Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Feb. 2016 - 3 StR 481/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:230216B3STR481.15.0
bei uns veröffentlicht am23.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 481/15
vom
23. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
ECLI:DE:BGH:2016:230216B3STR481.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 23. Februar 2016 einstimmig beschlossen:
Die Revision desAngeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 3. Juli 2015 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1a StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Das Landgericht hat die Ablehnung einer maßgeblichen Strafmilderung wegen der Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten infolge seiner Alkoholisierung bei der Prüfung des minder schweren Falles sowie bei der Prüfung - und letztlich Versagung - der Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB allein auf den Umstand gestützt, dass der Angeklagte die Trunkenheit selbst verschuldete. Ob sich dieses Vorgehen als rechtsfehlerfrei darstellt , ist Gegenstand eines vom Senat eingeleiteten Anfrageverfahrens gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG. Selbst wenn sich die Ermessensentscheidung der Strafkammer danach als rechtsfehlerhaft erweisen würde, berührte dies den Strafausspruch vorliegend nicht, weil die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat, angemessen ist (§ 354 Abs. 1a StPO).
Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte beanstandet, sein Befangenheitsgesuch gegen den von der Strafkammer beauftragten psychiatrischen Sachverständigen sei zu Unrecht verworfen worden, kann hier nicht darauf gestützt werden, das Landgericht habe den seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ausreichend dargelegt (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 22. Juli 2014 - 3 StR 302/14, BGHR StPO § 74 Abs. 1 Satz 1 Befangenheit 6 mwN). Entgegen dem Revisionsvorbringen besteht ausweislich der Beschlussbegründung kein Zweifel daran, dass das Landgericht festgestellt hat, der Sachverständige sei deshalb nicht vom Vorliegen einer Notwehrlage ausgegangen , weil er daran aufgrund des Gutachtenauftrags, der auf der in der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss mitgeteilten Sachverhaltsschilderung fußte, gebunden war. Auf der Grundlage dieses festgestellten Verfahrenssachverhalts wäre die Entbindung des Sachverständigen mithin sogar rechtsfehlerhaft gewesen. Soweit die Revision weiterhin rügt, Kern des Befangenheitsgesuchs sei gewesen, dass der Sachverständige seiner vorläufigen Begutachtung in fehlerhafter Art und Weise die sogenannte Psychopathy-Checklist zugrunde gelegt habe, gilt Folgendes: bei der Erstattung eines psychiatrischen Gutachtens hat der Sachverständige selbst zu entscheiden, welche Untersuchungsmethoden er anwendet; seine diesbezügliche Vorgehensweise kann seine Befangenheit nicht begründen (MüKoStPO/Trück, § 74 Rn. 11 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 74 Rn. 7). Da (vermeintlich) mangelnde Sachkunde keinen Befangenheitsgrund ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. November 2001 - 1 StR 470/01, NStZ-RR 2002, 110 mwN), gilt dies auch dann, wenn sich die Methodenauswahl tatsächlich als fehlerhaft erwiese. Mit Blick darauf, dass eine Entbindung des Sachverständigen auf der Grundlage des vom Landgericht mitgeteilten Sachverhalts - wie dargelegt - nicht in Betracht kam, vermag auch eine insoweit fehlende Begründung im Zurückweisungsbeschluss der Verfah- rensbeanstandung nicht zum Erfolg zu verhelfen, zumal derInstanzverteidiger - entgegen dem Revisionsvorbringen - in dem Gesuch ohnehin ausgeführt hat, auf die fehlerhafte Verwendung der Prognoseinstrumente komme es im Rahmen des Befangenheitsantrags nicht an.
Becker Schäfer Gericke Spaniol Tiemann

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Strafprozeßordnung - StPO | § 74 Ablehnung des Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Das Ab

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Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2001 - 1 StR 470/01

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 470/01 vom 20. November 2001 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2001 beschlossen :

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Juli 2014 - 3 StR 302/14

bei uns veröffentlicht am 22.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 S t R 3 0 2 / 1 4 vom 22. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 3 0 2 / 1 4
vom
22. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 22. Juli
2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 4. März 2014, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und versuchtem Schwangerschaftsabbruch zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Angeklagte beanstandet zu Recht, dass das Landgericht einen Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen mit unzureichender und damit rechtsfehlerhafter Begründung zurückgewiesen hat (§ 74 StPO).
3
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
4
Der Angeklagte hat den Sachverständigen, der mit seiner forensischpsychiatrischen Begutachtung beauftragt war, wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Gutachten sei nicht mit der erforderlichen wissenschaftlichen Sorgfalt erstellt worden. Außerdem habe der Sachverständige den Wunsch des Angeklagten unterbunden, dass bei der Exploration sein Verteidiger anwesend sein sollte. Schließlich habe der Sachverständige den Verteidiger nicht über dieses Anliegen informiert; vielmehr habe er diesem telefonisch bewusst wahrheitswidrig ausrichten lassen , die Begutachtung sei praktisch abgeschlossen und der Angeklagte habe ihm gegenüber nicht geäußert, dass er seinen Verteidiger dabei haben wollte.
5
Das Landgericht hat diesen Antrag zurückgewiesen und dies damit begründet , weder das wissenschaftliche Vorgehen des Sachverständigen noch die Tatsache, dass dieser die Exploration in Abwesenheit des Verteidigers durchgeführt habe, rechtfertigten die Besorgnis der Befangenheit. Zu dem weiteren Vorwurf, der Sachverständige habe den Verteidiger unzutreffend über den Wunsch des Angeklagten informiert, die Exploration im Beisein seines Verteidigers durchzuführen, verhält sich der den Antrag ablehnende Beschluss nicht.
6
2. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
7
Anders als bei der Ablehnung eines Richters prüft das Revisionsgericht bei der Ablehnung eines Sachverständigen nicht selbstständig, ob die Voraussetzungen für die Besorgnis einer Befangenheit im konkreten Fall vorliegen. Es hat vielmehr allein nach revisionsrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden, ob das Ablehnungsgesuch ohne Verfahrensfehler und mit ausreichender Begründung zurückgewiesen worden ist. Dabei ist es an die vom Tatgericht festgestellten Tatsachen gebunden und darf keine eigenen Feststellungen treffen. Aus diesem Grunde muss das Tatgericht in seinem Beschluss darlegen, von welchen Tatsachen es ausgeht (BGH, Beschluss vom 23. März 1994 - 2 StR 67/94, NStZ 1994, 388). Die gemäß § 34 StPO erforderliche Begründung des Beschlusses muss im Übrigen so ausführlich sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob das Tatgericht die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt hat; daneben muss sie die Verfahrensbeteiligten in die Lage versetzen, ihr weiteres Prozessverhalten darauf einzurichten (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 74 Rn. 17 mwN).
8
Diesen Anforderungen wird die Begründung des Beschlusses des Landgerichts nicht gerecht. Die Strafkammer hat zu einem wesentlichen Teil der Begründung des Ablehnungsgesuchs nicht Stellung genommen. Damit ist weder erkennbar, von welchen Tatsachen sie insoweit ausgegangen ist, noch, ob ihre Entscheidung im Übrigen rechtsfehlerfrei ist. Eine sachliche Überprüfung der Entscheidung durch den Senat als Revisionsgericht ist deshalb nicht möglich. Ebenso wenig konnte der Angeklagte sein weiteres Prozessverhalten auf die Begründung der Strafkammer einrichten.
9
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler berührt den Schuldspruch nicht. Es ist mit Blick auf die im Übrigen rechtsfehlerfreien Feststellungen zum Lebenslauf des Angeklagten und zur Tat auszuschließen, dass das Landgericht im Falle des Erfolgs des Ablehnungsgesuchs und Zuziehung eines anderen Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt wäre, der Angeklagte sei bei Begehung der Tat schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB gewesen. Allerdings beruht der Strafausspruch auf der fehlerhaften Ablehnung des Befangenheitsgesuches, denn der Senat kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass die Strafkammer bei Einholung eines anderen Sachverständigengutachtens, auf eine geringere Strafe erkannt hätte, etwa weil weitere Strafmilderungsgründe zutage getreten wären oder sie sich davon überzeugt hätte, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB war. Die Sache bedarf deshalb zum Strafausspruch neuer Verhandlung und Entscheidung.
Becker Schäfer Mayer
RiBGH Gericke befindet sich Spaniol im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Das Ablehnungsrecht steht der Staatsanwaltschaft, dem Privatkläger und dem Beschuldigten zu. Die ernannten Sachverständigen sind den zur Ablehnung Berechtigten namhaft zu machen, wenn nicht besondere Umstände entgegenstehen.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 470/01
vom
20. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2001 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kempten (Allgäu) vom 2. August 2001 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Der Angeklagte hatte vor der Hauptverhandlung im Hinblick auf den
Inhalt des (vorbereitenden schriftlichen) Gutachtens zur Schuldfähigkeit des
Angeklagten einen Befangenheitsantrag (§ 74 StPO) gegen den Sachverständigen
gestellt, der einen bestimmten Test nicht verwendet und sich zu wesentlichen
Fragen nicht (klar) geäußert habe. Dieser Antrag wurde ebenfalls noch
vor der Hauptverhandlung zurückgewiesen. In der Hauptverhandlung, in der
der Sachverständige gehört wurde, wurde der Ablehnungsantrag nicht wiederholt.
Die Revision macht geltend, der Befangenheitsantrag sei zu Unrecht zurückgewiesen
worden. Wäre ein anderer Sachverständiger gehört worden, wäre
die Schuldfähigkeit des Angeklagten möglicherweise anders zu beurteilen
gewesen.

a) Mit der gegen die Ablehnung des Befangenheitsantrags gerichteten
Verfahrensrüge kann die Revision schon im Ansatz keinen Erfolg haben. Die
Anhörung eines Sachverständigen ist ein Beweismittel. Mit einem Befangenheitsantrag
wird geltend gemacht, der in Rede stehende Sachverständige dürfe
nicht als Beweismittel verwendet werden. Dies ist zwar kein Beweisantrag,
wohl aber ein Antrag zur Beweisaufnahme, bei dessen Behandlung Grundsätze
des Beweisrechts zur Anwendung kommen (Eisenberg, Beweisrecht der StPO,
3. Aufl. Rdn. 1557; Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß,
5. Aufl. S. 105 m.w.N.). Daraus folgt, daß eine Verfahrensrüge nicht darauf gestützt
werden kann, daß der in der Hauptverhandlung nicht wiederholte Antrag
vor der Hauptverhandlung (nicht beschieden oder) zurückgewiesen wurde
(OLG Hamm, VRS 39, 217; Eisenberg aaO Rdn. 1564; Kleinknecht/MeyerGoßner
, StPO 45. Aufl. § 74 Rdn. 21; Lemke in HK 3. Aufl. § 74 Rdn. 18).

b) Im übrigen ist mit dem Antrag inhaltlich mangelnde Sachkunde des
Sachverständigen geltend gemacht. Hierauf kann sich ein gegen einen Sachverständigen
gerichteter Befangenheitsantrag ohnehin nicht stützen (Senge in
KK 4. Aufl. § 74 Rdn. 5 m.w.N.).

c) Die Ablehnung des Antrags könnte allenfalls eine Verletzung der Aufklärungspflicht
(§ 244 Abs. 2 StPO) darstellen (vgl. zu einem vor der Hauptverhandlung
gestellten und dort nicht wiederholten Beweisantrag BGH, Beschluß
vom 17. Januar 2001 - 1 StR 557/00; BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aufdrängen 1;
Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 219 Rdn. 39 m.w.N.). Das genannte
Vorbringen zur Möglichkeit einer anderen Beurteilung der Schuldfähigkeit
des Angeklagten bei Anhörung eines anderen Sachverständigen entspricht
jedoch nicht den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO an eine ordnungsgemäß
erhobene Aufklärungsrüge.
2. Die Strafkammer hat in der Hauptverhandlung die Niederschrift der
kommissarischen Vernehmung des Zeugen B. in D. verlesen und
ihre Ergebnisse im Urteil verwertet. Hiergegen wendet sich die Revision mit
dem Vorbringen, im Zusammenhang mit der Vernehmung inD. seien die
Anwesenheitsrechte der Verteidigung (§ 168c Abs. 2 und 5 StPO) verletzt worden.
Ohne daû der Senat diesem Vorbringen im übrigen näher nachzugehen
brauchte, kann die Revision schon deshalb damit nicht gehört werden, weil für
ein etwaiges Verwertungsverbot jedenfalls ein sofortiger Widerspruch in der
Hauptverhandlung erforderlich gewesen wäre (BGH NJW 1996, 2239, 2241;
Wache in KK 4. Aufl. § 168c Rdn. 22 m.w.N.). Hierzu teilt die Revision jedoch
entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nichts mit.
VRiBGH Dr. Schäfer ist nach Wahl Boetticher
Beschluûfassung erkrankt und
daher an der Unterschriftsleistung
verhindert.
Dr. Wahl
Kolz Hebenstreit