Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Nov. 2019 - 5 StR 491/19

bei uns veröffentlicht am27.11.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 491/19
vom
27. November 2019
in dem Sicherungsverfahren
gegen
ECLI:DE:BGH:2019:271119B5STR491.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 27. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 21. Mai 2019 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten ergeben hat. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Senat bemerkt ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts: Es ist rechtlich bedenklich, dass das Landgericht bei der Tat zum Nachteil des Zeugen B. (Tat 2) nicht erörtert hat, ob der Beschuldigte freiwillig vom Versuch der gefährlichen Körperverletzung zurückgetreten ist (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB), obwohl er nach dem ersten, fehlgegangenen Schlag keine Anstalten unternommen hat, den Angriff mit dem als Tatwerkzeug verwendeten Baseballschläger fortzusetzen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2018 – 4 StR 531/17, NStZ 2018, 468). Das Urteil beruht aber nicht darauf, da die Unterbringung des Beschuldigten nach § 63 Satz 1 StGB schon aufgrund der – konkret lebensbedrohlichen – gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB) zum Nachteil der Geschädigten R. (Tat 4) gerechtfertigt ist. Sander Schneider König Mosbacher Köhler

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2018 - 4 StR 531/17

bei uns veröffentlicht am 13.03.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 531/17 vom 13. März 2018 in der Strafsache gegen wegen Betruges u.a. ECLI:DE:BGH:2018:130318B4STR531.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdefü

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 531/17
vom
13. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:130318B4STR531.17.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 13. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 11. Juli 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) in den Fällen II. 2. i) und II. 2. l) der Urteilsgründe;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in vier Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 14. Mai 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten sowie wegen Betruges in zwei Fällen und versuchten Betruges in sechs Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Seine allgemein auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betruges in den Fällen II. 2. i) und II. 2. l) der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
3
a) Nach den zu diesen beiden Fällen getroffenen Feststellungen versandte der Angeklagte – ebenso wie in weiteren Fällen – in betrügerischer Absicht Rechnungen an Gewerbetreibende über angeblich von diesen in Auftrag gegebene Eintragungen in Branchenverzeichnisse im Internet. In den Fällen II. 2. i) und II. 2. l) erkannten die Empfänger der Rechnungen deren Nichtberechtigung und zahlten die ausgewiesenen Beträge nicht.
4
b) Die Urteilsgründe weisen insoweit einen durchgreifenden Erörterungsmangel auf, als sich aus ihnen nicht hinreichend ergibt, ob der Angeklagte in diesen beiden Fällen von einem versuchten Betrug strafbefreiend zurückgetreten ist. Das Urteil verhält sich nicht zur Vorstellung des Angeklagten nach dem Ende seiner letzten Ausführungshandlung bei diesen beiden Taten (sog. Rücktrittshorizont ; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227), insbesondere dazu, ob er davon ausging, er könne die den Rechnungsempfängern angesonnene Zahlung des Rechnungsbetrages noch erreichen , etwa durch den – auch in anderen Fällen von ihm vorgenommenen – Versand von Mahnungen. Daher bleibt offen, ob in diesen beiden Fällen der Betrugsversuch fehlgeschlagen, unbeendet oder beendet war. Dies durfte indes nicht dahinstehen, da im Fall eines unbeendeten Versuchs der Angeklagte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 StGB bereits durch freiwilliges Abstandneh- men von weiteren Ausführungshandlungen vom Betrugsversuch strafbefreiend zurückgetreten wäre (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 1994 – 2 StR 449/94, BGHSt 40, 304, 306).
5
Soweit die Strafkammer in der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils – pauschal für alle Taten – ausgeführt hat, ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch komme nicht in Betracht, da der Angeklagte in keinem einzigen Fall freiwillig auf die weitere Geltendmachung der Rechnungsforderungen verzichtet habe (UA 46), führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn die fehlende Freiwilligkeit ist nur in Bezug auf die weiteren versuchten Betrugstaten hinreichend belegt, für die jeweils festgestellt ist, dass sich die Rechnungsempfänger gegen die unberechtigten Forderungen mittels anwaltlicher Hilfe oder durch die Erstattung von Strafanzeigen zur Wehr setzten. Hingegen fehlen für die Fälle II. 2. i) und II. 2. l) der Urteilsgründe entsprechende Feststellungen; insoweit teilen die Urteilsgründe lediglich mit, dass die Rechnungsempfänger den geltend gemachten Betrag nicht zahlten.
6
2. Bereits der Wegfall der für diese beiden Taten festgesetzten Einzelstrafen entzieht der (zweiten) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten die Grundlage.
7
3. Die Verhängung der (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten hält der revisionsrechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Das Landgericht hat diese Gesamtstrafe im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB aus den Einzelstrafen für die Fälle II. 2. a) bis II. 2. d) der Urteilsgründe und einer unerledigten Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 14. Mai 2014 gebildet. Angesichts lückenhafter Feststellungen zu einer früheren Verurteilung vermag der Senat jedoch nicht zu prüfen, ob das Landgericht zu Recht die Voraussetzungen des § 55 StGB angenommen hat.
8
Die dem Urteil vom 14. Mai 2014 zugrunde liegende Tat hatte der Angeklagte begangen, bevor ihn das Amtsgericht Bünde am 24. September 2013 wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen zu einer (Gesamt-)Geldstrafe verurteilte. Waren die Einzelstrafen aus dem Urteil vom 24. September 2013 am 14. Mai 2014 noch nicht erledigt, war aus ihnen und der an diesem Tag verhängten Geldstrafe eine neue Gesamtgeldstrafe mit der Folge zu bilden, dass das frühere Urteil vom 24. September 2013 Zäsurwirkung entfaltete (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 55 Rn. 11). Eine Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil vom 14. Mai 2014 gemäß § 55 StGB kam dann im vorliegenden Verfahren nicht mehr in Betracht; vielmehr hätte das Landgericht aus den von ihm verhängten Einzelstrafen gemäß § 54 StGB eine Gesamtstrafe bilden müssen. Da sich das angefochtene Urteil zur Erledigung der Strafen aus dem Urteil vom 24. September 2013 nicht verhält, kann die Bildung der nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB keinen Bestand haben.
9
4. Für den Fall, dass erneut eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe mit der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bünde vom 14. Mai 2014 zu bilden ist, weist der Senat darauf hin, dass in diese Gesamtstrafe nur diejenigen Taten einbezogen werden dürfen, die zum Zeitpunkt des Urteils vom 14. Mai 2014 bereits beendet waren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 1 StR 142/94, NStZ 1994, 482, 483; Fischer, aaO, § 55 Rn. 7; Rissing-van Saan in LK-StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 9).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.