Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2002 - 5 StR 40/02

21.02.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 40/02

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 21. Februar 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2002

beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Januar 2001 wird verworfen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil wird nach § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsbehelfe zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Nach mündlicher Rechtsmittelbelehrung und Rücksprache mit seinem Verteidiger – Rechtsanwalt W – hat der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtet. Mit Schriftsatz seines neuen Verteidigers – eingegangen am 31. August 2001 – erklärt er die Anfechtung des Verzichts. Zur Begründung trägt er – die Richtigkeit der Tatsachen eidesstattlich versichernd – vor, Grundlage seines Rechtsmittelverzichts sei das ihm vom Vorsitzenden mitgeteilte Ergebnis von dessen Besprechung über den Ausgang eines gegen ihn anhängigen Verfahrens bei einer Berufungskammer mit deren Vorsitzenden gewesen. Danach sei ihm in Aussicht gestellt worden, nicht mit einer verbüßungsfähigen Strafe bei einer Gesamtstrafenbildung rechnen zu müssen , so es überhaupt zu einer Gesamtstrafenbildung kommen würde. Zu seiner großen Überraschung sei in der Berufungshauptverhandlung am 10. Juli 2001 von einer solchen Verabredung nichts bekannt gewesen. Unter Mitwirkung von Rechtsanwalt W sei er ± noch nicht rechtskräftig ± zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden. Erst am 15. August 2001 hätte er von seinem neuen Verteidiger von der Möglichkeit der Anfechtung des Rechtsmittelverzichts erfahren und entsprechenden Auftrag erteilt. Durch ein ± vom Verteidiger anwaltlich versichertes ± Büroversehen war erst am 27. August 2001 die Überschreitung der Wiedereinsetzungsfrist bemerkt worden.
Der Vorsitzende der großen Strafkammer und der beisitzende Richter haben in dienstlichen Erklärungen die vom Angeklagten versicherten Äußerungen in Abrede gestellt.
Gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist (§ 45 Abs. 1 StPO) war dem Angeklagten Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. BGH NJW 1994, 3112; BGHR StPO § 44 Verschulden 3), da ihn, wie sein Verteidiger vorgetragen und glaubhaft gemacht hat, daran kein (Mit-)Verschulden trifft (§ 44 Satz 1 StPO).
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Angeklagte die Tatsachen zur Begründung seines weitergehenden Wiedereinsetzungsantrags glaubhaft gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Seine eigene eidesstattliche Versicherung dürfte als zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen sein (vgl. BGHR StPO § 45 Abs. 2 Glaubhaftmachung 3), weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß dem Angeklagten durch eine an- waltliche Versicherung von Rechtsanwalt W eine weitere Glaubhaftmachung nicht möglich gewesen wäre (vgl. BGHR aaO).
Eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision scheidet nämlich aus, weil der Angeklagte nach wirksam erklärtem Rechtsmittelverzicht bewuût von einem befristeten Rechtsmittel keinen Gebrauch gemacht hat und deshalb nicht im Sinn von § 44 Satz 1 StPO verhindert war, eine Frist einzuhalten (BGHR StPO § 44 Anwendungsbereich 2). Ein Rechtsmittelverzicht ist als Prozeûerklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar (st. Rspr., vgl. BGHSt 45, 51, 53, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 22). Den dagegen vorgebrachten Einwendungen des Angeklagten stehen die eindeutigen dienstlichen Erklärungen der Berufsrichter entgegen. Die Verurteilung des Angeklagten war ihrerseits nicht von einer Verfahrensabsprache beeinfluût. Der wirksame Rechtsmittelverzicht des Angeklagten führt zur Verwerfung seiner dadurch unzulässigen Revision gemäû § 349 Abs. 1 StPO (BGH NStZ 1997,

148).


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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 45 Anforderungen an einen Wiedereinsetzungsantrag


(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei de

Strafprozeßordnung - StPO | § 44 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fristversäumung


War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1

Strafprozeßordnung - StPO | § 302 Zurücknahme und Verzicht


(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Frist wahrzunehmen gewesen wäre. Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Antrag rechtzeitig bei dem Gericht gestellt wird, das über den Antrag entscheidet.

(2) Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.