättern und wesentlichen Anlegerinformationen nach dem Verkaufsprospektgesetz, dem Vermögensanlagengesetz, dem Investmentgesetz in der bis zum 21. Juli 2013 geltenden Fassung sowie dem Kapitalanlagegesetzbuch,
3.
Mitteilungen über Insiderinformationen im Sinne des Artikels 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung und des § 26 des Wertpapierhandelsgesetzes,
4.
Darstellungen, Übersichten, Vorträgen und Auskünften in der Hauptversammlung über die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen im Sinne des § 400 Absatz 1 Nummer 1 des Aktiengesetzes,
5.
Jahresabschlüssen, Lageberichten, Konzernabschlüssen, Konzernlageberichten sowie Halbjahresfinanzberichten des Emittenten und in
6.
Angebotsunterlagen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Musterverfahrensanträge, deren Feststellungsziele den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt betreffen (gleichgerichtete Musterverfahrensanträge), werden im Klageregister in der Reihenfolge ihrer Bekanntmachung erfasst.

(2) Das Gericht, das die Bekanntmachung veranlasst, trägt die datenschutzrechtliche Verantwortung für die von ihm im Klageregister bekannt gemachten Daten, insbesondere für die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung, die Zulässigkeit ihrer Veröffentlichung und die Richtigkeit der Darstellung.

(3) Die Einsicht in das Klageregister steht jedem unentgeltlich zu.

(4) Die im Klageregister gespeicherten Daten sind nach rechtskräftigem Abschluss des Musterverfahrens oder im Fall des § 6 Absatz 5 nach Zurückweisung des Musterverfahrensantrags unverzüglich zu löschen.

(5) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über Inhalt und Aufbau des Klageregisters, insbesondere über Eintragungen, Änderungen, Löschungen, Einsichtsrechte, Datensicherheit und Datenschutz zu treffen. Dabei sind Löschungsfristen vorzusehen sowie Vorschriften, die sicherstellen, dass die Bekanntmachungen

1.
unversehrt, vollständig und aktuell bleiben sowie
2.
jederzeit ihrem Ursprung nach zugeordnet werden können.