Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Sept. 2011 - 2 StR 277/11
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Der Schuldspruch ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht zu beanstanden. Hingegen hat das Urteil im Straf- ausspruch keinen Bestand. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser sich im Zeitpunkt der Tat in einer schweren Lebenskrise befand und dass die Erkenntnis, dass seine Frau ihn verlassen will, bei ihm nicht ausschließbar zu großer Verzweiflung geführt hat. Ferner hat es strafmildernd berücksichtigt, dass die Tat als Spontantat gewertet werden müsse. Im erheblichen Maße zu Lasten des Angeklagten hat es (allein) dessen Nachtatverhalten gewertet, indem dieser "gegipfelt" in einem am 16. November 2010 aus der Untersuchungshaft verfassten Brief an die Eltern der Geschädigten diese geradezu verhöhnt habe (UA S. 54). Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Verhalten gegenüber Zeugen nur dann strafschärfend berücksichtigt werden, wenn es eindeutig die Grenzen angemessener Verteidigung überschreitet und Rückschlüsse auf eine rechtsfeindliche Einstellung des Angeklagten zulässt (vgl. nur BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4, 5, 8,
13).
Dies ist hier nicht der Fall: Da der Angeklagte seine Täterschaft stets in Abrede gestellt hat, konnte es ihm als Ehemann der Getöteten nicht verwehrt sein, im Wege "qualifizierter Verteidigung" gegenüber den Verwandten des Opfers Trauer zu bekunden. Soweit die Schwurgerichtskammer darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte in dem Brief sogar Vorwürfe gegen die Geschädigte formuliert habe, stellen diese – "egal, was mir I. angetan, gedacht und geplant" hat (UA S. 18) – keine Umstände dar, die das Verhalten des Angeklagten als eine besonders herabwürdigende Verleumdung des Tatopfers erscheinen lassen und deshalb strafschärfend berücksichtigt werden könnten (vgl. BGH NStZ 1995, 78; StV 1995, 633). Dies gilt zumal angesichts dessen, dass der Angeklagte in unmittelbaren Anschluss daran erklärt, dass er I. noch liebe (UA S. 18) und dass er bei Abfassung des Schreibens naheliegender Weise davon ausgehen musste, dass den Adressaten des Briefes die Trennungsabsichten des Tatopfers bekannt waren. Der Strafausspruch wird daher aufzuheben sein."Appl Berger Krehl Eschelbach Ott
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Referenzen - Gesetze
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.