Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2010 - 2 StR 382/10

bei uns veröffentlicht am29.09.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 382/10
vom
29. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegenbandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 29. September 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. März 2010 wird
a) der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist - in den Fällen Ziffer 3-12, 41-58 des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, - in den Fällen 39 und 40 des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln;
b) das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben - im Strafausspruch in den Fällen Ziffer 3-12, 39-58, - im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln als Mitglied einer Bande in zwei Fällen (Fälle 39, 40), wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 28 Fällen (Fälle 1, 2, 13-38) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in 28 Fällen (Fälle 3-12, 41-58) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und zwei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 301.272,29 € angeordnet. Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen Bandenhandels in den Fällen 3-12 sowie 3958 hat keinen Bestand. Nach den Urteilsfeststellungen vereinbarte der Angeklagte mit dem gesondert verfolgten R. , der im Großraum G. eine Organisation zum gewinnbringenden Vertrieb von Betäubungsmitteln aufgebaut hatte, der Gruppierung regelmäßig größere Mengen Rauschgift zu verschaffen. In der Folgezeit stellte R. dem Angeklagten die einzelnen Mitlieder der Organisation nach und nach vor. Die einzelnen Verkäufe wurden so abgewickelt , dass R. die benötigten Drogen zunächst beim Angeklagten telefonisch bestellte. Nachdem der Angeklagte sie bei seinem unbekannt gebliebenen Lieferanten besorgt hatte, schickte R. einen Kurier zum Angeklagten , um sie abzuholen. Die Bezahlung der Drogen erfolgte entweder durch R. selbst oder durch ein anderes Mitglied der Organisation. In allen Fällen erfolgten Übergabe und Zahlung des Kaufpreises am Wohnort des Angeklagten. Haschisch und Kokain bezog die Organisation ausschließlich vom An- geklagten. Der erreichte Gesamtumsatz belief sich auf einen Betrag in Höhe von 302.378,60 €, der von dem Angeklagten erzielte Gewinn auf mindestens 23.046 €.
3
Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte in den genannten Fällen als Mitglied einer Bande gehandelt habe. Dem Angeklagten habe es oblegen, das Rauschgift von einem unbekannten Lieferanten zu beziehen und der Organisation zum gewinnbringenden Verkauf zur Verfügung zu stellen. Der Angeklagte sei ständiger Lieferant des R. gewesen und habe nur über Abnehmer aus dem Kreis der Bande verfügt. Insoweit habe ein eingespieltes Bezugs- und Absatzsystem bestanden, in welchem er mit den anderen Mitgliedern der Bande ein gemeinsames übergeordnetes Interesse verfolgt habe.
4
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach den Urteilsfeststellungen hat sich der Angeklagte nicht wegen Bandenhandels im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1 und 30a Abs. 1 BtMG strafbar gemacht. Das auf Dauer angelegte Zusammenwirken mehrerer selbständiger, eigene Interessen verfolgender Geschäftspartner begründet beim Betäubungsmittelhandel auch dann noch keine Bande im Sinne dieser Vorschriften, wenn es aufgrund entsprechender, über das einzelne Geschäft hinaus reichender Abreden zu einem eingespielten Bezugs - und Absatzsystem und damit letztlich zu einer organisatorischen Struktur führt (BGHSt 42, 255, 259).
5
So verhält es sich hier. Der Angeklagte hat der bereits bestehenden Organisation um R. das Rauschgift auf eigene Rechnung verkauft. Die Drogen wurden bei ihm abgeholt und - ohne dass es jemals zu Zahlungsausfällen gekommen ist - von R. selbst oder einem seiner Mitarbeiter am Wohnort des Angeklagten bezahlt. Der Angeklagte war finanziell nicht davon abhängig, welchen Erlös die Organisation bei dem Vertrieb des von ihm besorgten Rauschgifts an die Endverbraucher erzielte. Seine beim Verkauf im Verhältnis zum Bezugspreis seines Lieferanten erzielten Gewinne wurden nicht an die von R. geführte Bande überführt und unter ihren Mitgliedern verteilt, sondern verblieben in vollem Umfang bei ihm. Daraus folgt, dass der Angeklagte nicht lediglich mit R. im gemeinsamen Bandeninteresse als dessen verlängerter Arm zusammenarbeitete, sondern ihm und der Bande als eigene Interessen verfolgender, selbstständiger Geschäftspartner gegenüber stand. Hierfür spricht schließlich auch der Umstand, dass der Angeklagte seine Lieferquelle vor R. und der Organisation geheim gehalten hat.
6
3. Der Angeklagte hat sich daher nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen in den Fällen 3-12 sowie 39-58 lediglich wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) sowie in den Fällen 39 und 40 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) schuldig gemacht. Der Senat schließt aus, dass in einer erneuten Hauptverhandlung andere oder weitergehende Feststellungen getroffen werden können. Dem entsprechend hat er den Schuldspruch geändert. Die Änderung des Schuldspruchs bedingt die Aufhebung des jeweiligen Strafausspruchs sowie des Gesamtstrafenausspruches.
Fischer Appl Schmitt Krehl Ott

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Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2010 - 2 StR 382/10 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.