Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2006 - 4 StR 520/05

26.01.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 520/05
vom
26. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 26. Januar 2006 gemäß
§§ 154 Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen verurteilt worden ist; insoweit werden die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt,
b) das Urteil des Landgerichts Essen vom 9. Juni 2005 im Schuldspruch dahin geändert, dass die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen entfällt. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die übrigen Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
2
Das Rechtsmittel hat nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts ein, soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen zum Nachteil seiner Stieftochter Tanja T. verurteilt worden ist, weil aus den Urteilsgründen weder ersichtlich ist, wie alt das Mädchen zum Zeitpunkt der Taten war, noch welche Feststellungen das Landgericht zur zweiten dem Angeklagten insoweit zur Last gelegten Tat getroffen hat.
4
2. Die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in elf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung, zum Nachteil der Stieftochter Laura-Jane T. kann dagegen bestehen bleiben. Zum Alter des Mädchens, dessen Geburtsdatum sich ebenfalls nicht aus dem Urteil ergibt, ist hier noch zureichend festgestellt, dass es bei der ersten Tat nicht einmal zehn Jahre, bei der letzten weniger als 14 Jahre alt war (Abschnitt V. i.V.m. Abschnitt II. und IV. der Urteilsgründe). Auch im Übrigen weist der Schuldspruch insoweit keinen Rechtsfehler auf.
5
3. Mit der Teileinstellung ist der Schuldspruch entsprechend zu ändern, und es entfallen die beiden wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verhängten Einzelstrafen von jeweils acht Monaten Freiheitsstrafe. Die Gesamtfreiheitsstrafe kann bestehen bleiben: Im Hinblick auf die Anzahl und die Höhe der verbleibenden rechtsfehlerfrei festgesetzten elf Einzelstrafen (zwei Jahre sechs Monate, ein Jahr zehn Monate, viermal ein Jahr acht Monate und fünfmal ein Jahr drei Monate Freiheitsstrafe) schließt der Senat aus, dass das Landgericht ohne die beiden entfallenen Einzelfreiheitsstrafen auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte. Entgegen der Auffassung der Revision ist dem Urteil nicht zu entnehmen, dass in die Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten eingeflossen ist, dass er beide Stieftöchter sexuell missbraucht hat. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, erachtet der Senat die Gesamtstrafe als schuldangemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO (vgl. hierzu BGH NStZ 2005, 284 und 285; BGH, Beschluss vom 5. April 2005 – 3 StR 80/05).
6
4. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 467 Abs. 1, 472 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 473 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StPO.
Maatz Kuckein Athing
Solin-Stojanović Sost-Scheible

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Referenzen

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.