Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2000 - 2 StR 541/99

bei uns veröffentlicht am26.01.2000

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 541/99
vom
26. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2.: Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. Januar 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten Dr. M. und B. wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 22. Februar 1999, soweit es diese Angeklagten betrifft, 1. im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte Dr. M. der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung, der Angeklagte B. der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist, 2. in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten Dr. M. wegen ”versuchter Anstiftung zur schweren Körperverletzung” – gemeint ist, wie sich aus der angeführten Paragraphenkette ergibt, ”Anstiftung zum Versuch der besonders schweren Körperverletzung” (§§ 225 II a.F., 22, 23, 26 StGB) - in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren
und sechs Monaten, den Angeklagten B. wegen versuchter (besonders) schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten Dr. M. mit Verfahrensrügen und der Sachrüge und die Revision des Angeklagten B. mit der Sachrüge. Die Verfahrensrügen erweisen sich aus den Darlegungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Rechtsmittel haben mit den Sachrügen in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte Dr. M. einem weiteren Angeklagten S. die Zahlung von 6.000,- DM versprochen, wenn er dafür sorge, daß sein Nachbar und Konkurrent, der Zeuge K., mit dem seit Jahren Spannungen bestanden, zusammengeschlagen werde. S. gewann u.a. den Angeklagten B. für die Ausführung dieser Tat. Zusammen mit zwei weiteren Tätern - dem Angeklagten Ku. und T., der unbekannten Aufenthalts ist, - überfiel B. den Zeugen K. Alle drei schlugen mit mitgebrachten Stöcken auf ihn ein. Als sie von Anwohnern gestört wurden, zog T. ein Messer und stach – für die Mittäter überraschend - auf das Tatopfer ein, das erheblich verletzt wurde, jedoch keine körperlichen Dauerschäden erlitt.
1. Die Ausführungen des Landgerichts, der Angeklagte Dr. M. habe nicht nur gewollt, daß der Zeuge K. zusammengeschlagen und erheblich verletzt werde, sondern darüber hinaus zwar nicht den Tod, aber ”einen langfristigen, den Zeugen erheblich beeinträchtigenden Krankheitszustand von nicht absehbarem Ende, zumindest aber auch eine entsprechende Arbeitsunfähigkeit” bewirken wollen und S. unmittelbar, die weiteren Täter mittelbar dazu angestiftet, dem Zeugen zum Siechtum führende Verletzungen zuzufügen, begegnen
durchgreifenden Bedenken. Die Beweiswürdigung zur Anstiftung zur besonders schweren Körperverletzung (§ 225 Abs. 2 a.F.) ist nicht rechtsfehlerfrei.
Auch wenn es grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag. So ist es hier:
Das Landgericht stützt seine Überzeugung von einem entsprechenden Anstiftervorsatz des Angeklagten Dr. M. auf die Überlegung, der Angeklagte habe die fortdauernden Spannungen und die geschäftliche Konkurrenzsituation dadurch beenden wollen, daß der Zeuge K., der nicht Eigentümer des Grundstücks war und das Lokal als Lizenznehmer einer größeren Kette betrieb, so schwer verletzt werden sollte, daß er diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen würde aufgeben müssen. Diese Schlußfolgerung ist zwar an sich möglich, sie findet aber im weiteren Beweisergebnis keine ausreichende Bestätigung. Der Angeklagte selbst und der von ihm angesprochene S. haben jede Tatbeteiligung bestritten. Die von S. angesprochenen Brüder D. – die in der Hauptverhandlung ihre Angaben abgeschwächt haben - haben bei ihrer ersten polizeilichen bzw. richterlichen Vernehmung ausgesagt, daß nach dem Wunsch des Auftraggebers das Opfer richtig zusammengeschlagen werden sollte, ”so daß man etwas davon merke”, ”daß auch etwas zurückbliebe”. Von Tötung sei keine Rede gewesen. Der Angeklagte B., der zusammen mit zwei anderen die eigentliche Tatausführung besorgen sollte, hat erklärt, es sei darum gegangen, den Zeugen zu verprügeln und zu bestrafen. Es sollte ihm ein
”starker Denkzettel” verpaßt werden, er habe Beulen und Prellungen erhalten sollen. Diesem in der Hauptverhandlung abgelegten – von dem Landgericht im wesentlich als glaubhaft angesehenen - Geständnis hat sich der Angeklagte Ku. angeschlossen.
Zwar weist das Landgericht zu Recht darauf hin, daß die Höhe der versprochenen Belohnung und der Einsatz der Schlagwerkzeuge dafür sprechen, daß nicht nur eine harmlose Prügelei geplant war. Auch unter Berücksichtigung dieser Erwägung läßt das Beweisergebnis aber weitere nicht fernliegende Möglichkeiten offen, etwa die, daß der Angeklagte Dr. M. damit rechnete, der erneute Überfall – der Zeuge K. war bereits einige Monate zuvor von unbekannten Tätern niedergeschlagen worden – werde dazu führen, daß dieser sich eingeschüchtert auch ohne schwere Verletzungsfolgen im Sinne von § 224 StGB a.F. aus dem Betrieb zurückziehen oder jedenfalls für eine längere Zeit ausfallen werde. Dafür könnte sprechen, daß die als Schläger eingesetzten Angeklagten B. und Ku. nur von einem ”starken Denkzettel” ausgegangen sind und von den ihnen als Mittäterexzeß auch nicht zugerechneten vorher nicht verabredeten Messerstichen des dritten Täters überrascht wurden. Der Senat schließt aus, daß noch Feststellungen getroffen werden können, die einen Anstiftervorsatz des Angeklagten im Sinne von §§ 224, 225 StGB a.F. belegen und ändert den Schuldspruch dahin, daß der Angeklagte der Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung schuldig ist.
2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte B. habe vorsätzlich Verletzungsfolgen im Sinne von § 224 StGB a.F. verursachen wollen, entbehrt ebenfalls einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Dem als glaubhaft angesehenen Geständnis des Angeklagten läßt sich ein so weitgehender Vorsatz
nicht entnehmen. Der Senat schließt auch bei diesem Angeklagten aus, daß weitergehende Feststellungen zur subjektiven Tatseite noch getroffen werden können und ändert den Schuldspruch dahin, daß der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist.
§ 265 StPO steht den Schuldspruchänderungen nicht entgegen.
3. Die Strafaussprüche können danach keinen Bestand haben. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen bleiben möglich.
Der neue Tatrichter wird bei der Strafzumessung als gewichtigen Strafschärfungsgrund berücksichtigen müssen, daß die Angeklagten erhebliche Verletzungen des Zeugen angestrebt haben und der Angeklagte Dr. M. auch lebensgefährliche Verletzungen des Zeugen schuldhaft verursacht hat.
Jähnke RiBGH Theune ist infolge Niemöller Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Jähnke Otten Rothfuß

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2000 - 2 StR 541/99 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Strafgesetzbuch - StGB | § 225 Mißhandlung von Schutzbefohlenen


(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die 1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,2. seinem Hausstand angehört,3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder4.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die

1.
seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2.
seinem Hausstand angehört,
3.
von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4.
ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält oder roh mißhandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr

1.
des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2.
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung
bringt.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.